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Oberlandesgericht Koblenz Urteil vom 18.06.2019 - 3 U 416/19 - Autokauf - unsubstantiierte Mängelbehauptung

OLG Koblenz v. 18.06.2019: Abgasskandal - Mängelbehauptung „ins Blaue hinein“


Das Oberlandesgericht Koblenz (Urteil vom 18.06.2019 - 3 U 416/19) hat entschieden:

   Wenn der Erwerber eines gebrauchten, 2014 erstmals zugelassenen Pkw Audi A6 quattro 3,0 TDI ohne erkennbare Substanz, der in seinem Fahrzeug verbaute Motor des Typs EA 897 sei ebenso wie der ansonsten vom sog. Dieselskandal betroffene Motor des Typs EA 189 mit einer unzulässigen Abschaltautomatik ausgestattet, so handelt es sich um aus der Luft gegriffenen Behauptungen ins Blaue hinein.


Siehe auch
Klagevortrag - Schlüssigkeit - Substantiierungspflicht
und
Stichwörter zum Thema Autokaufrecht


Gründe:


I.

Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Kraftfahrzeugs mit einem Dieselmotor.

Der Kläger erwarb im November 2015 von einem Kfz-​Händler einen von der Beklagten zu 2) hergestellten, am 19. November 2014 erstmals zugelassenen gebrauchten Audi A6 quattro 3,0 TDI unter Finanzierung des Kaufpreises von 49.900,00 € durch die ...[A] Bank GmbH.

Der Kläger hat zur Begründung seiner insbesondere auf Ersatz des Kaufpreises und Feststellung der Einstandspflicht für weitere Schäden gerichteten Begehrens zunächst vorgetragen, das Fahrzeug sei mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 der Beklagten zu 1) ausgestattet, der durch eine Manipulationssoftware gesteuert werde, die den Einsatz des Fahrzeugs im Straßenverkehr von dem auf einem Kfz-​Prüfstand unterscheide und den Stickoxidausstoß bei einer Überprüfung der Abgaswerte absenke. Auf Bestreiten der Beklagten hat der Kläger seinen Vortrag dahingehend korrigiert, das Fahrzeug verfüge über einen Motor des Typs EA 897. Die Beklagte zu 1) habe diesen Motor nicht nur entwickelt, sondern auch produziert. Der Motor sei – ebenso wie jener des Typs EA 189 – mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet. Abgesehen hiervon verfüge der Motor über ein sog. „Thermofenster“, welches die Abgasrückführung steuere. Das eingesetzte Thermofenster sei als unzulässige Abschalteinrichtung einzuordnen.




Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlich von den Parteien gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 347 ff. GA) verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe die Voraussetzungen des von ihm geltend gemachten Anspruchs nach § 826 BGB nicht schlüssig vorgetragen. Hinsichtlich der Beklagten zu 1) fehle es bereits an der Darlegung eines konkreten Handlungsbeitrags zu der behaupteten „Manipulation“ des streitgegenständlichen Motors, da diese weder den Motor noch das Fahrzeug hergestellt habe. Auch konkreter Vortrag zum Beitrag der Beklagten zu 1) an der Entwicklung des Motors sei nicht feststellbar. Darüber hinaus mangele es an einer schlüssigen Darlegung einer sittenwidrigen Täuschungshandlung. Unstreitig verfüge das Fahrzeug des Klägers nicht über einen Motor des Typs EA 189, weshalb das Vorbringen des Klägers zu der auf diesen Motor bezogenen Anordnung eines Rückrufs durch das Kraftfahrtbundesamt am tatsächlichen Sachverhalt vorbeigehe. Soweit der Kläger für den später behaupteten Einsatz eines Motors des Typs EA 897 ebenfalls den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung behaupte, handele es sich hierbei um eine unzulässige Behauptung „ins Blaue hinein“. Sein Vortrag erschöpfe sich darin, auch für den streitgegenständlichen Motortyp eine Manipulation entsprechend dem vom Abgasskandal betroffenen Motor EA 189 zu behaupten. Es gebe aber keinen Anhalt dafür, dass alle Dieselmotoren der Konzerngruppe der Volkswagen AG eine derartige Abschaltlogik aufweisen würden. Allein der Verweis auf ein kostenloses Nachrüstprogramm der Beklagten zu 2) genüge hierfür nicht, da jeglicher Vortrag zum Gegenstand und Hintergrund der angebotenen Maßnahmen fehle. Zudem zeige sich der spekulative Charakter des Vortrags des Klägers auch darin, dass er – neben dem Einbau einer Abschaltsoftware – den Einsatz eines unzulässigen Thermofensters behaupte. Der entsprechende Vorwurf genüge ebenfalls nicht zur Haftungsbegründung, da die Beschaffenheit des Thermofensters beim streitgegenständlichen Fahrzeug nicht ersichtlich und damit eine Einordnung als unzulässige Abschalteinrichtung nicht eröffnet sei. Zudem fehle es in diesem Zusammenhang an einer Darlegung der subjektiven Haftungsvoraussetzungen, da ein Thermofenster durchaus zulässig sein könne. Es sei aber nicht dargetan oder ersichtlich, dass die Beklagten mit der Unzulässigkeit des eingesetzten Thermofensters gerechnet hätten. Insoweit sei auch eine Einordnung des Handelns der Beklagten als sittenwidrig nicht eröffnet, da es bei Vorliegen eines Thermofensters an einer planmäßigen Täuschung der zuständigen Behörden fehle. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.




Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung unter Weiterverfolgung seines erstinstanzlichen Begehrens. Die Beklagte zu 1) sei als Herstellerin des Motors EA 897 einstandspflichtig. Zumindest habe sie ihren konkreten Entwicklungsbeitrag nicht dargelegt. Der Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung sei erstinstanzlich hinreichend substantiiert vorgetragen worden. Das zunächst versehentlich erfolgte Vorbringen zu einer Manipulationssoftware entsprechend dem Motortyp EA 189 habe ebenfalls Gültigkeit für den streitgegenständlichen Motor vom Typ EA 897. Die Einordnung des Vorbringens als Vortrag „ins Blaue hinein“ oder „willkürlich aufs Geratewohl“ liege neben der Sache. Das Landgericht habe nicht kritisch hinterfragt, weshalb es zu einem Rückruf von 850.000 Fahrzeugen mit entsprechender Motorisierung durch die Beklagte zu 2) gekommen sei. Vortrag zum Einbau und zur Funktionsweise der Abschalteinrichtung sei übergangen worden. Letztlich bestehe auch für die Sechs- und Achtzylinder-​Dieselmotoren der Beklagten zu 2) ein Nachrüstungsbedarf. Auch die Würdigung des Vorbringens zum Einsatz des sog. Thermofensters sei fehlerhaft erfolgt. Die Beklagte habe den Einsatz eines Thermofensters nicht bestritten, weshalb zumindest dessen konkrete Funktionsweise im Wege der Beweisaufnahme zu klären gewesen sei. Aufgrund einer Stellungnahme des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages müsse davon ausgegangen werden, dass die Ausnahmeregelung der Immissions-​Grundverordnung durch die Verwendung des Thermofensters zu weit ausgelegt worden sei. Im Übrigen wird auf die Berufungsbegründung des Klägers vom 25. März 2019 (Bl. 374 ff. GA) verwiesen.

Der Kläger beantragt,

   das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 7. März 2019 abzuändern und

  1.  die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 49.900,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5. Dezember 2017 Zug um Zug gegen Rückübereignung des streitgegenständlichen mangelbehafteten Fahrzeugs Audi A6 Allroad mit der Fahrzeugidentifikationsnummer W ...12 zu zahlen,

hilfsweise,

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 49.990,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5. Dezember 2017 Zug um Zug gegen Rückübereignung des streitgegenständlichen mangelbehafteten Fahrzeugs Audi A6 Allroad mit der Fahrzeugidentifikationsnummer W ... 12 Zug um Zug gegen Zahlung einer von den Beklagten noch darzulegenden Nutzungsentschädigung zu zahlen;

  2.  festzustellen, dass sich die Beklagten mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Fahrzeugs in Bezug befinden;

  3.  festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihm Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs Audi A6 Allroad mit der Fahrzeugidentifikationsnummer W ... 12 durch die Beklagte zu 2) resultieren;

  4.  die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, ihn von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.514,94 € freizustellen

