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BGH Urteil v. 21.11.2007 - XII ZR 213/05 - Zur Verwirkung einer Vertragsstrafe aus einem Kfz-Mietvertrag, wenn nach einem Unfall die Polizei, nicht aber der Autovermieter unmittelbar benachrichtigt wird

BGH v. 21.11.2007: Zur Verwirkung einer Vertragsstrafe aus einem Kfz-Mietvertrag, wenn nach einem Unfall die Polizei, nicht aber der Autovermieter unmittelbar benachrichtigt wird


Der BGH (Urteil vom 21.11.2007 - XII ZR 213/05) hat entschieden:
Zur Verwirkung einer Vertragsstrafe aus einem Kfz-Mietvertrag, wenn nach einem Unfall die Polizei, nicht aber der Autovermieter unmittelbar benachrichtigt wird.


Siehe auch Mietwagen und Ersatz der Mietwagenkosten


Zum Sachverhalt: Die Klägerin verlangte von der Beklagten Zahlung einer Vertragsstrafe aus einem Kfz-Mietvertrag.

Die Klägerin, die eine gewerbliche Autovermietung betreibt, vermietete mit Vertrag vom 14. April 2003 an die Beklagte einen Kleintransporter.

§ 8 a der Vertragsbestandteil gewordenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin enthält folgende Bestimmung:
"Der Mieter hat bei einem Unfall die Polizei sowie den Vermieter unmittelbar nach dem Schadenseintritt zu verständigen.

Unterlässt der Mieter schuldhaft die Benachrichtigung des Vermieters oder der Polizei, so hat er an den Vermieter eine Vertragsstrafe in Höhe des an den Unfallgegner zu erstattenden Schadens, höchstens aber 850 € zu entrichten.

Die Unfallmeldung ist während und auch außerhalb der Geschäftszeiten unter der Tel.-Nr. 030/... zu erstatten."
Diese und eine weitere Klausel hat die Klägerin auf der Rückseite des Mietvertrages gesondert abgedruckt und von der Beklagten zusätzlich unterzeichnen lassen.

Am 20. April 2003 gegen 11.00 Uhr kam es zum Zusammenstoß zwischen dem von der Beklagten gelenkten Mietwagen und einem auf die Straße laufenden Kind. Die Beklagte und ihr Ehemann, der Zeuge B., kümmerten sich um das verletzte Kind; der Zeuge B. verständigte per Handy die Polizei, die einen Krankenwagen rief. Nach Eintreffen des Krankenwagens und der Erstversorgung des Kindes vor Ort begleiteten die Beklagte und ihr Ehemann das Kind ins Krankenhaus.

An dem Mietwagen entstand durch den Unfall kein Schaden. Die Haftpflichtversicherung der Klägerin bezahlte von den Krankenhauskosten für die Behandlung des Kindes einen Anteil von 1.410,72 €.

Die Klägerin behauptet, sie habe erstmals im Dezember 2003 von dem Unfall erfahren. Demgegenüber trägt die Beklagte vor, ihr Ehemann habe etwa eine Stunde nach dem Unfall während der Fahrt ins Krankenhaus bei der Klägerin angerufen und ihr den Unfall gemeldet.

Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von 850 € gerichtete Klage abgewiesen.

Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das Urteil abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 425 € nebst Zinsen verurteilt. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen.

Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter, während die Klägerin mit ihrer Anschlussrevision eine vollständige Verurteilung der Beklagten erstrebt.

Die Revision der Beklagten hatte Erfolg; die Anschlussrevision der Klägerin war dagegen unbegründet.


Aus den Entscheidungsgründen:

"I.

Das Landgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe die wirksam vereinbarte Vertragsstrafe verwirkt. Die Beklagte habe zwar bewiesen, dass sie die Klägerin etwa eine Stunde nach dem Unfall benachrichtigt habe. Diese Schadensmeldung könne jedoch nicht als unmittelbar nach dem Schadenseintritt erfolgt angesehen werden. Die Beklagte habe allerdings zuerst das Kind versorgen und einen Krankenwagen sowie die Polizei herbeirufen dürfen. Nachdem die Hilfe rund 20 Minuten nach dem Unfall eingetroffen sei, habe die Beklagte aber dafür sorgen müssen, dass die Klägerin von dem Unfall benachrichtigt werde. Das sei erst wesentlich später, nämlich nachdem die Polizei die Aufnahme des Unfalls abgeschlossen habe und das Kind zum Krankenhaus abgefahren worden sei, und damit nicht mehr „unmittelbar“ nach dem Schadenseintritt erfolgt. "Unmittelbar" bedeute nämlich, dass der engstmögliche zeitliche und räumliche Zusammenhang zu wahren sei, d.h., dass der Mieter des Fahrzeugs den Vermieter vom Unfallort aus anzurufen habe. Nur dann sei gewährleistet, dass sich die Klägerin von dem Hergang des Unfalls ein eigenes Bild machen und sich auf die zu erwartende Auseinandersetzung mit dem Unfallgegner vorbereiten könne.

