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Oberlandesgericht München Beschluss vom 04.01.2021 - 20 U 6216/19 - Kein Rücktritt vom Fahrzeugkaufvertrag bei Zumutbarkeit der Nacherfüllung bei einer unzulässigen Abschalteinrichtung

OLG München v. 04.01.2021: Kein Rücktritt vom Fahrzeugkaufvertrag bei Zumutbarkeit der Nacherfüllung bei einer unzulässigen Abschalteinrichtung




Das Oberlandesgericht München (Beschluss vom 04.01.2021 - 20 U 6216/19) hat entschieden:

   Ist zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung bekannt, dass die Entwicklung von Nachbesserungsmaßnahmen unter öffentlicher Aufsicht durch das Kraftfahrtbundesamt erfolgt, ist das Festhalten des Käufers am Vertrag nicht unzumutbar, auch wenn der nicht mit dem Hersteller identische Verkäufer als Schuldnerin des Nacherfüllungsanspruchs zur Durchführung der Nachbesserung der Mitwirkung des Herstellers bedienen muss und mangels eigener Kenntnisse die Beseitigung des Mangels selbst gar nicht überprüfen kann.

Siehe auch
Rechtsprechung zum Themenkomplex „Schummelsoftware“ - Diesel-Abgasskandal
und
Stichwörter zum Thema Autokaufrecht


Gründe:


I.

Die Klagepartei begehrt von der Beklagten zu 1) als Händlerin die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen ... sowie die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 2) als Herstellerin.

Im April 2016 erwarb die Klagepartei von der Beklagten zu 1) einen neuen Porsche Macan S Diesel mit der Fahrzeugidentifikationsnummer WP1ZZZ ... für einen Kaufpreis von .... In diesem Fahrzeug ist ein Sechszylinderdieselmotor mit 3 Litern Hubraum, für den eine Typengenehmigung der Schadstoffklasse EU 6 erteilt ist, verbaut. Dieser Motor einschließlich der Motorsteuerungssoftware wurde nicht von der Beklagten zu 2), sondern von der ... AG hergestellt, bei der die Beklagte zu 2) den Motor erworben hat.

Im Herbst 2016 führte die Beklagte zu 2) zunächst auf freiwilliger Basis ein Software-​Update an den Fahrzeugen der streitgegenständlichen Typenreihe durch. Auch beim Fahrzeug der Klagepartei wurde durch die Beklagte zu 1) diese Maßnahme durchgeführt.

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 08.06.2018 (Anlage K 34) verlangte die Klagepartei von der Beklagten zu 2) Rückabwicklung des mit der Beklagten zu 1) geschlossenen Kaufvertrages im Wege des Schadensersatzes und die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs. Mit weiterem Anwaltsschreiben vom 11.06.2018 (Anlage K 32) erklärte die Klagepartei gegenüber der Beklagten zu 1) die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung sowie ohne vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung den Rücktritt von dem Kaufvertrag.

Am 10.07.2018 erließ das Kraftfahrtbundesamt eine nachträgliche Nebenbestimmung zur EG-​Typengenehmigung für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp. Das daraufhin von der Beklagten zu 2) entwickelte Software-​Update wurde vom Kraftfahrbundesamt im August 2018 freigegeben. Dieses zweite Software-​Update hat die Klagepartei nicht mehr durchführen lassen.

Erstinstanzlich hat die Klagepartei behauptet, das Fahrzeug sei mangelhaft, da es mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet sei. Hierüber habe sie die Beklagte zu 2) getäuscht; diese Täuschung sei auch der Beklagten zu 1) zuzurechnen.

Die Beklagte zu 1) hat die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs bestritten, unzulässige Abschalteinrichtungen lägen nicht vor. Selbst wenn man dies unterstellen sollte, hätte die Beklagte zu 1) hiervon keine Kenntnis gehabt. Eine etwaige Kenntnis der Beklagten zu 2) müsse sich die Beklagte zu 1) nicht zurechnen lassen.

Die Beklagte zu 2) hat geltend gemacht, es fehle bereits an einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Selbst wenn man eine solche unterstellen würde, würde eine Haftung jedenfalls an der fehlenden Kenntnis der maßgeblichen Personen der Beklagten zu 2) von einer solchen Einrichtung scheitern, da der Motor von der ... AG zugekauft worden sei. Diese habe der Beklagten zu 2) bis in den Juni 2017 wiederholt bestätigt, dass der Motor frei von unzulässigen Abschalteinrichtungen sei. Hierauf habe sowohl der Vorstand der Beklagten zu 2) als auch deren Entwicklungsabteilung vertraut. Wegen des weiteren Vortrags zur fehlenden Kenntnis wird auf die von der Beklagten zu 2) vorgelegte Sachverhaltsdarstellung (Annex 1 zum Schriftsatz vom 13.06.2019) Bezug genommen.

