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VGH München Beschluss vom 30.06.2005 - 11 CS 05.88 - Zur Unmöglichkeit einer "Heilung" von Alkoholabhängigkeit und zu den Anforderungen an Abstinenznachweise zum Nachweis der Fahreignung

VGH München v. 30.06.2005: Zur Unmöglichkeit einer "Heilung" von Alkoholabhängigkeit und zu den Anforderungen an Abstinenznachweise zum Nachweis der Fahreignung




Siehe auch
Alkoholabhängigkeit
und
Abstinenznachweis zur Wiederherstellung der Fahreignung nach Alkohol- und Drogenkonsum

Der VGH München (Beschluss vom 30.06.2005 - 11 CS 05.88) hat entschieden:

   Ein Alkoholabhängiger kann nach der Nummer 8.4 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung die Fahreignung nur wiedererlangen, wenn Abhängigkeit nicht mehr besteht und in der Regel ein Jahr Abstinenz nachgewiesen ist.

Siehe auch
Beschädigungen am eigenen Fahrzeug bzw. mit dem eigenen Fahrzeug - Risikoausschluss?
und
Stichwörter zum Thema Kfz-Versicherung


Aus den Entscheidungsgründen:


"... Ein Alkoholabhängiger kann nach der Nummer 8.4 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung die Fahreignung nur wiedererlangen, wenn Abhängigkeit nicht mehr besteht und in der Regel ein Jahr Abstinenz nachgewiesen ist. Das Tatbestandsmerkmal der "nicht mehr bestehenden Abhängigkeit" sieht der Verwaltungsgerichtshof in Übereinstimmung mit den Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung (vgl. Abschnitt 3.11.2 und die zugehörige Fußnote 11), die wegen ihrer fehlenden Rechtsnormqualität die Gerichte und Behörden zwar nicht binden, die angesichts des hinter ihnen stehenden Sachverstands jedoch als Auslegungshilfe zur Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben herangezogen werden können, dann als erfüllt an, „wenn durch Tatsachen der Nachweis geführt wird, dass dauerhafte Abstinenz besteht“ (vgl. VGH vom 23.3.2005 Az. 11 CS 04.3163). Die Begutachtungs-Leitlinien tragen damit dem Umstand Rechnung, dass bei bestehender Alkoholabhängigkeit eine „Heilung“ dergestalt, dass der Betroffene fürderhin nicht mehr alkoholgefährdet ist, wohl nicht möglich ist, so dass das Ziel einer Behandlung nur darin bestehen kann, den Patienten zum konsequenten Alkoholverzicht zu befähigen; denn bei solchen Personen zieht u.U. bereits der Konsum kleinster Alkoholmengen einen Rückfall in nicht mehr beherrschbares Trinken nach sich. Als Tatsachen, durch die in der Regel der Nachweis der erforderlichen dauerhaften Abstinenz geführt werden kann, nennen die Begutachtungs-Leitlinien eine erfolgreiche Entwöhnungsbehandlung, eine sich hieran anschließende einjährige Abstinenz sowie das Fehlen sonstiger Eignungsmängel.




Im Fall des Antragstellers fehlt bereits ein Beleg dafür, dass die Entwöhnungsbehandlung, der er sich unterzogen hat, "erfolgreich" war. Denn er hat keine Bescheinigung der Fachklinik Furth im Wald vorgelegt, die ein dahingehendes Testat enthält. Die schriftlichen Äußerungen der Fachambulanz für Suchtprobleme und die vom Antragsteller beigebrachten Atteste eines niedergelassenen Internisten sind in diesem Zusammenhang schon deshalb unbehelflich, da der Erfolg einer Entwöhnungsbehandlung nur von Personen beurteilt werden kann, die zum einen über die hierfür erforderliche Sachkunde verfügen und die zum anderen über den Verlauf und die Ergebnisse dieser Therapie aufgrund eigener Kenntnis unterrichtet sind. Diese Voraussetzungen erfüllen allen erkennbaren Umständen nach weder der vorerwähnte Internist noch der Diplom-Sozialpädagoge, der für die Schreiben der Caritas vom 30. März 2005 und vom 17. Juni 2005 verantwortlich zeichnet. Nur ergänzend ist deshalb festzuhalten, dass die von diesen Personen ausgestellten Bescheinigungen auch von ihrem Inhalt her keine Aussage über die Resultate des Aufenthalts in Furth im Wald enthalten. Das Schreiben der Caritas vom 30. März 2005 beschränkt sich insoweit vielmehr auf den Hinweis, dass der Antragsteller die stationäre Entwöhnungsbehandlung "regulär" abgeschlossen habe. Wenn es in den vorgelegten fachärztlichen Attesten jeweils heißt, der Antragsteller sei seit dem 20. August 2004 "trocken", so wird damit gerade eine Gegebenheit behauptet, die bereits vor der Aufnahme des Antragstellers in die Entziehungsanstalt eingetreten sei.

Ebenfalls noch nicht erfüllt ist das Erfordernis, dass der Betroffene als Indiz dafür, dass er dauerhaft auf den Genuss von Alkohol verzichten wird, eine einjährige Abstinenz nachweisen muss. Hierbei kann dahinstehen, ob diese Zeitspanne, wie das in Abschnitt 3.11.2 der Begutachtungs-Leitlinien (in rechtlich nicht bindender Weise) gefordert wird, in allen Fällen erst im Anschluss an die Entgiftungs- und Entwöhnungsmaßnahme zu laufen beginnt. Denn der erforderliche Einjahreszeitraum wäre gegenwärtig auch dann noch nicht verstrichen, wenn man ihn mit der tatsächlichen Aufnahme einer alkoholfreien Lebensführung beginnen lassen wollte, und es zutreffen sollte, dass der Antragsteller dieses Rauschmittel seit dem 20. August 2004 nicht mehr konsumiert hat.



Nur ergänzend - und ohne dass es angesichts des noch nicht abgelaufenen Einjahreszeitraums hierauf gegenwärtig ausschlaggebend ankommt - ist anzumerken, dass die Aussagekraft der vom Antragsteller vorgelegten Laborbefunde selbst dann begrenzt ist, wenn die insoweit durchgeführten Untersuchungen den Anforderungen der Begutachtungs-Leitlinien (vgl. den vorletzten Absatz des Abschnitts 3.11.2) genügen sollten. Denn durch unauffällige Leberwerte u.ä. lässt sich nach dem Kenntnisstand des Gerichts grundsätzlich nur ein übermäßiger Alkoholkonsum, nicht aber die vollständige Abstinenz nachweisen. Die Begutachtungs-Leitlinien weisen angesichts der beschränkten Beweiseignung derartiger Befunde deshalb zu Recht darauf hin, dass sich die Ergebnisse von Laboruntersuchungen nur in Verbindung mit allen im Rahmen einer Begutachtung erhobenen Befunden beurteilen lassen. § 13 Nr. 1 FeV trägt dem Umstand, dass die Wiedergewinnung der Fahreignung nach eingetretener Alkoholabhängigkeit nur aufgrund einer umfassenden Würdigung der beim Betroffenen bestehenden Gegebenheiten beurteilt werden kann, dadurch Rechnung, dass die Entscheidung über eine Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von der Beibringung eines ärztlichen Gutachtens abhängig gemacht wird, dessen Erstellung den in § 11 Abs. 2 Satz 3 FeV aufgeführten Personen vorbehalten ist; ein solches Gutachten (mit positivem Inhalt) liegt gegenwärtig nicht vor. ..."

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