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Verwaltungsgericht Neustadt Beschluss vom 22.06.2006 - 3 L 916/06 - Regelmäßiger Cannabiskonsum führt zur Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeuges

VG Neustadt v. 22.06.2006: Regelmäßiger Cannabiskonsum führt nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV zur Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeuges


Das Verwaltungsgericht Neustadt (Beschluss vom 22.06.2006 - 3 L 916/06) hat entschieden:

   Regelmäßiger Cannabiskonsum führt nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV zur Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeuges.

Siehe auch
Maßnahmen bei regelmäßigem Cannabiskonsum
und
Stichwörter zum Thema Cannabis

Aus den Entscheidungsgründen:


"... Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung der Fahrerlaubnis der Klassen A1 r BE und C1E durch Verfügung der Antragsgegnerin vom 31. Mai 2006 wiederherzustellen, kann keinen Erfolg haben.

Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in der angefochtenen Verfügung, dass es mit dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs unvereinbar wäre, wenn der Antragsteller bis zum Eintritt der Bestand­kraft der Verfügung weiter als Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilnehmen könnte, nachdem seine Ungeeignetheit zum .Führen von Kraftfahrzeugen gegeben sei, hält sich im Rahmen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.

Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis überwiegt vorliegend das private Interesse des Antragstellers, von der Fahrerlaubnis bis zur Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache Gebrauch machen zu können. Dem privaten - auch beruflichen - Interesse des Antragstellers an dem Erhalt der Fahrerlaubnis steht nämlich das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass Personen, die sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen haben, unverzüglich von der aktiven motorisierten Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr ausgeschlossen werden, wie es die Antragsgegnerin in ihrer Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung dargelegt hat.




Das vorrangige öffentliche Interesse folgt auch daraus, dass sich die angefochtene Verfügung beim gegenwärtigen Sachstand aufgrund der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO allein möglichen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweist.

Die Antragsgegnerin hat zu Recht die Entziehung der Fahrerlaubnis auf § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz - StVG - i.V.m. § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnis- Verordnung - FeV - (BGBI. I 1998, S. 2214 ff.) gestützt. Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen er weist. Dies gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn Erkrankung gen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen und dadurch die Eig­nung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Diese Vorschrift ist so zu verstehen, dass der Verordnungsgeber - wozu er gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 c StVG befugt ist - eine Bewertung der Auswirkungen bestimmter Verhaltensweisen und Erkrankungen auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vornimmt. Dies geschieht dadurch, dass die auf wissenschaftlicher Grundlage gewonnenen und im Gutachten "Krankheit und Kraftverkehr" (nunmehr Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Mensch und Sicherheit, Heft M 115) zusammengefassten Erkenntnisse in die FeV integriert und damit normativ als für den Regelfall zutreffend gekennzeichnet werden.

Im Falle des Konsums von Betäubungsmitteln gilt danach Folgendes: Bei der Einnahme von Cannabis ist zu differenzieren zwischen regelmäßigem und gelegentlichem Konsum. Regelmäßiger Cannabiskonsum führt nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV zur Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeuges. Bei der gelegentlichen Einnahme von Cannabis wird nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 für die Annahme der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges gefordert, dass der Betreffende zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeuges trennen kann. Im vorliegenden Fall ist zumindest von einem gelegentlichen Cannabiskonsum und einer motorisierten Teilnahme am Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss auszugehen.


Ein gelegentlicher Konsum von Cannabis liegt vor, wenn der Konsument die Droge mehrmals aber deutlich weniger als täglich zu sich nimmt (vgl. VGH Baden- Württemberg, Beschluss vom 26.11.2003 - 10 S 2048/03 -, DAR 2004, 170). Ein solches Konsummuster ist beim Antragsteller nachgewiesen; seine anders lauten den Behauptung ist widerlegt. Nach dem Ergebnis des toxikologischen Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz vom 24. April 2006 steht für das Gericht zweifelsfrei fest, dass der Antragsteller mehrfach Cannabis aufgenommen hat. Bei der Auswertung seiner Blutprobe wurde ein THC-Carbonsäurewert von 885 ng/ml festgestellt, der die Annahme einer nur vereinzelten Aufnahme von Cannabis ausschließt. Ein geübter Cannabiskonsument kann bei einmaliger Aufnahme einer durchschnittlichen Menge von 15 mg THC einen THC-Carbonsäurewert von allenfalls 40 bis 50 ng/ml erreichen (Perez-Reyes et al., zitiert nach Daldrup/Käferstein/Köhler/Maier/Mußhoff, Entscheidung zwischen einmaligem, gelegentlichen und regelmäßigen Cannabiskonsum, Blutalkohol 2000, S. 39, 43). Danach wurden bei Versuchen eine halbe Stunde nach Konsum einer Zigarette mit 13 bis 25 mg THC THC-Carbonsäurewerte von maximal 45 ng/ml plus/minus 9,2 ng/ml THC-Carbonsäure ermittelt. Damit kann der ermittelte THC-Carbonsäurewert von 885 ng/ml nicht mit einer behaupteten einmaligen Aufnahme von Cannabis am 21. März 2006 erklärt werden. Dieses Ergebnis stimmt auch mit den Annahmen in der Nr. 2.5 des Erlasses des Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr Nordrhein-Westfalen vom 10.6.1999, Az.: 632-21-03/2.1. überein, nach denen ein Wert größer als 5 ng/ml für den Nachweis eines gelegentlichen Cannabiskonsums ausreicht. Bei der Einlassung des Antragstellers zu seinem Drogenkonsum handelt es sich daher ersichtlich um eine nicht glaubhafte Schutzbehauptung.

Hätte es sich wie behauptet um einen einmaligen Cannabiskonsum gehandelt, so hätte der Antragsteller sich wohl angesichts der aufgetretenen und von den Polizeibeamten festgestellten Ausfallerscheinungen kaum an das Steuer eines Kraft­ fahrzeuges gesetzt. Auch nach dem toxikologischen Befund des Instituts für Rechtsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz vom 24. April 2006 lag bei dem Antragsteller zum Zeitpunkt der Blutentnahme ein aktueller Cannabiseinfluss vor. Da die Teilnahme am Straßenverkehr als Führer eines Kraftfahrzeugs zeitnah vor der Blutentnahme am 21. März 2006 erfolgte, hat der Antragsteller unter Cannabiseinfluss (THC 43,6 ng/ml) ein Kraftfahrzeug geführt Damit sind auf jeden Fall die Voraussetzungen der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV erfüllt.




Die Entziehungsverfügung erweist sich somit als rechtmäßig. ..."

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