Das Verkehrslexikon

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Dieselskandal - Betriebsuntersagung - Zwangsstilllegung

Dieselskandal - Betriebsuntersagung - Zwangsstilllegung




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Allgemeines




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Rechtsprechung zum Themenkomplex „Schummelsoftware“

Zwangsabmeldung - Zwangsstilllegung - Betriebsuntersagung

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Allgemeines:


VG Düsseldorf v. 24.01.2018:
  1.  Ein Umweltverband kann die Stilllegung eines einzelnen Kraftfahrzeugs, das möglicherweise gegen umweltrechtliche Vorschriften verstößt, nicht klageweise geltend machen; ihm fehlt insofern die Klagebefugnis.

  2.  Die straßenverkehrsrechtliche Einzelzulassung eines Fahrzeugs, das typgenehmigt ist, ist kein Vorhaben i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG dar.

  3.  Das UmwRG regelt die Klagerechte von Umweltverbänden, die von der Geltendmachung einer Verletzung in eigenen Rechten unabhängig sind, abschließend.

  4.  Eine Erweiterung dieser Klagerechte über die richterrechtlich geschaffene Figur der "prokuratorischen Rechtsstellung" kommt nach der UmwRG-Novelle 2017 nicht mehr in Betracht.

  5.  Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention i.V.m. Art. 47 Abs. 1 der Grundrechte Charta der Europäischen Union gebieten nicht, Umweltverbänden in Bezug auf die Stilllegung einzelner Kraftfahrzeuge Verbandsklagerechte einzuräumen, die über das UmwRG hinausgehen.

  6.  Die Beweiskraft einer für ein Fahrzeug erteilten Übereinstimmungsbescheinigung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 FZV (juris: FZV 2011) besteht, wenn in Bezug auf die ihr zugrunde liegende EG-Typgenehmigung nachträgliche Nebenbestimmungen gemäß § 25 Abs. 2 EG-FGV verlassen werden, die einen Fahrzeughersteller zu Nachrüstungen an bereits hergestellten Fahrzeugen verpflichten, solange fort, bis die zuständige Zulassungsbehörde abschließend festgestellt hat, dass die erforderliche Nachrüstung des Fahrzeugs unterblieben ist.

  7.  Die bereits werksseitige Abweichung serienmäßig hergestellter Fahrzeuge von der ihnen zugrunde liegenden EG-Typgenehmigung stellt keine Änderung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 StVZO dar.

  8.  Fahrzeuge, die mit einem Diesel-Motor nach der sog. EURO-5-Norm ausgestattet sind, müssen die Emissionsgrenzwerte nach dem EU-Zulassungsrecht nur auf dem Rollenprüfstand erfüllen und nicht im Straßenbetrieb.

  9.  Fahrzeuge, die mit dem Motor EA 189 EU5 des W. -Konzerns ausgestattet sind, entsprechen seit den Nachrüstverlangen des Kraftfahrtbundesamtes vom 15. Oktober 2015 (sog. "Software-Update") den Zulassungsvorschriften.

  10.  Das gilt nicht, wenn der Halter die verlangte Nachrüstung endgültig nicht umsetzt.




VG Düsseldorf v. 08.03.2018:
  1.  Da Fahrzeuge mit dem Motor EA189 werksseitig vorschriftswidrig sind, entsprechen die mit ihnen ausgestatteten Fahrzeuge keinem genehmigten Typ, wenn der Halter das zur Wiederherstellung der Genehmigungskonformität nötige Software-​Update endgültig verweigert.

  2.  Selbst wenn das Software-​Update für den Wagen technisch nachteilig sein sollte, wäre es nicht unverhältnismäßig, den Antragsteller zu dessen Anwendung zu zwingen, um sicherzustellen, dass auch sein Fahrzeug die gesetzlichen Emissionsgrenzwerte einhält.

VG Magdeburg v. 02.07.2018:
  1.  Aufgrund der eingebauten unzulässigen Abschalteinrichtung ist das Fahrzeug - solange das Software-Update nicht durchgeführt wurde - nicht (mehr) vorschriftsmäßig im Sinne der FZV, weil es keinem genehmigten Typ im Sinne von § 3 Abs. 1 S. 2 FZV (mehr) entspricht, weshalb dieser Mangel zu beheben oder der Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen zu untersagen ist.

