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Verwaltungsgericht Neustadt Urteil vom 19.04.2021 - 3 K 731/20.NW - Rechtsmittelfrist bei der Anordnung eines Halteverbots

VG Neustadt v. 19.04.2021: Rechtsmittelfrist bei der Anordnung eines Halteverbots




Das Verwaltungsgericht Neustadt (Urteil vom 19.04.2021 - 3 K 731/20.NW) hat entschieden:

   Die einjährige Rechtsmittelfrist gegen eine dauerhafte Verkehrsregelung (hier: Halteverbot), die übergangslos einer identischen versuchsweisen Verkehrsregelung folgt, ohne dass dies durch eine Änderung des Verkehrszeichens oder die öffentliche Bekanntmachung der zugrundeliegenden verkehrsbehördlichen Anordnung nach außen erkennbar wird, beginnt mit positiver Kenntnis von der der Anordnung zugrundeliegenden, neuen Rechtsgrundlage zu laufen.

Siehe auch
Verkehrsrechtliche Anordnungen von Halt- und Parkeinschränkungen
und
Verkehrszeichen - Verkehrsschilder - Verkehrseinrichtungen - verkehrsrechtliche Anordnungen


Tatbestand:


Der Kläger wendet sich gegen eine straßenverkehrsrechtliche Halteverbotsanordnung der Beklagten in der Ortsgemeinde L... , auf der Ortsdurchfahrt (OD) der Landesstraße … (L 507), hier im Verlauf der N…Straße.

Der Kläger ist wohnhaft in dem Anwesen N… Straße.

Mit E-​Mail vom 26.4.2016 wandte sich der Ortsbürgermeister der Ortsgemeinde L... an die Verbandsgemeindeverwaltung der Verbandsgemeinde L... und wies darauf hin, dass im Begegnungsverkehr häufig der auf der Nordseite befindliche Gehsteig als Fahrbahn mitgenutzt werde, woraus sich eine starke Gefährdung der Fußgänger ergebe. Zur Verbesserung des Verkehrsflusses insbesondere bei Begegnungsverkehr von Bussen und LKW, bitte die Ortsgemeinde um einen viermonatigen Verkehrsversuch, bei dem ein Parkverbot in bestimmten Bereichen der N… Straße eingerichtet werden solle.

Am 23.5.2016 gab die Polizeiinspektion Germersheim (PI) eine Stellungnahme ab: Der PI seien bislang keine Ereignisse zur Anzeige gebracht worden, bei denen in der N…Straße Fußgänger auf dem Gehweg gefährdet oder gar geschädigt worden seien. Durch die beabsichtigte Maßnahme gingen einige Parkmöglichkeiten verloren. Die durch das eingeschränkte Halteverbot auf der ganzen Breite nutzbare Fahrbahn verjünge sich am Ende des Halteverbots durch die Beschaffenheit der Straße um ca. 20 cm, sodass, wenn ab dort wieder geparkt werden dürfe, eine Engstelle entstehe. Das Problem des Begegnungsverkehrs werde damit lediglich verlagert. Einem Verkehrsversuch stehe die PI grundsätzlich offen gegenüber.




Mit Beschluss vom 14.6.2016, veröffentlicht im Amtsblatt der Verbandsgemeinde L... vom 30.6.2016, bat der Gemeinderat der Ortsgemeinde L... die Verbandsgemeinde L... um einen viermonatigen Verkehrsversuch in Form eines beidseitigen, absoluten Halteverbots in einem Teilbereich der OD L 507, N… Straße. Durch die Anordnung solle ein Befahren des Gehweges bei Gegenverkehr verhindert werden. Anwohner hätten berichtet, dass Autofahrer regelmäßig den Gehweg als Ausweichmöglichkeit nutzten, da ein Ausscheren aufgrund der parkenden Autos nicht möglich gewesen sei. Gründe für diese unübersichtliche Situation seien neben der abknickenden Fahrbahn, die parkenden Autos der Anwohner auf der Südseite. Alle Anwohner hätten die Möglichkeit, ihr Fahrzeug auf den eigenen Grundstücken abzustellen. Zusätzlich hätten die von W... kommenden Fahrzeuge keine Übersicht über den Gegenverkehr. Wenn Busse oder LKW die N… Straße durchführen, sei die Situation noch unübersichtlicher. Die Verbandsgemeinde werde gebeten, die Anwohner über den Verkehrsversuch zeitig zu informieren.

Am 19.7.2016 traf die Beklagte eine straßenverkehrsrechtliche Anordnung als Verkehrsversuch im Teilbereich der OD L 507, N… Straße. Das dort angeordnete, eingeschränkte Halteverbot betrifft die nördliche Straßenseite zwischen der Einmündung H… und dem Anwesen N… Straße … sowie die südliche Straßenseite ab dem Anwesen N… Straße … bis zur Einmündung H… auf einer ca. 145 m langen Strecke. Die Anordnung begründete die Straßenverkehrsbehörde wie folgt: Nach dem Ausbau der N…. Straße sei auf die Anordnung einer Parkregelung verzichtet worden. Durch Konfliktsituationen zwischen dem ruhenden und dem fließenden Verkehr komme es in dem von dem Verkehrsversuch betroffenen Bereich immer wieder zu Verkehrsbehinderungen und Verkehrsgefährdungen, insbesondere für Fußgänger und Radfahrer. Der Verkehrsversuch werde bis zum 31.10.2016 befristet. Sollte sich die Parkregelung positiv auf den Verkehrsverlauf auswirken und sich dadurch die Verkehrssicherheit erhöhen, sei beabsichtigt, die Regelung auf Dauer beizubehalten. Spätestens nach Ablauf des Verkehrsversuchs werde eine entsprechende Entscheidung getroffen.

