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OLG Bremen Beschluss vom 14.07.2009 - SsBs 15/09 - Zur Notwendigkeit der Anwesenheit des Verteidigers bei Verlesung des Bußgeldbescheides

OLG Bremen v. 14.07.2009: ur Notwendigkeit der Anwesenheit des Verteidigers bei Verlesung des Bußgeldbescheides


Das OLG Bremen (Beschluss vom 14.07.2009 - SsBs 15/09) hat entschieden:
Ist in der Hauptverhandlung eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich, ob das Ergebnis eines Blutalkoholgutachtens wegen Verletzung des Richtervorbehalts einem Verwertungsverbot unterliegt, ist wegen der Schwierigkeit der Rechtslage von einem Fall notwendiger Verteidigung auszugehen. Wenn ein Fall notwendiger Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO vorliegt, der Betroffene aber nur durch einen Wahlverteidiger vertreten ist, zählt dieser zu den Personen, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt. Im Bußgeldverfahren tritt durch die Verweisungsnorm des § 71 Abs. 1 OWiG an die Stelle des Anklagesatzes der Bußgeldbescheid. Die Verlesung ist ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung. Die Abwesenheit des Wahlverteidigers während der Verlesung des Bußgeldbescheides in einem derartigen Verfahren ist ein absoluter Revisionsgrund.


Siehe auch Beigeordneter Rechtsanwalt / Pflichtverteidiger und Die Vollmacht des Rechtsanwalts


Entscheidungsgründe:

Das Amtsgericht Bremen verurteilte den Betroffenen am 13.11.2008 wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit (Führen eines Kraftfahrzeuges unter Wirkung des berauschenden Mittels Kokain) zu einer Geldbuße von € 500,00. Darüber hinaus ordnete das Amtsgericht ein Fahrverbot von 3 Monaten an.

Mit der am 20.11.2008 eingelegten Rechtsbeschwerde hat der Betroffene die Sach- und die Verfahrensrüge erhoben. Letztere begründete er durch Schriftsatz vom 08.01.2009, eingegangen am 09.01.2009, mit einem Verstoß gegen §§ 338 Nr. 5, 140 Abs. 2 StPO.

In ihrer Stellungnahme vom 02.05.2009 hat die Generalstaatsanwaltschaft zur Rechtsbeschwerde des Betroffenen ausgeführt:
„a) Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 und 2 OWiG), form- und fristgerecht eingelegt (§ 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 341 StPO) und begründet (§ 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. §§ 344, 345 StPO) und damit zulässig. Sie erweist sich auch als begründet.

b) Der Betroffene behauptet in verfahrensrechtlicher Hinsicht das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes des § 338 Nr. 5 StPO (i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG), weil ein Fall notwendiger Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO (i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG) vorgelegen habe, die Beiordnung eines Pflichtverteidigers abgelehnt worden sei und sein Wahlverteidiger während eines wesentlichen Teils der Hauptverhandlung nicht anwesend gewesen sei.

Nach § 79 Abs. 3 OWiG, § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO sind bei einer Verfahrensrüge die den Mangel enthaltenden Tatsachen anzugeben. Das muss so genau geschehen, dass das Revisionsgericht auf Grund der Darlegung das Vorhandensein - oder Fehlen - eines Verfahrensmangels feststellen kann, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen sind oder bewiesen werden ( OLG Hamm NStZ-RR 2001, 373). Erhebt der Betroffene die formelle Rüge der §§ 338 Nr. 5, 140 Abs. 2 StPO und macht geltend, er sei in der Hauptverhandlung trotz des Vorliegens eines Falls der notwendigen Verteidigung nicht anwaltlich vertreten gewesen, so muss er die Tatsachen mitteilen, die zur Prüfung der Frage erforderlich sind, ob ihm ein Pflichtverteidiger hätte beigeordnet werden müssen ( OLG Hamm NStZ-RR 2001, 373) und während welchen Teils der Hauptverhandlung kein Verteidiger anwesend war (vgl. BGHSt 84, 91, dort in Bezug auf die zeitweise Abwesenheit des Angeklagten). Vor allem gehört zum Sachvortrag der Rüge nach § 338 Nr. 5 StPO die Darlegung der Verfahrensvorgänge, die sich in Abwesenheit der Beteiligten ereignet haben, damit das Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob sie „wesentlich“ waren (Dahs/Dahs, Die Revision im Strafprozess, 7. Aufl., Rn. 194).