Die Beklagte zu 1) beantragt,

   die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 2) beantragt,

   die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Die Beklagte zu 1) verweist darauf, nicht der Hersteller des Motors des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu sein. Konkret sei in dem Fahrzeug nicht der vom Kläger angeführte Motortyp EA 897, sondern der Typ EA 896 Gen. 2 eingebaut. Dieser verfüge über keine unzulässige Abschalteinrichtung. Anderweitiger Vortrag des Klägers erfolge ins Blaue hinein. Das eingesetzte Thermofenster sei nicht unzulässig. Auch die Beklagte zu 2) verweist auf den Einbau des Motortyps EA 896 Gen. 2. Die Unbedenklichkeit des Motors zeige sich daran, dass der Fahrzeugtyp einschließlich Motor dem Kraftfahrtbundesamt vorgestellt worden sei. Dieses habe keine Beanstandungen erhoben. Es gebe für diesen Fahrzeugtyp keinen behördlich angeordneten Rückruf. Auch das Thermofenster sei nach der Einschätzung des Kraftfahrtbundesamtes nicht unzulässig. Im Übrigen wird auf die Berufungserwiderungen der Beklagten zu 1) vom 21. Mai 2019 (Bl. 485 ff. GA) sowie der Beklagten zu 2) vom 20. Mai 2019 (Bl. 454 ff. GA) Bezug genommen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.


II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes muss die Berufungsbegründung erkennen lassen, in welchem Umfang das erstinstanzliche Urteil angegriffen wird (§ 520 Abs. 3 ZPO), wofür zwar nicht die Aufrechterhaltung der erstinstanzlichen Anträge nebst pauschaler Bezugnahme auf das gesamte erstinstanzliche Vorbringen ausreicht. Allerdings muss eine Berufungsbegründung nicht schlüssig sein (vgl. nur BGH, NJW-​RR 2015, 511). Es genügt, wenn sie auf den Streitfall zugeschnitten ist und im Einzelnen erkennen lässt, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält (vgl. nur BGH, NJW-​RR 2015, 757).

Hiervon ausgehend liegt eine hinreichende Berufungsbegründung des Klägers vor. Er verdeutlicht mit seinem Vorbringen, dass er die rechtliche Würdigung des Landgerichts, die Anspruchsvoraussetzungen des § 826 BGB seien nicht dargetan, umfassend angreift. Hierzu führt der Kläger an, dass er die Haftungsgrundlage aufgrund des unzulässigen Einsatzes einer Manipulationssoftware bzw. eines Thermofensters als gegeben erachtet. Der hierzu von ihm vertretene rechtliche Ansatz schließt das Vorliegen der subjektiven Anforderungen eines Anspruchs nach § 826 BGB ein. Konkrete Einwände gegen die Zulässigkeit der Berufung hat die Beklagte zu 1), die deren Verwerfung angeregt hat, nicht erhoben.

2. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagte aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Die tatsächlichen Voraussetzungen einer mangels vertraglicher Beziehung zwischen den Parteien allein denkbaren deliktischen Haftung der Beklagten sind vom Kläger nicht schlüssig vorgetragen worden.

a) Ein (vom Kläger einzig herangezogener) Anspruch nach § 826 BGB besteht nicht.


Nach § 826 BGB ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügt. Voraussetzung ist also eine Schadenszufügung, die auf einer schädigenden Handlung beruht, die aus objektiver Sicht als sittenwidrig einzustufen ist, weil diese nach ihrem Inhalt bzw. Gesamtcharakter im Widerspruch zum Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden steht und daher mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist (vgl. BGH, NJW 2014, 383, 384; BGH, NJW 2017, 250, 251 f.). Erforderlich ist darüber hinaus ein mit den objektiven Voraussetzungen korrespondierender Schädigungsvorsatz.

Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen kann auf der Grundlage des Sachvortrags des Klägers nicht ausgegangen werden.

aa) Der Ansatz des Klägers, eine sittenwidrige Schädigungshandlung bzw. ein entsprechend zu bewertendes Unterlassen sei aufgrund der Ausstattung des Fahrzeugmotors des erworbenen Audi A6 quattro 3,0 TDI mit einer Manipulationssoftware anzunehmen, hat das Landgericht zu Recht als unbeachtlichen Vortrag „ins Blaue hinein“ angesehen.

