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Landgericht Potsdam Urteil vom 29.05.2019 - O 76/19 - Sittenwidrige Abgasrückführungsabschalteinrichtung

LG Potsdam v. 29.05.2019: Sittenwidrige Abgasrückführungsabschalteinrichtung und Konzernzurechnung


Das Landgericht Potsdam (Urteil vom 29.05.2019 - 6 O 76/19) hat entschieden:

  1.  Durch den Einbau der unzulässigen Abschaltvorrichtung hat der VW-Konzern die Käufer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise zumindest bedingt vorsätzlich geschädigt. Dabei wurde eine Schädigung der Käufer von mit Dieselmotoren des Typs EA 189 ausgestatteten Fahrzeugen aus eigennützigen Motiven, nämlich aus bloßem Gewinnstreben, in sittlich anstößiger Weise billigend in Kauf genommen (hierzu im Einzelnen LG München, Urteil vom 29. März 2019 – 13 O 5153/18; LG Duisburg, Urteil vom 19. Februar 2018 – 1 O 178/17 – LG Heilbronn, Urteil vom 14. März 2018 – 6 O 320/17 – und vom 22. Mai 2017 – 6 O 35/18, je m. w. N.).

  2.  Zwar setzt die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat. Davon ist aber für die hier zu treffende Entscheidung auszugehen. Denn die Beklagte ist ihrer sekundären Darlegungslast zu der Frage, welches ihrer Organe Kenntnis von der Manipulation der Motorsteuerungssoftware hatte und das Inverkehrbringen entsprechend ausgerüsteter Motoren veranlasst hat, trotz Hinweises der Klägerseite hierauf nicht nachgekommen. Die Nichterfüllung der sekundären Darlegungslast der Beklagten hat zur Folge, dass davon auszugehen ist, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter alle Elemente des objektiven und subjektiven Tatbestandes des § 826 BGB verwirklicht hat.


Siehe auch
Rechtsprechung zum Themenkomplex „Schummelsoftware“ - Diesel-Abgasskandal
und
Stichwörter zum Thema Autokaufrecht


Tatbestand:


Die Parteien streiten auf deliktischer Grundlage über die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein Fahrzeug, welches einen von der Beklagten hergestellten Motor besitzt, der mit einer Software ausgerüstet ist, die Einfluss auf den Stickoxid-​Ausstoß während der Fahrt nimmt und in der Folge vom Kraftfahrt-​Bundesamt in dieser Form untersagt wurde.

Der Kläger bestellte am 8. Mai 2010 bei der "A GmbH" in G  – einem in keinem gesellschaftsrechtlichen Verbund zur Beklagten stehenden Škoda-​Vertragshändler – zum Preis von 24.150,00 € einen neuen Škoda Octavia Combi 1.6 TDI mit einem Kilometerstand von 15 km. Das genannte Fahrzeug verfügt über den von der Beklagten entwickelten Dieselmotor mit der internen Bezeichnung "EA189"; die Škoda Auto a. s. ist eine Tochtergesellschaft der Beklagten. Der Motor war schon zum Zeitpunkt des Verkaufs mit einer Software ausgestattet, die erkennt, wenn das Fahrzeug – etwa im Rahmen des Zulassungsverfahrens – den sogenannten "Neuen Europäischen Fahrzyklus" (NEFZ) durchfährt, der für die Prüfung der Abgaswerte eines neuen Fahrzeugs und folglich für die Zulassung allein relevant ist. In diesem Zyklus wird eine bestimmte Menge an Abgasen vor Erreichen des Emissionskontrollsystems in den Motor zurückgeführt, fällt also bei der Kontrolle nicht an (von der Beklagten "Modus 1" genannt). Auf Basis der hierdurch erzielten Abgaswerte wurde dem Fahrzeug bzw. dem Motor bescheinigt, dass er die "Euro 5"-​Abgasnorm erfülle, die unter anderem auch das Maß an ausgestoßenen Stickoxiden regelt. Außerhalb des durch einen bestimmten Ablauf geprägten Zyklus' – im "Modus 0" – erfolgt die Abgasrückführung nicht im selben Maße mit der Folge, dass wesentlich mehr Stickoxide vom Motor ausgestoßen werden.



Der Kläger leistete eine Anzahlung von 3.800 € und finanzierte den Restbetrag des Kaufpreises durch ein Darlehen bei der Škoda Bank über 23.128,13 €, hiervon 2.037,72 € bei einem Nettodarlehensbetrag von 20.350 €. Das Darlehen ist vollständig zurückgeführt.

Das Kraftfahrt-​Bundesamt hat die dargestellte Software mit gegenüber der Beklagten ergangenem Bescheid vom 15. Oktober 2015 als eine unzulässige "Abschalteinrichtung" gemäß Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EU) Nr. 715/2007 eingestuft, die zu "entfernen" sei; gleichzeitig seien von der Beklagten "geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen".

