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BGH Urteil vom 05.05.2009 - VI ZR 208/08 - Zur Überprüfung der Zuständigkeit des Leistungsträgers im Regress des Sozialversicherungsträgers

BGH v. 05.05.2009: Zum Anspruchsübergang gemäß § 116 SGB X bei konkurrierender Zuständigkeit mehrerer Leistungsträger


Der BGH (Urteil vom 05.05.2009 - VI ZR 208/08) hat entschieden:
  1. Zum Anspruchsübergang gemäß § 116 SGB X bei konkurrierender Zuständigkeit mehrerer Leistungsträger.

  2. Zum Umfang der Bindungswirkung gemäß § 118 SGB X.


Siehe auch Forderungsübergang auf die Sozialversicherungs- und Sozialhilfeträger und Forderungsübergang im Schadensfall


Zum Sachverhalt: Die klagende Bundesagentur für Arbeit machte gegen die Beklagten Ersatzansprüche aus gemäß § 116 SGB X übergegangenem Recht des Versicherten N. geltend, der als einer von mehreren Insassen des von dem Beklagten zu 1 geführten und bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkw bei einem Verkehrsunfall am 18. November 1995 schwer verletzt wurde.

Das Fahrzeug war gegen 2.50 Uhr bei schneeglatter Fahrbahn von der Straße abgekommen und gegen einen Baum geprallt. Die dem Beklagten zu 1 um 6.05 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,24 ‰. N., der nicht angeschnallt war, erlitt u.a. einen knöchernen Kreuzbandausriss rechts, eine Oberschenkelfraktur rechts sowie eine Beckenschaufelfraktur rechts und eine Beckenringfraktur links. Er befand sich zum Zeitpunkt des Unfalls in der Berufsausbildung zum Heizungs- und Lüftungsbauer.

Die Landesversicherungsanstalt Th. (im Folgenden: LVA), die Aufwendungen für Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation von N. erbrachte, schloss mit der Beklagten zu 2 Ende 1997/Anfang 1998 einen Abfindungsvergleich, wonach diese unter Berücksichtigung einer hälftigen Mithaftung von N. 100 000 DM an die LVA zahlte. Dabei berücksichtigten die Beteiligten das Risiko einer möglichen Frühverrentung - unter Zugrundelegung einer etwaigen monatlichen Rente von 1 800 DM und hieraus erwachsender Gesamtkosten von monatlich 2 700 DM -sowie gegebenenfalls anstehende Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation mit einem Betrag von mindestens 52 500 DM. In der Folgezeit arbeitete N. zunächst in seinem erlernten Beruf. Als er aufgrund seiner unfallbedingten Verletzungen dazu nicht mehr in der Lage war, beantragte er am 2. Juli 2003 beim Arbeitsamt G. die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Nach Einholung eines medizinischen und eines psychologischen Gutachtens finanzierte die Klägerin seine Umschulung zum Ergotherapeuten, wofür sie 49 484,54 € aufwandte.

Die Klägerin begehrt Ersatz dieser Kosten und die Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich sämtlicher weiterer Schäden. Die Beklagten sind der Auffassung, sämtliche Ansprüche seien durch den zwischen der LVA und der Beklagten zu 2 geschlossenen Vergleich abgegolten. Sie haben eingewandt, die Unfallverletzungen seien überwiegend darauf zurückzuführen, dass N. nicht angeschnallt gewesen sei. Überdies habe er gewusst, dass der Beklagte zu 1 vor Antritt der Fahrt erhebliche Mengen Alkohol getrunken gehabt habe. Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die Ansprüche der Klägerin dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, wobei es Einwendungen hinsichtlich Mitverursachung und Mitverschulden dem Nachverfahren vorbehalten hat.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Die Revision hatte - vorläufigen - Erfolg.


Entscheidungsgründe:

"I.