Die Rechtsbeschwerdebegründung des Betroffenen enthält jeweils im Wortlaut seinen Antrag vom 12.11.2008 auf Bestellung eines Pflichtverteidigers und den in der Hauptverhandlung vom 13.11.2008 verkündeten Ablehnungsbeschluss. Das Hauptverhandlungsprotokoll, aus dem sich ergibt, wann kein Verteidiger anwesend war, ist zwar nicht wörtlich wiedergegeben, aber in der Rechtsbeschwerdebegründung sind alle in dieser Zeit erfolgten Verfahrensvorgänge dargelegt. Damit ist die Rüge zulässig erhoben.

Den in der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers wies das Amtsgericht Bremen mit der Beschlussbegründung zurück, der Sachverhalt sei sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht einfach gelagert. Auch die Frage der Verwertbarkeit der entnommenen Blutprobe führe nicht zu einer besonders schwierigen Sach- oder Rechtslage. Diese Auffassung war fehlerhaft.

Ist in der Hauptverhandlung eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich, ob das Ergebnis eines Blutalkoholgutachtens wegen Verletzung des Richtervorbehalts einem Verwertungsverbot unterliegt, ist wegen der Schwierigkeit der Rechtslage von einem Fall notwendiger Verteidigung auszugehen ( LG Schweinfurt StV 2008, 492 = StraFo 2008, 331; OLG Brandenburg NJW 2009, 1287). Ein solcher Fall war vorliegend gegeben, denn dem Urteil zufolge war die am 05.10.2007 um 20:10 Uhr erfolgte Blutentnahme von der Polizeibeamtin Henning ohne Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft Bremen und folglich ohne staatsanwaltschaftliche oder richterliche Anordnung angeordnet worden. Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.02.2007 ( NJW 2007, 1345) ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, welche Folgen sich aus einer fehlerhaften Annahme polizeilicher Eilkompetenz nach § 81a Abs. 2 StPO für die Verwertbarkeit des so gewonnenen Beweismittels ergeben (vgl. zuletzt OLG München, Beschluss vom 05.02.2009 - 4 St RR 165/08 - [kein Beweisverwertungsverbot]; LG Schwerin, Beschluss vom 09.02.2009 - 33 Qs 9/09 - [Beweisverwertungsverbot]; OLG Celle, Beschluss vom 12.02.2009 - 322 Ss Bs 300/08 - [kein Beweisverwertungsverbot]; OLG Hamm, Beschluss vom 12.03.2009 - 3 Ss 31/09 - [Beweisverwertungsverbot]; OLG Bamberg, Beschluss vom 19.03.2009 - 2 Ss 15/09 - [kein Beweisverwertungsverbot]; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 25.03.2009 - 1 Ss 15/09 - [kein Beweisverwertungsverbot]).

Nach Verkündung des seine Beiordnung als Pflichtverteidiger ablehnenden Beschlusses verließ der Wahlverteidiger des Betroffenen den Sitzungssaal.

Wenn ein Fall notwendiger Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO vorliegt, der Betroffene aber nur durch einen Wahlverteidiger vertreten ist, zählt dieser zu den Personen, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt ( BGHSt 15, 306. 307 f.; OLG Hamm StV 1989, 56; LR- Hanack25 § 338 StPO Rn. 94). Abwesenheit im Sinne des § 338 Nr. 5 StPO ist schon gegeben, wenn ein notwendiger Beteiligter nur bei einem Teil der Hauptverhandlung nicht zugegen ist (LR-Hanack a.a.O. Rn. 84). Allerdings gestattet der absolute Revisionsgrund der vorschriftswidrigen Abwesenheit nur dann keine Prüfung der Beruhensfrage (§ 337 Abs. 1 StPO), wenn der Verfahrensverstoß einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung betrifft ( BGHSt 9, 243, 244; BGHSt 26, 84, 91; BGH StV 1986, 465; BGH NStZ 1987, 135 f.; OLG Oldenburg StV 1995, 345, 346; LR-Hanack a.a.O. Rn. 84, 95).

Während der laut Protokoll einminütigen Abwesenheit des Wahlverteidigers wurde der Bußgeldbescheid vom 10.12.2007 verlesen, festgestellt, dass der Betroffene rechtzeitig dagegen Einspruch erhoben hatte, und der Betroffene nach § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO belehrt, woraufhin er erklärte, keine Aussage machen zu wollen. Sodann betrat der Verteidiger wieder den Sitzungssaal und setzte die Verteidigung bis zum Ende der Hauptverhandlung fort.