Das Vorbringen des Klägers bezieht sich im Kern darauf, der streitgegenständliche Fahrzeugmotor werde durch eine Manipulationssoftware gesteuert, die derjenigen des Dieselmotors EA 189 der Beklagten zu 1) entspreche. Hierzu nimmt er auf die zwischenzeitlich aufgrund des sog. Abgasskandals allgemein bekannte Funktionsweise der Software Bezug, die den Schadstoffausstoß des Fahrzeugs gezielt manipuliere, in dem sie erkenne, ob das Fahrzeug auf einem Kfz-​Prüfstand oder im allgemeinen Straßenverkehr betrieben werde. Bei einer Fahrzeugnutzung in einem Kfz-​Prüfstand werde der Schadstoffausstoß zur gezielten Veränderung des Prüfergebnisses abgesenkt. Der Kläger behauptet nun, auch wenn sein Fahrzeug nicht von einem Motor des Typs EA 189 angetrieben werde, müsse vom Vorliegen einer entsprechenden Manipulationssoftware ausgegangen werden.

Dieser Sachvortrag weist erkennbar keine Substanz auf und ist willkürlich aus der Luft gegriffen. Er rechtfertigt daher nicht die Veranlassung einer Beweisaufnahme. Grundsätzlich ist bei der Annahme einer „ins Blaue hinein“ aufgestellten Behauptung Zurückhaltung geboten. Die Annahme eines willkürlichen Sachvortrags kommt nur im Ausnahmefall in Betracht, da es einer Partei durchaus möglich sein muss, im Zivilprozess Tatsachen zu behaupten, über die sie keine genaue Kenntnis haben kann, die sie aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich hält (vgl. etwa BeckOK-​ZPO/von Selle, Ed. 32, § 138 ZPO, Rn. 32 m.w.N.). Eine zivilprozessual unzulässige Ausforschung ist aber dann gegeben, wenn eine Partei ohne greifbaren Anhaltspunkt für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich „aufs Geratewohl“ Behauptungen aufstellt (vgl. etwa BGH, NJW-​RR 2003, 69, 70; BGH, NJW-​RR 2002, 1419, 1420). Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben, da jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkt für den Einsatz einer Manipulationssoftware entsprechend der Ausstattung des Motortyps EA 189 im Fahrzeug des Klägers fehlt (vgl. auch OLG Köln, Beschl. v. 28. Januar 2019 - 28 U 36/18; OLG München, Beschl. v. 22. März 2019 - 21 U 533/19; OLG Köln, Beschl. v. 19. Februar 2019 - 4 U 175/18; OLG Oldenburg, Beschl. v. 27. Februar 2019 - 1 U 50/18; OLG Celle, Beschl. v. 9. Januar 2019 - 7 U 169/18).

Der Kläger beschränkt sich mit Blick auf die Beschaffenheit der behaupteten Steuerungssoftware darauf, zu der aus dem Abgasskandal bekannten Funktionsweise der Manipulationssoftware des Motors EA 189 vorzutragen. Hierin liegt indes kein hinreichender Sachvortrag. Das Vorbringen bezieht sich auf einen vorliegend - unstreitig - nicht eingesetzten Motortyp. Insofern können die Ausführungen des Klägers nicht als tatsächlicher Anhaltspunkt für den Einsatz einer Manipulationssoftware im streitgegenständlichen Fahrzeug angesehen werden. Der Vortrag des Klägers verdeutlicht lediglich, dass er offenbar davon ausgeht, jedweder unter Federführung der Beklagten zu 1) entwickelter Dieselmotor sei mit einer den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Kfz-​Prüfstand erkennenden Manipulationssoftware ausgerüstet. Diese rein spekulative Äußerung eines Generalverdachts kann nicht als tatsächlicher Anknüpfungspunkt für die vorgetragene Vermutung einer Tatsache - den Einsatz einer Manipulationssoftware im streitgegenständlichen Fahrzeug - angesehen werden.

