Das Verkehrslexikon

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StVO- und Bußgeldkatalogverordnungs-Novellierung 2020

Novellierung der StVO und des Bußgeldkatalogs 2020




Gliederung:


-   Einleitung
-   Weiterführende Links
-   Allgemeines



Einleitung:


Mit der Novellierung der StVO durch die 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 20. April 2020 wurden u.a. Regelfahrverbote für bestimmte Geschwindigkeitsüberschreitungen eingeführt. Allerdings war die Wirksamkeit der Änderungen wegen eines sog. Zitierfehlers bei der Nennung der Ermächtigungsnormen alsbald umstritten.

Das OLG Braunschweig (Beschluss v0m v. 04.12.2020 - 1 Ss (OWi) 173/20) führt in diesem Zusammenhang aus:

Mit der vorgenannten StVO-Novelle 2020 wurden eine Vielzahl von Vorschriften insbesondere der Straßenverkehrsordnung (Art. 1) und der Bußgeldkatalogverordnung (Art. 3) geändert. Unter anderem wurden Fahrverbote als Regelfolge für Geschwindigkeitsüberschreitungen ab innerorts 21 km/h und außerorts 26 km/h in die Tabelle 1 zur BKatV eingefügt. Nach der Einleitungsformel ist die Verordnung u.a. aufgrund „des § 26a Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Straßenverkehrsgesetzes“ ergangen. Anders als in der Eingangsformel der Bußgeldkatalog-Verordnung vom 14. März 2013 – wo insgesamt auf § 26a des Straßenverkehrsgesetzes als Ermächtigungsgrundlage verwiesen wird – ist demnach in der StVO-Novelle 2020 die zum Erlass von Vorschriften über die Anordnung von Fahrverboten maßgebliche Vorschrift des § 26a Abs. 1 Nr. 3 StVO – mutmaßlich aufgrund eines Redaktionsversehens – nicht als Ermächtigungsgrundlage benannt. In der Literatur wird deshalb unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (sog. Legehennen-Entscheidung, BVerfG, Urteil vom 6. Juli 1999 – 2 BvF 3/90, juris) verstärkt vertreten, die StVO-Novelle 2020 sei wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG insoweit nichtig, als die BKatV um neue Regelfahrverbote ergänzt wurde (Ipsen: Fahrverbot – verfassungswidrig? NVwZ 2020, 1326 ff.; Wienbracke: Gesamt- oder Teilnichtigkeit einer Rechtsverordnung bei nur partiellem Verstoß gegen das Zitiergebot? NJW 2020, 3351 ff.; Grube in: jurisPK-Straßenverkehrsrecht, § 4 BKatV Rn. 12.4.). Darüber hinaus wird teilweise auch die Auffassung vertreten, der Verstoß gegen das Zitiergebot führe zur Nichtigkeit der gesamten StVO-Novelle (vgl. Dr. Fromm, Geschwindigkeitsverstöße vor und nach der StVO-Novelle 2020 – Rechtliche Konsequenzen aus dem Verstoß gegen das Zitiergebot des Grundgesetzes, DAR 2020, 527 ff.). Die Bundesregierung hat sich im Rahmen ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage unter dem 8. Oktober 2020 (BT-Drs. 19/23215) zu den Folgen des Verstoßes gegen das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG dahingehend positioniert, dass die fehlende Benennung der Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung von Fahrverboten (§ 26a Abs. 1 Nr. 3 StVG) nach Auffassung des BMVI (Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur) und des BMI (Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat) die Wirksamkeit des Artikels 3 der 54. StVRÄndV (StVO-Novelle 2020) insgesamt in Frage stelle.


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Weiterführende Links:


Stichwörter zum Thema Ordnungswidrigkeiten

Bußgeldkatalog / bundeseinheitlicher Tatbestandskatalog

Stichwörter zum Thema Geschwindigkeit

Stichwörter zum Thema Fahrverbot

Rechtliches Gehör

Der Rechtsanwalt im Verkehrsrecht

Akteneinsicht und Aktenversendungspauschale

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Allgemeines:


OLG Oldenburg v. 08.10.2020:
Keine Nichtigkeit der StVO vom 6. März 2013 wegen einer Verletzung des Zitiergebotes

BayObLG v. 11.11.2020:
  1.  Bei einer vor Inkrafttreten der 54. VO zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 20.4.2020 [BGBl. I, 814] begangenen, jedoch erst nach deren Inkrafttreten am 28.04.2020 erfolgten Verurteilung wegen einer Abstandsunterschreitung kann bei unverändert vorgesehener Sanktionsfolge dahinstehen, ob aufgrund des fehlenden Zitats der Ermächtigungsgrundlage des § 26a Abs. 1 Nr. 3 StVG in der vorgenannten Verordnung ein Verstoß gegen das Zitiergebot nach Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG zu erblicken ist und ob dieser gegebenenfalls die (Teil-) Nichtigkeit der Bußgeldkatalog-Verordnung zur Folge hätte. Denn selbst bei einer Nichtigkeit der 54. VO zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 20.4.2020 bleibt die Bußgeldkatalog-Verordnung in ihrer bisherigen Fassung weiterhin Grundlage für die Ahndung.

  2.  Die Bußgeldkatalog-Verordnung ist lediglich ein Instrument zur Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsanwendung. Die Rechtsgrundlage für die Verhängung von Geldbußen bzw. die Anordnung von Fahrverboten folgt aber weiterhin unmittelbar aus §§ 24, 24a, 25 StVG i.V.m. § 49 StVO, § 17 OWiG (u.a. Anschluss an BGH, Beschl. v. 28.11.1991 - 4 StR 366/91 = BGHSt 38, 125 = ZfSch 1992, 30 = NJW 1992, 446 = VerkMitt 1992, Nr 11 = NStZ 1992, 135 = DAR 1992, 69 = NZV 1992, 117 = BGHR StVG § 25 Fahrverbot 1 = VRS 82 [1992], 216; OLG Karlsruhe NZV 1991, 278; OLG Düsseldorf NZV 1991, 398, 399; OLG Saarbrücken NZV 1991, 399, 400; KG, Beschl. v. 27.04.2020 – 3 Ws (B) 49/20 - 122 Ss 19/20 = BeckRS 2020, 18279).

OLG Braunschweig v. 04.12.2020:
  1.  Die Straßenverkehrsordnung in der Fassung vom 6. März 2013 verletzt das Zitiergebot nicht. Durch die in der Eingangsformel erfolgte Nennung einzelner Buchstaben des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StVG ist auch der erste Halbsatz von § 6 Abs. 1 Nr. 3 StVG – der die allgemeine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass für Vorschriften, unter anderem zur Erhaltung der Sicherheit und Ordnung auf öffentlichen Straßen, beinhaltet – mitumfasst. Denn der den Buchstaben nachfolgende Text bildet mit dem vorhergehenden ersten Satzteil (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 1 StVG mit dem jeweils nachfolgenden zweiten Satzteil der verschiedenen Buchstaben) eine untrennbare Einheit.

  2.  Eine etwaige (Teil-) Nichtigkeit der am 28. April 2020 in Kraft getretenen 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 20. April 2020 wegen des fehlenden Zitats der für die Einführung der erweiterten Regelfahrverbote maßgeblichen Ermächtigungsgrundlage des § 26a Abs. 1 Nr. 3 StVG steht der Ahndung einer zuvor begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit auf der Grundlage der vorherigen Fassung der BKatV nicht entgegen.


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