Das Berufungsgericht meint, bereits zum Unfallzeitpunkt seien die Schadensersatzansprüche von N. auf alle in Betracht kommenden Sozialversicherungsträger übergegangen, soweit es denkbar gewesen sei, dass diese aufgrund des Unfallereignisses später einmal Leistungen zu erbringen hätten. Daher seien Schadensersatzansprüche damals auch auf die Klägerin übergegangen. Durch den Vergleich seien nur die auf die LVA übergegangenen Ansprüche abgegolten worden. Das gelte auch hinsichtlich der später von der Klägerin erbrachten Leistungen. Unabhängig davon, ob die LVA und die Klägerin Gesamtgläubiger seien, würden Ansprüche der Klägerin von dem Vergleich nicht erfasst.

II.

Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass Ersatzansprüche des Versicherten N. gemäß § 116 Abs. 1, 10 SGB X bereits im Unfallzeitpunkt auf die Klägerin übergegangen sind.

Soweit es um einen Träger der Sozialversicherung geht, findet der in § 116 Abs. 1 SGB X normierte Anspruchsübergang in aller Regel bereits im Zeitpunkt des schadenstiftenden Ereignisses statt, da aufgrund des zwischen dem Geschädigten und dem Sozialversicherungsträger bestehenden Sozialversicherungsverhältnisses von vornherein eine Leistungspflicht in Betracht kommt (vgl. dazu BGHZ 19, 177, 178 und 48, 181, 186 f.). Knüpfen hingegen Sozialleistungen, wie dies nicht nur beim Sozialhilfeträger, sondern auch bei der Bundesagentur für Arbeit insbesondere bei Rehabilitationsleistungen der Fall ist, nicht an das Bestehen eines Sozialversicherungsverhältnisses an, ist für den Rechtsübergang erforderlich, dass nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls eine Leistungspflicht ernsthaft in Betracht zu ziehen ist (vgl. im Einzelnen Senatsurteile BGHZ 127, 120, 126; 133, 129, 134 f. und vom 16. Oktober 2007 - VI ZR 227/06 - VersR 2008, 275, 276). Je nach der gegebenen tatsächlichen Sachlage kann sich daher der Anspruchsübergang auf den Sozialhilfeträger bereits im Unfallzeitpunkt, möglicherweise aber auch erst erheblich später vollziehen. Letzteres ist etwa dann der Fall, wenn die Bedrohung der Sicherung des Arbeitsplatzes durch die Behinderung des Verletzten infolge einer zunächst nicht voraussehbaren Verschlimmerung der Unfallfolgen erst zu einem späteren Zeitpunkt eintritt (Senatsurteil BGHZ 127, 120, 126 f.).

Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann nicht zweifelhaft sein, dass im vorliegenden Fall mit der Leistungspflicht der Klägerin im dargestellten Sinne bereits im Unfallzeitpunkt ernsthaft zu rechnen war. Aufgrund der Schwere der Verletzungen des Versicherten N., die dieser u.a. im Knie- und Beckenbereich erlitten hatte, bestand von vornherein die naheliegende Gefahr, dass er eines Tages nicht mehr imstande sein könnte, den angestrebten Beruf des Heizungs- und Lüftungsbauers auszuüben. Mit Rücksicht darauf war seit dem Unfallzeitpunkt jedenfalls mit der Notwendigkeit einer Umschulung zu rechnen. Dies zeigt sich gerade daran, dass die LVA und die Beklagte zu 2 bei Abschluss des Abfindungsvergleichs Kosten für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in ihre Berechnungen einbezogen haben. Zwar mögen beide damals übereinstimmend davon ausgegangen sein, dass solche Leistungen unmittelbar im Anschluss an die medizinische Rehabilitation und deshalb von der LVA (dazu unten unter II. 2. b) erfolgen würden. Dies bedeutet indessen nicht, dass deshalb mit einer Leistungspflicht der Klägerin von vornherein nicht zu rechnen gewesen wäre. Angesichts der Schwere der Unfallverletzungen bestand vielmehr von Anfang an die Gefahr, dass auch die Klägerin zu einem späteren Zeitpunkt eintrittspflichtig werden könnte.

