Das Verkehrslexikon

A     B     C     D     E     F     G     H     I     K     L     M     N     O     P     Q     R     S     T     U     V     W     Z    

Landgericht Neuruppin Urteil vom 04.03.2004 - 4 S 291/03 - Kein Ersatzanspruch bei Anhalten auf dem Seitenstreifen der BAB ohne Warndreieck

LG Neuruppin v. 04.03.2004: Kein Ersatzanspruch bei Anhalten auf dem Seitenstreifen der BAB ohne Warndreieck




Das Landgericht Neuruppin (Urteil vom 04.03.2004 - 4 S 291/03) hat zum Anhalten auf der Autobahn entschieden:

   Wer ohne zwingenden Grund auf dem Seitenstreifen der Autobahn wegen eines verdächtigen Fahrzeuggeräuschs lediglich mit Warnblinklicht, aber ohne das Warndreieck aufzustellen, anhält und sodann aussteigt und die Fahrzeugtür nur angelehnt lässt, hat keinerlei Ersatzanspruch, wenn es zur Kollision mit einem herannahenden Lkw kommt.

Siehe auch
Fahren auf Sicht - Sichtfahrgebot - Auffahren auf Hindernisse
und
Liegenbleiben von Fahrzeugen - Warnung des übrigen Verkehrs

Aus den Entscheidungsgründen:


"... Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat in der Sache jedoch kernen Erfolg, Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gemäß §§ 7, 17 StVG, gegen die Beklagte zu 2. in Verbindung mit § 3 Pflichtversicherungsgesetz, Die gemäß § 17 StVG vorzunehmende Haftungsverteilung, bei der nur unstreitige und erwiesene Umstände Berücksichtigung finden dürfen, führt - wie vom Amtsgericht zutreffend angenommen - zu einem Ausschluss der Haftung der Beklagten. Das Verhalten der Klägerin ist als so grob verkehrswidrig anzusehen, dass die Betriebsgefahr des Lkw dahinter vollständig zurück tritt, denn die Klägerin hat mehrfach gegen die ihr im Straßenverkehr obliegenden Pflichten in erheblichem Umfang verstoßen. Zunächst hat die Klägerin unter Verstoß gegen § 18 Abs. 8 StVO auf der Autobahn gehalten. § 18 Abs. 8 StVO verbietet grundsätzlich ein Halten auf Autobahnen, einschließlich den dazugehörigen Seitenstreifen. Ausnahmen gelten nur bei zwingenden Notfällen, z.B. bei einer plötzlichen Betriebsunfähigkeit des Fahrzeuges oder dem Vorliegen, eines nicht auszuschließenden schweren Defektes. Ein solcher Ausnahmefall, der das Anhalten der Klägerin gerechtfertigt hätte, war hier jedoch nicht gegeben. So hat die Klägerin in ihrer mündlichen Anhörung vor der Berufungskammer eingeräumt, dass sie das untypische Geräusch, welches letztendlich Grund des Anhaltens war, bereits seit einiger Zeit vernommen hatte. Dennoch unterließ sie es, bei sich bietender Gelegenheit anzuhalten und dem Geräusch auf den Grund zu gehen. Dies hätte ihr als Kraftfährzeugführerin aber bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt oblegen. Allem das Aufleuchten der Warnleuchte rechtfertigte es dann nicht, auf dem Seitenstreifen anzuhalten, zumal nicht ersichtlich ist, warum es der Klägerin, nicht möglich war, mit gegebenenfalls verringerter Geschwindigkeit bis zur nächsten regulären Anhaltemöglichkeit weiterzufahren.




Nach dem verkehrswidrigen Anhalten auf der Autobahn hat die Klägerin es sodann unterlassen, sofort die in § 15 StVO vorgeschriebenen Sicherungsmaßnahmen vollständig zu ergreifen. Zwar hat sie zunächst die Warnblinkanlage eingeschaltet. Sie hat es jedoch Unterlassen, unmittelbar danach das Warndreieck gut sichtbar in ausreichendem Abstand hinter dem liegen gebliebenen Fahrzeug aufzustellen. Gemäß § 15 Satz 2 StVO gehört jedoch neben dem Einschalten der Warnblinkanlage auch das sofortige Aufstellen des Warndreiecks zur Verkehrssicherung. Die Sicherung des Verkehrs geht einer Schadensbeseitigung vor. Unterbleibt - wie hier - eine ausreichende Sicherung, spricht der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Liegengebliebenen.

Der Klägerin ist es nicht gelungen, den gegen sie sprechenden Beweis des ersten Anscheins durch den Nachweis einer Unachtsamkeit des Lkw-Fahrers zu widerlegen. Hierzu fehlt es bereits an ausreichendem Vortrag durch die Klägerin. Soweit sie behauptet der Lkw sei ohne Einhaltung des erforderlichen Seitenabstandes an ihrem Pkw vorbei gefahren, stellt dies keinen zur Widerlegung geeigneten Sachvortrag dar. Zum einen fehlt es an einer Substantiierung, da nicht ansatzweise vorgetragen worden ist, wie groß der Abstand in etwa war. Eine Einschätzung, ob eine Pflichtverletzung des Lkw-Fahrers gegeben war, konnte insoweit nicht vorgenommen werden Zum anderen ist dieser Vortrag nicht geeignet, den Nachweis für eine Unachtsamkeit des Fahrers zu erbringen, denn es kann gerade nicht ausgeschlossen werden, dass das möglicherweise zu dichte Vorbeifahren nicht auf die nicht ausreichend erfolgte Sicherung des Verkehrs zurückzuführen ist. Denn schließlich kommt hier erschwerend hinzu, dass die Klägerin kurz hinter einer Kurve ihr Fahrzeug auf dem Seitenstreifen anhielt. Soweit die Klägerin behauptet, der Lkw sei mit einer Geschwindigkeit von ca. 60 - 80 km/h gefahren ist dies nicht zu beanstanden. Eine Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit ist damit auch nach ihrem Vortrag nicht gegeben.

Ein weiterer Verschuldensvorwurf muss der Klägerin daraus gemacht werden, dass sie die linke Fahrzeugtür bei Verlassen des Autos nicht richtig verschlossen hat, sondern diese nur angelehnt ließ. Sei wusste, dass sie mit ihrem Fahrzeug direkt neben dem Fahrstreifen der Autobahn angehalten hatte. Sie musste daher damit rechnen, dass die Geschwindigkeit der vorbeifahrenden Fahrzeuge relativ hoch ist und es aufgrund des Fahrtwindes möglicherweise zu einer Sogwirkung kommen kann. Wer es unter diesen Umständen unterlässt die Tür ordnungsgemäß zu schließen, lässt die ihm zur Vermeidung von Schäden obliegende Sorgfaltspflicht in nicht nur unerheblichem Maße außer acht. ..."

- nach oben -



Datenschutz    Impressum