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Landgericht Braunschweig Beschluss vom 19.08.2005 - 8 S 385/04 - Nutzungsausfall bei erst späterer Ersatzbeschaffung

LG Braunschweig v. 19.08.2005: Zum Anspruch auf Nutzungsausfall bei erst späterer Ersatzbeschaffung


Das Landgericht Braunschweig (Beschluss vom 19.08.2005 - 8 S 385/04) hat entschieden:
  1. Ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung kann dem Geschädigten auch zustehen, wenn er sich ein Ersatzfahrzeug erst fünf Monate nach dem Unfallereignis angeschafft hat.

  2. Dass der Geschädigte zum Zeitpunkt des Unfalles über ein Fahrzeug verfügte, beweist bereits seinen Nutzungswillen. Allein die Tatsache, dass er ein Ersatzfahrzeug nicht zeitnah nach dem Unfall erworben hat, ändert daran nichts. Der Schädiger hat darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass dem Geschädigten im Einzelfall der Nutzungswille fehlt.

Siehe auch NutzungsAusfall.php und Stichwörter zum Thema Ausfallentschädigung


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Soweit es um die Frage geht, ob der Kl. und Berufungsbekl. Nutzungsausfallentschädigung auch dann geltend machen kann, wenn er ein Ersatzfahrzeug erst ca. fünf Monate nach dem Unfallereignis angeschafft hat, ist die Kammer der Auffassung, dass auch bei einer derartigen Sachlage ein Nutzungswille des Kl. und damit ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung vorliegt.

Grundsätzlich kann ein Unfallgeschädigter Nutzungsausfallentschädigung dann verlangen, wenn er Nutzungswillen und Nutzungsmöglichkeit hat. Vorliegend steht lediglich die Frage des Nutzungswillens im Streit. Dabei werden in der Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen vertreten, inwieweit von einem Nutzungswillen erst bei verspäteter Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges ausgegangen werden kann. Das OLG Köln geht davon aus, dass ein Nutzungswille dann nicht mehr vorliegt, wenn ein Geschädigter mehrere Monate zuwartet, bis er sein Fahrzeug reparieren lässt oder sich ein Ersatzfahrzeug beschafft, der fehlende Nutzungswille soll dann vermutet werden und ist vom Geschädigten zu entkräften (OLG Köln, MDR 2004, 1114). Dieser Auffassung folgen das LG Braunschweig in seiner Entscheidung vom 9. 3. 2000 (SP 2000, 238) und das LG Leipzig in seiner Entscheidung vom 25. 1. 2002 (SP 2002, 244 ff.) allerdings nur insoweit, als ein Ersatzfahrzeug überhaupt nicht angeschafft wird. Im vorliegenden Fall ist jedoch ein Ersatzfahrzeug durch den Geschädigten beschafft worden. Dies erfolgte zwar erst fünf Monate nach dem Unfall, es liegt jedoch eine Ersatzfahrzeugbeschaffung vor.

Die Gegenauffassung ist der Ansicht, dass ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung auch dann besteht, wenn der Verletzte sich kein neues Fahrzeug anschafft und das beschädigte Fahrzeug nicht repariert hat. Für dieses Verhalten könne es nämlich unterschiedliche Gründe geben, allein die Tatsache, dass kein neues Fahrzeug angeschafft wurde, spreche jedoch nicht gegen einen Nutzungswillen (so OLG Düsseldorf, NZV 2003, 379, 380; LG Oldenburg, Urt. v. 8. 4. 1999, 4 S 1130/98, zitiert nach juris; KG Berlin, NZV 2004, 470, 471; KG Berlin, Urt. v. 27. 9. 2004, 12 U 270/02, zitiert nach juris). Der letztgenannten Auffassung schließt sich die Kammer an. Die Nutzungsausfallentschädigung soll die Vermögenseinbuße ausgleichen, die dem Verletzten durch den unfallbedingten Verzicht auf die Verfügbarkeit über sein Unfallfahrzeug entstanden ist. Ein solcher unfallbedingter Verzicht liegt auch dann vor, wenn kein Ersatzfahrzeug angeschafft und keine Reparatur durchgeführt wurde. Dafür kann es unterschiedliche Gründe geben, dies spricht jedoch nicht gegen eine generelle Nutzungsmöglichkeit und einen Nutzungswillen des Verletzten. Die Tatsache, dass der Kl. zum Zeitpunkt des Unfalles über ein Fahrzeug verfügte, beweist bereits, dass er einen grundsätzlichen Nutzungswillen hatte. Allein die Tatsache, dass ein Ersatzfahrzeug nicht zeitnah angeschafft wurde, beseitigt nicht den Nutzungswillen. Hierzu müsste die Bekl. weiteres vortragen und gegebenenfalls unter Beweis stellen. Dies ist jedoch nicht erfolgt, so dass von einem generellen Nutzungswillen weiter ausgegangen werden kann. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der sog. Nutzungsausfallschaden bereits in dem Moment vorliegt, in dem der Wagen beschädigt wird und nicht mehr benutzt werden kann. Wenn aber im vorübergehenden Fortfall der Benutzbarkeit der eigentliche Vermögensschaden bereits entstanden ist (so BGHZ 40, 345, 349), kann eine gesetzlich nicht geregelte Frist ohne Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles nicht zum Ausschluss der Ansprüche führen. Dementsprechend hat hier der Kl. auch den Anspruch auf Zahlung der Nutzungsausfallentschädigung. ..."



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