Die Beklagte entwickelte in der Folge ein Software-​Update für den Motortyp EA189. Die für die Zulassung des streitgegenständlichen Fahrzeugs in der Europäischen Union zuständige Genehmigungsbehörde, die britische Vehicle Certification Agency (VCA), bestätigte der Škoda Auto a.s., dass das streitgegenständliche Fahrzeug nach Aufspielen des Software-​Updates gesetzeskonform sei.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte hafte ihm aus § 826 BGB. Die schädigende Handlung liege im Einsatz einer gesetzeswidrigen Software. Denn die im Motor ursprünglich eingesetzte Software sei eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 der EU-​Verordnung Nr. 715/2007. Der Beklagten sei Vorsatz vorzuhalten, da sowohl ihr damaliger Vorstandsvorsitzender Winterkorn wie auch der Leiter der Motorenentwicklung Neusser bewusst den Einsatz der manipulativen Software vorangetrieben hätten. Näheres könne er aber mangels Einblicks in die Kommunikationsstruktur der Beklagten nicht vortragen. Der ihm entstandene Schaden liege in dem Abschluss des wirtschaftlich nachteiligen Vertrages. Er hätte das Fahrzeug nicht erworben, wenn er beim Kauf gewusst hätte, dass das Fahrzeug "mit einer Manipulationssoftware ausgestattet" sei bzw. wenn die Škoda Auto a.s. keine unrichtige EU-​Übereinstimmungsbescheinigung ausgestellt hätte. Das Inverkehrbringen von nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Fahrzeugen bzw. Motoren unter bewusster Umgehung der Zulassungsvorschriften sei sittenwidrig.

Parallel bestehe ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB und Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EU) 715/2007 einerseits sowie mit § 27 EG-​FGV andererseits. Die Vorschriften seien Schutzgesetze in diesem Sinne, und auch jeweils verletzt. Insbesondere sei die Software nicht ausnahmsweise zugelassen, wie nicht zuletzt die Anordnung des Kraftfahrt-​Bundesamtes zeige.

Er sei nicht verpflichtet, Nutzungen zu vergüten. Allenfalls seien sie aus einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km zu berechnen unter Ansetzung des gegenwärtigen Kilometerstandes von 125.000 km. Allerdings schulde die Beklagte ihm Zinsen aus § 849 BGB in Höhe von jährlichen vier Prozent, da sie dem Kläger mit einer unerlaubten Handlung Geld, nämlich den Kaufpreis, entzogen habe. Die Beklagte sei mit der Annahme des ihr angebotenen Fahrzeugs in Verzug.

Das Softwareupdate genüge zur Schadensbehebung nicht. Es führe vielmehr zu einer Beschädigung der Fahrzeuge, da etwa in der Folge der Kühler zur Abgasrückführung getauscht werden müsse.

Der Kläger hat mit seiner am 10. April 2019 zugestellten Klage zunächst Zahlung von 16.866,33 € nebst Zinsen beantragt, die Klage indes im Termin vom 17. Mai 2019 erweitert.

Er beantragt nun,

  1.  die Beklagte zu verurteilen, an ihn 26.928,13 € zu zahlen nebst Zinsen von 5.960,39 € und weiteren Zinsen in Höhe von vier Prozent pro Jahr aus 26.928,13 € seit dem 18. Mai 2019, Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw Škoda Octavia mit der Fahrzeug-​Identifikationsnummer TMBGT61Z3B8014534; und

  2.  festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des genannten Fahrzeugs seit drei Wochen nach Rechtshängigkeit in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Sie verweist darauf, dass sie weder Herstellerin des in Rede stehenden Fahrzeugs sei noch es in den Verkehr gebracht habe. Sie sei auch an dem Kaufvertrag nicht beteiligt gewesen. Auch sei dem Kläger kein Schaden im Sinne des § 826 BGB bzw. des § 263 StGB entstanden, da weder der Marktwert des betroffenen Fahrzeugs noch seine Nutzbarkeit durch die – inzwischen entfernte – Software negativ beeinträchtigt gewesen sei. § 27 EG-​FGV sei mangels Ungültigkeit der EU-​Übereinstimmungsbescheinigung nicht verletzt, im Übrigen aber auch kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.




Sie ist im Übrigen der Auffassung, das klägerische Fahrzeug verfüge nicht über eine unzulässige Abschaltvorrichtung. Entscheidend sei vielmehr, dass das Fahrzeug technisch sicher sei und in seiner Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt sei, sowie dass die für das Fahrzeug erteilte EG-​Typengenehmigung nicht aufgehoben wurde. Da es keine gesetzliche Vorgabe gebe, die die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte im normalen Straßenbetrieb regele, sondern für die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte zur Erlangung der EG-​Typengenehmigung nach den gesetzlichen Vorgaben nur der Fahrzyklus unter Laborbedingungen nach dem so genannten neuen europäischen Fahrzyklus NEFZ maßgeblich sei, komme es auf die Emissionswerte im normalen Straßenbetrieb gerade nicht an, die bei allen Herstellern weit über den gesetzlichen Grenzwerten lägen. Es fehle daher an einer Täuschung des Klägers durch die Beklagten oder eines Konzernunternehmens. Das streitgegenständliche Fahrzeug habe durch die verwendete Software daher auch keinen Wertverlust erlitten. Die erteilte EG-​Übereinstimmungs- Bescheinigung sei nicht ungültig im Sinne von § 27 EG-​FGV, die EG-​Typengenehmigung bestehe fort und es drohe auch nicht der Widerruf durch das Kraftfahrtbundesamt. Durch die Freigabebestätigungen des Kraftfahrtbundesamtes für die Softwareupdates stehe fest, dass es nach Durchführung des Softwareupdates zu keinerlei negativen Auswirkungen komme. Die Beklagten hätten sich gegenüber dem Kläger auch nicht sittenwidrig verhalten. Insbesondere hätten die Beklagten dem Kläger gegenüber keine unzutreffenden Angaben über die Emissionswerte des streitgegenständlichen Fahrzeugs gemacht. Es sei allgemein bekannt, dass die in den Herstellerangaben angegebenen Werte unter Laborbedingungen gemessen werden und nicht den Emissionswerten im normalen Straßenverkehr entsprechen können. Der Gesetzgeber habe sich bewusst dafür entschieden, dass es für die Typengenehmigung auf die Laborwerte ankomme. Zudem sind die Beklagten der Ansicht, der Kläger habe nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass Personen, deren Kenntnisse den Beklagten zuzurechnen wären, mit Vorsatz hinsichtlich eines angeblichen Schadens des Klägers gehandelt haben. Die diesbezüglichen Behauptungen des Klägers seien ins Blaue hinein erfolgt. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand lägen keine Erkenntnisse dafür vor, dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung der Software beteiligt waren. Der Kläger habe keine konkreten Angaben gemacht, wer zu welchem Zeitpunkt von dem Einbau der Software überhaupt Kenntnis gehabt habe. Ihr selber seien keine weiteren Angaben zuzumuten unter anderem deshalb, weil sie nicht verpflichtet sein könne, dem prozessualen Gegner "die Waffen in die Hand zu geben".

