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Landgericht Zwickau Urteil vom 26.11.2004 - 6 S 148/04 - Selbstbedienungswaschanlagenbetreiber haftet bei unvollständiger Bedienungsanleitung für Schäden am Kfz

LG Zwickau v. 26.11.2004: Selbstbedienungswaschanlagenbetreiber haftet bei unvollständiger Bedienungsanleitung für Schäden am Kfz


Das Landgericht Zwickau (Urteil vom 26.11.2004 - 6 S 148/04) hat entschieden:
Der Betrieb einer Selbstbedienungswaschanlage muss so konzipiert sein, dass Kunden diese benutzen können, ohne dass dabei der Pkw Schaden nimmt. Es obliegt dem Betreiber, dafür zu sorgen, Schäden zu verhindern. Der Betreiber muss die maschinell automatisch arbeitende und deswegen nicht jederzeit zu kontrollierende Anlage so organisieren, betreiben, warten und beaufsichtigen, wie dies nach dem Stand der Technik möglich und zumutbar ist.


Siehe auch Fahrzeugbeschädigung in der Autowaschanlage und Stichwörter zum Thema Schadensersatz


Zum Sachverhalt: Der Kläger begehrte vom Beklagten, Betreiber einer Selbstbedienungswaschanlage in ..., Schadensersatz wegen der Beschädigung seines Pkw Nissan Sunny, anlässlich einer Fahrzeugwäsche am 07. Juli 2001. Während des Waschvorgangs riss die Dachbürste der Waschanlage den Heckscheibenwischer des Nissan Sunny aus seiner Halterung. Hierbei wurde auch die Heckscheibe ,sowie die Heckklappe beschädigt.

Das Amtsgericht Plauen hat der Klage zum großen Teil stattgegeben und dem Kläger 1.796,47 EUR Schadensersatz zugesprochen.

Hiergegen richtete sich die Berufung des Beklagten, der seinen Klageabweisungsantrag in II. Instanz weiter verfolgte.

Die Berufung blieb erfolglos.


Aus den Entscheidungsgründen:

"... Der Beklagte schuldet dem Kläger Schadensersatz in zuerkannter Höhe, wegen positiver Forderungsverletzung i.V.m. dem abgeschlossenen Werkvertrag nach § 631 BGB a.F.

1. Der Beklagte hat seine aus dem Werkvertrag folgenden Nebenpflichten verletzt, für einen beschädigungsfreien Waschvorgang in der Waschanlage zu sorgen. Der Betrieb der Selbstbedienungswaschanlage muss so konzipiert sein, dass Kunden diese benutzen können, ohne dass dabei der Pkw Schaden nimmt. Es oblag dem Beklagten dafür zu sorgen, Schäden wie den eingetretenen zu verhindern. Der Betreiber muss die maschinell automatisch arbeitende und deswegen nicht jederzeit zu kontrollierende Anlage so organisieren, Betreiben, Warten und Beaufsichtigen, wie dies nach dem Stand der Technik möglich und zumutbar ist (vgl. zuletzt OLG Düsseldorf NJW-RR 2004, 962 m.w.N.). Diese Pflicht hat der Beklagte verletzt. Unstreitig wurde der Pkw des Klägers in dem Augenblick beschädigt, als sich das Fahrzeug im automatischen Waschgang befand. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Pröhl ist davon auszugehen, dass sich die Borsten der Dachbürste im Heckscheibenwischer verfangen und durch die Rotation der Bürste der gesamte Heckscheibenwischer abgerissen wurde. Anhaltspunkte dafür, dass der Heckscheibenwischer zuvor bereits beschädigt, insbesondere nicht mehr fest befestigt war, haben sich nicht ergeben. Die Schadensursache kann deshalb allein aus dem Verantwortungsbereich des Beklagten stammen. Der Kläger ist, weil bei dieser Konstellation der Schluss von der Schädigung auf die objektive Pflichtwidrigkeit zulässig ist, der ihm grundsätzlich obliegenden Beweislast für die objektive Pflichtverletzung enthoben (Palandt-Heinrichs, Kommentar zum BGB, 59. Aufl., § 282, Rdnr. 13 ff. m.w.N.).

Weil der Kläger bei der Abwicklung des Vertrages einen Schaden erlitten hat, dessen Ursache allein im Verantwortungsbereich des Beklagten liegen kann, ist der Kausalzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden gegeben.

2. Dem Beklagten obliegt nachzuweisen, dass . er bzw. die von ihm eingesetzten Erfüllungsgehilfen (§§ 276 Abs. l, 278 Satz l BGB a.F.) die Forderungsverletzung nicht zu vertreten haben, § 282 BGB a. F. .. Dem Beklagten ist der Entlastungsbeweis nur insoweit gelungen, als dass jedenfalls die technischen Einrichtungen der Waschanlage funktionstüchtig und funktionssicher waren. Der Sachverständige konnte feststellen, dass sowohl die Steuerung des Dachbürstenabstandes unmittelbar vor dem Schadensfall wie auch die Regelelektronik der Waschanlage nach Eintritt des Schadensfalls funktioniert hatten. Die nach der Herstelleranweisung abzuarbeitenden Kontrollen, Wartungsarbeiten und Testlaufe zur Funktionsprüfung sind durchgeführt worden.

