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OLG Brandenburg Beschluss vom 10.03.2004 - 1 Ss (OWi) 37 B/04 - Das Bußgeldurteil muss auch die Einzelwerte der Atemalkoholuntersuchung mitteilen

OLG Brandenburg v. 10.03.2004: Das Bußgeldurteil muss auch die Einzelwerte der Atemalkoholuntersuchung mitteilen




Das Brandenburgische OLG (Beschluss vom 10.03.2004 - 1 Ss (OWi) 37 B/04) hat zu den Urteilsanforderungen bei der Atemalkoholanalyse entschieden:

   Die Entscheidungsgründe des bußgeldrichterlichen Urteils müssen grundsätzlich - es sei denn, es ist ausgeschlossen, dass sich eine etwaig fehlerhafte Atemalkoholmittelwertbildung auf die Entscheidung ausgewirkt hätte - auch Angaben zur Höhe der bei Verwendung des Analysegerätes Dräger Alkotest 7110 Evidential MK III gemessenen Einzelatemalkoholwerte enthalten, da Erkenntnisse vorliegen, dass nicht in allen Fällen von diesen Messgeräten fehlerfreie Mittelwertbildungen vorgenommen werden ( § 24 a StVG).

Siehe auch
Atemalkohol - Atemalkoholtest
und
Stichwörter zum Thema Alkohol




Aus den Entscheidungsgründen:


"... Die Feststellungen des angegriffenen Urteils ergeben, dass die Atemalkoholmessung bei dem Rechtsmittelführer mit Hilfe eines Messgerätes des Typs Alkotest 7110 Evidential MK III unter Beachtung der Bedienungsvorschriften des Herstellers durchgeführt worden ist. Die Zuverlässigkeit und Präzision dieses Messverfahrens ist allgemein anerkannt (vgl. BGH NJW 2001, 1952; Senatsbeschluss vom 14. April 2003 - 1 Ss (OWi) 270 B/02 -). Insoweit handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren, bei dessen Anwendung im bußgeldrichterlichen Urteil keine weiteren tatsächlichen Feststellungen zur Messmethode getroffen werden müssen; es genügt - soweit nicht der Betroffene konkrete Messfehler behauptet -, dass die Messmethode selbst und das Messergebnis mitgeteilt werden (BGH a. a. O.; BayOblG zfs 2000, 313; Senatsbeschluss a. a. O.); der Mitteilung eines Toleranzwertes bedarf es nicht, da ein solcher hier nicht in Betracht kommt (BayOblG zfs 2000, 133, 136; Brandenburgisches Oberlandesgerichts, Beschluss vom 19. Juni 2001 - 2 Ss (OWi) 110/00 - m. w. N.).

Um dem Senat die Prüfung zu ermöglichen, ob das Instanzgericht den festgestellten Atemalkoholmittelwert zutreffend ermittelt hat, insbesondere die Mittelwertbildung nicht durch unzulässige Aufrundung erfolgt ist, müssen die Entscheidungsgründe des bußgeldrichterlichen Urteils darüber hinausgehend weiterhin auch Angaben zur Höhe der bei Verwendung des Analysegerätes Dräger Alkotest 7110 Evidential MK III gemessenen Einzelatemalkoholwerte enthalten. Denn auch wenn bei standardisierten Messverfahren grundsätzlich die Wiedergabe einfacher Rechenvorgänge entbehrlich ist (OLG Stuttgart VRS 99, 286 unter Hinweis auf BGH St 28, 235; Kammergericht BA 2000, 115), handelt es sich hierum bei Atemalkoholmessungen gerade nicht. In der Rechtswirklichkeit liegen nämlich Erkenntnisse vor, dass nicht in allen Fällen von den Messgeräten des Typs Alkotest 7110 Evidential MK III der Firma Dräger fehlerfreie Mittelwertbildungen vorgenommen werden (vgl. BayOblG NJW 2001, 3138; OLG Köln VRS 100, 138).

Dies gilt auch, nachdem die Software dieses Messgerätetyps verändert worden ist. Im Zeitpunkt seiner Bauartzulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt am 17. Dezember 1998 waren die entsprechenden Geräte noch in der Weise programmiert, dass sie den Mittelwert der Einzelatemalkoholmessergebnisse in der zweiten Dezimale entsprechend mathematischen Regeln so bildeten, dass sie den Wert der dritten Dezimale bei einem Wert bis 4 nach unten abrundeten, bei einem Wert ab 5 aber nach oben aufrundeten. Den hiergegen erhobenen Bedenken (vgl. BGH NJW 1998, 1930) trug das Herstellerunternehmen insoweit Rechnung, als durch Änderung der Gerätesoftware die dritte Dezimale bei der Mittelwertbildung nicht mehr berücksichtigt werden sollte; die Physikalisch-Technische Bundesanstalt hat die Bauartzulassung durch einen ersten Nachtrag vom 24. September 1999 entsprechend geändert (vgl. Bode BA 2000, 137). Die in der Praxis eingesetzten Atemalkoholmessgeräte des genannten Typs sind sodann mit der geänderten Software ausgerüstet worden. Gleichwohl sind auch in der Folgezeit noch Fehler bei der (juristisch) korrekten Mittelwertbildung von Atemalkoholmessungen unter Verwendung des Gerätetyps Dräger Alkotest 7110 Evidential MK III aufgetreten. Diese basierten - nach wie vor - vor allem darauf, dass die Mittelwertbildung unter unzulässiger Berücksichtigung der dritten Dezimalstelle der Einzelmesswerte erfolgte und es in Einzelfällen deshalb zu einem um 0,01 mg/l überhöhten Mittelwert der Atemalkoholkonzentration kam.