Mit Schreiben der Beklagten vom 3.8.2016 wurden die Anwohner der N… Straße über den Verkehrsversuch und dessen Begründung in Kenntnis gesetzt. Einen Hinweis auf die Zeitdauer des Verkehrsversuchs enthielt das Schreiben nicht.

In der Folge wurde – zu einem nicht nachvollziehbaren Zeitpunkt – in dem vorstehend beschriebenen Teilbereich eine entsprechende Beschilderung aufgestellt.

Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 26.8.2016 legte der Kläger gegen die Anordnung vom 19.7.2016 Widerspruch ein und bat um Mitteilung, wie lange der Versuch voraussichtlich andauern solle.

Hierauf antwortete die Beklagte mit an die Prozessbevollmächtigte des Klägers gerichtetem Schreiben vom 14.9.2016, in dem sie die Begründung der Anordnung des Verkehrsversuchs wiederholte und unter anderem darauf hinwies, dass dieser zunächst bis zum Ende des Jahres vorgesehen sei. Dann solle über eine endgültige Regelung entschieden werden.

In der Folge wurde der Verkehrsversuch – soweit ersichtlich – bis zum 31.3.2017 verlängert.

Mit E-​Mail vom 24.2.2017 setzte die Beklagte die PI Germersheim sowie den Landesbetrieb Mobilität darüber in Kenntnis, dass sich der Verkehrsversuch positiv auf den fließenden Verkehr ausgewirkt habe. Daher sei beabsichtigt, die versuchsweise Parkregelung dauerhaft anzuordnen.

Mit E-​Mail vom 27.2.2021 erklärte die PI Germersheim, dass hiergegen aus polizeilicher/verkehrsrechtlicher Sicht keine Bedenken bestünden.

Mit straßenverkehrsrechtlicher Anordnung vom 13.4.2017 wurden die bereits im Rahmen des Verkehrsversuchs getroffenen Regelungen vom 19.7.2016 dauerhaft angeordnet. Die Anordnung begründete die Straßenverkehrsbehörde über die bereits im Rahmen der Anordnung des Verkehrsversuchs gegebene Begründung hinaus damit, dass durch die endgültige Regelung keine weiteren Kosten entstünden, da die vorhandene Beschilderung nicht geändert werden müsse. Zudem sei die Option einer Parkregelung bis zum Ortsausgang in Richtung W.../Pfalz sowie eine Parkregelung mit wechselseitigen Parkboxen für die gesamte N…. Straße zu treffen, weiterhin gegeben.

Die vorgenannte Anordnung wurde nicht im Amtsblatt veröffentlicht. Die Anwohner wurden über die Regelung nicht gesondert in Kenntnis gesetzt.

Mit E-​Mail seiner Prozessbevollmächtigten vom 5.4.2018 bat der Kläger um Sachstandsmitteilung und teilte zugleich mit, dass er an seinem Widerspruch vom 26.8.2016 festhalte.

Mit Schreiben vom 12.4.2018, zugegangen am 16.4.2018, setzte die Beklagte die Prozessbevollmächtigte des Klägers über die Anordnung vom 13.4.2017 in Kenntnis und fügte eine Kopie der Anordnung bei. Die Parkregelung habe sich bewährt, weitere Beschwerden lägen nicht vor. Öffentlicher Parkraum stehe in zumutbarer Entfernung zur Verfügung. Ein Anspruch auf einen Parkplatz in unmittelbarer Nähe zum Wohnanwesen bestehe nicht. Der Kläger werde um Mitteilung gebeten, ob der Widerspruch auch gegen die endgültige verkehrsbehördliche Anordnung vom 13.4.2017 erhoben werde.

Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 23.4.2018 erhob der Kläger gegen die Anordnung vom 13.4.2017 Widerspruch und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er sei von der Anordnung unmittelbar betroffen. Das Straßenprofil sei breit genug, um ein lediglich einseitiges Parkverbot anzuordnen bzw. den Verkehrsfluss über Parkbuchten im Wechsel zu regeln. Von der endgültigen Regelung habe er erst mit Schreiben der Beklagten vom 12.4.2018 Kenntnis erlangt.

Die Beklagte half dem Widerspruch nicht ab.

