Das Verkehrslexikon

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OVG Lüneburg Beschluss vom 07.06.2010 - 12 ME 44/10 - Kein Verwertungsverbot für Videoaufnahmen mit dem Gerät VKS 3.0

OVG Lüneburg v. 07.06.2010: Kein Verwertungsverbot für Videoaufnahmen mit dem Gerät VKS 3.0


Das OVG Niedersachsen in Lüneburg (Beschluss vom 07.06.2010 - 12 ME 44/10) hat entschieden:
Die Gründe, wonach die Abstandsmessung mangels gesetzlicher Grundlage als unzulässiger Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung anzusehen sei und wegen der Schwere dieses Eingriffs im Ordnungswidrigkeitenverfahren einem Verwertungsverbot unterliege, lassen sich auf Verfahren, die ausschließlich der Gefahrenabwehr dienen, nicht ohne Weiteres übertragen. Zwar muss die Behörde auch im Verwaltungsverfahren bei ihrer Ermittlungstätigkeit die sich aus Gesetzen, allgemeinen Verfahrensgrundsätzen und Grundrechten ergebenden Grenzen beachten, ein ausdrückliches Verwertungsverbot sieht die StVZO für rechtswidrig erlangte Erkenntnisse über begangene Verkehrszuwiderhandlungen indes nicht vor. Soweit verfahrensrechtliche Mängel bei der Abstandsmessung in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren zu Lasten des staatlichen Verfolgungsinteresses durchgeschlagen wären, kann deshalb Gleiches nicht für das nachfolgende Verfahren über die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage gelten.


Siehe auch Vidit/VKS und Verwertungsverbote


Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist Halterin des Kraftfahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen D.. Mit dem Fahrzeug soll am 3. April 2009 in Ganderkesee auf der Bundesautobahn A 28 bei einer Geschwindigkeit von 121 km/h der erforderliche Abstand von 60,5 m zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht eingehalten worden sein. Nach Auswertung des von dem Autobahnpolizeikommissariat E. eingesetzten Verkehrskontrollsystems VKS 3.0 der Firma V. soll der Abstand (nach Toleranzabzug) 25 m und damit weniger als 5/10 des halben Tachowertes betragen haben. Mit Verfügung vom 9. Dezember 2009 ordnete die Antragsgegnerin nach Anhörung der Antragstellerin für das betroffene Fahrzeug oder ein dafür eingesetztes Ersatz- oder Nachfolgefahrzeug für die Dauer von sechs Monaten das Führen eines Fahrtenbuches und zudem die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme an, weil der verantwortliche Fahrzeugführer bei dem Verkehrsverstoß nicht habe ermittelt werden können.

Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid erhobenen Anfechtungsklage der Antragstellerin wiederhergestellt und zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die im Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung falle zu Lasten der Antragsgegnerin aus, weil die angegriffene Verfügung im Hauptsacheverfahren voraussichtlich keinen Bestand haben werde. Die Voraussetzungen des § 31a StVZO für die Anordnung der Führung eines Fahrtenbuches seien nicht erfüllt. Eine Zuwiderhandlung im Sinne der Vorschrift sei nicht erwiesen. Die Methode, mit der die in Rede stehende Unterschreitung des Mindestabstands gemessen worden sei, sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als verfassungswidrig anzusehen. Insoweit hat sich das Verwaltungsgericht auf die Begründung in dem Beschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 27. November 2009 (Ss Bs 186/09 -, DAR 2010, 32) bezogen, in dem dieses sich mit der Frage der Verfassungsgemäßheit von Abstandsmessungen mit dem Verkehrskontrollsystem 3.0 der Firma V. befasst hat. Selbst wenn mit dem Fahrzeug die von der Antragsgegnerin geltend gemachte Unterschreitung des gebotenen Mindestabstands begangen worden sei, sei die Abstandsunterschreitung wegen Verfassungswidrigkeit der Messmethode nicht ahndungsfähig. Insoweit sei die Vorschrift des § 31a StVZO nicht anwendbar. Im Übrigen fehle es jedenfalls an einem Verstoß, der hinreichend gravierend im Sinne des § 31a StVZO sei. Aufgrund des eigenen Vortrags der Antragstellerin könne auf das Begehen der Zuwiderhandlung nicht geschlossen werden, weil das Vorbringen erst nach Einstellung des Bußgeldverfahrens und nach Eintritt der Verfolgungsverjährung angebracht worden sei.