Auch aus § 823 Abs. 2 i. V. m. § 27 EG-​FGV könne der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagten herleiten, da es sich hierbei schon nicht um ein Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 handele. Zudem lege der Kläger nicht dar, warum die EG-​Übereinstimmungsbescheinigung ungültig sein sollte. Das streitgegenständliche Fahrzeug stimme vollumfänglich mit dem als genehmigter "Typ" zu verstehenden ursprünglich durch das Kraftfahrtbundesamt geprüften und genehmigten Fahrzeug überein.

Dem Kläger sei durch keine ihrer Angaben kausal zum Vertragsschluss gebracht worden. Zudem habe er durch diesen auch keinen Schaden erlitten. Ein solcher ergebe sich weder aus der Differenzhypothese, da der Marktwert des betroffenen Fahrzeugs aufgrund der Software nicht negativ beeinträchtigt sei, noch unter normativen Gesichtspunkten, weil das Fahrzeug für die Nutzungszwecke des Klägers uneingeschränkt gebrauchstauglich sei. Daher habe sich der Kläger im Wege des Vorteilsausgleichs jedenfalls die Nutzung des Fahrzeugs ausgehend von einer Gesamtlaufleistung von 200.000 km bis 250.000 km anrechnen zu lassen, ohne im Gegenzug Zinsen verlangen zu können.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.





Entscheidungsgründe:


Die ohne weiteres zulässige Klage ist in der Hauptsache begründet, hinsichtlich der begehrten Zinsen hingegen unbegründet.

I.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB i. V. m. § 31 BGB zu. Die Beklagte hat den Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise zumindest bedingt vorsätzlich geschädigt. Die Beklagte hat, um den Absatz ihrer Dieselmotoren des Typs EA 189 zu steigern, die Motorsteuerungssoftware in dem dargestellten manipulierenden Sinne programmiert. Dabei hat die Beklagte eine Schädigung der Käufer von mit Dieselmotoren des Typs EA 189 ausgestatteten Fahrzeugen aus eigennützigen Motiven, nämlich aus bloßem Gewinnstreben, in sittlich anstößiger Weise billigend in Kauf genommen (hierzu im Einzelnen LG München, Urteil vom 29. März 2019 – 13 O 5153/18; LG Duisburg, Urteil vom 19. Februar 2018 – 1 O 178/17 – LG Heilbronn, Urteil vom 14. März 2018 – 6 O 320/17 – und vom 22. Mai 2017 – 6 O 35/18, je m. w. N.).

1. Der bei den Käufern – und damit auch beim Kläger – entstandene Schaden, der in jeder nachteiligen Einwirkung auf die Vermögenslage besteht, folgt aus der Belastung mit einer bei Kenntnis des Manipulationsvorgangs nicht getroffenen Kaufentscheidung und der damit eingegangenen Kaufpreiszahlungsverpflichtung, die bereits eine Vermögensgefährdung begründet. § 826 BGB schützt nicht nur das Vermögen an sich, sondern setzt bereits bei der Beschränkung der Dispositionsfreiheit des Geschädigten an, so dass der Schaden auch in der Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung bestehen kann. Ein Vermögensschaden ist im Rahmen des § 826 BGB auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung möglich, wenn der Geschädigte durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte, denn im Fall der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten. Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer "ungewollten" Verpflichtung wieder befreien können. Unerheblich ist daher, ob und in welchem Ausmaß bzw. mit welchen Nebenfolgen das so genannte "Software-​Update" die manipulative Software nachträglich beseitigt hat (so im Ergebnis auch LG München ebd. Rdnr. 44).

Diese Voraussetzungen des Schadensbegriffs von § 826 BGB liegen im streitgegenständlichen Fall vor. Der Kläger ist durch ein haftungsbegründendes Verhalten der Beklagten zum Abschluss des Kaufvertrages gebracht worden, den er sonst nicht geschlossen hätte.

