Das Verkehrslexikon

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OLG Düsseldorf Beschluss vom 23.06.1994 - 2 Ss (OWi) 171/84 - (OWi) 31/94 III - Zum erlaubten Gehwegparken auf dem eigenen Grundstück

OLG Düsseldorf v. 23.06.1994: Zum erlaubten Gehwegparken auf dem eigenen Grundstück


Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 23.06.1994 - 2 Ss (OWi) 171/84 - (OWi) 31/94 III) hat entschieden:
Dem Eigentümer einer Grundstücksfläche, die tatsächlich dem allgemeinen Verkehr eröffnet ist, die jedoch nicht öffentlich-rechtlich dem Verkehr gewidmet ist, ist gestattet, dort zu parken, wenn eine Verkehrsgefährdung der Allgemeinheit ausgeschlossen ist (im Anschluss an BayObLG VRS 20, 441; 64, 141 und OLG Hamm DAR 1959, 279).


Siehe auch Das Parken auf oder vor eigenen Grundstücken und Das Parken vor fremden Grundstücken, insbesondere vor Garagen oder Carports


Zum Sachverhalt: Der Betroffene habe am 27.8.1993 in der Zeit von 7.33 Uhr bis 7.44 Uhr seinen PKW auf dem Gehweg vor seinem Haus geparkt. Dieser Grundstücksteil stehe zwar im Eigentum des Betroffenen und weise gegenüber dem übrigen Gehweg eine unterschiedliche Bepflasterung aus. Er sei jedoch öffentlicher Verkehrsraum, der von einer unbestimmten Zahl von Fußgängern regelmäßig benutzt werde. Das Parken sei weder durch Zeichen 315 noch durch eine Parkflächenmarkierung erlaubt.

Bereits am 4.5.1993 habe gegen den Betroffenen eine Hauptverhandlung mit gleichem Tatvorwurf stattgefunden. Damals habe das Gericht mit dem Betroffenen die Rechtslage ausführlich erörtert und ihn darauf hingewiesen, eine Vereinbarung mit der Stadt Remscheid zu treffen, gegebenenfalls das Grundstück mit Ketten oder Zäunen abzugrenzen. Sodann sei das Verfahren eingestellt worden. Der Betroffene habe vorsätzlich gehandelt; denn er habe wieder sein Fahrzeug dort abgestellt, obwohl eine grundsätzliche Regelung mit der Stadt Remscheid noch nicht getroffen worden sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Er vertritt die Ansicht, er sei berechtigt, auf dem ihm gehörenden, nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Grundstücksteil zu parken.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... II. Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen.

1. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist allerdings nicht, wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme v. 26.5.1994 meint, zur Fortbildung des Rechts geboten. Die zu entscheidende Rechtsfrage, ob es einem Grundstückseigentümer gestattet ist, sein Fahrzeug auf seinem Grundstück, das zugleich öffentlicher Verkehrsraum ist, zu parken, erscheint nicht klärungsbedürftig. Diese Rechtsfrage ist - soweit es sich um eine nicht förmlich nach dem öffentlichen Straßenrecht und Wegerecht gewidmete Fläche handelt, sondern nur um die tatsächliche Eröffnung einer Grundstücksfläche für den allgemeinen Verkehr - bereits mehrfach obergerichtlich entschieden worden (BayObLG VRS 20, 441 und 64, 141; OLG Hamm DAR 1959, 279). In allen Entscheidungen ist die Zulässigkeit des Parkens durch den Eigentümer bejaht worden. Soweit das OLG Koblenz (VRS 45, 48) in dem Fall, dass die im Eigentum des Betroffenen stehende Grundstücksfläche förmlich dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist, zu einer Unzulässigkeit des Parkens durch den Grundstückseigentümer gelangt ist, steht diese Entscheidung wegen der anderen Rechtslage bei einem dem Straßenverkehr gewidmeten Grundstück nicht in Widerspruch zu den oben angeführten Entscheidungen des BayObLG und des OLG Hamm.

2. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist jedoch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.

Der Senat geht nach den im angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen davon aus, dass die fragliche Grundstücksfläche, auf der der Betroffene geparkt hat, nicht förmlich dem allgemeinen Verkehr gewidmet ist. Nach § 6 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen ist Widmung die Allgemeinverfügung, durch die Straßen, Wege und Plätze die Eigenschaft einer öffentlichen Straße erhalten. Die Widmung ist mit Rechtsbehelfsbelehrung öffentlich bekannt zu machen und wird frühestens im Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung wirksam. Nach § 6 Abs. 5 dieses Gesetzes ist Voraussetzung für die Widmung, dass der Eigentümer, wenn nicht der Träger der Straßenbaulast Eigentümer ist, der Widmung zugestimmt oder den Besitz durch Vertrag überlassen hat oder dass eine Einweisung nach öffentlich-rechtlichen Bestimmungen in den Besitz erfolgt ist. Angesichts des Schweigens des angefochtenen Urteils hierüber kann vom Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Widmung nicht ausgegangen werden. Demnach handelt es sich bei der Eröffnung des Verkehrs für die Allgemeinheit um einen einseitigen tatsächlichen Akt des Grundstückseigentümers, mithin um einen sog. tatsächlich-öffentlichen Weg. Für einen solchen ist nach den oben angeführten Entscheidungen des BayObLG und des OLG Hamm das Parken für den Eigentümer gestattet.