  2.  Dass der Fahrzeughalter von der Durchführung des Software-Updates aus Beweissicherungsgründen absieht, weil er gegen den VW-Konzern einen Zivilrechtsstreit führt, steht der Verhältnismäßigkeit der Betriebsuntersagung nicht entgegen.


OVG Münster v. 17.08.2018:
  1.  Bei gleichartig gelagerten Sachverhalten wie der Anordnung eines Software-Updates zur Entfernung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Diesel-Fahrzeugen genügt eine weitgehend typisierende, grundsätzlich auf vergleichbare Fälle übertragbare Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.

  2.  Emissionsbegrenzende Maßnahmen (hier: Anforderungen an Dieselfahrzeuge) bedürfen zu ihrer Wirksamkeit einer gleichmäßigen Anwendung. Nur so ist die angestrebte Minderung der Gesamtemissionen garantiert, die gleichzeitig dazu beiträgt, dass die Immissionswerte im Einwirkungsbereich nicht überschritten werden. Ein einzelner Verursacher von Emissionen kann sich daher der Einhaltung von Emissionsbegrenzungen nicht mit dem Verweis darauf entziehen, dass sein individueller Beitrag für sich genommen nicht zu einer Gesundheitsgefahr führe.


VG Bayreuth v. 09.01.2019:
Die Voraussetzungen für eine Betriebsuntersagung nach § 5 Abs. 1 FZV sind erfüllt, wenn der Halter eines Fahrzeugs mit einem betroffenen Motor aus der Baureihe EA 189 der Aufforderung zum Software-Update nicht folgt und die Zulassungsbehörde ihn erfolglos aufgefordert hat, ein solches Software-Update vornehmen zu lassen (vgl. z.B. VG Düsseldorf, B.v. 28.03.2018 – 6 L 709/18 – juris Rn. 14 unter Bezugnahme auf VG Düsseldorf, U.v. 24.01.2018 – 6 K 12341/17 – juris Rn. 347 ff.; VG Stuttgart, B.v. 27.04.2018 – 8 K 1962 – juris Rn. 10 ff.). Denn das Fahrzeug entspricht – ohne Nachrüstung – keinem genehmigten Typ i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 2 FZV, da die Abschalteinrichtung nicht Teil der ursprünglichen Typengenehmigung gewesen ist und damit nicht an der Legalisierungswirkung der Genehmigung teilgenommen hat (vgl. VG Stuttgart, B.v. 27.04.2018 – 8 K 1962 – juris Rn. 19; VG Sigmaringen, B.v. 21.11.2018 – 5 K 6841/18 – juris Rn. 19). Die Tatbestandsvoraussetzungen für ein Einschreiten nach § 5 Abs. 1 FZV liegen daher vor.

VG Saarlouis v. 10.01.2019:
  1.  Zu den Voraussetzungen und Wirkungen der Aufhebung einer Sofortvollzugsanordnung

  2.  Zu den Voraussetzungen und Wirkungen der Aufhebung einer Sofortvollzugsanordnung

  3.  Die Begründung, die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Betriebsuntersagung eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Diesel-Pkw (Euro 5) sei im überwiegenden öffentlichen Interesse, da der Weiterbetrieb des vorschriftswidrigen Fahrzeugs „während der gesamten Dauer des Rechtsbehelfsverfahrens zu erhöhten Emissionswerten mit Nachteilen für die Umwelt und die Gesundheit der anderen Verkehrsteilnehmer führen“ würde, genügt dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO - anders als bei typischen Fallgestaltungen einer Betriebsuntersagung - grundsätzlich nicht (Str.).

  4.  Der Beitrag eines einzelnen Fahrzeugs zur Verschlechterung der Luftqualität kann aufgrund der Vielzahl der Emittenten und der gerade in Ballungszentren rechtlich und tatsächlich gebotenen Maßnahmen zur Senkung des Stickoxidgehalts der Atemluft Anlass zu kurzfristigen staatlichen Maßnahmen sein; dies bedarf dann jedoch einer vertieften Begründung, die Anlass, Dringlichkeit und Zielrichtung der Maßnahmen beschreibt (Str.).

