Das Verkehrslexikon

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Kammergericht Berlin Beschluss vom 16.04.2019 - 3 Ws (B) 82/19 - 122 Ss 37/19 - Zur Verhängung eines einmonatigen Fahrverbotes wegen einer vorsätzlich unterlassenen Rettungsgassenbildung

KG Berlin v. 16.04.2019: Zur Verhängung eines einmonatigen Fahrverbotes wegen einer vorsätzlich unterlassenen Rettungsgassenbildung




Das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 16.04.2019 - 3 Ws (B) 82/19 - 122 Ss 37/19) hat entschieden:

   Die Verhängung eines einmonatigen Fahrverbotes (§ 25 Abs. 1 Satz 1 StVG) bei einer Verurteilung wegen einer vorsätzlich unterlassenen Rettungsgassenbildung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Ein solches ist nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BKatV in Verbindung mit der laufenden Nr. 135 der Anlage (BKat) zu § 1 Abs. 1 BKatV neben der Verhängung einer Geldbuße regelmäßig vorgesehen. Von der Anordnung des Fahrverbotes kann lediglich dann abgesehen werden, wenn der Sachverhalt so erheblich vom Regelfall abweicht, dass die Verhängung eines Fahrverbotes eine unangemessene Härte darstellt.

Siehe auch
Rettungsgasse bei stockendem Verkehr
und
Stichwörter zum Thema Fahrverbot

Gründe:


Der Polizeipräsident in Berlin hat gegen den Betroffenen wegen einer Zuwiderhandlung gegen §§ 38 Abs. 1, 49 Abs. 3 Nr. 3 StVO i.V.m. § 24 StVG eine Geldbuße in Höhe von 340 Euro sowie ein Monat Fahrverbot verhängt.

Auf seinen Einspruch hat das Amtsgericht Tiergarten mit Urteil vom 11. Dezember 2018 wegen dieser vorsätzlich begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit eine Geldbuße in Höhe von 600 Euro festgesetzt und ihm für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeglicher Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.V Seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, blieb im Wesentlichen der Erfolg versagt.




1. Mit der - nicht ausgeführten - Verfahrensrüge dringt der Betroffene bereits deshalb nicht durch, weil diese nicht den Formerfordernissen nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entspricht.

2. Die erhobene Sachrüge ist im Wesentlichen unbegründet. Sie deckt allein hinsichtlich der Nichtgewährung einer Zahlungserleichterung nach § 18 OWiG einen Rechtsfehler auf.

a) Die Bemessung der Rechtsfolgen liegt grundsätzlich im Ermessen des Tatgerichts, sodass sich die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht darauf beschränkt, ob dieses von rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist und von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat (vgl. Senat, Beschluss vom 12. März 2019 – 3 Ws (B) 53/19 – juris m.w.N.).

aa) Diesen Maßstäben genügt die Bemessung der Geldbuße durch das Amtsgericht. Die Festsetzung der um 120 Euro erhöhten Regelgeldbuße begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.




Das Amtsgericht hat sich bei der Bemessung der Geldbuße am Regelsatz der hier einschlägigen laufenden Nr. 135 der Anlage (BKat) zu § 1 Abs. 1 BKatV orientiert, der für die fahrlässig begangene Tat einen Regelsatz von 240 Euro vorsieht und hat diesen aufgrund der vorliegenden vorsätzlichen Begehungsweise verdoppelt (§ 3 Abs. 4a BKatV). Des Weiteren hat das Amtsgericht die zur Zeit des Erkenntnisses noch nicht tilgungsreifen verkehrsrechtlichen Vorahndungen des Betroffenen zu seinen Lasten ebenso berücksichtigt, wie die von den – im Bußgeldkatalog zugrunde gelegten – gewöhnlichen Tatumständen (§ 1 Abs. 2 Satz 2 BKatV) abweichenden Umstände der Tatbegehung (hier insbesondere die erhebliche Dauer des Verstoßes) und die Geldbuße auf 600 Euro festgesetzt. Angesichts der über der Geringfügigkeitsgrenze von 250 Euro liegenden Geldbuße und vor dem Hintergrund, dass der Regelsatz nach dem BKat nicht unwesentlich überschritten wurde, hatte das Amtsgericht Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen zu treffen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 12. März 2019 aaO. und vom 18. August 2016 – 3 Ws (B) 381/16 -). Das Urteil des Amtsgerichts, dem Ausführungen sowohl zu seinen persönlichen Verhältnissen als auch zu seinem Beruf (freiberuflicher Handelsvertreter für Mobilfunkgeräte) zu entnehmen sind, enthält – diesen Anforderungen entsprechend – ausreichende Feststellungen zu den als durchschnittlich anzusehenden wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen.