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Landshut vom 20.09.2019 Bezug genommen.




Das Landgericht hat mit Endurteil vom 20.09.2019 die Klage gegen beide Beklagte abgewiesen. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des vorgenannten Urteils Bezug genommen. Die Klagepartei wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Klageabweisung.

Die Klagepartei beantragt,

   unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Landshut vom 20.09.2019 - 73 O 75/19 - die Beklagten entsprechend den zuletzt erstinstanzlich gestellten Anträgen zu verurteilen.]
(fehlender Text rekonstruiert)

Die Beklagten beantragen,

   die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien in zweiter Instanz wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung der Klagepartei vom 30.12.2019 (Bd. III Bl. 8/70 d.A.) und die Berufungserwiderung der Beklagten zu 1) vom 10.09.2020 (Bd. III Bl. 74/109 d.A.) und der Beklagten zu 2) vom 11.09.2020 (Bd. III Bl. 111/126 d.A.).

Der Senat hat mit Beschluss vom 18.11.2020 (Bd. III Bl. 127/141 d.A.) darauf hingewiesen, dass er die einstimmige Zurückweisung des Rechtsmittels gem. § 522 Abs. 2 ZPO beabsichtigt und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Die Klagepartei hat hierzu mit Gegenerklärung vom 15.12.2020 (Bd. III Bl. 142/222 d.A.) Stellung genommen.





II.

Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 20.09.2019, Aktenzeichen 73 O 75/19, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Ergänzend gilt:

Berufung gegen die Beklagte zu 1)

Die Klage gegen die Beklagte zu 1) ist unbegründet.

1. Entgegen der Ansicht der Klagepartei ist der Kaufvertrag nicht aufgrund der Anfechtungserklärung vom 11.06.2018 nichtig.

Die Klagepartei behauptet erstmals in der Gegenerklärung, dass eine arglistige Täuschung durch die Beklagte zu 1) vorliege. Damit widerspricht sie ihrem erstinstanzlichen Vortrag. So hat sie in der Klageschrift vom 09.01.2019 ausgeführt: "Zuzugeben ist, dass die Beklagtenpartei zu 1) als Vertragspartner der Klagepartei nicht selbst getäuscht hat" (vgl. S. 99 der Klageschrift, Bd. I Bl. 99 d.A.). Wenn die Klagepartei nunmehr erstmals in der Gegenerklärung vorträgt, dass die Beklagte zu 1) die Klagepartei getäuscht habe, ist dieser Vortrag verspätet. Gründe, warum der Klagepartei erst jetzt, nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz bekannt geworden ist, dass die Beklagte zu 1) die Klagepartei getäuscht haben soll, hat die Klagepartei nicht dargetan. Der Vortrag kann mithin nicht mehr zugelassen werden (§ 531 Abs. 2 ZPO). Davon abgesehen lässt sich auch dem Vortrag in der Gegenerklärung nicht entnehmen, dass die Beklagte zu 1) zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses von den behaupteten Manipulationen gewusst habe (vgl. S. 2, 3 der Gegenerklärung, Bd. III Bl. 143, 144 d.A.).

2. Ferner liegt hier entgegen der Ansicht der Klagepartei keine Fallkonstellation vor, in der eine Fristsetzung zur Nacherfüllung ausnahmsweise entbehrlich war.

a. Insbesondere hat die Klagepartei hier selbst nicht vorgetragen, dass die Beklagte zu 1) ihr einen Mangel bei Abschluss des Kaufvertrags arglistig verschwiegen habe, was die Entbehrlichkeit der Fristsetzung zur Nacherfüllung regelmäßig zu begründen vermag (vgl. BGH, Urteil vom 09.01.2008 - VIII ZR 210/06, juris Rn. 19). Vielmehr hat die Klagepartei in der Klageschrift, wie dargelegt, zugestanden, dass die Beklagte zu 1) als Vertragspartnerin die Klagepartei nicht selbst getäuscht habe. Soweit die Klagepartei erstmals in der Gegenerklärung behauptet, nach Abschluss des Kaufvertrags (weiterhin) getäuscht worden zu sein, ist dies für die Frage der Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung unerheblich. Voraussetzung für die Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung ist nämlich, wie dargelegt, ein arglistiges Verschweigen eines Mangels bei Vertragsschluss.