Das haftungsbegründende Verhalten der Beklagten folgt aus der gezielt manipulativen Programmierung der Motorsteuerungssoftware. Hierbei handelt es sich wie erwähnt auch nach Auffassung des Kraftfahrtbundesamtes um eine "unzulässige Abschaltvorrichtung". Im Ergebnis ist der Kläger zum Abschluss eines Kaufvertrages gebracht worden, den er sonst nicht geschlossen hätte. Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten weder darauf an, ob das streitgegenständliche Fahrzeug durch die verwendete Software einen Wertverlust erlitten hat, noch darauf, ob das streitgegenständliche Fahrzeug verglichen mit vergleichbaren Modellen anderer Hersteller tatsächlich emissionsarm und kraftstoffsparend ist. Ebenfalls dahin gestellt bleiben kann die formale Frage, ob die Angaben über die Emissionswerte des streitgegenständlichen Fahrzeugs zutreffend waren oder nicht. Auch die zwischen den Parteien streitige Frage, welche Faktoren und Informationen im Einzelnen für den Kläger kaufentscheidend gewesen sind, muss nicht aufgeklärt werden. Vielmehr kommt es entscheidend auf die Frage an, ob der Kläger das Fahrzeug (zu demselben Preis) auch dann gekauft hätte, wenn er gewusst hätte, dass der Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs die EG-​Typengenehmigung nur erhalten hatte, weil die Beklagte das Testverfahren mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung manipuliert hatte. Dass diese Frage zu verneinen ist, liegt auf der Hand. Kein vernünftiger Käufer würde sich auf die Unsicherheit des möglichen Widerrufs der EG-​Typengenehmigung einlassen und ein solches Fahrzeug erwerben, selbst wenn mit dem Fahrzeug weder eine Wertminderung noch nachteilige Emissionswerte verbunden sind. Die berechtigten Erwartungen eines vernünftigen durchschnittlichen Käufers – und damit auch des Klägers – erstrecken sich darauf, dass das erworbene Fahrzeug die technischen und rechtlichen Voraussetzungen der Zulassung erfüllt und diese nicht durch illegale Mittel erreicht worden sind. Denn wer in Deutschland bzw. innerhalb der Europäischen Union ein Kraftfahrzeug erwirbt, geht angesichts dessen, dass Kraftfahrzeuge bekanntermaßen vor dem Inverkehrbringen eine Zulassungsprüfung durchlaufen müssen, davon aus, dass das Fahrzeug – mit seinen zulassungsrelevanten Komponenten, wie der Motor sie darstellt – diese Zulassungsprüfung nach den geltenden Gesetzen durchlaufen hat. Dies umfasst die Vorstellung, dass das Ergebnis der Zulassungsprüfung nicht durch Manipulationen gleich welcher Art in dem Sinne verfälscht wurde, dass die Zulassung nur aufgrund der Manipulation erfolgen konnte, wie es vorliegend der Fall war (LG München II ebd. Rdnr. 29).


Dass auch die Beklagte selbst hiervon ausgehen musste, lässt sich ohne weiteres aus dem Umstand ableiten, dass die Manipulation des Genehmigungsverfahrens verheimlicht wurde und die Beklagte nach Bekanntwerden ihr Bedauern über dieses Vorgehen zum Ausdruck gebracht hat. Es steht daher zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger durch haftungsbegründendes Verhalten der Beklagten, welches in der Verheimlichung des Manipulationsvorgangs zu sehen ist, zum Abschluss eines Kaufvertrages gebracht worden ist, den er sonst nicht geschlossen hätte, und dass damit ein Vermögensschaden im Sinne des § 826 BGB beim Kläger vorliegt.

2. Diesen Schaden hat die Beklagte in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise herbeigeführt.

Unter einer gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltensweise versteht man eine Handlung, die nach dem Inhalt oder Gesamtcharakter gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dies setzt eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens voraus, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eintretenden Folgen ergeben kann.

Diese Anforderungen erfüllt das Verhalten der Beklagten, die selbst eingeräumt hat, dass die Motorsteuerungssoftware in dem streitgegenständlichen Fahrzeug so programmiert war, dass sie erkannte, wenn das Fahrzeug sich im Prüfstand befand, um dann ein speziell nur für den Prüfzyklus vorgesehenes Abgasrückführungsverfahren einzuleiten. Die Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten folgt hier nach Überzeugung des Gerichts aus dem Umstand, dass die Beklagte die Motorsteuerungssoftware des streitgegenständlichen Fahrzeugs gezielt so programmiert hat, dass der Eindruck entsteht, dass das Fahrzeug geringere Stickstoffemissionen aufweist, als es im regulären Fahrbetrieb tatsächlich der Fall ist. Hierbei kommt es nach Überzeugung des Gerichts nicht entscheidend darauf an, dass – wie die Beklagte vorträgt – die erteilte EG-​Typengenehmigung wirksam erteilt wurde und dass allgemein bekannt ist, dass die in den Herstellerangaben angegebenen Werte, die unter Laborbedingungen gemessen werden, nicht den Emissionswerten im normalen Straßenverkehr entsprechen. Vielmehr ist für die Entscheidung, ob das Verhalten der Beklagten verwerflich im Sinne von § 826 BGB ist, darauf abzustellen, dass die Beklagte für das Zulassungsverfahren einen Betriebsmodus entwickelt und eingebaut hat, dessen alleiniger Zweck in der Manipulation des Genehmigungsverfahrens bestand. Auch wenn der Gesetzgeber sich dafür entschieden hat, dass es für die EG-​Typengenehmigung auf die Laborwerte ankommt und allgemein bekannt ist, dass die Emissionsangaben der Hersteller unter Laborbedingungen gemessen werden, erfasst das von der Beklagten angeführte Allgemeinwissen nur die Kenntnis, dass die im Labor gemessenen Grenzwerte unter anderen äußeren Rahmenbedingungen nicht erreicht werden können, nicht jedoch die Kenntnis, dass die Laborwerte im Normalbetrieb (auch) deswegen nicht erreicht werden, weil das Fahrzeug dann ohne Wissen des Verbrauchers in einen anderen Betriebsmodus schaltet und der Abweichung der Emissionswerte zwischen Test- und Normalbetrieb eine nur zu diesem Zweck eingebaute Manipulationssoftware zugrunde liegt. Wenn üblicherweise im Labor andere Messwerte erzielt werden, so liegt dies daran, dass die äußeren Rahmenbedingungen nicht dem normalen Fahrbetrieb entsprechen, nicht jedoch daran, dass das Fahrzeug selbst andere Eigenschaften aufweist, die dem Verbraucher bewusst verschwiegen wurden, und die zur Folge haben, dass die Laborwerte auch ansatzweise nichts mehr mit dem Realwerten auf der Straße zu tun haben.

