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OLG Düsseldorf Beschluss vom 30.12.1992 - 5 Ss (OWi) 410/92 - Zur Eigenschaft eines Mittelstreifens als öffentlicher Verkehrsraum und zum Parken auf einem Mittelstreifen

OLG Düsseldorf v. 30.12.1992: Zur Eigenschaft eines Mittelstreifens als öffentlicher Verkehrsraum und zum Parken auf einem Mittelstreifen


Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 30.12.1992 - 5 Ss (OWi) 410/92) hat entschieden:
  1. Das Parken auf einem Mittelstreifen verstößt nur dann gegen StVO § 12 Abs 4 S 1, wenn die Regeln der StVO überhaupt anwendbar sind. Dies setzt voraus, dass der Mittelstreifen öffentlicher Verkehrsraum ist.

  2. Sind Mittelstreifen durch unversenkte Bordsteine oder durch ihre sonstige Gestaltung wie Bepflanzung mit Bäumen, Sträuchern oder Blumen oder durch Anlage von Rasenflächen offensichtlich der Verkehrsbenutzung entzogen, so unterliegen sie nicht den verkehrsrechtlichen Vorschriften der StVO. Dabei ist zu beachten, dass ein solcher Mittelstreifen nicht dadurch zum öffentlichen Verkehrsraum wird, dass er infolge der Zerstörung des Bewuchses (etwa durch wiederholtes Befahren und/oder Abstellen von Fahrzeugen) äußerlich Ähnlichkeit mit einem Seitenstreifen bekommt. Öffentlicher Verkehrsraum wird ein Mittelstreifen dann, wenn er zum Befahren und insbesondere auch zum Parken bestimmt ist. Dann gilt zwar die StVO; das Parken auf einem solchen Mittelstreifen stellt aber keinen Verstoß gegen StVO § 12 dar, weil dann das Parken erlaubt ist.

Siehe auch Halten und Parken auf dem Seitenstreifen und Stichwörter zum Thema Halten und Parken


Aus den Entscheidungsgründen:

"A.

Das Amtsgericht hat durch Urteil vom 9. Juli 1992 gegen den Betroffenen wegen "eines fahrlässigen Parkverstoßes, Zuwiderhandlung gegen §§ 12 Abs. 4, 49 StVO" eine Geldbuße von 20,-- DM verhängt. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, deren Zulassung er beantragt. Er rügt die Verletzung sachlichen Rechts und beanstandet insbesondere, dass das angefochtene Urteil keine Gründe enthält.

I.

Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des sachlichen Rechts zu (§ 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG).

1. Zwar stellt das Fehlen von Urteilsgründen allein keinen Zulassungsgrund im Sinne des § 80 OWiG dar. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn sich aus der Begründung des Zulassungsantrages Anhaltspunkte dafür ergeben, dass bei einer ordnungsgemäßen Begründung des Urteils möglicherweise ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gegeben wäre (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Juli 1991 in VRS 81, 375, 378). Ein solcher Fall liegt hier vor.

2. Nach dem Inhalt der Begründungsschrift ist der Betroffene deshalb wegen "eines Parkverstoßes nach §§ 12 Abs. 4, 49 StVO" verurteilt worden, weil er seinen PKW auf dem Mittelstreifen zwischen in entgegengesetzten Richtungen verlaufenden Fahrbahnen geparkt hatte. Die Frage, ob und ggfls. unter welchen Umständen ein Parken auf dem Mittelstreifen erlaubt ist und welche Rechtsvorschriften dafür gelten, ist, soweit ersichtlich, bisher nicht Gegenstand obergerichtlicher Entscheidungen gewesen. Da die Anwendbarkeit des § 12 Abs. 4 StVO in einem solchen Fall - wie nachfolgend aufgezeigt wird - problematisch ist, besteht für den Senat Anlass, hierzu Stellung zu nehmen und deshalb die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

II.

Die somit zulässige Rechtsbeschwerde (§ 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG) führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

Da das angefochtene Urteil keine Gründe enthält und es somit an der tatrichterlichen Feststellung der dem Betroffenen zur Last gelegten Ordnungswidrigkeit fehlt - die bloße Angabe der nach Ansicht des Tatrichters verletzten Vorschrift reicht nicht aus -, ist der Senat nicht in der Lage zu prüfen, ob der Tatrichter das sachliche Recht richtig angewendet hat. Dies ist auf die Sachrüge zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschluss vom 11. März 1988 - 5 Ss (OWi) 85/88 - 65/88 I - m.w.N.).

Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben. Es unterliegt der Aufhebung (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 353 StPO).

Die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz beruht auf §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 354 Abs. 2 StPO.

Der Senat hält es für sachgerecht, von der ihm nach § 79 Abs. 6 OWiG eingeräumten Möglichkeit, die Sache an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen, keinen Gebrauch zu machen.

Eine eigene Entscheidung des Senats in der Sache (§ 79 Abs. 6 OWiG) scheidet aus, da das angefochtene Urteil mangels Gründe keine Feststellungen zum Sachverhalt enthält.

