Das Verkehrslexikon

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OLG Jena Beschluss vom 03.11.2005 - 1 Ss 226.05 - Mehrere ununterbrochene Parkverstöße sind ein in Tateinheit begangenes Dauerdelikt OLG Jena v. 03.11.2005: Mehrere ununterbrochene Parkverstöße sind ein in Tateinheit begangenes Dauerdelikt

Das OLG Jena (Beschluss vom 03.11.2005 - 1 Ss 226.05) hat zum Zusammentreffen zweier Verwarnungen wegen ununterbrochenen Falschparkens am selben Ort entschieden:
Mehrere ununterbrochene örtlich identische Parkverstöße stellen ein Dauerdelikt dar. Zwischen ihnen besteht keine Tatmehrheit. Ergehen deswegen zwei Bußgeldbescheide, so ist der zweite von vornherein unwirksam.


Siehe auch Halten und Parken


Zum Sachverhalt: Der Betr., der seine Ehefrau in das Ärztehaus W.-straße begleitete. stellte seinen Pkw vor 10.13 Uhr auf dem Parkplatz in der E.-H.-Straße auf einem Sonderparkplatz für Schwerbehinderte ab, obwohl er nicht im Besitz eines entsprechenden Schwerbehindertenausweises sowie eines entsprechenden besonderen Parkausweises war, und er bemerkt hatte, dass dieser Parkplatz Schwerbehinderten vorbehalten ist. In der Zwischenzeit - als er im Ärztehaus weilte - wurde der Betr. durch das Ordnungsamt J. einmal bezüglich des Zeitraumes 10.13 Uhr bis 10.18 Uhr und ein weiteres Mal für den Zeitraum von 10.50 Uhr bis 10.56 Uhr wegen verbotswidrigen Parkens auf einem Sonderparkplatz für Schwerbehinderte verwarnt. Da er die Verwarnungsgelder nicht akzeptierte, ergingen zwei Bußgeldbescheide gegen den Betr. Den Bußgeldbescheid bezüglich des Parkzeitraums von 10.13 Uhr bis 10.18 Uhr nahm der Betr. in der gerichtlichen Hauptverhandlung vom 8. 6. 2005 zurück.

Mit dem angefochtenen Urteil setzte das AG Jena im Verfahren 560 Js 14544/05 - 1 OWi gegen den Betr. eine Geldbuße von 70 € fest. weil dieser vorsätzlich auf einem Sonderparkplatz für Schwerbehinderte parkte. ohne dass ein besonderer Parkausweis gut lesbar im Fahrzeug auslag.

Die zugelassene Rechtsbeschwerde des Betr. führte zur Einstellung wegen Vorliegens eines Verfahrenshindernisses.

Aus den Entscheidungsgründen:

"... Das AG ist davon ausgegangen, dass der Verfolgung des im Zeitraum von 10.50 Uhr bis 10.56 Uhr begangenen Parkverstoßes nicht entgegensteht, dass der Betr. bereits im Zeitraum 10.13 Uhr bis 10.18 Uhr wegen des selben Sachverhaltes verwarnt worden war. Im Einzelnen heißt es hierzu im Urteil:
„Denn nach Ansicht des erkennenden Gerichts handelt es sich vorliegend nicht um ein Dauerdelikt. sondern die OWi wird zumindest dann erneut begangen. wenn der Betr. die Möglichkeit hatte, den ordnungswidrigen Zustand zwischenzeitlich zu beenden. Dies ist vorliegend jedoch gegeben, da der Betr. lediglich auf seine Ehefrau im Ärztehaus wartete. Er hätte ebenso gut in dieser Zeit sein Fahrzeug von dem Behindertenparkplatz entfernen können. Auch spricht für eine erneute Begehung, dass zwischen den beiden Verwarnungen mehr als dreißig Minuten lagen.”
Das Urteil verstößt gegen das Verbot der Doppelbestrafung, den Grundsatz „ne bis in idem” (Art. 103 Abs. 3 GG). Entgegen der vom AG vorgenommenen Bewertung handelt es sich beim verbotswidrigen Parken um ein Dauerdelikt. Dauerordnungswidrigkeiten sind Handlungen, bei denen der Täter den von ihm durch die Verwirklichung des Bußgeldtatbestands geschaffenen rechtswidrigen Zustand aufrecht erhält oder die bußgeldbewehrte Tätigkeit ununterbrochen fortsetzt, sodass sich der Vorwurf sowohl auf die Herbeiführung als auch auf die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustandes bezieht (vgl. Göhler, OWiG, 13. Aufl., vor § 19. Rdn. 17 m.w.N.).