b. Soweit die Klagepartei die Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung durch Bezugnahme auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 30.01.2020 (Az. 13 U 81/19) damit begründet, dass der Klagepartei die Nachbesserung infolge des zerstörten Vertrauensverhältnisses zu dem einzig zur Nachbesserung fähigen Hersteller des Motors unzumutbar sei, vermag diese Argumentation im Hinblick auf die Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht zu überzeugen:




Mit mangelndem Vertrauen in die Beklagte zu 2), die sie nach ihrer Darstellung arglistig getäuscht hat, kann die Klagepartei die Unzumutbarkeit der Nacherfüllung nicht begründen. Der Bundesgerichtshof stellt entscheidend darauf ab, dass eine vom Vertragspartner begangene Täuschung in der Regel die für eine Nacherfüllung erforderliche Vertrauensgrundlage beschädigt (vgl. BGH, Urteil vom 09.01.2008 - VIII ZR 210/06, juris Rn. 19). Die Beklagte zu 2) ist aber nicht Vertragspartnerin der Klägerin. Wie § 123 Abs. 2 BGB erkennen lässt, kann die Täuschung durch einen Dritten der Täuschung durch den Vertragspartner nicht ohne Weiteres gleichgestellt werden; dies widerspräche der relativen Natur des Schuldverhältnisses. Eine die sofortige Geltendmachung von Sekundäransprüchen rechtfertigende nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Vertragsparteien wäre deshalb nur anzuerkennen, wenn die Beklagte zu 1) sich die klägerseits behauptete Täuschung zurechnen lassen müsste oder von ihr Kenntnis gehabt hätte. Der Hersteller ist aber nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers. Die Kenntnis der Beklagten zu 1) hat die Klagepartei wie dargestellt nicht dargelegt.

Es trifft zwar zu, dass sich die Beklagte zu 1) als Schuldnerin des Nacherfüllungsanspruchs zur Durchführung der Nachbesserung der Mitwirkung der Beklagten zu 2) bedienen muss und mangels eigener Kenntnisse die Beseitigung des Mangels selbst gar nicht überprüfen kann. Ob eine derartige Konstellation generell die Unzumutbarkeit der Nacherfüllung zur Folge hat, kann im vorliegenden Fall aber dahinstehen. Denn zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung war bekannt, dass die Entwicklung von Nachbesserungsmaßnahmen unter öffentlicher Aufsicht durch das Kraftfahrtbundesamt erfolgt. Bei dieser Sachlage begründet der Umstand, dass die Beklagte zu 2) die Klagepartei nach deren Darstellung arglistig getäuscht hatte, für sich genommen aufgrund der behördlichen Beaufsichtigung der Nachbesserungen nicht die Unzumutbarkeit.

Berufung gegen die Beklagte zu 2)

1. Der mit dem Klageantrag zu 2) gegen die Beklagte zu 2) gestellte Feststellungsantrag ist unzulässig.

Soweit die Klagepartei weiterhin in der Gegenerklärung zum Ausdruck bringt, dass aus ihrer Sicht ein Feststellungsinteresse vorliegt, wird auf die ausführliche Argumentation des Senats im Hinweisbeschluss Bezug genommen (vgl. S. 9/11, Bd. III Bl. 135/137 d.A.), die die Klagepartei in der Gegenerklärung nicht angreift. Sie verweist lediglich darauf, dass der Senat insoweit von der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 30.01.2020 (Az. 13 U 81/19) abweiche und daher ein Fall der Divergenz gem. § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO vorliege, der ein Beschlussverfahren gem. § 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ausschließe. Dem steht entgegen, dass der Bundesgerichtshof in einer insoweit vergleichbaren Fallkonstellation mittlerweile mit Urteil vom 30.07.2020 (Az. VI ZR 397/19, juris Rn. 29) - mithin nach der von der Klagepartei zitierten Entscheidung des OLG Düsseldorf - entschieden hat, dass der - wie hier - in einem Vertragsschluss selbst liegende Schaden mit einer Leistungsklage gerichtet auf die Verurteilung der Beklagten zur Kaufpreiserstattung vollständig erfasst werden kann. Der mit dem Klageantrag zu 2) gegen die Beklagte zu 2) gestellte Feststellungsantrag ist daher gem. § 256 ZPO mangels Feststellungsinteresses wegen Vorrangs der Leistungsklage unzulässig.




2. Überdies ist die Klage gegen die Beklagte zu 2) unbegründet.