2. Entgegen der Auffassung der Revision kann aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ein Anspruchsübergang auf die Klägerin nicht mit der Begründung verneint werden, diese sei für Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation von N. nicht zuständig gewesen und habe ihre Leistungen deshalb ohne Rechtsgrund erbracht.

a) Für Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation können sowohl die gesetzliche Rentenversicherung als auch die Bundesagentur für Arbeit (früher: Bundesanstalt für Arbeit) zuständig sein. Dabei ist, wie die Revision mit Recht geltend macht, die Zuständigkeit der Bundesagentur (bzw. Bundesanstalt) für Arbeit im Verhältnis zur Zuständigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich subsidiär. Das ergab sich für die Zeit bis zum 31. Dezember 1997 aus der Vorschrift des § 57 AFG, nach der die Bundesanstalt für Arbeit berufsfördernde und ergänzende Leistungen nur gewähren durfte, sofern nicht ein anderer Rehabilitationsträger im Sinne des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974 (BGBl. I S. 1881) zuständig war. Heute folgt die Subsidiarität aus § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB III. Danach darf die Bundesagentur für Arbeit allgemeine und besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur erbringen, sofern nicht ein anderer Rehabilitationsträger im Sinne des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs zuständig ist.

b) Insoweit weist die Revision zutreffend auch darauf hin, dass die LVA als Rentenversicherungsträger zum Zeitpunkt des Unfalls gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VI zur Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zuständig war. Solche Leistungen hätten dem Versicherten N. gemäß § 11 Abs. 2a Nr. 2 SGB VI nämlich erbracht werden können, soweit sie für eine voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation unmittelbar im Anschluss an Leistungen der LVA zur medizinischen Rehabilitation erforderlich gewesen wären. Wie die dem Vergleichsabschluss vorausgegangenen Erwägungen der LVA und der Beklagten zu 2 zeigen, sind beide seinerzeit davon ausgegangen, dass solche Leistungen im Anschluss an die medizinische Rehabilitation notwendig sein würden. Tatsächlich hat die LVA solche Leistungen damals nicht erbracht.

c) Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann jedoch nicht beurteilt werden, ob im Jahr 2003 eine vorrangige Zuständigkeit der LVA für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gegeben war. Da die Umschulung zum Ergotherapeuten nicht unmittelbar im Anschluss an die Leistungen erforderlich wurde, welche die LVA zur medizinischen Rehabilitation von N. erbracht hatte, lagen die Voraussetzungen von § 11 Abs. 2a Nr. 2 SGB VI nicht vor. Ob N. zum Zeitpunkt der Antragstellung ohne die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gemäß §§ 43, 50 SGB VI gehabt hätte und deshalb eine Zuständigkeit der LVA gemäß § 11 Abs. 2a Nr. 1 SGB VI gegeben war, lässt sich den bisherigen Feststellungen nicht entnehmen. Diese sind aber erforderlich, um beurteilen zu können, ob die Klägerin die Leistungen mit Recht erbracht hat und deshalb Inhaberin der Forderung geworden sein kann.

d) Feststellungen zur Zuständigkeit des Leistungsträgers sind vorliegend auch nicht im Hinblick auf § 118 SGB X entbehrlich.