Die Gewichtung der Zumessungsgesichtspunkte obliegt dem Tatrichter (BGH, Urteil vom 1. August 2017 – 2 StR 42/18 – BeckRS 2018, 18142). Es ist daher – unter Berücksichtigung des aufgezeigten begrenzten Prüfungsumfangs – rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Amtsgericht dem Ausmaß der Pflichtverletzung des Betroffenen ein höheres Gewicht beigemessen hat als dessen – vom Gericht berücksichtigten – wirtschaftlichen Verhältnissen (vgl. Senat, Beschluss vom 28. März 2019 – 3 Ws (B) 66/19 -).


bb) Die Verhängung des einmonatigen Fahrverbotes (§ 25 Abs. 1 Satz 1 StVG) begegnet ebenso keinen rechtlichen Bedenken. Ein solches ist nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BKatV in Verbindung mit der laufenden Nr. 135 der Anlage (BKat) zu § 1 Abs. 1 BKatV neben der Verhängung einer Geldbuße regelmäßig vorgesehen. Von der Anordnung des Fahrverbotes kann lediglich dann abgesehen werden, wenn der Sachverhalt so erheblich vom Regelfall abweicht, dass die Verhängung eines Fahrverbotes eine unangemessene Härte darstellt (vgl. Senat, Beschluss vom 20. März 2018 – 3 Ws (B) 90/18 – juris). Das Amtsgericht hat sich in den Urteilsgründen mit dieser Frage auseinandergesetzt, sie im Ergebnis indessen rechtsfehlerfrei verneint.

b) In Anbetracht der im Urteil des Amtsgerichts festgestellten wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen, war ihm indessen Ratenzahlung nach § 18 OWiG zu bewilligen, da nicht davon auszugehen ist, dass er die Geldbuße von 600 Euro in voller Höhe aus seinem laufenden Einkommen oder aus liquiden Rücklagen zahlen kann.

Die insoweit fehlerhafte Rechtsfolgenentscheidung zwingt jedoch nicht dazu, die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen, denn es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass weitere für die Anordnung der Zahlungserleichterung bedeutsame Feststellungen getroffen werden können. Der Senat macht daher von der Befugnis zur eigenen Sachentscheidung nach § 79 Abs. 6 OWiG Gebrauch.



Nach den vom Amtsgericht festgestellten wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen ist es ihm zumutbar, die Geldbuße in sechs monatlichen Raten zu je 100 Euro zu tilgen. Die mit der Ratenzahlungsgewährung gleichzeitig festgesetzte Verfallklausel beruht auf § 18 Satz 2 OWiG.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO, 46 Abs. 1 OWiG. Für eine Anwendung der Billigkeitsregelung nach §§ 473 Abs. 4 StPO, 46 Abs. 1 OWiG ist kein Raum, weil der Betroffene die Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils erstrebt hat und das Rechtsmittel zur Überzeugung des Senats auch eingelegt hätte, wenn bereits die amtsgerichtliche Entscheidung der jetzt getroffenen entsprochen hätte. Im Übrigen hatte das Rechtsmittel auch nur in einem geringen Umfang Erfolg.

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