Mit ihrer dagegen erhobenen Beschwerde macht die Antragsgegnerin geltend, die Anwendbarkeit des § 31a Abs. 1 StVZO setze nicht voraus, dass der zugrundeliegende Verkehrsverstoß in einem straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfahren geahndet werden könne und der Ahndung ein Beweisverwertungsverbot nicht entgegenstehen könnte. Der Nachweis des Verkehrsverstoßes müsse im Fahrtenbuchverfahren gesondert geprüft werden, insoweit sei auch die Frage eines Beweisverwertungsverbotes eigenständig zu beurteilen. Dieses komme hier nicht in Betracht, vielmehr müsse der in Rede stehende Verkehrsverstoß im Interesse der Allgemeinheit an einem möglichst sicheren Straßenverkehr als begangen zugrunde gelegt werden.


II.

Auf der Grundlage des Beschwerdevortrags, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ist bei der im gerichtlichen Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage davon auszugehen, dass sich die gegen die Antragstellerin verfügte Fahrtenbuchauflage im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen wird. Deshalb muss das Interesse der Antragstellerin an einer Aussetzung der Vollziehung des Bescheides gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung zurücktreten, welches die Antragsgegnerin gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hinreichend begründet hat.

Die Verwaltungsbehörde kann nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO gegenüber einem Fahrzeughalter die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Das ist der Fall, wenn die Behörde nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage war, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen hat. Art und Umfang der Ermittlungstätigkeit der Behörde können sich dabei an dem Verhalten und der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so ist es der Behörde regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (BVerwG, Urt. v. 17.12.1982 - 7 C 3.80 -, VRS 64, 466; Beschl. v. 21.10.1987, - 7 B 162.87 -, VRS 74, 233; ebenso st. Rspr. d. Sen.).