Dass das Fahrzeug im vorliegenden Fall von einer Tochtergesellschaft der Beklagten hergestellt wurde, zu dem die Beklagte – soweit hier relevant – nur den Motor beigesteuert hat, spielt in diesem Kontext keine Rolle. Die fehlende Gesetzeskonformität basiert auf der Konfiguration des von der Beklagten hergestellten Motors. Dieser Motor wurde mit Wissen und Wollen der zuständigen Personen bei der Beklagten in das vom Kläger erworbene Modell eingebaut; hierfür reicht ein genereller Vorsatz aus, ohne dass die zuständigen Personen der Beklagten den Einbau des Motors genau in das vom Kläger erworbene Fahrzeug einzeln wissen und wollen hätten müssen. Nach den Grundsätzen der mittelbaren Täterschaft handelten dann aber die zuständigen Personen der Beklagten als Täter hinsichtlich der im Inverkehrbringen des Fahrzeugs und der damit verbundenen Täuschung der Klagepartei liegenden Handlung (LG München II ebd. Rdnr. 31).

Die darüber hinaus für § 826 BGB nötige besondere Verwerflichkeit des Verhaltens ergibt sich aus dem Umstand, dass die Beklagte die Manipulation in einer Vielzahl von Fällen bzw. in einer ganzen Motorserie vorgenommen hat. Die Beklagte ist größter Fahrzeughersteller und -exporteuer Deutschlands, so dass von ihr vorgenommene gezielte Manipulationen des Genehmigungsverfahrens geeignet sind, das Vertrauen einer Vielzahl von Kunden in die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen zu untergraben. Aus der Konzerngröße der Beklagten können sich aus einer solchen gezielten Manipulation des Genehmigungsverfahrens Risiken in volkswirtschaftlich relevanter Dimension ergeben. Wenn die Beklagte vorträgt, dass solche Auswirkungen tatsächlich nicht messbar seien, so kann dieser Umstand als erfreulich gewertet werden, ändert aber nichts daran, dass die Beklagte ein solches Risiko negativer Entwicklungen mit volkswirtschaftlich messbaren Auswirkungen jedenfalls ihrem mit missbräuchlichen Mitteln verfolgten eigenen Gewinnstreben untergeordnet hat und damit verwerflich handelte.

Schon dieses Gewinnstreben um den Preis der bewussten Täuschung und Benachteiligung von Kunden gibt dem Handeln der Beklagten das Gepräge der Sittenwidrigkeit. Hierbei kann die Beklagte sich nicht damit entlasten, dass der Kläger letztlich nicht getäuscht worden sei, da das Fahrzeug technisch einwandfrei funktioniere, die gesetzlich vorgesehenen Grenzwerte für die EG-​Typgenehmigung einhalte und ein Widerruf der Genehmigung nicht drohe. Irrelevant ist nach Überzeugung des Gerichts auch an dieser Stelle die Frage, ob das Fahrzeug tatsächlich keinen höheren Schadstoffausstoß hat bzw. die Frage, ob tatsächlich ein wirtschaftlicher Minderwert des Fahrzeugs vorhanden ist. Die Sittenwidrigkeit folgt vor allem daraus, dass die Manipulation heimlich vorgenommen wurde mit dem Ziel, eine Zulassung durch Täuschung zu erwirken. Wenn die Beklagte hier argumentiert, dass das Ziel der Gewinnmaximierung nicht zu beanstanden sei, so kann dies auch aus eigenen wirtschaftlichen Interessen der Beklagten nicht für denjenigen gelten, der dieses Ziel mit illegalen Mitteln, Manipulation und Täuschung verfolgt, um sich Sondervorteile auch gegenüber anderen Autoherstellern zu verschaffen, die sich solcher illegaler Methoden nicht bedienen.

Ebenfalls verwerflich ist es, dass die Beklagte ihr Gewinnstreben über den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung setzte, da der tatsächliche Schadstoffausstoß bei Betrieb der PKWs im Straßenverkehr deutlich höher liegt als während des Durchlaufens des Prüfzyklus.

3. Die schädigende Handlung ist der Beklagten auch zuzurechnen. Zwar setzt die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat. Davon ist aber für die hier zu treffende Entscheidung auszugehen. Denn die Beklagte ist ihrer sekundären Darlegungslast zu der Frage, welches ihrer Organe Kenntnis von der Manipulation der Motorsteuerungssoftware hatte und das Inverkehrbringen entsprechend ausgerüsteter Motoren veranlasst hat, trotz Hinweises der Klägerseite hierauf nicht nachgekommen. Die Nichterfüllung der sekundären Darlegungslast der Beklagten hat zur Folge, dass davon auszugehen ist, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter alle Elemente des objektiven und subjektiven Tatbestandes des § 826 BGB verwirklicht hat.

a. Entgegen der Auffassung der Beklagten trifft sie eine entsprechende sekundäre Darlegungslast. Die Beklagte selbst weist zutreffend darauf hin, dass eine solche sekundäre Darlegungslast besteht, wenn der beweisbelasteten Partei näherer Vortrag nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während die bestreitende Partei alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihr zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Der Gegner der darlegungspflichtigen Partei darf sich nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind.