Die verwirkte Vertragsstrafe sei jedoch im Hinblick auf das nicht allzu schwer wiegende Verschulden der Beklagten gemäß § 343 BGB auf einen angemessenen Betrag herabzusetzen. Dieser sei unter Abwägung aller Umstände in Höhe der Hälfte des ausbedungenen Betrages, somit in Höhe von 425 €, angemessen.

Das Landgericht hat die Revision zur Klärung der Fragen zugelassen, was bei einem Unfall mit ausschließlichem Personenschaden noch als "unmittelbare" Verständigung des Vermieters des Fahrzeugs anzusehen sei, ferner ob, bei der Annahme, die Verständigung sei keine unmittelbare gewesen, § 343 BGB zur Anwendung kommen könne und welche rechtlichen Gesichtspunkte ggf. dabei maßgebend seien.

II.

Zur Revision der Beklagten

Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Vertragsstrafenklausel in § 8 a der Allgemeinen Geschäftsbedingungen - wie die Revision meint - der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB nicht standhält und deshalb unwirksam ist. Denn die Vertragsstrafe ist - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - schon deshalb nicht verwirkt, weil die Beklagte die geforderte unmittelbare Benachrichtigung der Klägerin nicht schuldhaft (§ 8 a Satz 2 AGB) unterlassen hat.

a) Verschulden setzt ein vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten voraus (§ 276 Abs. 1 BGB). Dabei handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB). Welche Sorgfalt der Verkehr jeweils erfordert, ist bei der hier allein in Betracht kommenden einfachen Fahrlässigkeit nach einem objektivierten für die jeweiligen Verkehrskreise festzustellenden Maßstab zu beurteilen (MünchKomm/Grundmann 5. Aufl. § 276 BGB Rdn. 54 f. m.w.N.).

Es kommt somit darauf an, ob sich die Beklagte wie eine besonnene Mieterin eines Kraftfahrzeugs verhalten hat und den Interessen der Klägerin an der unmittelbaren Benachrichtigung von dem Unfall in vernünftiger und gewissenhafter Weise Rechnung getragen hat.

b) Das Berufungsgericht hat bei seiner Wertung, die Beklagte habe schuldhaft ihre Verpflichtung zur unmittelbaren Benachrichtigung der Klägerin nach dem Unfall verletzt, maßgebliche Umstände außer Acht gelassen (vgl. zur Revisibilität: Senatsurteil vom 11. Juli 2007 - XII ZR 197/05 - NJW 2007, 2988; BGH Urteil vom 18. Februar 1976 - VIII ZR 185/74 - VersR 1976, 688).

Nach Ansicht des Berufungsgerichts hätte die Beklagte die Klägerin noch am Unfallort vor dem Abtransport des verletzten Kindes in das Krankenhaus und vor Abschluss der polizeilichen Unfallaufnahme von dem Unfall benachrichtigen müssen, weil nur dann eigene Feststellungen der Klägerin zum Unfallgeschehen möglich gewesen wären. Dabei geht das Berufungsgericht zu Recht davon aus, dass die Aufklärung des Unfallhergangs dem schutzwürdigen Interesse der Klägerin dient, zu verhindern, dass sie materielle Nachteile durch die unberechtigte Inanspruchnahme ihrer Kasko- oder Haftpflichtversicherung erleidet. Das Berufungsgericht lässt aber unberücksichtigt, dass diesem Interesse der Klägerin im vorliegenden Fall durch die polizeiliche Unfallaufnahme bereits Rechnung getragen worden ist.

Bei der Ermittlung der Sorgfalt, die von der Beklagten verlangt werden konnte, ist danach zu berücksichtigen, ob das Interesse der Klägerin es geboten hätte, dass die Beklagte sie vor Beendigung der Unfallaufnahme durch die Polizei und vor dem Abtransport des verletzten Kindes durch den Krankenwagen von dem Unfall benachrichtigt, damit sie eigene Ermittlungen am Unfallort durchführen konnte.

Ein solches schutzwürdiges Interesse der Klägerin daran, neben der Polizei eigene Ermittlungen am Unfallort anzustellen, ist hier nicht ersichtlich. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin bessere Feststellungen am Unfallort hätte treffen können als die Polizei.

Die Beklagte hat sich somit angemessen und besonnen verhalten, indem sie sich zunächst dem verletzten Kind und den polizeilichen Ermittlungen zum Unfallhergang gewidmet und erst danach die Klägerin von dem Unfall benachrichtigt hat. Mit diesem Verhalten hat sie die dem Mieter eines Kraftfahrzeugs in einer solchen Situation gebotene Sorgfalt gewahrt.

2. Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben, soweit es zum Nachteil der Beklagten ergangen ist und die Klage insgesamt abzuweisen.

III.

Die Anschlussrevision der Klägerin hat aus den oben dargelegten Gründen keinen Erfolg. ..."



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