Das Verkehrslexikon

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Kammergericht Berlin Urteil vom 13.11.2003 - 12 U 43/02 - Vorrang des Kreuzungsräumers und Haftungsverteilung

KG Berlin v. 13.11.2003: Vorrang des Kreuzungsräumers und Haftungsverteilung


Das Kammergericht Berlin (Urteil vom 13.11.2003 - 12 U 43/02) hat entschieden:
Grünes Ampellicht entbindet den Fahrer nicht von der Pflicht, die Einfahrt in die Kreuzung zurückzustellen, wenn liegengebliebene Nachzügler sich noch im Kreuzungsbereich befinden, denen zunächst die Räumung der Kreuzung zu ermöglichen ist. Zwar gilt in den sog. Kreuzungsräumerfällen eine Regelhaftungsquote von 2/3 zu Lasten des Anfahrenden. Wenn der bei Grünlicht in die Kreuzung Einfahrende aber das Anfahren eines Kreuzungsräumers tatsächlich erkannt hat und er gleichwohl unter Berufung auf das grüne Ampellicht selbst anfährt, trifft ihn im Falle der Kollision die volle Haftung.


Siehe auch Vorrang des Kreuzungsräumers - Nachzügler


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Die Freigabe der Kreuzungseinfahrt durch grünes Ampellicht entbindet den Fahrer nicht von der Pflicht, die Einfahrt in die Kreuzung zurückzustellen, wenn dies die Verkehrslage erfordert; wenn insbesondere liegengebliebene Nachzügler sich noch im Kreuzungsbereich befinden, denen zunächst im Interesse des fließenden Verkehrs die Räumung der Kreuzung zu ermöglichen ist. Dies gilt auch bezüglich des linksabbiegenden Querverkehrs (KG, VerkMitt 1983,84).

Kommt es auf einer Kreuzung, auf welcher der Fahrzeugverkehr durch eine Lichtzeichensignalanlage geregelt ist, zu einem Zusammenstoß zwischen einem Fahrzeug, das bei dem Umschalten der Ampel auf „grün" anfährt, und einem Fahrzeug des Querverkehrs, das die Kreuzung noch räumen will, weil die Führer beider Fahrzeuge nicht auf den jeweiligen Querverkehr achten, dann kommt im allgemeinen eine Verteilung des Schadens im Verhältnis von 1/3 zu 2/3 zu Lasten des Anfahrenden im Hinblick auf das Vorrecht des räumenden Verkehrs in Betracht, falls nicht besondere Umstände einen höheren Verursachungsanteil des einen oder anderen Beteiligten rechtfertigen (KG DAR 1978, 48).

Den in die Kreuzung einfahrenden Querverkehr kann die volle Haftung treffen, wenn er den Kreuzungsräumer rechtzeitig erkennen konnte oder aus dem Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer mit Kreuzungsräumern rechnen musste (KG VerkMitt 1993, Nr. 27). ...

Wenn eine volle Haftung des in die Kreuzung Einfahrenden bereits dann in Betracht kommt, wenn er den Kreuzungsräumer rechtzeitig hätte erkennen können bzw. er aus dem Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer mit Kreuzungsräumern hätte rechnen müssen, dann ist von seiner vollen Haftung jedenfalls dann auszugehen, wenn er ... den Kreuzungsräumer tatsächlich wahrgenommen hat, bevor er in die Kreuzung eingefahren ist. ...

Dahinstehen kann, ob sich das von der Beklagten zu 2) geführte Fahrzeug im Zeitpunkt des Aufpralls noch in Bewegung befand oder nicht. Sowohl nach der vom Kläger gegenüber dem Zeugen B abgegebene Erklärung als auch nach der von den Beklagten vorgetragenen Unfallschilderung stand die Beklagten zu 2) mit dem von ihr geführte Fahrzeug zunächst auf der Kreuzung und ist dann angefahren. Aufgrund der Schwere des dem Kläger zur Last zu legenden Verschuldens ist es aber im Rahmen der gemäß § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung unerheblich, ob die Beklagte zu 2) - wie von ihr behauptet - den Kläger noch so rechtzeitig wahrgenommen hat, dass sie ihr Fahrzeug vor dem Aufprall zum Stehen bringen konnte oder ob - wie der Kläger behauptet und wofür das Gutachten des Sachverständigen P sprechen könnte - ihr dies nicht mehr gelungen ist. ..."