Soweit die Klagepartei in der Gegenerklärung die Ansicht äußert, dass die Beklagte zu 2) ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt habe und insoweit wiederum auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 30.01.2020 (Az. 13 U 81/19) verweist, kann dem nicht gefolgt werden.

a. Hier ist der konkrete Tatsachenvortrag der Parteien, auf den das OLG Düsseldorf seine Entscheidung gestützt hat, schon nicht bekannt. Vorliegend hat jedenfalls die Beklagte zu 2) mit ihrer mit Schriftsatz vom 13.06.2019 unter Bezugnahme auf die als Annex 1 vorgelegte Sachverhaltsdarstellung ihrer sekundären Darlegungslast genügt, wie im Hinweisbeschluss ausführlich dargelegt (vgl. S. 12/14, Bd. III Bl. 138/140). Eine weitergehende sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu 2) kann vorliegend nicht angenommen werden. Die Beklagte zu 2) hat den ihr zumutbaren Vortrag gehalten. Anders als im vom Bundesgerichtshof am 25.05.2020 entschiedenen Fall (Az. VI ZR 252/19) hat die Beklagte zu 2) hier keine weiteren Kenntnisse über die Betriebsabläufe und Vorgänge im Zusammenhang mit der Motorenentwicklung, da sie den Motor nicht selbst entwickelt, sondern bei der ... AG erworben hat. Anders als von der Motorenherstellerin ist von ihr daher ein weitergehendes Vorbringen nicht zu fordern, zumal sich der Umfang der sekundären Darlegungslast danach richtet, wie substantiiert die Gegenseite - hier die Klagepartei - vorgetragen hat (vgl. BGH, aaO, juris Rn. 37, OLG Koblenz, Urteil vom 21.07.2020 - 3 u 251/20, BeckRS 2020, 27990 Rn. 71). Zu den Ausführungen der Beklagten zu 2) hat die Klagepartei allerdings weder im Termin der mündlichen Verhandlung vom 24.06.2019 Stellung genommen noch hat sie im Rahmen des sich an die mündliche Verhandlung anschließenden schriftlichen Verfahrens überhaupt einen Schriftsatz abgegeben. Dabei wäre es gemäß den Grundsätzen der Verteilung der Darlegungslast Sache der Klagepartei gewesen, sich mit den von der Beklagten zu 2) im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast getätigten Ausführungen und Beweisangeboten dezidiert zu befassen und darzulegen, dass und wodurch welche für die Beklagte zu 2) handelnden Personen schon früher Kenntnis hatten (vgl. Hinweisbeschluss S. 13, Bd. III Bl. 139 d.A.).

b. Selbst in der Berufungsbegründung hat die Klagepartei nicht zu den Darlegungen der Beklagten zu 2) Stellung genommen.

aa. Die bloße Bezugnahme auf die genannte Entscheidung des OLG Düsseldorf im Rahmen der Gegenerklärung vermag der Berufung jedenfalls schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, da sich der hier zu beurteilende Sachverhalt maßgeblich von jenem unterscheidet, der das OLG Düsseldorf in einem - soweit ersichtlich in der obergerichtlichen Rechtsprechung allerdings vereinzelt gebliebenen - Urteil dazu veranlasst hat, den Vorsatz der dortigen Beklagten zu bejahen. Wenn das OLG Düsseldorf ausführt, dass die dortige Beklagte spätestens seitdem 02.11.2015 konkreten Anlass gehabt habe, die in ihre Fahrzeuge eingebauten Motoren des Herstellers nochmals genau auf ihre Funktionsweise und Gesetzmäßigkeit zu überprüfen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.01.2020 - 13 U 81/19, juris Rn. 42), sind diese Ausführungen nicht auf das vorliegende Verfahren übertragbar. Denn die "Notice of Violation" der Environmental Protection Agency, der US-​amerikanischen Umweltschutzbehörde, vom 02.11.2015 benannte als einziges ... (TDI) Modelljahr 2015, bei dem sich Anhaltspunkte für sogenannte Defeat Devices gezeigt hätten. Hier ist dagegen streitgegenständlich das ....