  5.  Nachdem die vorschriftswidrige Verwendung von Abschalteinrichtungen bereits seit dem Jahr 2015 bekannt ist und die jeweils für die Wahrung von Luftreinhaltungsbelangen zuständigen Behörden zum Teil durch Zwangsvollstreckung aus verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zu umfänglichen und erfolgversprechenden Maßnahmen angehalten werden müssen, ist im Rahmen der Begründung einer Sofortvollzugsanordnung zumindest die Darlegung eines ansatzweise kohärenten Gesamtvorgehens erforderlich, aus dem hervorgeht, inwieweit die individuelle Inanspruchnahme von einzelnen Betroffenen einen relevanten Beitrag zur fraglos zu bewirkenden Luftreinhaltung zu tragen vermag (Str.).

  6.  Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, eigene Erwägungen zur Begründung der Vollzugsanordnung anzustellen oder die behördliche Begründung durch weitere Elemente anzureichern bzw. dieser die sofortige Vollziehung tragende, aber bisher im angefochtenen Bescheid nicht angesprochene weitere Aspekte hinzuzufügen (wohl Str.)

  7.  Der Erlass sofort vollziehbarer Betriebsuntersagungen für den Fall des trotz Mängelbeseitigungsfrist weiter festzustellenden Vorhandenseins unzulässiger Abschalteinrichtungen erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen.

  8.  Im Rahmen einer für sofort vollziehbar erklärten Betriebsuntersagung eines Diesel-Pkw wegen eines unterlassenen Software-Updates könnte zu berücksichtigen sein, dass nach Auffassung der Bundesregierung bei einer Überschreitung der europarechtlich seit Jahren verbindlichen Stickoxid-Grenzwerte um bis zu ein Viertel - auch örtlich begrenzte - Fahrverbote unverhältnismäßig sein sollen.

  9.  Die Straßenverkehrsbehörde kann bei einer gebotenen Interessenabwägung zu bedenken haben, dass es nicht etwa ihre Aufgabe wäre, gewissermaßen als - auch unbeabsichtigte - Sachwalter etwaiger privater Interessen eines Fahrzeugherstellers an der Durchsetzung eines Software-Updates und an der Vermeidung darüber hinausgehender sog. Hardware-Nachrüstungsmaßnahmen zu fungieren.

VG Köln v. 17.01.2019:
Gegenüber § 48 VwVfG NRW ist § 5 FZV die speziellere Vorschrift und bei Fahrzeugmängeln anzuwenden, unabhängig davon, ob die Mängel schon von Anfang an vorlagen oder erst später aufgetreten sind.

VG Freiburg v. 22.01.2019:
Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Betriebsuntersagung überwiegt nicht das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs, wenn die Rechtmäßigkeit einer Betriebsuntersagung umstritten ist.



VG Oldenburg v. 19.02.2019:
Ein vom sog. Dieselskandal betroffenes Fahrzeug, welches werksseitig eine unzulässige Abschalteinrichtung aufweist, ist nicht vorschriftsmäßig, wenn dieses nicht im Rahmen einer Rückrufaktion durch ein Software-Update nachgerüstet worden ist. Dass der Halter mit dem Verkäufer oder Hersteller des Fahrzeugs einen zivilrechtlichen Rechtsstreit führt, berührt die sich aus § 5 Abs. 1 FZV ergebenden Eingriffsbefugnisse der Zulassungsbehörde nicht. Die Behörde muss aber wegen der besonderen Umstände jeweils die am wenigsten belastende der in § 5 Abs. 1 FZV vorgesehenen Maßnahmen ergreifen. Sie darf jedoch die Betriebsuntersagung anordnen, wenn der Halter zuvor bereits mehrfach vergeblich zur Mängelbeseitigung aufgefordert worden ist. Wegen des Verhältnismäßigkeitsprinzips ist vor der zwangsweisen Stilllegung des Fahrzeugs zunächst eine Zwangsgeldandrohung erforderlich.

VG Freiburg v. 28.02.2019:
Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen und allein möglichen summarischen Prüfung dürfte der Erlass einer Betriebsuntersagung regelmäßig rechtmäßig sein, wenn sich der Eigentümer des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Dieselfahrzeugs trotz mehrfacher Aufforderung weigert, das geforderte kostenlose Software-Update vornehmen zu lassen. - Der Annahme des besonderen öffentlichen Vollziehungsinteresses steht nicht entgegen, dass die vorschriftswidrige Verwendung von Abschalteinrichtungen seit dem Jahr 2015 bekannt war und dass von den entsprechenden Fahrzeugen keine konkrete unmittelbare Gefahr für die Gesundheit des Einzelnen bzw. der Allgemeinheit ausgeht.

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