Das Verfahren hinsichtlich der Anordnung vom 19.7.2016 wurde in der mündlichen Verhandlung des Kreisrechtsausschusses vom 23.8.2020 auf die übereinstimmende Erledigungserklärung der Beteiligten eingestellt. Der Kreisrechtsausschuss der Kreisverwaltung Germersheim wies den Widerspruch gegen die Anordnung vom 13.4.2017 mit Widerspruchsbescheid vom 30.7.2020 zurück und führte zur Begründung aus: Der Widerspruch sei unzulässig. Bei der verfahrensgegenständlichen Anordnung handele es sich um einen Verwaltungsakt, der aufgrund des Zeitablaufs der Anordnung vom 19.7.2016 sowie der „Endgültigkeit“ der Anordnung des eingeschränkten Halteverbots auch Regelungswirkung zukomme. Die Anordnung vom 13.4.2017 sei für die Ortsgemeinde L... als Adressat unmittelbar verbindlich und habe durch die Bekanntgabe gegenüber der Ortsgemeinde formale Existenz erlangt, wodurch sie der Anfechtung auch durch jeden anderen von ihr Betroffenen zugänglich geworden sei. Der Widerspruch sei jedoch verfristet. Die Aufstellung der Verkehrsschilder und damit die Bekanntgabe der Anordnung gegenüber dem Kläger sei am 13.4.2017 erfolgt, da die vorhandene Beschilderung nicht habe geändert werden müssen. Die Ausschlussfrist des § 58 Abs. 2 VwGO, die von der Behörde insbesondere nicht mit Schreiben vom 12.4.2018 habe verlängert werden können, habe mit Ablauf des 13.4.2018 geendet. Der am 23.4.2018 erhobene Widerspruch sei verfristet. Die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in die versäumte Widerspruchsfrist lägen nicht vor. Dem Kläger sei die Erhebung des Widerspruchs nicht aufgrund höherer Gewalt unmöglich gewesen. Das Verkehrsschild sei zwar nach Ende des Verkehrsversuchs nicht entfernt worden, weshalb der Kläger nicht die Möglichkeit gehabt habe, zwischen vorläufiger und endgültiger Regelung zu unterscheiden. Es sei auch durchaus fraglich, ob es einem Bürger zugemutet werden könne, sich „ständig, alle paar Wochen“ nach dem Erlass eines Verwaltungsaktes zu erkundigen. Der von Beginn an anwaltlich vertretene Kläger sei jedoch vor Ablauf des Verkehrsversuchs durch das an seine Prozessbevollmächtigte adressierte Schreiben vom 14.9.2016 über die zeitliche Begrenzung des Verkehrsversuchs informiert worden. Der Kläger habe daher gewusst, dass der Verkehrsversuch in den nächsten Monaten enden und sodann über eine endgültige Regelung entschieden werden sollte. Da das Verkehrsschild das ganze Jahr 2017 über „stehengelassen“ worden sei, hätte sich der Erlass bzw. das Vorliegen der „endgültigen“ verkehrsbehördlichen Anordnung aufdrängen müssen. Zugleich sei es ihm möglich und zumutbar gewesen, sich hierüber Gewissheit zu verschaffen. Bei Rechtsanwälten seien im Hinblick auf Wiedereinsetzungsgründe höhere Anforderungen zu stellen, als an juristische Laien.

Nach Zustellung des Widerspruchsbescheids (3.8.2020) hat der Kläger am 27.8.2020 die vorliegende Klage erhoben.

Er trägt vor: Die Beklagte habe ausreichend Zeit gehabt, auf die E-​Mail der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 5.4.2018 vorab per Mail oder Telefon zu reagieren und diesen über die Beendigung des Verkehrsversuchs und die endgültige Regelung vom 13.4.2017 zu informieren. Stattdessen sei für das Schreiben vom 12.4.2018 der Postweg gewählt worden. Da keinerlei Hinweis an die Anwohner ergangen sei, habe dem identischen Verkehrsschild nicht entnommen werden können, dass sich seine Rechtsnatur geändert habe. Übertrage man die Rechtsprechung zu Bekanntgabe und Anfechtung eines Verkehrsverbots auf den hiesigen Fall, habe der Kläger „sichtbar“ nur den vom ihm angefochtenen Verkehrsversuch wahrnehmen können, nicht jedoch die zwischenzeitlich eingetretene Änderung, zumal sein Widerspruch in diesem Zeitpunkt noch nicht bearbeitet gewesen sei. Andernfalls würde dem Kläger aufgegeben, regelmäßig über mögliche Verkehrsverbote nachzudenken und nachzufragen, ob eine Allgemeinverfügung aufgehoben oder durch eine andere ersetzt werde, ohne dass hierfür ein äußerlich erkennbarer Anlass bestünde, da es sich lediglich um Behördeninterna handele. Die Regelung selbst sei ermessensfehlerhaft, da nicht das mildeste Mittel gewählt worden sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

   das angeordnete Halteverbot (VZ 286) basierend auf der verkehrspolizeilichen Anordnung der Beklagten vom 13.4.2017 sowie den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 23.7.2020 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

   die Klage abzuweisen.

Sie erwidert: Auf die Anfrage vom 5.4.2018 sei am 12.4.2018 und damit binnen einer Woche geantwortet worden. Diese Bearbeitung sei als rechtzeitig anzusehen. Eine Verpflichtung, die Anfrage per E-​Mail zu beantworten, bestehe nicht. Der Kläger sei anwaltlich vertreten gewesen. Mit Schreiben vom 14.9.2016 sei die Prozessbevollmächtigte des Klägers darüber informiert worden, dass der Verkehrsversuch bis Ende des Jahres vorgesehen sei. Der Kläger habe also gewusst, dass dieser in den nächsten Monaten ende und anschließend über eine endgültige Regelung entschieden werden sollte. Da das Verkehrsschild im gesamten Jahr 2017 gestanden habe, hätte sich dem Kläger die endgültige Anordnung aufdrängen müssen. Höhere Gewalt oder ein außergewöhnliches Ereignis lägen nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts-​, Verwaltungs- und Widerspruchsakte verwiesen. Dieser war Gegenstand der Beratung des Gerichts.





Entscheidungsgründe:


Die zulässige Klage, über die das erkennende Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –) und mit der der Kläger die Aufhebung des angeordneten Halteverbots (VZ 286 Anlage 2 zur StVO) basierend auf der Anordnung der Beklagten vom 13.4.2017 sowie des dazu ergangenen Widerspruchsbescheids vom 23.7.2020 begehrt, hat keinen Erfolg.

I)

Die Klage ist zulässig.