Unter Hinweis auf immer dieselbe und einzige Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29.06.1956 ( BGHSt 9, 243 = NJW 1956, 1366) wird in der Literatur ohne weitere Begründung die Verlesung des Anklagesatzes als wesentlicher Teil der strafrechtlichen Hauptverhandlung angesehen (Meyer-Goßner51 § 338 StPO Rn, 37; LR-Hanack25, § 338 StPO Rn. 84; KK- Kuckein6, § 338 StPO Rn. 74: SK-StPO / Fritsch § 338 Rn. 105; Sarstedt/Hamm, Die Revision in Strafsachen, 6. Aufl., Rn. 378). Tatsächlich sagt der Bundesgerichtshof in dem Urteil nichts darüber, ob die Verlesung des Anklagesatzes einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung darstellt. Vielmehr werden nur die Vernehmung des Angeklagten zur Person und Sache, die (damals nach § 243 Abs. 2 StPO noch vorgeschriebene) Verlesung des Eröffnungsbeschlusses und die Beweisaufnahme als wesentliche Teile der Hauptverhandlung bezeichnet. Erst ein Blick auf die im Jahre 1956 geltende Fassung des § 207 Abs. 1 StPO bringt Aufklärung darüber, dass damals der Verlesung des Eröffnungsbeschlusses die Informationsfunktion zukam, die heute die Verlesung des Anschuldigungssatzes (der damals nach § 243 StPO nicht zu verlesen war) hat. § 207 Abs. 1 StPO lautete im Jahr 1956:
„In dem Beschluß, durch den das Hauptverfahren eröffnet wird, ist die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter Hervorhebung ihrer gesetzlichen Merkmale und des anzuwendenden Strafgesetzes sowie das Gericht zu bezeichnen, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll.“

Zum Zweck der Verlesung des Eröffnungsbeschlusses hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 09.12.1955 ( BGHSt 8, 283, 284 = NJW 1956, 354) ausgeführt:
„Der Eröffnungsbeschluss bildet die Grundlage der Verhandlung und Entscheidung. Er soll Richter, die hierbei mitwirken, darüber unterrichten, auf welchen geschichtlichen Vorgang sich das Verfahren bezieht, und den Prozessbeteiligten darüber Gewißheit geben, auf welche Tat sie ihr Angriffs- und Verteidigungsverhalten einzurichten haben.“

Denselben Zweck hat heute die Verlesung des Anklagesatzes (vgl. BGH NStZ 1995, 200, 201; KK-Kuckein6 § 243 StPO Rn. 20). Damit wird klar, dass die Verlesung des Anklagesatzes nach § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO an die Stelle der damals vorgeschriebenen Verlesung des Eröffnungsbeschlusses getreten ist und folglich wie jene einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung darstellt.

Im Bußgeldverfahren tritt durch die Verweisungsnorm des § 71 Abs. 1 OWiG an die Stelle des Anklagesatzes der Bußgeldbescheid (Göhler15 § 71 OWiG Rn. 35; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 71 Rn. 13). Bei Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ist in der Hauptverhandlung deshalb grundsätzlich die im Bußgeldbescheid enthaltene Beschuldigung (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 und 3 OWiG) zu verlesen, wobei unter den Voraussetzungen des § 78 Abs. 1 Satz 1 OWiG statt der Verlesung des Bußgeldbescheids auch die Bekanntgabe des wesentlichen Inhalts in Betracht kommt (Göhler a.a.O.). Dadurch wird der Gegenstand der Verhandlung umgrenzt (Rebmann/Roth/Herrmann a.a.O.), denn nach der Übersendung der Akten durch die Staatsanwaltschaft an das Gericht übernimmt der Bußgeldbescheid im Bußgeldverfahren die Funktion der Anklageschrift im Strafprozess; er grenzt das Verfahren in persönlicher und sachlicher Hinsicht gegenüber anderen Personen und Taten ab ( OLG Köln NJW 1970, 961).

