Das Verkehrslexikon

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Landgericht Itzehoe Urteil vom 30.01.2007 - 1 S 51/06 - Zur Schadensteilung bei unaufklärbarem Verkehrsunfall

LG Itzehoe v. 30.01.2007: Zur Schadensteilung bei unaufklärbarem Verkehrsunfall


Das Landgericht Itzehoe (Urteil vom 30.01.2007 - 1 S 51/06) hat entschieden:
Haben beide Unfallbeteiligte fehlerhaft gehandelt, kann eine hälftige Haftungsverteilung angemessen sein. Dies gilt z. B. beim Überholen unter Inanspruchnahme der Gegenfahrbahn, wenn der Entgegenkommende seine Geschwindigkeit nicht den Straßenverhältnissen angepasst hat.


Siehe auch Haftungsabwägung - Bildung der Mithaftungsquoten gem. § 17 StVG


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Urteil zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Erstattung der Hälfte seines Unfallschadens bejaht.

Eine Mithaftung der Beklagten scheidet entgegen ihrer Annahme, dass Unfallereignis sei für den Beklagten zu 1) unabwendbar gewesen, nicht aus. Die Verpflichtung zum Schadensersatz ist gemäß § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Fahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Der Begriff „unabwendbares Ereignis“ meint zwar nicht absolute Unvermeidbarkeit des Unfalls, sondern ein Schadenstiftendes Ereignis, das auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Der Fahrer, der mit Erfolg die Unabwendbarkeit des Unfalls geltend machen will, muss sich wie ein „Idealfahrer“ verhalten haben (vgl. zu § 7 Abs. 2 StVG a.F. BGHZ 117, 337, 341).

Unabwendbar wäre der Unfall für den Beklagten zu 1) gewesen, wenn feststünde, dass die Zeugin ... auf der glatten Straße mit dem von ihr geführten Pkw in den Wagen des Beklagten zu 1) im Bereich der ... hineingerutscht wäre. Die Beklagten sind jedoch insoweit beweisfällig geblieben. Nach der Vernehmung der Zeugen ... und ... kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Zusammenstoß außerhalb des Einmündungsbereiches erfolgte.

Da eine die Haftung für einfache Betriebsgefahr ausschließende Unabwendbarkeit weder zugunsten des Klägers noch zugunsten der Beklagten bewiesen ist, sind nach § 17 Abs. 1 StVG die beiderseitigen unfallursächlich gewordenen Betriebsgefahren der beteiligten Kraftfahrzeuge gegeneinander abzuwägen, wobei verkehrswidriges Verhalten der Fahrer die Betriebsgefahr des jeweils geführten Fahrzeuges je nach dem Gewicht eines Verstoßes erhöht. Die vom Amtsgericht angenommene Haftungsquote (§ 17 StVG) ist danach nicht zum Nachteil der Beklagten falsch bemessen worden.

Die Betriebsgefahr beider am Unfall beteiligter Fahrzeuge war zum Unfallzeitpunkt gleichermaßen erhöht. Eine Erhöhung der Betriebsgefahr liegt vor, wenn durch das Hinzutreten besonderer Umstände die notwendigerweise mit dem Betrieb eines Fahrzeuges verbundene Gefahr vergrößert wird. Hierzu zählt insbesondere eine fehlerhafte oder verkehrswidrige Fahrweise.

Der Zeugin ... fällt ein für den Unfall ursächlich gewordenes Verschulden zur Last, weil sie die Geschwindigkeit des von ihr geführten Fahrzeuges des Klägers nicht der Straßenglätte angepasst hat (§ 3 I 2 StVO) und nicht so schnell gefahren ist, dass sie innerhalb der übersehbaren Strecke halten konnte (§ 3 I 4 StVO).

Aber auch der Beklagte zu 1) hat den Unfall mitverschuldet. Er wollte an dem in der Mommsenstraße parkenden Pkw mit dem amtlichem Kennzeichen ... vorbeifahren und hat teilweise die Gegenfahrbahn in Anspruch genommen, wo es zum Zusammenstoß kam. Wer jedoch an einem haltenden Fahrzeug auf der Fahrbahn links vorbeifahren will, muss gemäß § 6 StVO entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen. Auch wenn der Beklagte zu 1) grundsätzlich gemäß § 8 I StVO vorfahrtsberechtigt war, weil er von rechts kam, hätte er zunächst die Zeugin ... mit ihrem Pkw passieren lassen müssen, ehe er unter Inanspruchnahme der Gegenfahrbahn teilweise in die Mommsenstraße hineinfuhr. Da die Verursachungs- und Verschuldensanteile auf den Seiten beider Parteien gleich wiegen, musste die Berufung der Beklagten daher mit der Kostenfolge aus § 97 I ZPO erfolglos bleiben. ..."



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