Das weitere Vorbringen des Klägers zu tatsächlichen Anhaltspunkten für seine Vermutung einer versteckten Software erschöpft sich in den Verweisen auf die Anlagen K6 (Bl. 201 GA) sowie K11 (Bl. 294 GA). Die vorgelegte Pressemitteilung der Beklagten zu 2) vom 21. Juli 2017 (Anlage K6) enthält lediglich eine Mitteilung zum Nachrüstprogramm für Diesel-​Fahrzeuge. Alleine die Durchführung einer Nachrüstung von Dieselfahrzeugen eröffnet indes nicht ansatzweise die Schlussfolgerung auf die Möglichkeit einer Manipulationssoftware, wie sie der Kläger behauptet. Entsprechendes gilt für die Bewertung der vorgelegten Anlage K11. Aufgrund der teilweisen Schwärzung der E-​Mail der Kundenbetreuung der Beklagten zu 2) ist bereits nicht ersichtlich, auf welchen konkreten Fahrzeugtyp sich die E-​Mail bezieht. Rückschlüsse auf einen angeordneten Rückruf sind jedenfalls nicht eröffnet. Aus der E-​Mail ergibt sich (wie bereits aus der Pressemitteilung), dass die technische Nachrüstung zum Großteil als freiwillige Serviceaktion erfolgen soll. Es wird lediglich darauf verwiesen, dass ein geringer Anteil der betroffenen Fahrzeuge einem angeordneten Rückruf unterliegt. Angesichts des Umstandes, dass sich die E-​Mail auf 850.000 unterschiedliche Fahrzeuge bezieht, ist auch hieraus kein Rückschluss (und sei es im Vermutungsweg) auf das Vorliegen einer Manipulationssoftware eröffnet. In diesem Zusammenhang ist ferner der Vortrag der Beklagten zu berücksichtigen, wonach hinsichtlich des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps kein vom Kraftfahrtbundesamt angeordneter Rückruf vorliege. Zu diesem konkreten Vorbringen hat sich der Kläger nicht eingelassen. Insbesondere hat er nicht auf eine konkrete Rückrufanordnung verwiesen. Prozessual ist daher davon auszugehen, dass ein behördlich angeordneter Rückruf zum Fahrzeug des Klägers nicht erfolgt ist. Insofern sind die Bezugnahmen des Klägers auf die Anlagen K6 und K11 nicht geeignet, seine Behauptung des Vorliegens einer Manipulationssoftware als nicht mehr „aus der Luft gegriffen“ anzusehen.




Fehlt es danach an einer schlüssigen Darlegung der Anspruchsvoraussetzungen, gilt dies umso mehr bei Berücksichtigung des vom Kläger im Kern unwidersprochen hingenommenen weiteren Vorbringens der Beklagten. Diese haben in der Berufungsinstanz vorgetragen, das streitgegenständliche Fahrzeug sei mit dem Motortyp EA 896 Gen. 2 ausgestattet, ohne dass der Kläger hierauf eingegangen ist. Selbst wenn der Senat zu Gunsten des Klägers aus der kommentarlosen Hinnahme dieses Vorbringens der Beklagten nicht bereits schlussfolgert, dass sich die gesamten Klageangriffe auf den falschen Motor (zunächst EA 189, anschließend EA 897) beziehen, und den Vorwurf des Einsatzes einer Manipulationssoftware auch auf den Motortyp EA 896 Gen. 2 erstreckt, zeigt sich an der prozessualen Vorgehensweise des Klägers die Willkürlichkeit seiner Angriffe. Er hat sein Vorbringen unabhängig von dem in seinem Fahrzeug eingebauten Motortyp aufgrund seines pauschalen Generalverdachts unverändert und undifferenziert weiterverfolgt, ohne Anhaltspunkte für seine Vermutungen anzuführen. Darüber hinaus haben die Beklagten darauf verwiesen, dass Fahrzeuge mit einem 3,0 l-​Dieselmotor der Abgasnorm Euro 5 nicht über einen SCR-​Katalysator verfügen und damit keinem angeordneten Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes unterliegen. Auch hierzu hat sich der Kläger nicht eingelassen. Schließlich haben die Beklagten unwidersprochen vorgetragen, dass der streitgegenständliche Fahrzeugtyp einschließlich des Motors nach Bekanntwerden des Abgasskandals beim Kraftfahrtbundesamt vorgestellt und untersucht wurde. Zu einem angeordneten Rückruf kam es gleichwohl nicht. Nach alledem liegen die strengen Anforderungen eines rechtsmissbräuchlichen und damit unzureichenden Sachvortrags vor.

bb) Auch der Vorwurf des Klägers, das streitgegenständliche Fahrzeug sei mit einem als unzulässige Abschalteinrichtung anzusehenden sog. Thermofenster ausgestattet, erweist sich nicht als schlüssiger Vortrag der Anspruchsvoraussetzungen des § 826 BGB.

