Das Verkehrslexikon

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OVG Münster Beschluss vom 28.02.2005 - 8 B 2736/04 - Keine Eintragung der Fahrtenbuch-Auflage in den Kfz-Schein

OVG Münster v. 28.02.2005: Keine Eintragung der Fahrtenbuch-Auflage in den Kfz-Schein


Das OVG Münster (Beschluss vom 28.02.2005 - 8 B 2736/04) hat entschieden:
  1. Für die Eintragung einer Fahrtenbuchauflage in den Fahrzeugschein und die Aufforderung, den Fahrzeugschein zu diesem Zweck beim Straßenverkehrsamt vorzulegen, fehlt es an der Ermächtigungsgrundlage.

  2. Die sofortige Vollziehung der Fahrtenbuchauflage ist auch bei länger zurückliegendem Verstoß geboten.

Siehe auch Fahrtenbuch-Auflage - Fahrtenbuch führen


Gründe:

Die Beschwerde hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

Die gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem privaten Interesse der Betroffenen, von der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Ordnungsverfügung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens verschont zu bleiben, und dem öffentlichen Interesse an rascher Durchsetzung der Fahrtenbuchauflage fällt nur hinsichtlich der über die Fahrtenbuchauflage hinausgehenden Anordnung der Vorlage des Fahrzeugscheines zur Eintragung der Fahrtenbuchauflage und der darauf bezogenen Zwangsgeldandrohung zu Gunsten der Antragstellerin aus. Im Übrigen stellt das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht in Frage.

1. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht von einem überwiegenden Vollziehungsinteresse hinsichtlich der mit der angegriffenen Verfügung angeordneten Fahrtenbuchauflage ausgegangen.

Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Fahrtenbuchauflage in der streitbefangenen Ordnungsverfügung vom 30. September 2004 genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Danach bedarf die Vollzugsanordnung einer eigenständigen, das heißt für den Regelfall äußerlich und inhaltlich über die Begründung der angeordneten Maßnahme hinausgehenden, am konkreten Einzelfall orientierten, schriftlichen Begründung. Allerdings ist gerade für Maßnahmen der Gefahrenabwehr anerkannt, dass sich die Gründe für den Erlass der Ordnungsverfügung mit denen für die Anordnung ihrer sofortigen Vollziehung decken können und die Begründung der Vollzugsanordnung bei gleichgelagerten Konstellationen im Rahmen der Massenverwaltung standardisiert werden kann.
Vgl. Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Auflage 1998, Rn. 757 f. m.w.N.
Der Antragsgegner hat die Vollzugsanordnung in der angegriffenen Verfügung schriftlich gesondert begründet. Im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der eine Fahrtenbuchauflage nach § 31a StVZO rechtfertigenden Lebenssachverhalte ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner dabei auf das bei der Anordnung der Führung eines Fahrtenbuchs regelmäßig bestehende öffentliche Interesse verweist, kurzfristig zu verhindern, dass bei zukünftigen Verkehrsverstößen der Führer des betroffenen Fahrzeugs nicht ermittelt werden kann.

Das Verwaltungsgericht stützt die Annahme eines überwiegenden Vollziehungsinteresses hinsichtlich der Fahrtenbuchauflage zunächst zutreffend auf den Umstand, dass sich die Anordnung der Fahrtenbuchauflage bei summarischer Prüfung als rechtmäßig erweist. Die Ausführungen in der Beschwerdeschrift bezüglich der Frage, ob der Antragsgegner zu Recht von der Unmöglichkeit der Ermittlung des Fahrzeugführers des Verkehrsverstoßes am 4. Oktober 2003 als Voraussetzung der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage ausgegangen ist, weil hinreichende Ermittlungsbemühungen erfolglos geblieben sind, gehen fehl. Es war für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts unerheblich, ob auch eine erst drei Wochen nach Feststellung des Verkehrsverstoßes erfolgte Benachrichtigung des Halters als noch 'angemessene' Ermittlungstätigkeit angesehen werden kann. Denn die Antragstellerin wurde, wie das Verwaltungsgericht festgestellt hat, über den streitbefangenen Verkehrsverstoß vom 4. Oktober 2003 mit Schreiben vom 17. Oktober 2003 innerhalb von zwei Wochen in Kenntnis gesetzt. Damit ist der Antragsgegner den Anforderungen, die in der Rechtsprechung für eine unverzügliche Benachrichtigung des Fahrzeughalters im Rahmen angemessener Ermittlungen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit regelmäßig angenommen werden,
vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1978 - 7 C 77.74 -, NJW 1979, 1054, Beschluss vom 25. Juni 1987 - 7 B 139.87 -, VRS 73, 400,
gerecht geworden.