Dies ist hier der Fall. Der Kläger hat keinerlei Einblick in die internen Entscheidungsvorgänge bei der Beklagten und ist auf Veröffentlichungen der Medien und auf Rückschlüsse und Vermutungen angewiesen. Die Beklagte hingegen hat jede Möglichkeit, die in ihrem Unternehmen im Zusammenhang mit der Programmierung und Implementierung der streitgegenständlichen Software abgelaufenen Vorgänge und Entscheidungsprozesse darzulegen, um es so dem Kläger zu ermöglichen, seinerseits die ihm obliegende weitergehende Darlegung und den erforderlichen Beweisantritt vornehmen zu können.

Hinzu kommt, dass es vorliegend um die Zurechnung einer objektiv feststehenden gezielten Manipulationsstrategie in einem Weltkonzern geht. Einer solchen Manipulationsstrategie immanent ist die Verschleierung der Verantwortlichkeit für den Fall, dass die Manipulation entdeckt wird. Wenn aber eine objektiv sittenwidrige Schädigung im Sinne von § 826 BGB in einem Weltkonzern vorgenommen und hierbei zugleich naturgemäß dafür Sorge getragen wird, dass die Zurechnung einer solchen sittenwidrigen Schädigung zu einzelnen verantwortlichen Personen verschleiert wird, kann es nicht Aufgabe des Geschädigten sein, der nicht einmal bei unterbliebener Verschleierung hinreichenden Einblick in die Entscheidungsvorgänge und Verantwortlichkeiten hat, die Zurechnung zu verantwortlichen Entscheidungsträgen darzulegen.

Vor diesem Hintergrund kann die Beklagte im streitgegenständlichen Fall gegen die ihr obliegende sekundäre Darlegungslast nicht mit Erfolg argumentieren, dass diese angesichts der von ihr bestrittenen Kenntnis der Vorstandmitglieder letztlich zu einer gänzlichen Umkehrung der Regelungen zur Darlegungslast führt, weil die Beklagte im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast nunmehr zu einer negativen Tatsache – nämlich der nicht vorhandenen Kenntnis von Vorstandsmitgliedern – vortragen müsse, obwohl selbst im Rahmen der primären Darlegungslast für den Vortrag zu negativen Tatsachen Erleichterungen gelten. Wenn die Beklagte sich darauf beruft, Erleichterungen müssten erst recht greifen, wenn sie nur im Rahmen der sekundären Darlegungslast zu negativen Tatsachen vortragen müsse, vergisst sie, dass Anknüpfungspunkt für die sekundäre Darlegungslast konzerninterne Vorgänge sind, die von ihr bewusst verschleiert wurden mit dem Ziel, sich im Wege der Manipulation Sondervorteile zu verschaffen. In dieser Konstellation kommen Erleichterungen der sekundären Darlegungslast unter dem rechtlichen Anknüpfungspunkt des Vortrags zu negativen Tatschen nicht in Betracht, weil dem Geschädigten die Aufdeckung der bewusst verschleierten internen Zurechnung nicht zugemutet werden kann und die Beklagte andernfalls von ihrer erfolgreichen Verschleierungstaktik noch prozessual profitieren würde.

Es ist in diesem Zusammenhang davon auszugehen, dass der Vorstand von der gezielten Verwendung der Softwaresteuerung für zwei Betriebsmodi jedenfalls im Jahr 2014 Kenntnis hatte. Denn es gehört zur zentralen Aufgabe des Vorstandes einer Aktiengesellschaft, das Unternehmen den gesetzlichen Bestimmungen gemäß (sogenannte "Compliance") zu organisieren und zu führen. Im Hinblick auf die aktienrechtlichen Pflichten muss angenommen werden, dass bei der Beklagten organisatorische Maßnahmen etwa durch Einrichtung von Innenrevision und Controlling in der Weise getroffen wurden, dass Berichtspflichten gegenüber dem Vorstand für alle wesentlichen Entscheidungen eingerichtet sind und deren Einhaltung durch Kontrollmaßnahmen auch gewährleistet ist. Die Beeinflussung der Motorsteuersoftware einer ganzen Motorenreihe speziell für den NEFZ-​Prüfstand erscheint – auch unter Berücksichtigung des bei Entwicklung gegebenen Blickwinkels – als eine derart wesentliche Entscheidung. Wenn die Entwicklung einer Elektroniksteuerungssoftware mit einem größeren finanziellen Aufwand verbunden ist, müssen hierfür auch entsprechende Budgets in Anspruch genommen sein.