In diesem Zusammenhang ist das Verhältnis zwischen Vertrags- und Deliktshaftung zu berücksichtigen. Eine Verletzung vertraglicher Leistungspflichten stellt grundsätzlich keine sittenwidrige Schädigung dar, selbst wenn sie im Einzelfall vorsätzlich erfolgt. Insofern werden die vertragsrechtlichen Rechtsbehelfe nicht durch einen deliktischen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB ergänzt (vgl. nur MünchKomm-​BGB/Wagner, 7. Auflage 2017, § 826 BGB, Rn. 16, 17 m.w.N.).

Ausgehend hiervon fehlt es an den Voraussetzungen einer sittenwidrigen Schädigung. Die Beklagten haben vorgetragen, dass Thermofenster zur Steuerung der seit den 70er Jahren von sämtlichen Automobilherstellern vorgenommenen Abgasrückführung branchenweit bei allen Dieselmotoren eingesetzt werden. Ihr Zweck besteht darin, eine „Versottung“ zu verhindern. Der Kläger ist dem nicht entgegengetreten. Ob es sich bei dem konkreten Thermofenster des streitgegenständlichen Fahrzeugs um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 VO-​EG 715/2007 handelt, kann im Ergebnis dahinstehen. Selbst wenn die Abschalteinrichtung unzulässig sein sollte, wäre allenfalls ein im Wege der Vertragshaftung zu regulierender Sachmangel gegeben. Damit geht indes keine sittenwidrige Schädigung einher. Anhaltspunkte dafür, dass die technische Ausgestaltung des Thermofensters beim streitgegenständlichen Fahrzeug eine andere Wertung gebieten würde, hat der Kläger nicht vorgetragen. Dabei kann offen bleiben, ob der Einsatz der Manipulationssoftware beim Motortyp EA 189 als sittenwidrige Handlung im Sinne des § 826 BGB eingeordnet werden kann. Von der Manipulationssoftware beim Motortyp EA 189 unterscheidet sich das eingesetzte Thermofenster grundlegend. Die Beklagte zu 2) hat in der mündlichen Verhandlung zutreffend darauf verwiesen, dass es sich bei der Manipulationssoftware um eine versteckte Einrichtung zum Erkennen des Betriebs des Fahrzeugs auf einem Prüfstand handelt, während das Thermofenster eine allgemein anerkannte und von sämtlichen Herstellern eingesetzte sowie bei einer Prüfung des Fahrzeugs offen erkennbare technische Einrichtung darstellt. Sofern diese gleichwohl aufgrund ihrer technischen Gestaltung als unzulässig anzusehen wäre, führt dies nicht dazu, dass ein Sittenverstoß bejaht werden könnte.

Insofern kann dahinstehen, ob der Kläger überhaupt ausreichend zum Schädigungsvorsatz der Beklagten vorgetragen hat, da bei der gegebenen Sachlage - anders als beim Einsatz einer versteckten Software - nicht ohne weiteres von einem vorsätzlichen Rechtsverstoß ausgegangen werden kann. cc) Im Ergebnis ist daher nicht entscheidend, dass der Kläger zu einer die Haftung begründenden Verantwortung der Beklagten zu 1) unzureichend vorgetragen hat, da diese die eigene Herstellung des Motors in prozessual nicht zu beanstandender Weise bestritten hat. Offen bleiben können auch die weiteren Einwände der Beklagten gegen eine Haftungsverantwortung nach § 826 BGB (u.a. Finanzierung des Fahrzeugs, kein Schadenseintritt, fehlender Zurechnungszusammenhang).

b) Andere Ansprüche hat der Kläger nicht konkret angeführt. Ein Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB scheitert bereits daran, dass nicht ersichtlich ist, inwiefern die Beklagten den Kläger getäuscht haben. Auch fehlt es - da der Einsatz einer Manipulationssoftware entsprechend dem Motortyp EA 189 nicht schlüssig vorgetragen wurde - an einem Schaden.



3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben sind. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Rechtsauffassung des Senats steht im Einklang mit der Entscheidungspraxis anderer Oberlandesgerichte. Zudem differiert der Sachvortrag der Anspruchsteller bei Manipulationsvorwürfen betreffend andere Motoren als den Typ EA 189, weshalb letztlich eine Einzelfallentscheidung unter tatrichterlicher Würdigung des Vorbringens zu dem vom Kläger erhobenen Manipulationsverdacht zu treffen ist.

Der Senat hat beschlossen, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 49.990,- € festzusetzen.

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