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Amtsgericht Solingen Urteil vom 02.09.2008 - 11 C 236/05 - Kein Recht der Versicherung auf Nachbesichtigung

AG Solingen v. 02.09.2008: Kein Recht der Versicherung auf Nachbesichtigung


Das Amtsgericht Solingen (Urteil vom 02.09.2008 - 11 C 236/05) hat entschieden:

   Bereits nach dem Gesetzestext schuldet ein Unfallgeschädigter allenfalls die Vorlegung von Belegen und nicht etwa die Vorstellung des Fahrzeugs zu einer Besichtigung durch Beauftragte der regulierenden Haftpflichtversicherung. Es ist zwar zutreffend, dass eine solche Verfahrensweise einen unfallgeschädigten Kraftfahrzeugeigentümer in der Regel nicht über Gebühr belasten dürfte, andererseits ist eine solche Verpflichtung vom Gesetzestext nicht gedeckt. Der Geschädigte schuldet keine Begründung dafür, warum er eine Nachbesichtigung nicht wünscht.


Siehe auch
Fiktive (abstrakte) Schadensabrechnung auf Gutachtenbasis
und
Sachverständigengutachten nach einem Unfallschaden


Zum Sachverhalt:


Die Parteien haben um die Haftung für die Folgen eines Straßenverkehrsunfalls gestritten, der sich am in auf dem Parkplatz ereignet hat. Die Beklagte zu 1) hatte mit dem bei der Beklagten zu 2) kraftfahrzeughaftpflichtversicherten Astra (amtliches Kennzeichen) des Klägers beim Einparken beschädigt. Die Beklagte zu 2) hatte für den zur fraglichen Zeit nicht an Ort und Stelle anwesenden Kläger an dessen Fahrzeug eine Notiz mit ihrer Telefon-Nummer hinterlassen („Bin beim Einparken an Ihr Auto gekommen! Bitte melden Sie sich!…“) und sich vor Eintreffen des Klägers entfernt.

Am Fahrzeug des Klägers ist dabei die hintere Stoßstange eingekerbt und markiert, die linke Seitenwand eingebeult und die linke Tür verkratzt worden.

Der Kläger hatte über die an seinem Fahrzeug vorhandenen Schäden ein Gutachten des für Kraftfahrzeugschäden und deren Bewertung öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen aus eingeholt und der Beklagten zu 2) vorgerichtlich überlassen. Darin waren die Reparaturkosten und eine verbleibende Wertminderung kalkuliert.

Die Beklagten haben ihre vollständige Haftung für die Unfallfolgen dem Grunde nach nicht in Abrede gestellt. Auf den vom Kläger geltend gemachten Gesamtschaden hat die Beklagte zu 2) vorgerichtlich jedoch nur einen Teil gezahlt und weitere Zahlungen zunächst mit der Begründung abgelehnt, allein der Schaden an der hinteren linken Stoßstangenecke des klägerischen Fahrzeugs sei eine Folge dieses Unfalls, nicht aber die Schäden an der linken Seitenwand und an der linken Einstiegstür. Die Beklagte zu 2) begründete dies vorgerichtlich mit einer mangelnden Kompatibilität dieser Schäden einerseits mit einem Rückwärtseinparkmanöver der Beklagten zu 1) andererseits, während die Beklagten im Rechtsstreit davon ausgehen, zu dem Schaden sei es beim Vorwärtseinparken gekommen. Die Beklagte zu 2) hat dem Kläger vorgeworfen, ihr, der Beklagten zu 2), eine Inaugenscheinnahme seines Fahrzeugs und damit eine eigene Schadensüberprüfung verweigert zu haben.



In seinem im Auftrag des Gerichts erstatteten Gutachten vom ist der für Straßenverkehrsunfälle öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige aus zu dem - alsdann auch von den Beklagten akzeptierten - Ergebnis gekommen, dass sämtliche vom Kläger geltend gemachten Schäden durch das Fahrzeug der Beklagten verursacht worden seien. Die Beklagte zu 2) hat die Hauptforderung bezahlt, worauf die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt und gegensätzliche Kostenanträge gestellt haben. Die Beklagten wollen mit Rücksicht auf die Verweigerungshaltung des Klägers hinsichtlich der Vorstellung seines Fahrzeugs zur Nachbesichtigung keine Veranlassung zur Klage gegeben haben.

Das Gericht fällte eine für die Beklagten ungünstige Kostenentscheidung.