Der Beklagten ist es auch ohne weiteres möglich, die überschaubare Anzahl von Vorstandsmitgliedern und verfassungsmäßig berufenen Vertretern für den Zeitraum zu benennen, in dem die wesentlichen Entscheidungen für die Entwicklung des hier streitigen Motors – genauer: mit der Programmierung und Implementierung der streitgegenständlichen Software – getroffen worden sind und die internen Entscheidungsabläufe und Kenntnisse offen zu legen. Dann hätte der Kläger weitergehende Darlegungen zur Person des Wissensinhabers und Beweisantritte vornehmen können und müssen.

b. Ihrer bestehenden sekundären Darlegungslast ist die Beklagte nicht hinreichend nachgekommen. Angesichts des Zeitablaufs seit Entdeckung der Softwaremanipulation ist der Vortrag, die Beklagte habe das ihr Mögliche unternommen, um den Behauptungen des Klägers entgegenzutreten, unzureichend. Damit dass die Beklagte sich darauf beschränkt zu behaupten, die Ermittlungen hätten keine Erkenntnisse ergeben, dass ein Vorstand (im aktienrechtlichen Sinn) Kenntnis von der Manipulation gehabt hat, kann sie ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügen. Dieser Vortrag ist inhaltleer und nicht nachprüfbar für die Klägerseite. Der Sinn der sekundären Darlegungslast besteht jedoch darin, der beweisbelasteten Partei weiteren Vortrag zu ermöglichen. Wenn die Beklagte aber nicht darlegt, welche Erkenntnisse im Hinblick auf die interne Verantwortlichkeit die Ermittlungen ergeben haben, kann die Klägerseite keinen weiteren Vortrag im Hinblick auf die Kenntnisse der entscheidenden Personen bringen.

Es fehlt an einer substantiierten Darlegung der Beklagten zu den Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Entscheidungsprozessen in ihrem Unternehmen. Sie kann sich hierbei auch nicht auf die Unkenntnis der Einzelheiten aufgrund des Zeitablaufs seit der Motorenentwicklung berufen. Die Entwicklung von Motoren moderner Bauart erfordert unbestritten ein komplexes Zusammenwirken einer Vielzahl von Personen aus unterschiedlichen technischen Zweigen. Gerade das macht aber die Dokumentation der entsprechenden Informationen erforderlich. Gerade bei einer gezielten und gewollten Abweichung bei der Abgasrückführung und damit den Emissionen zwischen Prüfungszyklus und Betrieb im Straßenverkehr sind zudem eigenverantwortliche Entscheidungen einzelner Mitarbeiter nicht zu erwarten, zumal die Produktion der Motoren für eine ganze Fahrzeugpalette sogar durch Drittfirmen im Raum steht. Es ist daher lebensfremd anzunehmen, dass die Entscheidung von bloßen Ingenieuren ohne (dokumentierte) Kenntnis und Billigung zumindest eines Teil des Vorstands getroffen wurde.

Der Vortrag der Beklagten, sie "kläre gerade die Umstände auf", wie es zur Entwicklung und zum Einbau der Software gekommen sei; hierfür habe sie unter anderem die Kanzlei Jones Day mit einer Untersuchung beauftragt und nach dem derzeitigen Ermittlungsstand lägen keine Erkenntnisse dafür vor, dass einzelne Vorstandsmitglieder an der Entwicklung der Software beteiligt gewesen seien oder die Entwicklung oder Verwendung der Software des Dieselmotors EA 189 EU in Auftrag gegeben oder gebilligt hätten, ist unzureichend und genügt dem § 138 Abs. 1 ZPO mit Blick auf die sekundäre Darlegungslast nicht. Der Vortrag lässt bereits nicht erkennen, welche Ermittlungen angestellt und welche Ergebnisse sie bisher zu Gunsten der Beklagten erbracht hätten. Angesichts des Zeitablaufs seit der Entdeckung besteht vielmehr der Eindruck von wenig dringlichen Untersuchungen. Dies gilt insbesondere vor dem aufgezeigten Hintergrund, dass es sich um eine wesentliche strategische Entscheidung handelt, zwei Betriebszyklen zu etablieren zur Ausnutzung der Möglichkeit einer Typengenehmigung im standardisierten Prüfverfahren im Abgrenzung zum sonstigen Betriebszyklus.

4. Die Beklagte handelt auch vorsätzlich. Erforderlich hierfür ist im Rahmen von § 826 BGB die Kenntnis von dem Eintritt eines Schadens, der Kausalität des eigenen Verhaltens und der die Sittenwidrigkeit des Verhaltens begründenden Umstände. Eine genaue Vorstellung von dem zu erwartenden Kausalverlauf ist nicht erforderlich. Auf die Kenntnis von der Person des Geschädigten verzichtet die Rechtsprechung. Da hier die streitgegenständliche Motorsteuerungssoftware alleine mit dem Ziel eingebaut wurde, das Genehmigungsverfahren zum Vorteil der Beklagten unzulässig zu beeinflussen und potentielle Käufer hierüber in Unkenntnis zu lassen, ist der Vorsatz der Beklagten hinsichtlich der für den Tatbestand des § 826 BGB relevanten objektiven Tatsachen zu bejahen.

5. a) Als Rechtsfolge ergibt sich der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs.

b) Auf diesen Schadensbetrag muss sich der Kläger den Wert der gefahrenen Kilometer als gezogenen Vorteil nicht anrechnen lassen.

Auf der Grundlage der für die Bestimmung des Schadens geltenden Differenzhypothese können auch Vorteile, die dem Geschädigt en im adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zufließen, in die Schadensberechnung einzustellen sein. Dazu reicht jedoch die bloße adäquate Kausalität zwischen schädigendem Ereignis und Erlangung des Vorteils nicht aus. Durch die Anrechnung darf der Geschädigte auch nicht unzumutbar belastet und der Schädiger nicht unbillig entlastet werden. Schließlich muss die Anrechnung dem Zweck des jeweiligen Ersatzanspruchs entsprechen vgl. etwa BGH NJW 2009, 1870/1871).