Ein überwiegendes Interesse an der sofortigen Vollziehung der Fahrtenbuchauflage ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil vom Zeitpunkt des ungeahndet gebliebenen Verkehrsverstoßes bis zum Erlass der Fahrtenbuchauflage knapp ein Jahr verstrichen ist. Es ist Ziel der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage zu verhindern, dass mit dem betroffenen Fahrzeug weiterhin gegen Verkehrsvorschriften verstoßen wird, ohne dass auf den Fahrzeugführer zugegriffen werden kann. Um dieses der Verkehrssicherheit dienende Ziel kurzfristig zu erreichen, ist es regelmäßig geboten, die sofortige Vollziehung der Fahrtenbuchauflage anzuordnen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 1978 - 7 C 77.74 -, NJW 1979, 1054.
Dieses Interesse wird grundsätzlich nicht dadurch gemindert oder verliert an Rechtfertigung, dass bis zur Anordnung der Fahrtenbuchauflage mehr Zeit verstreicht, als für die Ermittlungen in dem zunächst eingeleiteten Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren und für einen ordnungsgemäßen Ablauf des nachfolgenden Verwaltungsverfahrens zur Anordnung der Fahrtenbuchauflage zwingend erforderlich ist. Der Sachverhalt des vorliegenden Verfahrens gibt keine Veranlassung zu näheren Ausführungen, ob extreme Verfahrensverzögerungen im Einzelfall die Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Fahrtenbuchauflage in Zweifel ziehen können.

2. Das Interesse der Antragstellerin, von der Vollziehung der streitbefangenen Ordnungsverfügung bis zur Entscheidung über ihren Widerspruch sowie eines möglichen weiteren Rechtsmittels verschont zu bleiben, überwiegt das Vollziehungsinteresse insoweit, als der Antragsgegner die Antragstellerin über die Anordnung der Fahrtenbuchauflage hinaus unter Androhung eines Zwangsgeldes verpflichtet hat, den Fahrzeugschein zur Eintragung der Fahrtenbuchauflage vorzulegen. Denn bei summarischer Prüfung spricht Überwiegendes für die Rechtswidrigkeit dieser belastenden Maßnahme.

Eine Ermächtigungsgrundlage für die Eintragung der Fahrtenbuchauflage in den Fahrzeugschein und das Verlangen, diesen vorzulegen, um die Eintragung zu ermöglichen, ist nicht ersichtlich. Eine solche ergibt sich nicht aus der Straßenverkehrszulassungsordnung. § 31a StVZO enthält lediglich Regelungen über die Voraussetzungen der Fahrtenbuchauflage (Absatz 1), über die Art und Weise des Führens des Fahrtenbuchs (Absatz 2) sowie über die Verpflichtung, das Fahrtenbuch auf Verlangen jederzeit der anordnenden Stelle zur Prüfung auszuhändigen und noch sechs Monate nach Auslaufen der Dokumentationspflicht aufzubewahren (Absatz 3). Auch die Regelungen der Straßenverkehrszulassungsordnung über Ausfertigung, Inhalt und Funktion des Fahrzeugscheins (u. a. §§ 23 Abs. 7 - 9, 24, 27, 29d StVZO) sehen die Eintragung der Fahrtenbuchauflage in den Fahrzeugschein nicht ausdrücklich vor. 'Weitere amtliche Eintragungen' sieht der amtliche Vordruck für den Fahrzeugschein (Muster 2a, 2b im Anhang zu StVZO) jedoch nur insoweit vor, als sie 'zugelassen' sind. Angesichts der vorgenannten detaillierten Regelungen dürfte für einen Rückgriff auf Ermächtigungsgrundlagen des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts außerhalb des Straßenverkehrsrechts (z.B. § 14 Abs. 1 OBG) kein Raum sein.

Ist folglich die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Aufforderung, dem Antragsgegner den Fahrzeugschein zur Eintragung der Fahrtenbuchauflage vorzulegen, geboten, fehlt es für die Zwangsgeldandrohung schon an der nach § 55 Abs. 1 VwVG NRW erforderlichen Vollziehbarkeit der Grundverfügung. Deshalb ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin auch hinsichtlich der gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 8 AGVwGO NRW sofort vollziehbaren Zwangsgeldandrohung anzuordnen. Dabei versteht der Senat die Ordnungsverfügung nach ihrem maßgeblichen Tenor so, dass sich die Zwangsgeldandrohung nur auf die 'Aufforderung' bezieht, den Fahrzeugschein zur Eintragung der Fahrtenbuchauflage vorzulegen (S. 2, 3. Absatz der Ordnungsverfügung).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO und entspricht dem anteiligen Obsiegen und Unterliegen der Verfahrensbeteiligten.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG. Dabei ist der Senat wie das Verwaltungsgericht für die Bemessung des Einzelstreitwerts für die Fahrtenbuchauflage in Anlehnung an den Streitwertkatalog 2004 von einem Betrag von 400,00 Euro je Monat der Auflagendauer ausgegangen und hat den sich daraus ergebenden Gesamtbetrag von 4.800,00 Euro im Hinblick auf die Vorläufigkeit des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens auf die Hälfte reduziert. Für die Bemessung des Streitwerts für die Eintragung der Fahrtenbuchauflage in den Fahrzeugschein legt der Senat für jeden Monat der Dauer der Fahrtenbuchauflage einen Betrag von 100,00 Euro zugrunde und nimmt anschließend ebenfalls eine Halbierung des Gesamtbetrages von 1.200,00 Euro auf 600,00 Euro vor. Die Zwangsgeldandrohung berücksichtigt der Senat mit einem Viertel des angedrohten Zwangsgeldes, nämlich 62,50 Euro.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 4, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).



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