Das Verkehrslexikon

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Zur Fahrzeugführereigenschaft des Fahrlehrers und zur allgemeinen Verschuldenshaftung des Fahrschülers

Rechtsprechung: Zur Fahrzeugführereigenschaft des Fahrlehrers und zur allgemeinen Verschuldenshaftung des Fahrschülers


Der BGH (Beschluss vom 18.01.1990 - 4 StR 292/89) hat die Fahrzeugführereigenschaft definiert:
Führer eines Fahrzeugs ist, wer sich selbst aller oder wenigstens eines Teiles der wesentlichen technischen Einrichtungen des Fahrzeuges bedient, die für seine Fortbewegung bestimmt sind, also das Fahrzeug unter bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte unter eigener Allein- oder Mitverantwortung in Bewegung setzt oder das Fahrzeug unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrbewegung durch den öffentlichen Verkehrsraum ganz oder wenigstens zum Teil lenkt.
Während Fahrschulausbildungsfahrten gilt gem. § 2 Abs. 15 StVG (nur) der begleitende Fahrlehrer als Führer des vom Fahrschüler gelenkten Fahrzeugs. Diese Regelung beseitigt die den Fahrschüler sonst nach § 18 I StVG treffende Fahrzeugführerhaftung (KG VersR 1975, 836; OLG Hamm NJW 1979, 993; BGH VerkMitt 1970, 1; KG NZV 1989, 150).


Siehe auch Fahrschule / Fahrlehrer / Fahrschüler


Dem Fahrlehrer wird sowohl dem Fahrschüler wie auch Dritten gegenüber eine Rechtspflicht zur Gefahrenabwehr und zur Beaufsichtigung des Fahrschülers begründet. Dies bedeutet, daß der Fahrlehrer dafür verantwortlich ist, daß sich der Fahrschüler verkehrsgerecht verhält. Die beiden genannten Vorschriften sind Schutzgesetze im Sinne des § 823 II BGB (KG NZV 1989, 150).

Zwar haftet der Fahrschüler gegenüber Dritten nicht aus vermutetem Verschulden gem. § 18 StVG wie ein sonstiger Fahrzeugführer, jedoch kommt eine Haftung aus nachgewiesenem Verschulden entsprechend seinem jeweiligen Ausbildungsstand in Betracht (OLG Koblenz NZV 2004, 401 ff).

Bereits in VersR 1975, 836 (Urteil vom 03.12.1973 - 22 U 1420/73) hatte das Kammergericht Berlin festgestellt:
  1. § 3 Abs. 2 StVG (jetzt § 2 Abs. 15 StVG) befreit den Fahrschüler lediglich von der durch das StVG, die StVO und die StVZO begründeten Verantwortlichkeit, nicht von der bürgerlichrechtlichen Haftung.

  2. Die Überwachungspflicht des Fahrlehrers umfaßt neben den Anweisungen an den Fahrschüler und der Kontrolle ihrer Ausführung auch die Beobachtung des Verkehrsablaufs.
Das OLG Koblenz (Urteil vom 01.12.2003 - 12 U 772/02) hat in diesem Zusammenhang entschieden:
  1. Ein Fahrschüler unterliegt grundsätzlich keiner StVG-Haftung. Ihn trifft jedoch gegenüber dritten Verkehrsteilnehmern die allgemeine Verschuldenshaftung, wenn er einen Fahrfehler begeht, den er auch unter Berücksichtigung seiner Ausbildungssituation nach Maßgabe seines subjektiven Wissens und Könnens unschwer hätte vermeiden können (hier Beginn des Linksabbiegens, obwohl zunächst wegen des herannahenden Fahrzeugs an der Mittellinie gehalten wurde).

  2. An die Pflicht des Fahrlehrers, seinen Fahrschüler ständig im Auge zu behalten und seine Fahrweise sorgfältig zu überwachen, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Naht auf der Gegenfahrbahn in schnellem Tempo ein anderer Pkw, muss der Fahrlehrer durch genaues Beobachten darauf achten, dass der Fahrschüler den deshalb bereits an der Mittellinie eingenommenen Haltestand des Schulfahrzeugs bis zur Vorbeifahrt des entgegenkommenden Pkw beibehält. Er muss bereits in dem Augenblick, in dem sich der Fahrschüler situationswidrig anschickt, die typischen einer Wiederanfahrt vorausgehenden Bedienungsbewegungen zu machen, sofort eingreifen, um eine solche Wiederanfahrt schon vor ihrem bewegungsmäßigen Beginn zu vermeiden.
Fraglich ist, ob ein Fahrschüler, der keine Fahrerlaubnis besitzt, im Ordnungswidrigkeitenverfahren belangt werden kann, wenn er auf einer Ausbildungsfahrt einen Fahrfehler begeht, der mit Geldbuße bedroht ist und zu dessen Verwirklichung das Führen eines Fahrzeugs eine tatbestandliche Voraussetzung ist (Antreten zur Fahrstunde unter Alkohol- oder Cannabiseinfluss, Benutzen des Mobiltelefons mit Duldung des Fahrlehrers).

Weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur ist diese Problematik bisher - bis auf die nachstehend gezeigte Ausnahme - thematisiert worden.

Thiele, Verantwortlichkeit von Fahrschülern bei straßenverkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten, DAR 2006, 368 ff., fasst seine Auffassung wie folgt zusammen:
"Die ... Überlegungen haben aufgezeigt, dass die Fiktion des § 2 Abs. 15 Satz 2 StVG die Verantwortlichkeit des Fahrschülers ausschließlich im Bereich der zivilrechtlichen verschuldensabhängigen Haftungsnormen und bei Straftaten in Bezug auf § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG" - Fahren ohne die erforderliche Fahrerlaubnis "ausschließt. Ansonsten ist der Fahrschüler entgegen dieser Fiktion bei Ordnungswidrigkeiten als (mit)verantwortlicher Fahrzeugführer anzusehen, wobei seine mangelnden Fahrfähigkeiten ggf. auf der Schuldebene zu berücksichtigen sind. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Fahrlehrer sich gleichermaßen auf eine derartige Auslegung berufen kann. Er bleibt straßenverkehrsrechtlich ebenfalls Fahrzeugführer im Sinne des § 2 Abs. 15 Satz 2 StVG, so dass ggf. von seiner Nebentäterschaft auszugehen ist."



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