Das AG hat diese Entscheidungen nicht beachtet. Es liegt auch kein Fehler im Einzelfall vor, der eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ausschlösse. Wie der oben dargelegte Sachverhalt ergibt, müssen der Betroffene und andere Verkehrsteilnehmer in vergleichbaren Fällen damit rechnen, dass das AG bei der im angefochtenen Urteil vertretenen falschen Rechtsansicht verbleibt, und im Wiederholungsfalle wiederum die obergerichtliche Rechtsprechung unbeachtet lässt. In diesem Fall gebietet deshalb der Grundsatz der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Rechtsbeschwerde.

III. Die somit zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, und zur Freisprechung des Betroffenen.

Der Senat schließt sich der Rechtsansicht des BayObLG und des OLG Hamm (a.a.O.) in vollem Umfang an.

Danach zählen allerdings zum öffentlichen Verkehrsgrund im Sinne des Straßenverkehrsrechts auch die sogenannten "tatsächlich-öffentlichen" Wege, die der Allgemeinheit zur Benutzung überlassen sind. Öffentlicher Verkehrsgrund sind demnach alle Flächen, auf denen auf Grund ausdrücklicher oder stillschweigender Duldung der Verfügungsberechtigten die Benutzung durch einen nicht näher bestimmten Personenkreis zugelassen wird (vgl. hierzu BGHSt 16, 7, 10 = VRS 20, 453 ff.).

Deshalb ist das AG auch zutreffend davon ausgegangen, dass es sich hier um öffentlichen Verkehrsgrund handelt, der jedenfalls jedem Fußgänger offensteht.

Die tatsächliche Eröffnung einer Grundstücksfläche für den allgemeinen Verkehr, die von vornherein beschränkt auf bestimmte Verkehrsarten und auch nur zeitweise vorgenommen werden kann, hat zwar zur Folge, dass der auf ihr sich abspielende Verkehr grundsätzlich den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften unterliegt. Die Überlassung der Fläche für den Verkehr kann aber - was das AG wohl auch nicht verkennt - widerrufen, also rückgängig gemacht werden, wenn dies in einer Weise geschieht, die eine Gefährdung des Verkehrs ausschließt. Soweit der privatrechtliche Verfügungsberechtigte aber, ohne hieran durch Vorschriften gehindert zu sein, befugt ist, den Weg der Benutzung durch die Allgemeinheit überhaupt zu entziehen, muss er auch berechtigt sein, die Benutzung durch eine - hier zeitweilige - anderweitige Nutzung des Geländes einzuschränken. Das gilt selbst dann, wenn der übrige zugelassene Verkehr dadurch behindert oder ausgeschlossen, aber nicht gefährdet wird, weil er durch den zeitweiligen Ausschluss nur in geringerem Maße beeinträchtigt wird als durch seinen Ausschluss bei einer - an sich zulässigen - vollständigen Sperrung.

Es bedarf hier keines Eingehens darauf, in welcher Art und Weise ein vollständiger Widerruf der tatsächlichen Gestattung des öffentlichen Verkehrs zu erfolgen hat. Hier ist lediglich zu entscheiden, ob der Verfügungsberechtigte kenntlich machen muss, wenn er den Wegeteil nicht entziehen, sondern nur für sich selbst bzw. für einen individualisierten Personenkreis (Angehörige, Mieter, Besucher) vorzugsweise zur Benutzung in Anspruch nimmt. Deshalb ist auch der Grundstückseigentümer, der auf einer Grundstücksfläche den öffentlichen Fußgängerverkehr zugelassen hat, berechtigt, dort selbst zu parken oder das Abstellen von Kraftfahrzeugen zu gestatten. Einer Kenntlichmachung dieser Gestattung bedarf es dazu nicht. Auch ist hierfür keine Absprache mit der Stadt Remscheid, die das AG für erforderlich hält, geboten. Die rechtliche Befugnis der Fußgänger, den fraglichen Wegeteil zu benutzen, wird diesen nicht einmal entzogen. Sie erfahren insoweit lediglich eine tatsächliche Beeinträchtigung, als sie am Begehen der Stellen, an denen für sie sichtbar Fahrzeuge abgestellt sind, gehindert werden. Die rechtliche Situation ist für sie nicht anders, als wenn sie durch andere Passanten an der Benutzung der Grundstücksfläche gehindert werden. Da eine Gefährdung der Fußgänger damit auch nicht verbunden ist - ihnen bleibt der nicht dem Betroffenen gehörende eigentliche Gehweg - bedarf es auch keiner Kenntlichmachung des Abstellplatzes für Kraftfahrzeuge und auch keiner besonderen Absperrung.

War demnach der Betroffene berechtigt, auf seinem Grundstücksteil, auch wenn dieser dem öffentlichen Verkehr zugänglich gemacht worden war, sein Kraftfahrzeug zu parken, liegt ein Verstoß nach § 12 StVO nicht vor. Der Betroffene ist daher freizusprechen.



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