aa) Nach dieser Vorschrift ist ein Zivilgericht, das über einen nach § 116 Abs. 1 SGB X vom Geschädigten auf einen Sozialversicherungsträger übergegangenen Anspruch zu entscheiden hat, allerdings an eine unanfechtbare Entscheidung eines Sozial- oder Verwaltungsgerichts oder eines Sozialversicherungsträgers über den Grund oder die Höhe der dem Leistungsträger obliegenden Verpflichtung grundsätzlich gebunden. Damit soll verhindert werden, dass die Zivilgerichte anders über einen Sozialleistungsanspruch entscheiden als die hierfür an sich zuständigen Leistungsträger oder Gerichte (Nehls in Hauck/Noftz, SGB X, 2. Bd., Stand: Dezember 2008, K § 118, Rn. 1; Giese, SGB X, Stand: Juni 2007, § 118, Rn. 2). Sozialrechtliche Vorfragen sollen den Zivilprozess nicht belasten und deshalb vor den Zivilgerichten grundsätzlich nicht erörtert werden (Wannagat/Eichenhofer, SGB X/3, Stand: Juli 2003, § 118, Rn. 5). Der im Wege des Regresses in Anspruch genommene Schädiger soll deshalb grundsätzlich nicht Einwendungen gegen die Aktivlegitimation des klagenden Sozialversicherungsträgers erheben können (vgl. Geigel/Plagemann, Der Haftpflichtprozess, 25. Aufl., Kap. 30, Rn. 127). Demzufolge erstreckt sich die Bindungswirkung auf den Tenor des Leistungsbescheids oder des (sozial- oder verwaltungsgerichtlichen) Urteils und dessen tragende Feststellungen, nicht aber auf zivilrechtliche Haftungsvoraussetzungen wie die Kausalität zwischen der Schädigungshandlung und dem eingetretenen Schaden. Sie erfasst der Sache nach u.a. die Versicherteneigenschaft des Geschädigten sowie Art und Höhe der Sozialleistung. Darüber hinaus soll die Bindungswirkung grundsätzlich auch die Feststellung der Zuständigkeit der den Bescheid erlassenden Behörde erfassen (vgl. Giese, aaO , Rn. 3.3; Nehls, aaO, Rn. 5; Wannagat/Eichenhofer, aaO).

bb) Entgegen der von der Revision in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung kann die Zuständigkeit der LVA für Leistungen im Jahr 2003 nicht aus dem von ihr abgeschlossenen Abfindungsvergleich hergeleitet werden. Dabei kann dahinstehen, ob die Vorschrift des § 118 SGB X, die ihrem Wortlaut nach eine unanfechtbare Entscheidung voraussetzt, überhaupt auf einen Vergleich anwendbar ist, den ein Leistungsträger mit dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer geschlossenen hat (vgl. dazu OLG Naumburg, Urteil vom 23. September 2008 - 9 U 146/07 - juris, Rn. 33 ff.m.w.N. = OLGR 2009, 165 [LS]). Eine etwaige Bindungswirkung könnte in der Sache jedenfalls nicht über die Bindung hinausgehen, die eine unanfechtbare Entscheidung eines Leistungsträgers oder eines Sozial- oder Verwaltungsgerichts entfalten würde. Da Leistungsansprüche und -pflichten indessen an bestimmte Voraussetzungen geknüpft sind, die im Laufe der Zeit sowohl erst entstehen, als auch nachträglich wieder entfallen können (vgl. zu den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen § 11 SGB VI), kann eine Entscheidung darüber keine allgemeine Aussage über die Zuständigkeit eines Leistungsträgers enthalten, sondern nur dessen konkrete Leistungspflicht für einen bestimmten Zeitpunkt regeln. Nur darauf kann sich die Bindungswirkung der Entscheidung erstrecken.

Wäre die Leistungspflicht der LVA seinerzeit nicht im Wege des Vergleichs, sondern in einer unanfechtbaren Entscheidung festgestellt worden, würde diese eine Bindungswirkung gemäß § 118 SGB X mithin nur hinsichtlich der konkreten Leistungspflicht der LVA für den damaligen Zeitpunkt entfalten. Hinsichtlich einer Leistungspflicht und einer etwaigen Zuständigkeit der LVA zu einem späteren Zeitpunkt läge eine die Zivilgerichte bindende Entscheidung nicht vor. Schon aus diesem Grund kommt dem Abfindungsvergleich vorliegend keine Bindungswirkung hinsichtlich der Frage zu, ob die LVA im Jahr 2003 zuständig war.

cc) Andererseits kann allein aufgrund des Umstandes, dass im Jahr 2003 nicht die LVA, sondern die Klägerin dem Versicherten N. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bewilligt hat, auch die Frage nach deren Zuständigkeit nicht im Hinblick auf die in § 118 SGB X getroffene Regelung beantwortet werden.