A)

Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft. Bei den aufgestellten Halteverbotsschildern handelt es sich um Vorschriftszeichen im Sinne des § 41 i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 8 – Zeichen 286 – StVO, mithin um Verwaltungsakte in Form von Allgemeinverfügungen, § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 35 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.1996 – 11 C 15.95 und Urteil vom 13.12.1979 – 7 C 46.78). Gleiches gilt für die hierzu ergangene verkehrspolizeiliche Anordnung vom 13.4.2017 (vgl. OVG RP, Urteil vom 21.5.1985 – 67 A 125/84.OVG).

B)

Der Kläger ist auch klagebefugt (§ 42 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –), denn das Klagevorbringen lässt es zumindest als möglich erscheinen, dass die angefochtene Maßnahme eigene Rechte des Klägers verletzt. Da Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - als Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit interpretiert wird, gehört zu seinem Schutzbereich auch die Teilnahme des Einzelnen am fließenden und ruhenden Straßenverkehr. Wird diese Teilnahme durch verkehrsrechtliche Anordnungen eingeschränkt oder verboten, kann ein Eingriff in dieses Grundrecht vorliegen. Jede einzelne verkehrsrechtliche Anordnung muss folgerichtig den Anforderungen des Art. 2 Abs. 1 GG genügen (vgl. zum Ganzen: Steiner, in: MünchKomm-​StVR, 1. Auflage 2016, § 45 StVO Rn. 6). Ein Verkehrsteilnehmer kann danach also eine Verletzung seiner Rechte mit der Begründung geltend machen, die rechtssatzmäßigen Voraussetzungen für eine auch ihn treffende Verkehrsbeschränkung nach § 45 Abs. 1 StVO seien nicht gegeben. Was die behördliche Ermessensausübung betrifft, kann er allerdings nur verlangen, dass seine eigenen Interessen ohne Rechtsfehler abgewogen werden mit den Interessen der Allgemeinheit und anderer Betroffener, die für die Einführung der Verkehrsbeschränkung sprechen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 27.1.1993 – 11 C 35.92 – m.w.N.). Der Kläger macht als Verkehrsteilnehmer und Anlieger dabei die Verletzung eigener und nicht etwa die Verletzung fremder Rechte geltend und spielt sich insoweit auch nicht als Sachwalter der Allgemeinheit auf (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.6.1967 – VII C 18.66).


C)

Der Kläger hat das nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderliche Vorverfahren ordnungsgemäß durchgeführt. Insbesondere hat er innerhalb der wegen des Fehlens einer Rechtsbehelfsbelehrung einjährigen Widerspruchsfrist nach § 70 Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO Widerspruch eingelegt. Halteverbotsschilder (wie auch sonstige Verkehrszeichen) sind Allgemeinverfügungen (s.o.). Sie werden gemäß § 1 LVwVfG i.V.m. § 43 Abs. 1 VwVfG gegenüber demjenigen, für den sie bestimmt sind oder der von ihnen betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie ihm bekannt gegeben werden. Die Bekanntgabe erfolgt nach den bundesrechtlichen (Spezial-​)Vorschriften der Straßenverkehrs-​Ordnung durch Aufstellen des Verkehrsschildes (vgl. insbesondere § 39 Abs. 1 und § 45 Abs. 4 StVO; stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 23.9.2010 – 3 C 37.09). Sind Verkehrszeichen so aufgestellt oder angebracht, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt schon „mit einem raschen und beiläufigen Blick“ erfassen kann, äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 27.2.2018 – 7 C 30.17). Dies bedeutet nicht, dass die Anfechtungsfrist gegenüber jedermann bereits mit dem Aufstellen des Verkehrszeichens in Gang gesetzt wird. Diese wird vielmehr erst dann ausgelöst, wenn sich der betreffende Verkehrsteilnehmer erstmals der Regelung des Verkehrszeichens gegenübersieht, indem er erstmalig in dessen Wirkungsbereich gelangt. Das Verkehrsge- oder -verbot, das dem Verkehrsteilnehmer bei seinem ersten Herannahen bekannt gemacht wurde, gilt ihm gegenüber fort, solange dessen Anordnung und Bekanntgabe aufrechterhalten bleiben. Wird die dem Verkehrszeichen zugrundeliegende verkehrsrechtliche Anordnung hingegen – nach außen erkennbar – geändert, beginnt die einjährige Rechtsmittelfrist ab diesem Zeitpunkt neu zu laufen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.9.2010, a.a.O.). Soweit eine Verkehrsregelung ohne Änderung des sie verkörpernden Verkehrszeichens inhaltlich geändert wird, indem – wie im vorliegenden Fall – eine versuchsweise getroffene Regelung als dauerhafte Verkehrsbeschränkung angeordnet wird, ist für die Frage des Beginns der Anfechtungsfrist grundsätzlich der Zeitpunkt der – wiederum nach außen erkennbaren – wesentlichen Änderung der verkehrsbehördlichen Anordnung mit dem Aufstellen des Verkehrszeichens gleichzusetzen (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 31.3.1999 – 2 UE 2346/96). Mit Blick auf den nach Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen, effektiven Rechtsschutz ist aber davon auszugehen, dass von einem Widerspruchsführer nicht erwartet werden kann, die von ihm angegriffenen Verkehrszeichen und deren – nach außen erkennbare – Bekanntmachungsform unter ständiger Kontrolle zu halten, um zu vermeiden, dass eventuelle – inhaltsgleiche – Nachfolgeregelungen in Bestandskraft erwachsen (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.9.2010, a.a.O.). Danach kann von einem Verkehrsteilnehmer, der sich gegen eine versuchsweise getroffene Regelung wendet, die in der Folge, ohne dass dies – beispielsweise aufgrund einer Veröffentlichung im Amtsblatt oder einer individuellen Information der Anwohner – nach außen erkennbar zu Tage tritt, in eine inhaltlich abweichende, da endgültige Regelung geändert wird, erst Recht nicht verlangt werden, dass sich dieser in bestimmten zeitlichen Abständen nach dem Schicksal der versuchsweise getroffenen Anordnung erkundigt.