Vorliegend hat der Betr. mit dem Abstellen des Pkw auf den Behindertenparkplatz einen rechtswidrigen Zustand geschaffen, der erst mit der Aufhebung dieses Zustandes, dem Wegfahren des Pkw, endete. Dies stellt eine Dauerordnungswidrigkeit dar (vgl. BayOLGSt 1969, 207, BayObLG DAR 1971, 304). Dass der Betr. die Möglichkeit hatte, den ordnungswidrigen Zustand zwischenzeitlich zu beenden, führt entgegen der vom AG vertretenen Auffassung nicht zum Wegfall des Dauerdelikts. Selbst wenn der Betr. die angebrachte Verwarnung wahrgenommen - was vorliegend aber nicht der Fall war - und in Kenntnis dieser den Pkw nicht weggefahren hätte, hätte darin kein anderer Tatentschluss liegen müssen (vgl. BGH NStZ 1992, 594).

Für die Annahme einer tatmehrheitlichen Begehungsweise ist damit kein Raum. Die Bußgeldbescheide vom 16. 3. 2005 im Verfahren 560 Js ... /05 für den Zeitraum von 10.13 Uhr bis 10.18 Uhr und vom 22. 3. 2005 im Verfahren 560 Js ... /05 für den Zeitraum von 10.50 Uhr bis 10.56 Uhr betreffen dieselbe Tat im verfahrensrechtlichen Sinne.

Damit war aber der sich auf den selben Vorgang beziehende zweite Bußgeldbescheid vom 22. 3. 2005 von vornherein wegen des Verstoßes gegen den Grundsatz „ne bis in idem” unwirksam; er hätte schon nicht erlassen werden dürfen (vgl. OLG Oldenburg, zfs 1993. 69; OLG Saarbrücken, zfs 1992, 140; OLG Zweibrücken, NJW 1999, 962; KK OWiG-Kurz § 66 Rdn. 70).

Hinzu kommt, dass nach Rücknahme des Einspruches im Verfahren 560 Js ... /05 1 OWi der Bußgeldbescheid vom 16. 3. 2005 rechtskräftig geworden ist, sodass auch das Verfahrenshindernis der Rechtskraft des § 84 Abs. 1 OWiG einer Verurteilung wegen eines Parkverstoßes im Zeitraum von 10.50 Uhr bis 10.56 Uhr entgegenstand.

Zu keiner anderen Beurteilung kann der Umstand führen, dass zunächst ein Verwarnungsverfahren durchgeführt werden sollte und der Betr. hinsichtlich des Parkverstoßes von 10.13 Uhr bis 10.18 Uhr den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 16. 3. 2005 zurückgenommen hat. Der Betr. hat hinsichtlich ihm weiter angelasteter Parkverstöße dem Verwarnungsverfahren durch schlüssiges Verhalten - keine Einverständniserklärung mit dem Verwarnungsverfahren, Beantragung von Akteneinsicht durch den Verteidiger - widersprochen, sodass eine Überleitung in das Bußgeldverfahren erfolgte und die Bußgeldbescheide vom 16. und 22. 3. 2005 erlassen wurden. Damit scheidet eine Anwendung der Regelung des § 56 Abs. 4 OWiG, die für den Fall einer wirksamen Verwarnung ein eingeschränktes Verfahrenshindernis (u.a. keine Anwendung des Grundsatzes „ne bis in idem” - Göhler, a.a.O., § 56 Rdn. 43 m.w.N.) regelt, aus. Die Rücknahme des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid vom 16.3.2005 führte nicht nachträglich zu einer wirksamen Verwarnung nach § 56 Abs. 2 OWiG.

Damit sind die Grundsätze aus den Entscheidungen des BayObLG in DAR 1971, 304, 305 bzw. des OLG Düsseldorf in VRS 1991, 129 nicht auf die vorliegende Fallgestaltung übertragbar. ..."



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