Aus den Entscheidungsgründen:


"... Dass die Beklagten dem Kläger den ihm aus dem Unfallereignis vom entstandenen Schaden nach Grund und Höhe zu ersetzen haben, ist zwischen den Parteien stets unstreitig gewesen. Auch die Höhe des Schadensersatzes ist nach der Beweisaufnahme nicht mehr in Streit. Der Kläger hat die Beklagte unter Fristsetzung zum zur Zahlung auch des restlichen ihm gebührenden Schadensersatzes aufgefordert, so dass, nachdem die Beklagte zunächst ihre Haftung für den weitergehenden Schaden geleugnet hatte, die Beklagten nunmehr unter Verzugsgesichtspunkten dem Kläger für die Zeit bis zur Zahlung Zinsen in gesetzlicher Höhe zu zahlen haben.

Die Kosten des Rechtsstreits müssen die Beklagten ebenfalls tragen, weil sie auch in Höhe desjenigen Betrages, dessentwegen die Parteien den Rechtsstreit schließlich nach einer Zahlung der Beklagten für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, Anlass zur Klage gegeben haben. Unstreitig ist zwar, dass der Kläger dem Ansinnen der Beklagten zu 2., ihr das Fahrzeug zur Inaugenscheinnahme vorzustellen, damit sie einen ihrer Haussachverständigen mit der Prüfung der am klägerischen Fahrzeug vorhandenen Schäden auf deren Kompatibilität mit dem Unfallhergang überprüfen lassen könne, nicht entsprochen hat. Dem allerdings musste der Kläger auch nicht entsprechen.



Nach § 158d Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) hatte die Beklagte zu 2. zwar das Recht, vom Kläger Auskunft zu verlangen, soweit dies zur Feststellung des Schadensereignisses und der Höhe des Schadens erforderlich war. Der Kläger war danach freilich zur Vorlegung von Belegen nur insoweit verpflichtet, als ihm die Beschaffung billigerweise zugemutet werden könnte. Bereits nach dem Gesetzestext schuldete der Kläger daher allenfalls die Vorlegung von Belegen und nicht etwa die Vorstellung des Fahrzeugs zu einer Besichtigung durch Beauftragte der Beklagten zu 2. Es ist zwar zutreffend, dass eine solche Verfahrensweise einen unfallgeschädigten Kraftfahrzeugeigentümer in der Regel nicht über Gebühr belasten dürfte, andererseits ist eine solche Verpflichtung vom Gesetzestext nicht gedeckt und schuldet der Geschädigte auch keine Begründung dafür, warum er davon absehen will. Im vorliegenden Fall ist es so gewesen, dass der Kläger der Beklagten ein mit Lichtbildern des Fahrzeugs und aller daran festgestellten Schäden versehenes Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen überlassen hat, in welchem nicht nur die Schäden beschrieben sind, sondern auch deren genaue Lage am Fahrzeug und ihr Umfang, ferner die zur Beseitigung erforderlichen Arbeiten. Dies genügt der dem Geschädigten in § 128d Abs. 3 S. 2 VVG auferlegten Pflicht. Denn zu einer ausdehnenden Interpretation der gesetzlich normierten Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten besteht kein Anlass. Die Überlassung eines beschädigten Gegenstandes zu Prüfungszwecken ist etwas grundsätzlich anderes als die Vorlegung von Belegen. Bereits insoweit macht das Gesetz allerdings Einschränkungen, indem diese Pflicht ihre Grenze an der Zumutbarkeit findet.

Ein von der Beklagten zu 2. mit der Prüfung des von dem Kläger vorgelegten Gutachten befasster „Haussachverständiger“ hätte nach Auffassung des Gerichts im Wesentlichen die Feststellungen treffen können, die auch der gerichtlich beauftragte Sachverständige getroffen hat, mag dieser auch beide Fahrzeuge in Augenschein genommen haben. Auch er hat allerdings von einer ursprünglich wohl einmal beabsichtigten Gegenüberstellung der Fahrzeuge Abstand genommen, weil er ohnedies - jedenfalls unter Heranziehung eines Vergleichsfahrzeugs - zu den erforderlichen Feststellungen in der Lage war, dies mit einer Eindeutigkeit, die schließlich auch die Beklagte zu 2. offensichtlich überzeugt hat.

Unter diesen Umständen entspricht es der Billigkeit aufgrund des bisherigen Sachstandes,

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