Nach diesen Grundsätzen wurde der Widerspruch fristgemäß eingelegt. Die Widerspruchsfrist wurde dabei nicht bereits durch die Einlegung des Widerspruchs vom 26.8.2016 gegen die versuchsweise angeordnete Regelung gewahrt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.9.2010, a.a.O.), da die Änderung einer versuchsweisen Regelung in eine endgültige Regelung als wesentliche Änderung des Streitstoffs anzusehen ist (vgl. BayVGH, Beschluss vom 31.3.2009 – 11 ZB 07.630). Insbesondere stützt sich die endgültige Anordnung des Halteverbots auf eine andere Rechtsgrundlage. Die Widerspruchsfrist wurde jedoch durch das am 23.4.2018 bei der Beklagten eingegangene Faxschreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers gewahrt, mit dem dieser sich erstmalig gegen die endgültige Regelung vom 13.4.2017 wandte. Zwar konnte sich der Kläger der mit Anordnung vom 13.4.2017 getroffenen Regelung aufgrund seines bereits vor Erlass der Anordnung in der N… Straße … begründeten Wohnsitzes ab dem Tag des Erlasses gegenübersehen. Dadurch, dass er weder durch eine an ihn gerichtete Mitteilung, noch durch eine entsprechende Information im Amtsblatt über die Ersetzung der im Wege eines Verkehrsversuchs getroffenen durch eine endgültige Regelung in Kenntnis gesetzt wurde, begann die Jahresfrist im konkreten Fall jedoch erst mit Zugang des Schreibens der Beklagten vom 12.4.2018 zu laufen. In diesem Zeitpunkt informierte die Beklagte den Kläger erstmalig über die mit Anordnung vom 13.4.2017 getroffene endgültige Regelung. Erst in diesem Zeitpunkt ist von einer für den Beginn der Widerspruchsfrist erforderlichen positiven Kenntnis von der der Anordnung zugrundeliegenden, neuen Rechtsgrundlage auszugehen (vgl. BayVGH, Urteil vom 31.3.2009, a.a.O.) und begann die Jahresfrist erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen. Dem Kläger musste sich eine entsprechende Veränderung der dem Verkehrszeichen zugrundeliegenden Anordnung auch nicht zu einem früheren Zeitpunkt aus dem Inhalt des zwischen den Beteiligten vorgerichtlich ausgetauschten Schriftverkehrs aufdrängen. Dabei erweist sich die mit Schreiben der Beklagten vom 14.9.2016 getätigte Mitteilung, dass der Verkehrsversuch bis Ende des Jahres 2016 vorgesehen sei, als bestenfalls nicht nachvollziehbar bzw. schlicht unrichtig, da die unter dem Datum des 19.7.2016 getroffene Anordnung eine Befristung bis zum 31.10.2016 vorsah. Dass in der Zwischenzeit eine hiervon abweichende Regelung getroffen geschweige denn veröffentlicht wurde, ist weder dargetan, noch aus dem der Kammer vorliegenden Akteninhalt ersichtlich. Soweit die Zeitdauer der Anordnung des Verkehrsversuchs in der Folge – soweit nachvollziehbar – bis zum 31.3.2017 verlängert wurde, gilt nichts anderes. Angesichts der vorstehend beschriebenen, disparaten und irreführenden Informationslage kann es dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, dass er sich nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt über das Schicksal der befristeten Anordnung des Verkehrsversuchs bei der Beklagten erkundigt hat. Überdies wurde über den gegen diese Regelung eingelegten Widerspruch innerhalb eines Zeitraumes von mehr als anderthalb Jahren weder entschieden, noch wurde dem Kläger der Sachstand mitgeteilt. Der Kläger durfte danach auch im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG davon ausgehen, dass sich an der der Beschilderung zugrundeliegende Anordnung nichts geändert hatte. Ohne dass es noch darauf ankäme, weist die Kammer schließlich darauf hin, dass sich die klägerische Bevollmächtigte mit E-​Mail vom 5.4.2018 und damit innerhalb eines Jahres nach Änderung der der Beschilderung zugrundeliegenden Anordnung eine entsprechende Sachstandsanfrage an die Beklagte gerichtet hat.




II)

Die Klage ist unbegründet.

Die angefochtene behördliche Entscheidung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage der verkehrsrechtlichen Anordnung ist § 45 StVO. Danach können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten.

A)

Die Beklagte hat die gesetzlichen Vorgaben korrekt umgesetzt.

1) Gegen die Anordnung des Halteverbots bestehen keine formal-​rechtlichen Bedenken. Da es sich bei der beanstandeten Anordnung um eine Allgemeinverfügung handelt, war eine Anhörung nach §§ 1 LVwVfG, 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG entbehrlich. Die Verbandsgemeindeverwaltung L... handelte zudem als zuständige Straßenverkehrsbehörde gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 der Zuständigkeitsverordnung Straßenverkehrsrecht.