(1) Der Grundsatz, dass sich die Bindungswirkung einer unanfechtbaren Entscheidung auch auf die Zuständigkeit der den Bescheid erlassenden Behörde erstrecken soll, kann nämlich nicht ausnahmslos gelten. So hat der erkennende Senat entschieden, dass eine Bindungswirkung nicht besteht, wenn ein von vornherein unzuständiger Leistungsträger in der irrtümlichen Annahme seiner Zuständigkeit Leistungen aufgrund eines zwar rechtswidrigen, ihn selbst aber bindenden Verwaltungsakts erbringt (Senatsurteil BGHZ 155, 342, 347 f.; Kater in Kasseler Kommentar, SGB X, Stand: Januar 2009, § 116 Rn. 159; vgl. auch Lemcke, r+s 2002, 441, 442 f.). Eine abweichende Betrachtungsweise stünde nicht nur im Widerspruch zu den vom Gesetz getroffenen Zuständigkeitsregelungen, sondern auch zu den in den §§ 102 ff. SGB X enthaltenen Ausgleichsregelungen. Diese schließen die Annahme aus, ein unzuständiger Leistungsträger könne durch eigenes Handeln auf den Anspruchsübergang bzw. dessen Zeitpunkt Einfluss nehmen und auf diese Weise zulasten des zuständigen Leistungsträgers über den Anspruch verfügen (Senatsurteil, BGHZ 155, aaO, S. 348).

(2) Eine vergleichbare Interessenlage kann bestehen, wenn mehrere Leistungsträger ihre Zuständigkeit hinsichtlich gleichartiger sozialversicherungsrechtlicher oder sozialrechtlicher Leistungen beanspruchen. Da sich der Schädiger wegen kongruenter Leistungen nicht einer mehrfachen Inanspruchnahme ausgesetzt sehen soll, kann es erforderlich sein, bei der im Zivilrechtsstreit vorzunehmenden Prüfung eines auf einen Forderungsübergang gemäß § 116 Abs. 1 SGB X gestützten Anspruchs die Zuständigkeit der den Bescheid erlassenden Behörde nachzuprüfen. Eine Bindung an deren Entscheidung über ihre Zuständigkeit kann nämlich nur unter der Voraussetzung gerechtfertigt sein, dass nur ein Leistungsträger seine Zuständigkeit für eine bestimmte Leistung in Anspruch nimmt. Solange der Schädiger nämlich nicht Gefahr läuft, wegen gleichartiger Leistungen mehrfach auf Ersatz in Anspruch genommen zu werden, mag für ihn kein Interesse daran bestehen, die Zuständigkeit gerade des betreffenden Leistungsträgers überprüfen lassen zu können. Insoweit stellt sich für den Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer das System der sozialen Sicherungen mit seinen in §§ 102 ff. SGB X vorgesehenen internen Ausgleichsregelungen als Einheit dar. Wenn jedoch (wie im Streitfall) ein konkurrierender zweiter Leistungsträger seine Zuständigkeit wegen gleichartiger Leistungen - wenn auch zu einem anderen Zeitpunkt - bejaht hat (hier: Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben) und ebenfalls von dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer Ersatz begehrt, muss zur Vermeidung einer möglicherweise sachlich ungerechtfertigten mehrfachen Inanspruchnahme die Zuständigkeit des regressierenden Leistungsträgers im Zivilrechtsstreit nachgeprüft werden können (vgl. Senatsurteil BGHZ 155, aaO, S. 349 f.m.w.N.). Die hierfür erforderlichen Feststellungen wird das Berufungsgericht nachzuholen haben.

