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Rechtsprechungsübersicht: Zur Einhaltung einer Wartezeit von 20 Minuten zwischen Trinkende und Atemalkoholkontrolle

Rechtsprechungsübersicht: Zur Einhaltung einer Wartezeit von 20 Minuten zwischen Trinkende und Atemalkoholkontrolle




Siehe auch
Atemalkohol - Atemalkoholtest
und
Stichwörter zum Thema Alkohol

Nach wissenschaftlichen Anforderungen soll zwischen dem festgestellten Trinkende (anhand der Einlassung des Betroffenen oder auf Grund sonstiger Beweismittel) und dem Zeitpunkt der Atemalkoholkontrolle (Augenblick des Pustens) eine gesicherte Zeitspanne von 20 Minuten liegen. Des weiteren soll die Kontrolldauer vor dem Pusten mindestens 10 Minuten betragen.

In der Praxis kann es nun durchaus vorkommen, dass der Betroffene an Ort und Stelle ein Trinkende angibt, bei dem die Einhaltung der Wartezeit gesichert erscheint, sich jedoch später begründete Zweifel hieran ergeben (abweichende Einlassung in der Hauptverhandlung, ohne dass dies als unglaubhafte Schutzbehauptung zu erkennen ist, abweichende Zeugenaussagen, Unsicherheiten der Polizeibeamten über die Zeitangaben).


In solchen Fällen, in denen die Einhaltung der 20-minütigen Wartezeit nicht gerichtsfest gesichert ist, muss entschieden werden, inwieweit das gewonnene Atemalkoholtestergebnis im Bußgeldverfahren gegen den Betroffenen verwertbar ist oder nicht.

Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte hierzu ist keineswegs einheitlich.

Die Oberlandesgerichte

  -  Dresden DAR 2005, 226 f. (Beschl. v. 08.02.2005 - Ss (OWi) 32/05),

  -  Jena DAR 2006, 225 (Beschl. v. 01.09.2005 - 1 Ss 211/05)

und das

  -  BayObLG DAR 2005, 40 (Beschl. v. 02.11.2004 - 2 ObOWi 471/04)

halten eine unter Verstoß gegen die Wartezeit gewonnene AAK für unverwertbar.

Dieser Auffassung folgt auch Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl. 2005, § 24a StVG Rn. 16:

   Daher kein Sicherheitsabschlag vom gemessenen Mittelwert bei Messung mit einem bauartzugelassenen, geeichten Messgerät unter Beachtung der Verfahrensbestimmungen ..., namentlich Doppelmessung in einem Abstand von höchstens 5 Min. nach 20 Min. Wartezeit ab Trinkende, Kontrollzeit von 10 Min. (die in der Wartezeit von 20 Min. enthalten sein kann), ... Erfüllung dieser im BGA-G "Atemalkohol" gestellten Anforderungen ist ... unabdingbar, andernfalls it die Messung unverwertbar. Das gilt auch für die 20-minütige Wartezeit ..."




Hingegen ist das OLG Hamm NZV 2005, 109 = DAR 2005, 227 f. (Beschl. v. 23.08.2004 - 2 Ss OWi 357/04) folgender Auffassung:

   Ist zwar die Einhaltung der Wartezeit von 20 Minuten zwischen Trinkende und Beginn der Atemalkoholmessung nicht festgestellt worden, lässt sich andererseits jedoch den Urteilsfeststellungen zweifelsfrei entnehmen, dass eine Kontrollzeit von mindestens 10 Minuten vor der Messung, in der der Betroffene keine Substanzen durch Mund oder Nase zu sich genommen hat, eingehalten worden ist, kann die ermittelte Messung ohne Sicherheitsabschläge zur Feststellung der zur Tatzeit vorliegenden Atemalkoholkonzentration zugrunde gelegt werden. Dies gilt auch für den Fall, dass der gemessene Wert nur knapp über dem gesetzlichen Gefahrengrenzwert von 0,25 mg/l liegt (Aufgabe OLG Hamm, 3. Juni 2002, 2 Ss OWi 316/02, NJW 2002, 2485; Abgrenzung OLG Karlsruhe, 19. April 2004, 1 Ss 30/04, NZV 2004, 426).

Der Meinung, dass es auf die Einhaltung der 20-minütigen Wartezeit nicht entscheidend ankomme, sind auch OLG Celle NZV 2004, 318 f.; OLG Hamm DAR 2005, 227 f.; Burhoff (Hrsg), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 2005, Rn. 2016. Es müsse allerdings gewährleistet sein, dass der Betroffene 10 Minuten vor Beginn der Messung keinerlei Substanzen mehr zu sich genommen hat.




Eine weder in die eine noch in die andere Richtung gleichermaßen stringente Haltung nimmt das OLG Karlsruhe ein:

Hatte es nach der Entscheidung vom 19.04.2004 noch den Anschein, dass auch das OLG Karlsruhe sich auf die Seite derer geschlagen hat, die von einem Verwertungsverbot bei ungesicherter Einhaltung der Wartezeit ausgehen, hat es neuerdings mit dem Beschluss vom 05.05.2006 eine vermittelnde Stellung bezogen.

OLG Karlsruhe NZV 2004, 426 f. = DAR 2004, 466 f. = VRS 107, 52 ff. (Beschl. v. 19.04.2004 - 1 Ss 30/04):

   Wenn der Gefahrengrenzwert des § 24a Abs. 1 StVG von 0,25 mg/l Alkohol in der Atemluft nur ganz geringfügig überschritten worden ist (hier: 0,26 mg/l), kann das Ergebnis zweier Atemalkoholmessungen mit dem Dräger Alcotest 7110 Evidential nur dann ohne Rechtsfehler verwertet werden, wenn die Warte- und Kontrollzeiten eingehalten wurden. Insoweit sind jedenfalls dann sichere und durch das Rechtsbeschwerdegericht nachprüfbare Feststellungen unverzichtbar, wenn konkrete Zweifel an ihrer Einhaltung bestehen (hier: wegen mehrdeutiger Zeitangaben wegen Differenzen in der Zeitangabe zwischen den Uhren der kontrollierenden Polizeibeamten untereinander und wiederum der Zeitangabe auf dem Messgerät).

OLG Karlsruhe (Beschl. v. 05.05.2006 - 1 Ss 32/06):

  1.  Die von polizeilichen Angaben abweichende Einlassung eines Betroffenen in der Hauptverhandlung, kurz vor Fahrtantritt noch Alkohol getrunken zu haben, kann nicht ohne nähere Auseinandersetzung hiermit als bloße Schutzbehauptung angesehen werden.

  2.  Wird die Wartezeit von 20 Minuten zwischen Trinkende und Beginn der ersten Atemalkoholmessung nicht eingehalten, so kann bei deutlicher Überschreitung (hier: 20%) des Gefahrengrenzwertes des § 24a Abs.1 StVG von 0,25 mg/l durch Einholung eines Sachverständigengutachtens geklärt werden, ob die mit der Nichteinhaltung verbundenen Schwankungen der Messwerte durch einen Sicherheitszuschlag ausgeglichen werden können (Fortführung von Senat NZV 2004, 426 f. = VRS 107, 52 f. = DAR 2004, 466 f. = Blutalkohol 41 (2004), 467 = SVR 2004, 475 = VersR 2005, 1409 f.).

Eine Vorlage der Streitfrage an den BGH ist bislang - soweit ersichtlich - noch nicht erfolgt.

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