Das Verkehrslexikon

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Haftungsabwägung - Bildung der Mithaftungsquoten

Haftungsabwägung - Bildung der Mithaftungsquoten




Gliederung:


-   Einleitung
-   Weiterführende Links
-   Allgemeines
-   Überprüfung durch das Berufungsgericht
-   Zur Haftungsabwägung bei häufigen Unfalltypen
-   Haftung des Fremdschädigers neben dem Sozialversicherungsträger



Einleitung:


Betriebsgefahr gegenüber Dritten nur im Falle höherer Gewalt.


Sind an einem Unfall mehrere Kfz beteiligt, ist die Ersatzpflicht eines beteiligten Halters gem. § 17 Abs. 4 StVG auch dann ausgeschlossen, wenn der Unfall für ihn ein sog. unabwendbares Ereignis war. Unabwendbar mit der Folge eines Haftungsausschlusses ist ein unfallursächliches Ereignis, wenn es durch äußerste Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Dazu gehört sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus, also die Berücksichtigung aller möglichen Gefahrenmomente nach dem Maßstab eines sog. Idealfahrers.

Beruht ein Unfall zwischen Kraftfahrzeugen für keinen der Beteiligten auf einem sog. unabwendbaren Ereignis, bestimmt sich die Haftung gem. § 17 Abs. 1 StVG nach den Verursachungs- und Verschuldensanteilen der Beteiligten. Bei der Bildung der Haftungsquote werden allerdings nur bewiesene oder unstreitige Umstände berücksichtigt, die sich tatsächlich unfallursächlich ausgewirkt haben.

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Weiterführende Links:


Stichwörter zum Thema Schadensersatz und Unfallregulierung

Stichwörter zum Thema Schadensersatz und Haftung

Stichwörter zum Thema Alkohol>

Betriebsgefahr / Gefährdungshaftung

Beweisfragen

Beweislast

Beweiswürdigung in Zivilsachen

Die Haftungsabwägung bei Verkehrsunfällen zwischen Kfz nach § 17 StVG

Zur verschuldensunabhängigen Halterhaftung

Mitverschulden - Mitverursachung

Verfolgungsfahrten - Herausforderungshaftung

Unabwendbares Ereignis

Ungeklärter Sachverhalt

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Allgemeines:


OLG Hamm v. 14.11.1994:
Der Leasinggeber braucht sich bei der Inanspruchnahme des Schädigers aus der Verschuldenshaftung weder die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs noch ein Mitverschulden seines Leasingnehmers anspruchsmindernd zurechnen zu lassen.

BGH v. 10.01.1995:
Absolute Fahruntüchtigkeit eines am Unfall beteiligten Kfz-Führers infolge Alkoholgenusses darf bei der Abwägung nach StVG § 17 nur berücksichtigt werden, wenn feststeht, dass sie sich in dem Unfall niedergeschlagen hat.

OLG Nürnberg v. 23.11.2004:
Beweislastverteilung und Haftungsabwägung bei Unfällen zwischen motorisierten und nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmern

LG Itzehoe v. 30.01.2007:
Haben beide Unfallbeteiligte fehlerhaft gehandelt, kann eine hälftige Haftungsverteilung angemessen sein. Dies gilt z. B. beim Überholen unter Inanspruchnahme der Gegenfahrbahn, wenn der Entgegenkommende seine Geschwindigkeit nicht den Straßenverhältnissen angepasst hat.

KG Berlin v. 13.10.2008:
Ein Mitfahrer braucht sich ein unfallursächliches Verschulden des Fahrzeugführers im Verhältnis zum Unfallgegner (Kraftfahrer) grundsätzlich nicht anspruchsmindernd anrechnen zu lassen, weil es dafür keine Zurechnungsnorm gibt.

OLG München v. 16.10.2009:
Werden rein spekulative Gegenargumente durch die dem Gericht zur Verfügung stehenden Beweismittel eindeutig widerlegt, ist bei der Annahme eine groben Verkehrsverstoßes von einer Alleinhaftung des sich verkehrswidrig verhaltenden Fahrzeugführers auszugehen.

AG Montabaur v. 30.04.2013:
Zwar reicht die Missachtung von Verkehrsvorschriften grundsätzlich nicht aus, andere Verkehrsteilnehmer von der Befolgung der an sie gerichteten Sorgfaltspflichten zu befreien, denn jeder Verkehrsteilnehmer muss im gewissem Maß damit rechnen, dass andere Verkehrsteilnehmer sich verkehrswidrig verhalten. Anders stellt sich die Rechtslage indes dar, wenn das Verhalten des anderen Verkehrsteilnehmers nicht nur unzulässig, sondern in besonders grobem Maße verkehrswidrig wäre und aus diesem Grunde für den Geschädigten so fern liegt, dass er sich auch unter Berücksichtigung der ihn treffenden Sorgfaltspflicht auf eine derartige Möglichkeit nicht einstellen braucht. Dann wirkt sich eine eigene Sorgfaltspflichtverletzung ausnahmsweise jedenfalls haftungsrechtlich nicht aus (im Anschluss an BGH NJW-RR 1987, 1048 sowie LG Erfurt ZfS 2007, 78 und LG Hildesheim ZfS 1992, 258).

OLG Karlsruhe v. 24.06.2013:
Im Rahmen der Abwägung der Verursachungsanteile unter mehreren Unfallbeteiligten (§ 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB) bilden diejenigen für die Feststellung der auf sie entfallenden Quote eine Einheit, deren Verhalten sich im Wesentlichen in ein und demselben zum Unfall führenden Ursachenbeitrag ausgewirkt hat, bevor der von einem oder mehreren anderen Beteiligten zu vertretende Kausalverlauf hinzugetreten ist.