2) Materiell-​rechtlichen Zweifeln begegnet die verkehrsrechtliche Anordnung gleichfalls nicht.

a) Die durch das Aufstellen entsprechender Verkehrsschilder umgesetzte Anordnung eines Halteverbotes in der N… Straße findet ihre rechtliche Grundlage in § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 Satz 1 StVO.Zu verkehrsbeschränkenden Maßnahmen nach dieser Norm gehört auch die streitige Anordnung und Ausweisung der Halteverbotszonen.

b) Die zwingende Erforderlichkeit der Einrichtung eines Halteverbots im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 Satz 1 StVO liegt für den von der verkehrsrechtlichen Anordnung erfassten Bereich vor.

aa) Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten oder den Verkehr umleiten. Nach § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies auf Grund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nach § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt. Eine Gefahrenlage, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in § 45 StVO genannten Rechtsgüter – hier insbesondere eines sicheren Verkehrsflusses – erheblich übersteigt, liegt nach den obigen Ausführungen bereits dann vor, wenn eine entsprechende konkrete Gefahr besteht, die sich aus den besonderen örtlichen Verhältnissen ergibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.9.2010, a.a.O.). Die Annahme besonderer örtlicher Verhältnisse im Sinne einer qualifizierten Gefahrenlage wird nicht nur durch die Verkehrsdichte und daraus resultierende Unfallzahlen im fraglichen Bereich (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.9.2010, a.a.O.), sondern durch verschiedene weitere Faktoren beeinflusst, so unter anderem von der Breite und dem Ausbauzustand der für den Fahrzeug- und Fußgängerverkehr zur Verfügung stehenden Fläche, den Ausweichmöglichkeiten, der Inanspruchnahme von Flächen durch parkende Fahrzeuge und deren Auswirkungen auf den Verkehr, der Übersichtlichkeit der Streckenführung und der Verteilung des Verkehrs über den Tag (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.4.2013 – 3 B 59/12).

bb) Nach diesen Grundsätzen liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen zur Anordnung im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.9.2010, a.a.O.), trotz der recht oberflächlichen Begründung durch die Beklagte vor.

Die Beklagte ist im Ergebnis rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine qualifizierte Gefahrenlage anzunehmen ist. Sie hat im vorliegenden Fall die Parkmöglichkeiten aus Gründen der Sicherheit des fließenden Verkehrs beschränkt. Die Übersichtlichkeit der aufgrund der überörtlichen Bedeutung beachtlich frequentierten OD L 507 soll nicht durch parkende oder haltende Fahrzeuge behindert oder übermäßig erschwert werden. Durch die – insbesondere auf der Südseite – am Straßenrand parkenden Autos war aufgrund der dortigen Verbreiterung des Fußgängerweges ein gefahrloses Befahren bei Gegenverkehr nicht gewährleistet. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei der N… Straße nicht um eine gewöhnliche innerörtliche Erschließungsstraße, sondern um die Ortsdurchfahrt einer Landesstraße handelt. Landesstraßen sind Straßen, die untereinander oder zusammen mit Bundesstraßen ein Verkehrsnetz bilden und den Durchgangsverkehr dienen oder zu dienen bestimmt sind (§ 3 Nr. 1 LStrG). Die Ortsdurchfahrt hat also nicht nur eine Erschließungsfunktion. Sie dient vielmehr gleichzeitig auch der Verknüpfung des überörtlichen Straßennetzes und der Durchleitung des anfallenden Verkehrs in Richtung Speyer einerseits und in Richtung W..., Weingarten und Schwegenheim andererseits. Dieser Funktion der Ortsdurchfahrt trägt die verkehrsrechtliche Anordnung Rechnung. Hinzukommt, dass gerade im Bereich der OD L 507, wo diese als "N… Straße" rechtwinklig in die "H…." übergeht, die Einsehbarkeit des Straßenverlaufs nur bedingt gegeben ist und dort zweifelsfrei die Ausweisung eines Halteverbots der Sicherheit des fließenden Verkehrs zuträglich ist. Dies gilt umso mehr, als die OD L 507 ausweislich der zur Verwaltungsakte genommenen Zeitungsaufnahme im hier maßgeblichen Bereich eine – gemessen an der Funktion dieser Straße – relativ enge Fahrbahn von stellenweise nur wenig mehr als 5 m Breite hat, die für sich genommen auch ohne parkende Fahrzeuge den Begegnungsverkehr, beispielsweise eines Busses und eines LKW, deutlich erschwert.


B)

Der Kläger wird durch die angegriffene Anordnung der Beklagten nicht in seinen Rechten als Anwohner und/oder Verkehrsteilnehmer verletzt.

1) Liegen – wie oben dargelegt – die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage vor, stehen die Maßnahmen im Regelungsbereich des § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 9 Satz 1 StVO prinzipiell im Ermessen der zuständigen Behörde (OVG RP, Urteil vom 4.4.2019 – 7 A 11622/18.OVG). Dies betrifft insbesondere die Entscheidung, ob und wie sie verkehrsregelnd tätig wird. § 45 StVO stellt insoweit grundsätzlich auf die Belange der Allgemeinheit ab und nicht auf die Wahrung von Individualinteressen. Der Einzelne hat daher regelmäßig keinen Anspruch gegen die Verkehrsbehörde, eine bestimmte straßenverkehrsrechtliche Regelung zu treffen oder zu unterlassen. Anderes gilt nach der Rechtsprechung ausnahmsweise dann, wenn die Verletzung besonders geschützter/qualifizierter Interessen des Einzelnen in Betracht kommt. Allerdings geht ein entsprechender Anspruch gegen die Verkehrsbehörde auch in einem solchen Fall lediglich dahin, dass die Verkehrsbehörde die Interessen des Einzelnen mit den Interessen der Allgemeinheit und anderer Betroffener, die für die getroffene Regelung sprechen, abwägt. Ein Ermessen steht der Behörde dabei insbesondere hinsichtlich der Auswahl der Mittel zu, mit denen die konkrete Gefahr bekämpft oder gemildert werden soll. Dabei ist allerdings der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen; dieser Grundsatz ist verletzt, wenn die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs ersichtlich durch weniger weitgehende Anordnungen gewährleistet werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.4.2001 – 3 C 23.00).

