Das Verkehrslexikon

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OLG Düsseldorf Beschluss vom 30.04.1990 - 5 Ss (OWi) 151/90 - (OWi) 77/90 - Zu den Grundsätzen der Fahrstreifenbenutzung durch Motorräder OLG Düsseldorf v. 30.04.1990: Zu den Grundsätzen der Fahrstreifenbenutzung durch Motorräder

Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 30.04.1990 - 5 Ss (OWi) 151/90 - (OWi) 77/90) hat entschieden:
Ein Krad muss einen eigenen Fahrstreifen benutzen und darf sich nicht zwischen anderen Fahrzeugen hindurchschlängeln.


Siehe auch Unfälle mit Kradbeteiligung - Motorradunfälle


Zum Sachverhalt: Der Betroffene befuhr am 23. August 1989 mit einem Krad in D die Bundesautobahn A ... in Fahrtrichtung D Wegen des hohen Verkehrsaufkommens lief auf allen drei Fahrstreifen der Verkehr zähflüssig. Etwa in Höhe km 54,2 fuhr der Betroffene mit seinem Krad zwischen dem zweiten und dem dritten Fahrstreifen, und zwar zwischen den auf diesen Streifen langsam fahrenden bzw. stehenden Fahrzeugen hindurch. Hierbei überholte er mindestens fünf links neben ihm befindliche Fahrzeuge.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Ein Überholvorgang liegt dann vor, wenn ein Verkehrsteilnehmer von hinten an einem anderen vorbeifährt, der sich auf der gleichen Fahrbahn in derselben Richtung bewegt oder nur aufgrund der Verkehrssituation vorübergehend anhält (vgl. BGHSt 22, 137, 139 = VRS 35, 141, 142; BGHSt 25, 293 = VRS 47, 218; BGHSt 26, 73 = VRS 48, 381; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 30. Aufl., § 5 Rdnr. 16; OLG Stuttgart VRS 57, 361).

Dabei kommt es weder darauf an, daß der Überholende seine Fahrgeschwindigkeit erhöht (BGHSt 22, a.a.O.; BayObLG VRS 26, 387; 388; OLG Celle VM 1963, 77; OLG Stuttgart, a.a.O.) noch daß er einen Wechsel der Fahrspur vornimmt (BGH VRS 5, 607; OLG Frankfurt VM 1962, 13) oder auf seine ursprünglich benutzte Fahrspur nach Beendigung des Überholvorganges zurückkehrt (BGHSt 22 und 25 a.a.O.). Insbesondere ist die Absicht des Überholenden, einen Überholvorgang durchzuführen, nicht erforderlich (BayObLG a.a.O.; Jagusch/Hentschel a.a.O.; BGHSt 22 und 25 a.a.O.).

...

Der Betroffene hat verbotswidrig rechts überholt.

aa) Die in der StVO geregelten Ausnahmen vom Rechtsüberholen setzen voraus, daß dem Rechtsüberholenden ein freier Fahrstreifen zur Verfügung steht.

Fahrstreifen ist nach der Definition des § 7 Abs. 1 Satz 2 StVO der Teil einer Fahrbahn, den ein mehrspuriges Fahrzeug zum ungehinderten Fahren im Verlauf der Fahrbahn benötigt. Der Teil der Fahrbahn, den ein einspuriges Fahrzeug zum ungehinderten Fahren im Verlauf der Fahrbahn benötigt, ist demnach kein Fahrstreifen im Sinne dieser Definition (vgl. Senatsbeschluß vom 13. November 1984 in VRS 68, 134 = NPA 904 StVO § 5 Blatt 28 = Verkehrsjurist 1985, 8; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 30. Aufl., § 5 StVO Rdnr. 64).

Beim Rechtsüberholen einer links fahrenden Kolonne auf Autobahnen durch Einzelfahrzeuge auf dem rechten Fahrstreifen ist eine Gefährdung des Verkehrs in der Regel deshalb ausgeschlossen, weil die Fahrzeuge auf beiden Fahrstreifen nebeneinander fahren können, ohne sich zu behindern oder zu gefährden. Gerade diese Voraussetzung ist jedoch bei dem Rechtsüberholen durch Motorradfahrer nicht erfüllt. Vielmehr steht dem Motorradfahrer hier gerade nicht ein eindeutig abgegrenzter Teil der Fahrbahn zur Verfügung, was einen ungehinderten parallel laufenden Verkehrsfluß ohne gegenseitige Gefährdung ermöglichen könnte (Senatsbeschluß a.a.O.).

bb) Durch die Gestattung des Rechtsüberholens durch Motorradfahrer zwischen langsam fahrenden oder auch wartenden Fahrzeugkolonnen auf Autobahnen würden zusätzliche Gefahren geschaffen.

Ein derartiges Fahrverhalten wie im vorliegenden Fall ist geradezu darauf angelegt, gefahrenträchtige Situationen heraufzubeschwören. Zutreffend weist das OLG Stuttgart (a.a.O.) darauf hin, daß ein Motorradfahrer, der auf einer Bundesautobahn bei einem Stau zwischen stehenden oder noch in Bewegung befindlichen Fahrzeugen hindurchfährt, mit unbedachtem Verhalten stehender Verkehrsteilnehmer rechnen muß. Sei es, daß die in den Kolonnen stehenden oder langsam fahrenden Verkehrsteilnehmer plötzlich zur Fahrbahnmitte und damit zum "Fahrstreifen" des Motorradfahrers fahren, sei es, daß bei stehenden Fahrzeugen Fahrzeugtüren geöffnet werden, in der Annahme, die Fahrbahnmitte bleibe frei. Bei einer derartigen Verkehrssituation können Auffahrunfälle auch bei noch so vorsichtiger Fahrweise des Zweiradfahrers nicht weitgehend ausgeschlossen werden; denn der Motorradfahrer hat keinen Einfluß auf das Verhalten der übrigen Verkehrsteilnehmer. Aus Gründen der Verkehrssicherheit und der Rechtssicherheit kann ein derartiges Fahrverhalten nicht zugelassen werden (OLG Stuttgart a.a.O.; OLG Schleswig VRS 60, 306; OLG Hamburg NZV 1988, 105; Senatsbeschluß vom 28. Februar 1985 - 5 Ss (OWi) 65/85 - 50/85 I; Jagusch/Hentschel, a.a.O.).

Im übrigen hat der Gesetzgeber in § 5 Abs. 8 StVO nunmehr einen Fall des erlaubten Rechtsüberholens für Radfahrer und Mofafahrer in einer bestimmten Verkehrssituation geschaffen. Damit ist klargestellt, daß nicht Motorradfahrer, sondern nur Rad- und Mofafahrer und diese nur an einer vor einer Ampel wartenden Fahrzeugschlange rechts vorbeifahren dürfen. Hätte der Gesetzgeber weitere Fälle des Rechtsüberholens auch für Motorradfahrer und auch für andere Verkehrssituationen erlauben wollen, hätte es nahegelegen, bei Einführung des § 5 Abs. 8 StVO andere entsprechende Vorschriften in die StVO einzufügen. ..."



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