Vorliegend widerspricht die Anrechnung dem Schutzzweck der haftungsbegründenden Norm. Wie dargelegt schützt die Vorschrift des § 826 BGB vorliegend vor dem unerwünschten Vertrag und der Kläger ist wirtschaftlich so zu stellen, als hätte er den Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug nicht abgeschlossen. Müsste sich der Kläger den Wert der gefahrenen Kilometer als Vorteil anrechnen lassen, würde er im Rahmen des Schadensersatzes wirtschaftlich am Kaufvertrag festgehalten. Der Eingriff in die durch § 826 BGB geschützte Dispositionsfreiheit würde nicht kompensiert, sondern perpetuiert. Faktisch würde man den unerwünschten Kaufvertrag im Rahmen des Schadensersatzanspruches in einen Mietvertrag umwandeln (so zutreffend Heese, NJW 2019, 261).

Zudem würde die Anrechnung die Beklagte, die die Wertschöpfung des sittenwidrigen Warenabsatzes im Wege der Schadensberechnung zum Teil realisieren könnte, weil sich die Berechnung auch noch am vereinbarten – objektiv wohl überhöhten – Kaufpreis orientiert, unbillig entlasten (vgl. Heese ebd.; zum Ganzen ebenso Bruns, NJW 2019, 801).

Die Ablehnung der Vorteilsanrechnung ist dem System des BGB auch nicht von vornherein fremd. Vielmehr zeigt § 142 Abs. 2 BGB, dass der arglistig Täuschende bei Anfechtung des Getäuschten im Zuge der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung die erhaltene Leistung herausgeben muss, während der auf die Rückgewähr seiner Gegenleistung gerichtete Anspruch nach § 814 BGB ausgeschlossen ist. Ferner wendet auch der BGH die Saldotheorie zu Lasten des arglistig Täuschenden nicht an (vgl. BGH NJW 2001, 1127/1130). Das BGB kennt mithin sehr wohl den Anspruchsausschluss bzw. die Anspruchseinschränkung des arglistig Täuschenden. Es ist somit jedenfalls in der vorliegenden Situation, in der die Beklagte für eine arglistige (= vorsätzliche) sittenwidrige Täuschung haftet, nicht systemfremd, dass der Kläger die Vorteile der Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs nicht herausgeben muss.



Im Übrigen gebietet der europarechtliche Effektivitätsgrundsatz, dass die deutschen Zivilgerichte bei ihren Entscheidungen die Durchsetzung von Gemeinschaftsrecht, hier die von Art 13 Abs. 1 S. 2 VO (EU) Nr. 715/2007 geforderten abschreckenden Sanktionen, auch im Rahmen von privatrechtlichen Streitigkeiten gewährleisten (vgl. Harke, VuR 2017, 83).

c) Die Klage ist hingegen unbegründet, soweit der Kläger auch Zinsen auf den von ihm geleisteten Kaufpreis begehrt. Zwar lässt sich ein entsprechender Anspruch grundsätzlich auf § 849 BGB stützen. Nach dieser Vorschrift kann, wenn wegen der Entziehung einer Sache der Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die Wertminderung zu ersetzen ist, der Verletzte Zinsen des zu ersetzenden Betrags von dem Zeitpunkt an verlangen, welcher der Bestimmung des Wertes zugrunde gelegt wird. Als "Sache" in diesem Sinne versteht der Bundesgerichtshof auch Geld (BGH NJW 2008, 1084). Dieses wird auch dann "entzogen", wenn es unterschlagen wird, sowie auch dann, wenn der Geschädigte es aufgrund einer Erpressung oder – wie hier – täuschungsbedingt hingibt (BGH ebd.).

Allerdings ist vorliegend eine Verzinsung aufgrund der gebotenen wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung nur bezogen auf einen Betrag von 3.800 € möglich und geboten. Der Zinsanspruch soll mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben nicht nachgeholt werden kann (BGH NJW 1983, 1614). Das hier in Rede stehende Kapital, das zu verzinsen der Kläger hier begehrt, stand diesem vor der täuschungsbedingten Eingehung des Kaufvertrages über das streitgegenständliche Fahrzeug nur in der genannten Höhe zur Verfügung. Den darüber hinausgehenden Betrag hat er sich selbst erst – und nur mit Blick auf den Fahrzeugkauf – darlehenshalber beschafft. Ob die auf dieses Darlehen entrichtete Zinsen einen ersatzfähigen Schaden darstellen, war wegen § 308 Abs. 1 ZPO nicht zu entscheiden.

6. Der Feststellungsantrag zu 2 ist begründet, da sich die Beklagte gemäß § 293 BGB mit der Rücknahme des Fahrzeugs im Annahmeverzug befindet. Der Kläger hat der Beklagten jedenfalls mit der Klage im hiesigen Verfahren die Rückgabe des Fahrzeugs angeboten, und zwar auch hinreichend konkret gemäß § 295 BGB. Die Beklagte hat dies nunmehr ausdrücklich abgelehnt.

II.

Die Kostenentscheidung folgt § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 1 und 2 sowie 711 ZPO. Die Streitwertbemessung beruht auf § 43 Abs. 1 GKG. 3. Dabei kam dem Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten neben dem auf eine Zug-​um-​Zug-​Verurteilung gerichteten Antrag keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zu (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2017 – XI ZR 484/15, BeckRS 2017, 113352).

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