Jedoch erweist sich die Organisation des Betriebs als unzureichend. Die Bedienungshinweise sind, vor dem Hintergrund, dass der Betreiber seine Kunden vor Begleitschäden bewahren soll, unvollständig, zudem hält der Beklagte die branchenüblichen Hilfsmittel wie Saugnäpfe oder Überziehtüten nicht vor. Entscheidet sich der Beklagte eine vollautomatische Selbstbedienungswaschanlage zu betreiben, muss die dem Kunden zugängliche Bedienungsanleitung so ausführlich und präzise sein, dass dieser, dem die volle Verantwortung für die korrekte Benutzung übertragen wird, alle Informationen, Aufklärungs- und Warnhinweise sowie Hilfsmittel erhält, die ansonsten der Tank- oder Waschwart übermittelt. Der Beklagte vermag sich nicht mit der Berufung darauf zu entlasten, dass er eine für den Kunden erkennbar preisgünstige Selbstbedienungswaschanlage betreibe. Dies enthebt ihn nicht aus seiner Verantwortung, dem Kunden die notwendigen Aufklärungs- und Warnhinweise zukommen zu lassen. Die Bereitstellung einer Selbstbedienungswaschanlage ohne jeden- weiteren Personaleinsatz verlangt vielmehr eine über das bei unter Anleitung eines Waschwarts betriebenen Waschanlagen hinausgehende Information des Kunden. Diesem Informationsbedürfnis des auf sich, allein gestellten Kunden wird die Bedienungsanleitung des Beklagten nicht gerecht. Die sichtbar angebrachte Bedienungsanleitung enthält nur in der Nr. 2. und 3. Hinweise, die auf den Schutz des zu waschenden—Pkws abzielen. Hingegen sieht die von der Berufungskammer eingesehene Betriebsanleitung des Herstellers unter Pkt. 5.1. und 5.2. weitere Sicherheitshinweise vor, die dem Waschkunden in jedem Fall zur Kenntnis gebracht werden sollen. Diese Informationen sind jedoch dem Kläger nicht zugänglich gemacht worden. Unter 5.-. 2. heißt es u.a., dass vor der Benutzung die Scheibenwischer in Endstellung zu bringen und alle losen Teile zu entfernen sind. Diese Warnhinweise zielen ersichtlich darauf ab, den rentierenden Bürsten so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten. So ist auch der Warnhinweis bezüglich der Scheibenwischer zu verstehen.

Üblicherweise liegen diese in Endstellung im unteren Bereich der Front- oder Heckscheibe an und bieten in dieser Stellung den sichersten Schutz vor verhakenden Borsten. Selbst wenn dieser Warnhinweis einen Schaden am Heckscheibenwischer des Nissan Sunny nicht verhindert hätte, weil dieser in Endstellung untypisch in einer eher senkrechten Stellung am linken Scheibenrand verharrt, wird jedenfalls dem Kunden das Problem der Schadensgeneigtheit vorstehender Fahrzeugaußenteile direkt vor Augen geführt. Steht zu erwarten, dass sich der Kläger vor der Benutzung der Waschanlage jedenfalls Gedanken gemacht hätte, ob sein Heckscheibenwischer wegen der untypischen Endstellung ein Sicherheitsrisiko darstellt; hätte er möglicherweise dann den Heckscheibenwischer in eine Position quer zum unteren Scheibenrand gebracht, um die Angriffsfläche für die Borsten zu verringern. Dessen ungeachtet wäre aber auch die Weiterreichung der in der Betriebsanleitung enthaltenen Sicherheitshinweise nicht ausreichend gewesen.

Wie vom Sachverständigen plausibel erläutert, ist die Gefahr, dass sich Borsten in Scheibenwischern verfangen, grundsätzlich besonders groß. Die Schadensneigung steigt, wenn entweder die Anpresskraft der im Klappmechanismus des Wischerarms eingebauten Feder nicht ausreicht, um die beim Verhaken einzelner Borsten auftretenden Zugkräfte zu kompensieren oder aber der Heckscheibenwischer nicht parallel zum Scheibenrand, sondern auf der Heckscheibe anliegt. Es ist zu fordern, dass die Kunden auf dieses Gefahrenpotenzial hingewiesen werden. Der lapidare Hinweis, dass die Scheibenwischer in Endstellung zu bringen seien, reicht hierfür nicht aus. Darüber hinaus hätte eine Anleitung erfolgen müssen, wie in Fällen einer besonderen Schadensneigung zu verfahren ist. Ein Großteil der Waschanlagenbetreiber hält Saugnäpfe oder Folientüten vor, um dieser Gefahr zu begegnen. Es hätte deshalb ein Hinweis erfolgen müssen, wo diese Hilfsmittel erhältlich sind. Entschließt sich der Beklagte aus organisatorischen Gründen dazu, für die Selbstbedienungstankstelle solche Hilfsmittel nicht bereit zu halten, wäre in diesem Falle, der Hinweis angebracht, dass aus Vorsichtsmaßnahmen von der automatischen Wagenwäsche abgeraten wird. Ein solcher Hinweis hätte sich schon deshalb angeboten, weil eine große Anzahl Waschanlagenbetreiber die Folientüten bzw. Saugnäpfe bei jeder Wagenwäsche aus Vorsichtsgründen benutzt, was gerichtsbekannt ist. Ohne jeglichen Hinweis auf diese Problematik wird dem Kunden suggeriert, er könne sein Fahrzeug auch ohne diese Hilfsmittel gefahrlos waschen.

Für den Kläger streitet die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, wonach er bei entsprechenden Hinweisen sich entweder um die Hilfsmittel bemüht oder aber von der Wäsche abgesehen hätte. Der Beklagte vermag sich auch nicht damit zu entlasten, dass ihm die Schadensgeneigtheit des nach oben stehenden Heckscheibenwischers nicht bekannt gewesen sei. Wie der Sachverständige anlässlich seiner Recherchen festgestellt hat ist dem. Hersteller, dessen Wissen sich der Beklagte zurechnen lassen muss, dieses Problem sehr wohl bekannt. Trotz entsprechender Schadensfälle sah sich der Hersteller jedoch nicht veranlasst, hierauf wie oben beschrieben, zu reagieren. ..."