OLG Celle v. 27.08.2013:
Zwar sind nach § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB Gesamtschuldner im Verhältnis zueinander grundsätzlich zu gleichen Teilen verpflichtet. Das gilt aber nur, soweit nicht ein anderes bestimmt ist (§ 426 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. BGB). Für Fälle der gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer Schädiger für Schäden eines Dritten aus einem Verkehrsunfall trifft § 17 StVG eine der hälftigen Ausgleichspflicht vorgehende Sonderregelung.

OLG München v. 21.11.2014:
Bei der Abwägung nach § 254 BGB (bzw. § 17 StVG) ist in erster Linie von dem Maß der Verursachung auszugehen, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung. Es ist deshalb die unfallursächliche Wirksamkeit der Handlungen beider Parteien unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles und das Verhalten der unfallbeteiligten Fahrer unter dem Gesichtspunkt der "bedeutungsvollen Unfallursache" zu prüfen. Im Rahmen dieser Prüfung kommt es darauf an, von welchem der Beteiligten der Erfolg vorwiegend verursacht worden ist. Vorwiegend ist der Erfolg durch die Handlungsweise des einen Teiles dann verursacht, wenn diese Handlungsweise den Erfolg nicht nur - im Sinne einer conditio sine qua non - objektiv ermöglicht, sondern darüber hinaus in einem höheren Maße wahrscheinlich gemacht hat als das Handeln des anderen Teiles.

OLG München v. 04.09.2015:
Erfolgte die Rechtsgutverletzung des Klägers unstreitig beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs, so kommt grundsätzlich ein Anspruch aus §§ 18 I, 7 I StVG, 115 I 1 Nr. 1, 4 VVG, 823 BGB in Betracht. Der Beklagte trägt dagegen die Beweislast dafür, dass Unfall und Schadensausmaß „vorwiegend von dem ... anderen Teil verursacht“ oder verschuldet wurden.

OLG Hamm v. 26.04.2012:
  1.  Rechtsgrundlage für die Abwägung der Verursachungsbeiträge und die Bildung einer Quote ist vorliegend nicht § 17 StVG, der nur bei einer Schadensverursachung durch mehrere Kraftfahrzeuge, nicht aber bei einem Verkehrsunfall zwischen einem Kraftfahrzeug und einem Fußgänger anwendbar ist, sondern § 254 BGB.

  2.  Kommt es zu einer Kollision zwischen einer die Fahrbahn überquerenden Fußgängerin und einem von ihr aus Unaufmerksamkeit übersehenen, für sie von rechts kommenden Krad, überwiegt der Verschuldensanteil der Fußgängerin (Haftung 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Fußgängerin).

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Überprüfung durch das Berufungsgericht:


OLG Oldenburg v. 13.07.2011:
Die Haftungsquoten nach § 17 Abs. 1 StVG sind durch das Berufungsgericht inhaltlich voll zu überprüfen. Es gibt insoweit kein tatrichterliches Ermessen der ersten Instanz, das der Kontrolle entzogen wäre.

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Zur Haftungsabwägung bei häufigen Unfalltypen:


Auffahren und Fahrstreifenwechsel

Fahrstreifenwechsel

Überhöhte Geschwindigkeit

Lückenunfälle

Vorfahrtunfälle

Vorfahrt und Geschwindigkeit

Polizeiliche Verfolgungsfahrten - Herausforderungshaftung

Überholer / Linksabbieger

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Haftung des Fremdschädigers neben dem Sozialversicherungsträger:


BGH v. 17.10.2017:

  1.  Der durch einen Verkehrsunfall Geschädigte ist einem angehörigen Schädiger, mit dem er in häuslicher Gemeinschaft lebt, und dessen Haftpflichtversicherer gegenüber grundsätzlich auch insoweit aktivlegitimiert, als er Schadensersatzleistungen verlangt, die mit den ihm vom Sozialversicherungsträger zu erbringenden Sozialleistungen kongruent sind. Ein Verlust der Aktivlegitimation durch Übergang seiner diesbezüglichen Forderung auf den Sozialversicherungsträger gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist aufgrund des Familienprivilegs des § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X ausgeschlossen (Senatsurteil vom 28. November 2000, VI ZR 352/99, BGHZ 146, 108). Eine Übertragung des Regelungsinhalts des § 86 Abs. 3 VVG auf § 116 Abs. 6 SGB X im Wege der Auslegung oder Analogie scheidet aus.

  2.  Haftet aufgrund des Verkehrsunfalls neben dem angehörigen Schädiger ein Fremdschädiger für denselben kongruenten Schaden, so entstehen infolge der Regelungen des § 116 Abs. 1 und Abs. 6 SGB X verschiedene Schuldverhältnisse, auf die die Regelungen der §§ 422 Abs. 1 Satz 1, 426, 430 BGB entsprechend anwendbar sind.

  3.  In dieser besonderen Fallgestaltung ist der Anspruch des Geschädigten gegen den angehörigen Schädiger bzw. dessen Versicherer gemäß § 242 BGB auf das beschränkt, was er bei einem Erhalt der Leistungen von Seiten des angehörigen Schädigers analog § 430 BGB im Verhältnis zum Sozialversicherungsträger behalten dürfte.<

  4.  Jedenfalls in Fällen, in denen die Verletzung eines durch § 823 Abs. 1 BGB oder § 7 Abs. 1 StVG geschützten Rechtsguts und darüber hinaus ein daraus resultierender Vermögensschaden bereits eingetreten sind, ist die Begründetheit einer Klage, die auf die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere, künftige Schäden gerichtet ist, nicht von der Wahrscheinlichkeit des Eintritts dieser Schäden abhängig.

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