bb. Auch kann offen bleiben, inwieweit der Fahrzeughersteller, der einen Motor bei einem anderen Hersteller desselben oder eines anderen Konzerns zukauft, die Pflicht hat, zu prüfen, wie der fremdentwickelte Motor arbeitet und ob dieser ordnungsgemäß funktioniert (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.01.2020 - 13 U 81/19, juris Rn. 42). Zum einen geht eine etwaige Prüfpflicht des Motorenzukäufers jedenfalls nicht so weit, dass er die Motorsteuerungssoftware gezielt auf solche - im Programmcode verborgene - Abschalteinrichtungen untersuchen muss. Denn dies würde den Zweck des Motorzukaufs, Kosten einsparen zu können und kein auf Dieselmotoren spezialisiertes Personal vorhalten zu müssen, verfehlen (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 21.07.2020 - 3 U 251/20, BeckRS 2020, 27990 Rn. 59). Zum anderen kann eine Verletzung einer etwaigen Überwachungs- oder Überprüfungspflicht grundsätzlich allenfalls einen Fahrlässigkeitsvorwurf, nicht jedoch den Vorwurf eines vorsätzlichen sittenwidrigen Verhaltens begründen. Für eine bewusste Verletzung von Überprüfungspflichten im Sinne eines vorsätzlichen Wegschauens bestehen wiederum keine Anhaltspunkte (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 30.09.2020 - 5 U 1970/19, juris Rn. 37).

cc. Es kann ferner dahinstehen, ob die angeblich von der Beklagten zu 2) in der EG-​Übereinstimmungsbescheinigung gemachten Angaben zur Herstellerin der Antriebssteuerung zutreffend sind, wofür spricht, dass der Einbau des Motors und die Inbetriebnahme durch sie erfolgten. Denn ein etwaiger sich daraus ergebender Anschein, die Beklagte zu 2) sei die Motorenherstellerin, hat sich jedenfalls bei der Klagepartei nicht ausgewirkt. Es ist zwischen den Parteien nämlich unstreitig, dass der Motor von der ... AG hergestellt wurde (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 21.07.2020 - 3 U 251/20, BeckRS 2020, 27990 Rn. 60).


dd. Der von der Klagepartei herangezogene Bußgeldbescheid der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom ... kann ebenfalls kein vorsätzliches Handeln der Beklagten zu 2) begründen, da darin unstreitig lediglich fahrlässige Verletzungen von Aufsichtspflichten festgestellt wurden (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 21.07.2020 - 3 U 251/20, BeckRS 2020, 27990 Rn. 60).

ee. Der erstmals in der Gegenerklärung eingebrachte Vortrag zu angeblichen Gespräche von Mitarbeitern der Beklagten zu 2) mit dem Kraftfahrtbundesamt am ... aus denen sich ergebe, dass der Beklagten zu 2) zu diesem Zeitpunkt die unzulässigen Abschalteinrichtungen des Porsche Macan Diesel bekannt gewesen seien, vermögen der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn dieser Vortrag ist neu und gem. § 531 Abs. 2 ZPO nicht zu berücksichtigen. Gründe, warum die Klagepartei erst jetzt, nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz zu dem angeblichen Gespräch vom ... vorzutragen zu vermag, hat die Klagepartei nicht dargetan.

ff. Soweit die Klagepartei erstmals in der Gegenerklärung Stellung zur Sachverhaltsdarstellung der Beklagten zu 2) nimmt, ist auch dieser Vortrag neu. Auch insoweit hat die Klagepartei keine Gründe dargetan, warum sie erst jetzt, nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz zu den Darlegungen der Beklagten zu 2) Stellung zu nehmen vermag. Der Vortrag kann mithin nicht mehr zugelassen werden (§ 531 Abs. 2 ZPO).

3. Die in der Gegenerklärung von der Klagepartei vertretene Auffassung, das Landgericht hätte die Klagepartei darauf hinweisen müssen, dass der Vortrag der Klagepartei bezüglich des Vorsatzes unsubstantiiert sei, vermag der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen. Dem Landgericht kann keine Verletzung von § 139 ZPO vorgeworfen werden. Eines derartigen Hinweises bedurfte es schon deshalb nicht, weil die Beklagte zu 2) diesen Gesichtspunkt in ihrem Schriftsatz vom 13.06.2019 (Bd. II Bl. 284/288 d.A.) aufgegriffen und eingehend dargestellt hat (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2012 - VIII ZR 117/12, juris Rn. 17).



4. Soweit die Klagepartei in der Gegenerklärung zum Vorliegen verschiedener unzulässiger Abschalteinichtungen vorträgt, ist dieser Vortrag vorliegend ohne Bedeutung, da es, wie dargelegt, bereits am Nachweis des Vorsatzes der Beklagten zu 2) fehlt.

5. Die von der Klagepartei in der Gegenerklärung vertretene Ansicht, dass die Klage gegen die Beklagte zu 2) unter dem Gesichtspunkt des Mangelverdachts begründet sei, welcher Ansprüche nach §§ 437 ff. BGB rechtfertige, ist mangels eines Vertragsverhältnisses der Klagepartei mit der Beklagten zu 2) abwegig.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

2. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.

3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.

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