Die Ermessensentscheidung ist durch das Gericht nach § 114 Satz 1 VwGO nur eingeschränkt dahingehend überprüfbar, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Nach diesen Grundsätzen sind im vorliegenden Fall Ermessensfehler nicht zu erkennen. Die an den objektiven Tatbestand anknüpfende Ermessensentscheidung der Beklagten ist aufgrund der Einschätzungsprärogative (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.9.2010, a.a.O.) der Straßenverkehrsbehörde rechtlich nicht zu beanstanden. Es ist nicht feststellbar, dass die Beklagte den wesentlichen Sachverhalt nicht aufgeklärt hat oder sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen. Die Erwägungen der Beklagten erweisen sich vielmehr als schlüssig und plausibel und sind durch eine hinreichende Tatsachengrundlage gedeckt.

Die Beklagte hat zunächst einen Verkehrsversuch durchgeführt, dessen Auswirkungen auf die Sicherheit des fließenden Verkehrs positiv bewertet wurden. Diese Einschätzung wurde insbesondere durch die Stellungnahme der Polizeiinspektion Germersheim vom 27.2.2017 bestätigt, die ihre noch mit Stellungnahme vom 23.5.2016 geäußerten Bedenken nicht aufrechterhielt. Die für die Anordnung insbesondere in der Gemeinderatsitzung vom 14.6.2016 (s. Amtsblatt der Verbandsgemeinde L... vom 30.6.2016, S. 11) beschriebenen, maßgeblichen örtlichen Gegebenheiten hat der Kläger nicht durchgreifend in Frage gestellt, sondern wertet diese Umstände schlicht anders als die Beklagte.

2) Weiter ist der Kläger in der vorliegenden Fallgestaltung nicht in seinen Rechten verletzt. Denn abwägungserheblich sind nur qualifizierte Interessen des Einzelnen, also solche, die über das Interesse jedes Verkehrsteilnehmers, in seiner Freiheit möglichst wenig beschränkt zu werden, hinausgehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.1.1993, a.a.O.). Im vorliegenden Fall bestehen solche qualifizierten Interessen nicht.

a) Ein qualifiziertes Interesse wird zunächst nicht durch das im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 3 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Recht auf Gemeingebrauch – hier durch das Parken im maßgeblichen öffentlichen Verkehrsraum – vermittelt. Denn daraus kann sich allenfalls ein subjektives Recht auf Ausübung eines verkehrsrechtlich unbedenklichen Gemeingebrauchs ergeben. Weder aus den vorgenannten Grundrechten, noch aus dem einfachen Recht lässt sich hingegen ein Anspruch auf unbedingte Aufrechterhaltung des bisherigen Gemeingebrauchs ableiten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.6.2009 – 1 BvR 198/08). Auch nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Landesstraßengesetz Rheinland-​Pfalz – LStrG – wird der Gebrauch der öffentlichen Straßen nur „im Rahmen der Widmung und der Verkehrsvorschriften“ gestattet. Auf die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs besteht auch insoweit kein Rechtsanspruch, § 34 Abs. 1 Satz 2 LStrG. Art. 2 Abs. 1 GG räumt Verkehrsteilnehmern somit nur ein Recht auf Teilhabe an dem bestehenden Gemeingebrauch ein, nicht aber auf seine Beibehaltung losgelöst von straßenverkehrsrechtlichen Anordnungen (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 2.6.2014 – 3 K 42/14.NW). Wer sich auf den Gemeingebrauch beruft, muss sich somit „mit dem abfinden, was – und wie lange es – geboten wird“ (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.6.1969 – IV C 77.67). Besteht für den Kläger auf die Aufrechterhaltung eines uneingeschränkten Gemeingebrauchs der öffentlichen Straße vor seinem Anwesen kein Rechtsanspruch, kann eine Einschränkung desselben nicht in die betreffenden Rechte eingreifen und ist er auch nicht in subjektiven Rechten verletzt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.6.2009, a.a.O.).

b) Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf den durch Art. 14 Abs. 1 GG vermittelten, gesteigerten Gemeingebrauch (Anliegergebrauch) berufen. Auch dieses Recht ist durch die Anordnung des Halteverbots nicht verletzt. Werden Inhalt und Schranken des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG durch den Gesetzgeber bestimmt, bestimmt sich sein diesbezüglicher Gewährleistungsinhalt gleichfalls nach dem einschlägigen Straßenrecht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.5.1999 – 4 VR 7.99). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es dem Kläger in Ansehung der angegriffenen straßenverkehrsrechtlichen Anordnung unbenommen ist, sein Grundstück mit dem Kraftfahrzeug anzufahren und damit sein Recht auf Erhaltung des Zugangs von und zur Straße nicht beeinträchtigt ist. Der Anliegergebrauch gewährt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hingegen keinen bundesrechtlichen Anspruch darauf, dass Parkmöglichkeiten auf öffentlichen Straßen unmittelbar beim Grundstück bestehen (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 27.1.1993, a.a.O.). Nur Zufahrt bzw. der Zugang zur Straße und damit die Verbindung des Anliegergrundstücks mit dem öffentlichen Straßennetz müssen erhalten bleiben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.5.1999, a.a.O.; Urteil vom 27.1.1993, a.a.O.). Diese Gewährleistung der Zugänglichkeit des Grundstücks bedeutet weder eine Bestandsgarantie hinsichtlich der Ausgestaltung und des Umfangs der Grundstücksverbindung mit der Straße, noch die Gewährleistung von Bequemlichkeit oder Leichtigkeit des Zugangs und Abgangs (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 27.1.1993, a.a.O.). Ein Anspruch auf Parkmöglichkeiten in angemessener Nähe und angemessenem Umfang wird von den Gewährleistungen des Art. 14 Abs. 1 GG nicht umfasst (vgl. BVerwG, Urteil vom 6.8.1982 – 4 C 58/80). Ohnehin hat der Kläger die Möglichkeit, ein Fahrzeug auf seinem Anwesen abzustellen. Zudem endet der Halteverbotsbereich auf der Südseite der OD L 507 nur wenige Meter westlich des klägerischen Grundstücks, so dass insoweit ein Fahrzeug in nicht allzu großer Entfernung zum Anwesen des Klägers geparkt werden kann. Hat die Beklagte – soweit ersichtlich – in dem betroffenen Bereich auch nicht durch eine frühere Anordnung Parkmöglichkeiten für Anwohner ausdrücklich eingeräumt, die mit der angegriffenen Anordnung rückgängig gemacht werden, ist den Anwohnern auch unter diesem Gesichtspunkt ein schutzwürdiges Interesse (OVG RP, Beschluss vom 8.11.1994 – 7 B 12827/94.OVG) nicht zuzuerkennen.

Sind subjektive Rechte des Klägers somit insgesamt nicht betroffen, besteht auch kein qualifiziertes Interesse, welches mit den öffentlichen Interessen abgewogen werden müsste. Damit ist die Abwägung durch die Beklagte insoweit nicht zu beanstanden.



3) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gleichfalls gewahrt, da die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nicht durch weniger weitgehende Anordnungen gewährleistet werden kann. Kommt der Leichtigkeit des Verkehrs bei der Aufstellung von Verkehrszeichen besondere Bedeutung zu und sind diese auch dann beeinträchtigt, wenn durch parkende Fahrzeuge die Nutzung einer Straße erheblich behindert wird (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 2.6.2014 – 3 K 42/14), ist die Anordnung eines Halteverbotes zur Erreichung des gesetzlichen Zwecks geeignet, erforderlich und auch angemessen.

Infolge des gesetzlich eingeräumten Gestaltungsspielraums bleibt es der Beklagten vorbehalten, aufgrund ihres Sachverstandes und ihres Erfahrungswissens festzulegen, welche von mehreren Maßnahmen den bestmöglichen Erfolg verspricht (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.4.2001, a.a.O.). Bei dieser Festlegung ist ihr kein Fehler unterlaufen. Insbesondere erweisen sich das von dem Kläger bevorzugte, auf bestimmte Teilbereiche beschränkte Halteverbot oder das Einzeichnen fester Parkflächen nicht als eindeutig vorzugswürdig. Denn nach § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO soll der fließende Verkehr nur bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen eingeschränkt werden. Durch die Anordnung eines entsprechenden Halteverbots und den damit verbundenen geringfügigeren Eingriff in den ruhenden Verkehr wird Sinn und Zweck des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO, nämlich Beschränkungen des fließenden Verkehrs zu vermeiden, Rechnung getragen (vgl. VGH München, Beschluss vom 24.2.2014 – 11 ZB 13.1224). Es ist offenkundig, dass der Verkehr auf der N… Straße umso ungehinderter fließen kann, je weniger er durch parkende Fahrzeuge eingeschränkt wird. Mit der Ausweisung der Halteverbotszonen ist eine Steigerung der Übersichtlichkeit und Sicherheit des betroffenen Straßenabschnitts sowie eine Beschleunigung und Verstetigung des Verkehrs in dem betroffenen Bereich bezweckt und unstreitig auch erreicht worden.

Die Anordnung des Halteverbots erweist sich nach alledem – unter Beachtung der Einschätzungsprärogative der Beklagten – als eine sachorientierte und damit vertretbare Maßnahme (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.4.2001, a.a.O.). Hat die Beklagte den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum damit nicht überschritten, hat die Klage insgesamt keinen Erfolg. Indessen wird die Beklagte die Verkehrsentwicklung im Bereich der OD L 507 von Zeit zu Zeit überprüfen müssen, ob beiderseits der N… Straße in hinreichendem Abstand einzelne Parkboxen ausgewiesen werden können, wodurch (falls erforderlich) eine Verringerung der auf der Straße gefahrenen Geschwindigkeiten erreicht werden und zugleich im Interesse der Anlieger und deren Besucher die Parksituation etwas verbessert werden könnte, ohne den Verkehrsfluss nennenswert zu behindern. Dies gilt freilich nicht für den Bereich der OD L 507, wo diese als "N… Straße" rechtwinklig in die H… übergeht. Dort erscheint eine Anlage von Parkboxen mangels hinreichender Einsehbarkeit des Straßenverlaufs auch mittelfristig wenig sinnhaft.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt den §§ 167 VwGO i.V.m. 708 ff. ZPO.


Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

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