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Amtsgericht Nauen Beschluss vom 15.01.2019 - 34 OWi 3/19 - Umfang der Akteneinsicht für den Verteidiger im Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung

AG Nauen v. 15.01.2019: Umfang der Akteneinsicht für den Verteidiger im Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung




Das Amtsgericht Nauen (Beschluss vom 15.01.2019 - 34 OWi 3/19) hat entschieden:

   Gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 147 StPO hat der Verteidiger des Betroffenen ein Recht auf Akteneinsicht, das sich auf alle Akten, Aktenteile und weiteren Unterlagen oder Datenträger bezieht, auf die der Vorwurf in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gestützt wird, aus denen sich der Schuldvorwurf ergeben soll und die möglicherweise auch der Entlastung des Betroffenen dienen können.

Siehe auch
Akteneinsicht und Aktenversendungspauschale
und
Stichwörter zum Thema Ordnungswidrigkeiten

Gründe:


Das Land Brandenburg, Zentraldienst der Polizei, Zentrale Bußgeldstelle Gransee (im Folgenden „Verwaltungsbehörde“ genannt), führt gegen den Betroffenen ein Bußgeldverfahren wegen des Verdachts der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften. Die Messung erfolgte am 20.06.2018 auf der Bundesautobahn 10 km 135,5 mit dem Geschwindigkeitsüberwachungsmessgerät PoliScan FM1.

Der Verteidiger begehrte unter anderem die Überlassung der gesamten Messreihe im Original mit Passwort und Token. Die Verwaltungsbehörde lehnte das Begehren des Verteidigers unter dem 17.10.2018 ab. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben der Behörde vom 17.10.2018 Bezug genommen (Blatt 58 der Akte). Der Verteidiger beantragte mit Schreiben vom 13.12.2018 gerichtliche Entscheidung (Blatt 68 der Akte).




II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß § 62 Abs. 1 Satz 1 OWiG

zulässig. Er hat auch in der Sache Erfolg.V Gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 147 StPO hat der Verteidiger des Betroffenen ein Recht auf Akteneinsicht, das sich auf alle Akten, Aktenteile und weiteren Unterlagen oder Datenträger bezieht, auf die der Vorwurf in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gestützt wird, aus denen sich der Schuldvorwurf ergeben soll und die möglicherweise auch der Entlastung des Betroffenen dienen können. Das umfassende Akteneinsichtsrecht der Verteidigung ist außerdem aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens begründet. Die Verteidigung muss, ggf. unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen, die erfolgte Messung in allen Einzelheiten auch und gerade hinsichtlich möglicher Fehlerquellen überprüfen können. Zudem muss sie auch in die Lage versetzt werden, ein vom Gericht eingeholtes Sachverständigengutachten überprüfen zu können.



Hierzu muss dem Verteidiger auf seinen Antrag neben der Falldatei des Betroffenen auch die Original-Messreihe zur Verfügung gestellt werden. Wenn das Gericht ein Sachverständigengutachten einholt, muss der gerichtlich bestellte Sachverständige die gesamte Messreihe überprüfen, da sich Hinweise auf Fehler nicht nur aus der einzelnen Falldatei des Betroffenen, sondern auch aus der Messreihe insgesamt ergeben können. Spiegelbildlich hierzu muss auch der Verteidigung auf ihren Antrag im Hinblick auf den Grundsatz des fairen Verfahrens die Möglichkeit gegeben werden, selbst diese umfassende Überprüfung mit sachverständiger Hilfe bereits vorab vorzunehmen. Nur so kann der Betroffene in die Lage versetzt werden, dem Gericht konkrete Hinweise auf Fehler der Messung vorzutragen, um die Vermutung des standardisierten Messverfahrens entkräften zu können. Die Verteidigung hat hierfür ein geeignetes Speichermedium zur Verfügung zu stellen, auf das die Dateien durch die Behörde übertragen werden können. Sofern ein Speichermedium nicht zur Verfügung gestellt wird, muss dem Verteidiger die Akteneinsicht insoweit in einer Polizeidienststelle oder anderen Verwaltungsbehörde in unmittelbarer Nähe zum Kanzleisitz des Verteidigers bzw. des von ihm beauftragten Sachverständigen eingeräumt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 62 Abs. 2 Satz 2 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 3 StPO.

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