3. Da ein Anspruchsübergang auf die Klägerin bereits zum Zeitpunkt des Unfalls erfolgt ist und der Anspruch mithin nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt von der LVA auf die Klägerin übergegangen ist, können sich die Beklagten entgegen der Auffassung der Revision nicht mit Erfolg auf die Grundsätze berufen, die der erkennende Senat für Fälle des Rechtsübergangs auf nachfolgende Leistungsträger und rechtlich analog zu behandelnde Sachverhalte entwickelt hat (vgl. Senatsurteile vom 26. März 1974 - VI ZR 217/72 - VersR 1974, 862; vom 4. April 1978 - VI ZR 252/76 - VersR 1978, 660; vom 9. Juli 1985 - VI ZR 219/83 - VersR 1985, 1083; und vom 8. Dezember 1998 - VI ZR 318/97 - VersR 1999, 382).

4. Der Auffassung der Revision, für den Fall, dass vorliegend weder eine ausschließliche Zuständigkeit der LVA noch eine Rechtsnachfolge - bzw. ein rechtlich analog zu bewertender Sachverhalt - vorliege, müsse sich die Klägerin den von der LVA abgeschlossenen Vergleich in vollem Umfang entgegenhalten lassen, weil sie dann als Gesamtgläubiger anzusehen seien, kann ebenfalls nicht gefolgt werden.

a) Hätten im Jahr 2003 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen von § 11 Abs. 2a Nr. 2 SGB VI vorgelegen, wäre die LVA vorrangig, d.h. im Verhältnis zu der dann nur subsidiär zuständigen Klägerin allein leistungspflichtig gewesen. In diesem Fall wäre für eine Gesamtgläubigerschaft kein Raum.

b) Diese käme gemäß § 117 Satz 1 SGB X vielmehr nur dann in Betracht, wenn die Klägerin im Jahr 2003 zuständiger Leistungsträger gewesen wäre. In diesem Fall wäre der auf sie und die LVA übergegangene Anspruch gemäß § 116 Abs. 3 SGB X begrenzt, wenn, was das Berufungsgericht offen gelassen hat, N. ein Mitverschulden träfe.

Da ein Gesamtgläubiger grundsätzlich nicht über die Forderung der anderen Gesamtgläubiger verfügen kann, wirkt ein Erlassvertrag (§ 397 Abs. 1 BGB), den ein Gesamtgläubiger mit dem Schuldner über die Forderung schließt, nicht für und gegen die anderen Gesamtgläubiger; insoweit ist vielmehr gemäß § 429 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 423 BGB grundsätzlich von einer Einzelwirkung auszugehen (Staudinger/Noack, BGB [2005], § 429, Rn. 18 m.w.N.). Dies gilt auch für einen Abfindungsvergleich, der in der Sache einen Teilerlass einer Forderung einschließt (vgl. Senatsurteil vom 4. März 1986 - VI ZR 234/84 - VersR 1986, 810).

Einem Vergleich, den ein Sozialversicherungsträger mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers über die auf ihn übergegangenen Schadenersatzforderungen schließt, kann nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats allerdings eine eingeschränkte Gesamtwirkung zukommen. Diese erstreckt sich in der Regel auf den Anteil, der dem am Vergleich beteiligten Sozialversicherungsträger im Innenverhältnis zu einem weiteren als Gesamtgläubiger konkurrierenden Leistungsträger zusteht. Das hat zur Folge, dass dieser vom Haftpflichtversicherer aus übergegangenem Recht in der Regel nur noch das verlangen kann, was ihm im Innenverhältnis zum anderen Sozialversicherungsträger zusteht (Senatsurteil vom 4. März 1986 - VI ZR 234/84 - aaO mit Anm. Sieg, Sgb 1986, 397).

5. Nach alledem ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit Feststellungen dazu nachgeholt werden können, ob die Klägerin im Jahr 2003 zuständige Leistungsträgerin war."



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