In Anbetracht derselben Funktion der Verlesung des Anklagesatzes im Strafprozess und der Verlesung der im Bußgeldbescheid enthaltenen Angaben zur Person des Betroffenen und zur Tat im Bußgeldverfahren muss im Bußgeldverfahren die Verlesung des Bußgeldbescheids bzw. die Bekanntgabe seines wesentlichen Inhalts ebenso als wesentlicher Teil der Hauptverhandlung angesehen werden wie die Verlesung des Anklagesatzes im Strafverfahren. Damit greift die Rüge der Verletzung von §§ 338 Nr. 5, 140 Abs. 2 StPO, §§ 46 Abs. 1, 79 Abs. 3 OWiG durch, ohne dass es darauf ankommt, ob das Urteil auf dem Verfahrensfehler der Abwesenheit des Verteidigers bei diesem Teil der Hauptverhandlung beruht.

c) Der Betroffene hat in allgemeiner Form die Verletzung sachlichen Rechts gerügt. Die Überprüfung des Urteils in sachlich-rechtlicher Hinsicht deckt ebenfalls einen den Betroffenen beschwerenden Rechtsfehler auf, der für sich genommen allerdings nur zur Aufhebung des Urteils im Rechtsfolgenausspruch hätte führen müsste.

aa) Der Schuldspruch ist nicht zu beanstanden. Insofern lässt die Nachprüfung des Urteils in sachlich-rechtlicher Hinsicht keine den Betroffenen beschwerenden Rechtsfehler erkennen.

Nach § 24a Abs. 2 Satz 1 StVG handelt ordnungswidrig, wer unter der Wirkung eines der in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Nach § 24a Abs. 2 Satz 2 StVG liegt eine solche Wirkung vor, wenn eine in der Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird. Zu den in der Anlage zu § 24a StVG aufgeführten berauschenden Substanzen gehört Benzoylecgonin, das in einer Konzentration von 90 ng/ml Serum im Blut des Betroffenen festgestellt wurde; einem über dem von der sog. Grenzwertkommission festgelegten Wert von 75 ng/mg Blutserumkonzentration, ab dem von einer Einschränkung der Fahrtüchtigkeit auszugehen ist. Das Amtsgericht hat für den Schuldspruch ausreichende, objektiv nachvollziehbare tatsächliche Feststellungen getroffen und diese mit einer fehlerfreien Beweiswürdigung belegt.

Die von dem Betroffenen im Rahmen der Verfahrensrüge einer Verletzung von §§ 338 Nr. 5, 140 Abs. 2 StPO im Zusammenhang mit der Schwierigkeit der Rechtslage thematisierte Frage, ob die Anordnung einer Blutentnahme nach § 81a StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG durch einen Polizeibeamten als Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt (vgl. dazu BVerfG NJW 2007, 1345 f.) zu einem Beweisverwertungsverbot führt, wäre vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf eine entsprechende Verfahrensrüge hin zu prüfen (Hans. OLG Hamburg NZV 2008, 362; OLG Hamm NJW 2009, 242; LR-Krause26 § 81a StPO Rn. 101; Meyer-Goßner51 § 81a StPO Rn. 34). Eine solche Rüge ist nicht erhoben. Im Übrigen folgen Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend der vom Amtsgericht Bremen vertretenen Ansicht, dass selbst ein bewiesenes Beweiserhebungsverbot nur in Ausnahmefällen, wenn die Durchführung der Maßnahme auf einer bewussten Umgehung des Richtervorbehalts und willkürlichen Annahme von Gefahr im Verzug beruht, zu einem Beweisverwertungsverbot führen könnte (vgl. BVerfG NZV 2008, 636; Hans. OLG Hamburg NZV 2008, 362, 364; OLG Stuttgart VRS 113, 365, 367; OLG Köln DAR 2008, 710; LR-Krause a.a.O. Rn. 94; Meyer-Goßner a.a.O. Rn. 32, KK- Senge6 § 81a StPO Rn. 14).

bb) Der Rechtsfolgenausspruch hält einer sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Nr. 242.1 des Bußgeldkatalogs sieht für das Führen eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung eines in der Anlage zu § 24a Abs. 2 StVG genannten berauschenden Mittels im Wiederholungsfall eine Geldbuße von 500 Euro und ein Fahrverbot von drei Monaten vor, also die vom Amtsgericht verhängte Sanktion, Nach § 1 Abs. 2 BKatV handelt es sich bei den im Bußgeldkatalog bestimmten Beträgen um Regelsätze, die von fahrlässiger Begehung und gewöhnlichen Tatumständen ausgehen.

Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 OWiG sind Grundlage für die Bemessung der Geldbuße die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Betroffenen trifft. Je nach Bedeutung der Ordnungswidrigkeit kommen daneben auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters in Betracht; bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten bleiben sie jedoch in der Regel unberücksichtigt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG). Die Geringfügigkeitsgrenze im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG, bis zu deren Höhe bei der Bemessung der Geldbuße in der Regel die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen unberücksichtigt bleiben können, ist nach überwiegender Rechtsprechung derzeit bei 250 Euro anzusetzen (Hans. OLG Bremen. Beschluss vom 17.02.2006 - Ss (B) 51/05 -; OLG Köln DAR 2005, 699; BayObLG DAR 2004, 593; OLG Frankfurt/Main ZfSch 2004, 283; OLG Thüringen VRS 108, 220 und 269; KG VRS 111, 202). Das Amtsgericht hat die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen festgestellt. Er ist ledig, kinderlos, hat keine Unterhaltsverpflichtungen und verdient monatlich etwa 1 300 Euro netto. Dass das Gericht unter ausdrücklicher Berücksichtigung dieser Verhältnisse keinen Anlass gesehen hat, von der Regelgeldbuße abzuweichen, ist nicht zu beanstanden.

Die Verhängung eines dreimonatigen Fahrverbots ist insofern rechtsfehlerhaft, als die Begründung dafür unzureichend ist.

Nach § 4 Abs. 3 BKatV ist bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24a StVG ein Fahrverbot in der Regel mit der in den Nummern 241, 241.1 , 241.2, 242, 242.1 und 242.2 des Bußgeldkatalogs vorgesehenen Dauer anzuordnen.

In den Fällen, in denen der Bußgeldkatalog ein Regelfahrverbot vorsieht, bedarf es grundsätzlich keiner näheren Feststellungen dazu, ob der durch das Fahrverbot angestrebte Erfolg auch mit einer höheren Geldbuße hätte erreicht werden können ( BGHSt 38, 125, 136; Hans. OLG Bremen, Beschluss vom 21.07.2005 - Ss (B) 12/05 -). Der Tatrichter muss sich aber einer solchen Möglichkeit bewusst sein und dies in den Entscheidungsgründen zu erkennen geben ( BGHSt 38, 125, 136; 38, 231, 236; Hans. OLG Bremen a.a.O.; OLG Köln NZV 2001, 391 f.). Das ist hier nicht geschehen. Das Amtsgericht hat nur festgestellt, dass kein Anlass bestand, von dem Regelfahrverbot abzuweichen. Ob damit die Möglichkeit, das Regelfahrverbot zu reduzieren oder die Möglichkeit, das Fahrverbot gegen eine angemessene Erhöhung des Bußgeldes gemäß § 4 Abs. 4 BKatV vollständig entfallen zu lassen, gemeint war, ist unklar. In einem neuen Urteil müsste der Tatrichter zumindest klar zu erkennen geben, dass ihm die letztgenannte Möglichkeit bewusst war.

Letztlich ist für die neue Verhandlung auch noch darauf hinzuweisen, dass der Tatrichter, sollte es zu einer erneuten Verurteilung des Betroffenen wegen Führens eines Kraftfahrzeugs unter Wirkung eines berauschenden Mittels kommen, in der Urteilsformel neben der rechtlichen Bezeichnung der Tat die Schuldform anzugeben hätte (Hans. OLG Bremen, Beschluss vom 03.12.2008 - Ss (B) 70/08 -; Göhler15 § 71 OWiG Rn. 41 m.w.N.).

Das angefochtene Urteil ist wegen der durchgreifenden Verfahrensrüge insgesamt mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 353 StPO). Gemäß § 79 Abs. 6 OWiG ist die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Bremen zurückzuverweisen, wobei kein Anlass besteht, von der Möglichkeit einer Zurückverweisung an einen anderen Richter des Amtsgerichts Bremen (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 354 Abs. 2 StPO) Gebrauch zu machen.“
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an. Das angefochtene Urteil ist nach alledem mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 353 StPO). Die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Bremen zurückzuverweisen (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 354 Abs. 2 StPO), wobei kein Anlass besteht, eine Zurückverweisung an einen anderen Richter des Amtsgerichts Bremen auszusprechen (§ 79 Abs. 6 OWiG).

Eine Kostenentscheidung konnte der Senat nicht treffen, weil der Erfolg des Rechtsmittels aufgrund der Zurückverweisung noch ungewiss ist. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens war deshalb dem Amtsgericht zu übertragen (vgl. KK - Franke, StPO S. Auflage, § 464 Rn. 3).