Diese Messfehler sind nicht hinnehmbar. Bei analytischen Messvorgängen nimmt die Messgenauigkeit mit zunehmend geringer werdender Größe der Messeinheit ab. Für die Ermittlung der Blutalkoholkonzentration durch Analyse einer Blutprobe ist anerkannt, dass die dritte Dezimalstelle des Promillewertes keinen Aussagewert mehr hat (BGH St 28, 1 f). Die dritte Dezimalstelle der Messwerte ist daher außer Acht zu lassen (BGH a. a. O.), und zwar sowohl für die Einzelwerte als auch für die Berechnung des Mittelwertes. Diese Rechtsprechung ist auf die Feststellung der Atemalkoholkonzentration zu übertragen (OLG Köln, VRS 100, 138 f). Auch bei ihr hat die dritte Dezimalstelle außer Betracht zu bleiben, weil sie wegen der von Dezimale zu Dezimale zunehmenden Messungenauigkeit sowohl analytisch als auch biologisch ohne Bedeutung ist (BayOblG NJW 2001, 3138).

Da auch aufgrund der neuen Software nicht in jedem Fall eine korrekte Bestimmung des Mittelwerts der Atemalkoholkonzentration sichergestellt ist, sind die der Mittelwertbildung zugrundeliegenden Einzelmesswerte weiterhin in den Urteilsgründen aufzuführen.

Den in dieser Weise bestehenden rechtlichen Vorgaben wird das angefochtene Urteil zwar nicht gerecht. Die Bußgeldrichterin teilt in den Entscheidungsgründen lediglich den Mittelwert der bei dem Betroffenen gemessenen Atemalkoholkonzentration mit; Darlegungen zur Höhe der um 23:45 Uhr und 23:48 Uhr (in zeitlich korrektem Abstand) gemessenen Einzelmesswerte fehlen hingegen.



Der skizzierte Rechtsfehler nötigt den Senat gleichwohl nicht zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils im Schuldspruch. Wegen der Besonderheiten des vorliegenden Falles erscheint es nämlich ausgeschlossen, dass sich eine etwaig fehlerhafte Atemalkoholmittelwertbildung auf die Entscheidung der Bußgeldrichterin ausgewirkt hätte. Unter Berücksichtigung der Softwareleistungen des Atemanalysegerätes Dräger Alkotest 7110 Evidential MK III können - wie bereits dargelegt - Geräte Messfehler maximal zu einem um 0,01 mg/l überhöhten Mittelwert der Atemalkoholkonzentration führen. Das bedeutet, dass die Atemalkoholkonzentration beim Betroffenen statt 0,39 mg/l - zu seinen Gunsten gerechnet - auch nur 0,38 mg/l betragen haben kann. Bei dieser geringen Differenz erscheint es aber ausgeschlossen, dass die Bußgeldrichterin eine für den Betroffenen in der Sache günstigere Entscheidung getroffen hätte. Anders als im vom Bayerischen Obersten Landesgericht entschiedenen, insoweit vergleichbaren Fall (BayOblG NJW 2001, 3138) hat das Ergebnis der Mittelwertbildung vorliegend auch keinen Einfluss auf die nach § 24 a StVG i. V. m. der Bußgeldkatalogverordnung im Regelfall auszusprechende Sanktion: § 24 a StVG differenziert nach seiner Neufassung durch das Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (StVRÄndG) vom 19. März 2001 nicht mehr zwischen Atemalkoholmesswerten von mehr als 0,25 mg/l und solchen von mehr als 0,40 mg/l, und auch Nr. 241 des Bußgeldkataloges (Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV) sieht generell für Kraftfahrzeug-Fahrten bei einer Atemalkoholkonzentration von mehr als 0,25 mg/l im Regelfall eine festzusetzende Geldbuße von 250 € sowie ein einmonatiges Fahrverbot vor; die qualifizierten Tatbestände der Nr. 241 des BKat differenzieren nicht nach der Höhe der gemessenen Alkoholkonzentration. Bei dieser Sachlage kann ausgeschlossen werden, dass das angefochtene Urteil auf dem den Schuldspruch betreffenden Rechtsfehler beruht. ..."

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