B.

Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf folgendes hin:

Sollte sich in der neuen Hauptverhandlung ergeben, dass der Betroffene (wie dieser in seiner Antragsbegründung vorbringt) zur noch festzustellenden Tatzeit sein Kraftfahrzeug auf einem Mittelstreifen zwischen den - in entgegengesetzten Richtungen verlaufenden - Fahrbahnen zum Parken abgestellt hatte, so wird der neu entscheidende Tatrichter nähere Feststellungen über die Beschaffenheit des Mittelstreifens und seine Zweckbestimmung treffen müssen. Davon hängt ab, ob dem Betroffenen das Abstellen seines Kraftfahrzeuges als Ordnungswidrigkeit vorzuwerfen ist.

1. Es versteht sich nicht von selbst, dass ein Parken auf dem Mittelstreifen einen Verstoß gegen § 12 Abs. 4 Satz 1 StVO darstellt.

Nach dieser Vorschrift ist zwar zum Parken der rechte Seitenstreifen - dazu gehören auch entlang der Fahrbahn angelegte Parkstreifen - zu benutzen, wenn er dazu ausreichend befestigt ist, sonst ist an den rechten Fahrbahnrand heranzufahren. Dies hat der Betroffene nicht getan. Das Parken auf dem Mittelstreifen verstößt jedoch nur dann gegen diese Vorschrift, wenn die Regeln der Straßenverkehrsordnung überhaupt anwendbar sind.

Dies setzt voraus, dass der Mittelstreifen öffentlicher Verkehrsraum ist; denn nur dort gelten die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung.

Zum öffentlichen Verkehrsraum gehören nur Flächen, die der Allgemeinheit zu Verkehrszwecken offenstehen. Das gilt unzweifelhaft für die für den Fahrverkehr bestimmten Fahrbahnen einschließlich der rechten Seitenstreifen. Durch unversenkte Bordsteine von der Fahrbahn getrennte Grünstreifen zum Gehweg hin und solche, die durch ihre Anlage und ihren Bewuchs offensichtlich der Verkehrsbenutzung entzogen sind, gehören dagegen nicht zum öffentlichen Verkehrsraum (vgl. OLG Köln VRS 50, 236 f und VRS 65, 156 f; OLG Hamburg VM 1988, 94; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 31. Auflage § 1 StVO Rdnr. 16; Mühlhaus/Janiszewski, StVO, 12. Auflage § 1 Rdnr. 12; Rüth/Berr/Berz, Straßenverkehrsrecht, 2. Auflage § 1 StVO Rdnr. 4).

Entsprechendes gilt für Mittelstreifen zwischen Fahrbahnen, die in entgegengesetzte Richtungen verlaufen. Sind diese durch unversenkte Bordsteine oder durch ihre sonstige Gestaltung wie Bepflanzung mit Bäumen, Sträuchern oder Blumen oder durch Anlage von Rasenflächen offensichtlich der Verkehrsbenutzung entzogen, so unterliegen sie nicht den verkehrsrechtlichen Vorschriften der Straßenverkehrsordnung. Dabei ist zu beachten, dass ein solcher Mittelstreifen - ebenso wie jeder andere Grünstreifen - nicht dadurch zum öffentlichen Verkehrsraum wird, dass er infolge der Zerstörung des Bewuchses - etwa durch wiederholtes Befahren und/oder Abstellen von Fahrzeugen - äußerlich Ähnlichkeit mit einem Seitenstreifen bekommt (vgl. OLG Köln VRS 65, 156, 157). Sein Charakter als der Verkehrsbenutzung entzogene Fläche ändert sich dadurch nicht.

Öffentlicher Verkehrsraum wird ein Mittelstreifen allerdings dann, wenn er zum Befahren, insbesondere zum Abstellen von Fahrzeugen (Parken) bestimmt ist. Dann gilt zwar die Straßenverkehrsordnung, das Parken auf einem solchen Mittelstreifen stellt aber keinen Verstoß gegen § 12 StVO dar, weil dann das Parken erlaubt ist.

2. Für den Fall, dass die neue Hauptverhandlung ergeben sollte, dass hier die Straßenverkehrsordnung keine Anwendung findet, wird zu prüfen sein, ob ein Verstoß des Betroffenen gegen die Düsseldorfer Straßenordnung in der Fassung der Änderungsverordnung vom 25. September 1990 in Betracht kommt. Diese Straßenordnung gilt auch für alle der Öffentlichkeit zugänglichen Grünanlagen (§ 1 Abs. 2). Diese dürfen mit Kraftfahrzeugen und Anhängern nicht befahren werden. Auch das Parken ist dort unzulässig (§ 5 Abs. 1 Satz 3 und 4) und bußgeldbewehrt (§ 14).

Die neu durchzuführende Beweisaufnahme wird sich daher gegebenenfalls darauf zu erstrecken haben, ob der hier in Rede stehende Mittelstreifen eine Anlage im Sinne der Düsseldorfer Straßenordnung darstellt. ..."