Nach diesen Maßstäben spricht Überwiegendes dafür, dass mit dem Fahrzeug der Antragstellerin am 3. April 2009 die in Rede stehende Unterschreitung des einzuhaltenden Sicherheitsabstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug und damit eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO begangen wurde. Der Verkehrsverstoß wurde mit dem Verkehrskontrollsystem VKS 3.0 der Firma V. festgehalten und lässt sich anhand der beigezogenen Auszüge aus dem Bußgeldvorgang hinreichend nachvollziehen. Entgegen dem Verwaltungsgericht steht der Zugrundelegung des Verkehrsverstoßes im vorliegenden Verfahren ein Beweisverwertungsverbot nicht entgegen. Die vom Oberlandesgericht Oldenburg in dem vom Verwaltungsgericht zitierten Beschluss vom 27. November 2009 angeführten Gründe, wonach die Abstandsmessung mangels gesetzlicher Grundlage als unzulässiger Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung anzusehen sei und wegen der Schwere dieses Eingriffs im Ordnungswidrigkeitenverfahren einem Verwertungsverbot unterliege, lassen sich auf Verfahren, die wie hier ausschließlich der Gefahrenabwehr dienen, nicht ohne Weiteres übertragen (vgl. Beschl. d. Sen. v. 15.3.2010 - 12 ME 37/10 -, NJW 2010, 1621). In dem Beschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg heißt es, dass die Messdaten, deren Verwertung in Rede stehe, unter Verstoß gegen ein Beweiserhebungsverbot gewonnen worden seien. Ein solches ziehe nach allgemeiner Auffassung im strafprozessualen Bereich nicht zwangsläufig ein Verwertungsverbot nach sich. Diese schwerwiegende verfahrensrechtliche Folge werde vielmehr nur in Ausnahmefällen als gerechtfertigt angesehen. Ein Beweisverwertungsverbot werde lediglich anerkannt, wenn dahingehende ausdrückliche gesetzliche Vorschriften bestünden oder wichtige übergeordnete Gründe dies geböten. Ob letzteres der Fall sei, bestimme sich jeweils nach den Umständen des Einzelfalles. In die in diesem Zusammenhang vorzunehmende Abwägung zwischen dem Interesse des Staates und der Allgemeinheit an der Verwertung aller in Betracht kommenden Beweismittel zum Zwecke der Aufklärung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten einerseits und den durch das Erhebungsverbot geschützten Individualinteressen andererseits seien insbesondere die Art des Erhebungsverbotes, das Gewicht des in Frage stehenden Verfahrensverstoßes und die Bedeutung der im Übrigen betroffenen Rechtsgüter einzustellen. Vorliegend stelle sich der Verfahrensverstoß als schwerwiegend dar. Weiterhin heißt es, dass die Verkehrsverstöße, zu deren Ahndung das Messverfahren VKS 3.0 eingesetzt werde - so auch der in jenem Verfahren in Rede stehende Verstoß - in der Regel nur von untergeordneter Bedeutung seien. Zwar treffe es zu, dass Abstandsunterschreitungen, insbesondere bei starker Verkehrsdichte und hohen Geschwindigkeiten, gefahrträchtig seien und nachhaltiger Verfolgung bedürften, doch handele es sich ungeachtet dessen jedenfalls im vorliegenden Falle um eine Ordnungswidrigkeit, welche dem unteren bis mittleren Schweregrad der Verkehrsordnungswidrigkeiten zuzuordnen sei und deren Verfolgung sich im konkreten Fall nicht als derart vordringlich darstelle, dass schwerwiegende Grundrechtseingriffe hinzunehmen wären. Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob der Verfahrensverstoß - sein Vorliegen unterstellt (vgl. demgegenüber OLG Hamm, Beschl. v. 22.12.2009 - 1 Ss OWi 960/09 -, DAR 2010, 212, sowie zum sog. Brückenabstandsmessverfahren VAMA: OLG Bamberg, Beschl. v. 16.11.2009 - 2 Ss OWi 1215/2009 u.a. -, NJW 2010, 100, und zum Abstandsmessverfahren ViBrAM-BAMAS: OLG Stuttgart, Beschl. v. 29.01.2010 - 4 Ss 1525/09 -, DAR 2010, 148) - unter den hier gegebenen Umständen im Sinne des Ordnungswidrigkeitenrechts als schwerwiegend anzusehen ist. Selbst wenn man dies bejahte und ein strafprozessuales Verwertungsverbot annehmen wollte, bedeutete das nicht, dass im vorliegenden Zusammenhang eine entsprechende Beurteilung geboten wäre. Zwar muss die Behörde auch im Verwaltungsverfahren bei ihrer Ermittlungstätigkeit die sich aus Gesetzen, allgemeinen Verfahrensgrundsätzen und Grundrechten ergebenden Grenzen beachten (vgl. Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 24 Rdn. 30), ein ausdrückliches Verwertungsverbot sieht die StVZO für rechtswidrig erlangte Erkenntnisse über begangene Verkehrszuwiderhandlungen indes nicht vor. Ebenso wie im Strafprozess- und Ordnungswidrigkeitenrecht kann ein solches Verbot nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls unter Abwägung der gegenläufigen Interessen angenommen werden, wobei in Verwaltungsverfahren, die der Gefahrenabwehr dienen wie etwa die Entziehung der Fahrerlaubnis oder hier die Anordnung einer Auflage zum Führen eines Fahrtenbuches, nicht ohne Weiteres dieselben Maßstäbe wie im repressiven Bereich des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts gelten (vgl. Beschl. d. Sen. v. 14.8.2008 - 12 ME 183/08 -, VD 2008, 242; v. 5.11.2009 - 12 ME 237/09 -; v. 19.1.2010 - 12 PA 251/09 -; v. 15.3.2010, a. a. O.). Die an den Fahrzeughalter als den Inhaber der Verfügungsbefugnis über das Fahrzeug gerichtete Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, ist eine Maßnahme zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs, mit der dafür Sorge getragen werden soll, dass künftig die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten möglich ist (BVerwG, Beschl. v. 23.6.1989 - 7 B 90.89 -, Buchholz 442.16 § 31a StVZO Nr. 20; Beschl. d. Sen. v. 15.10.2003 - 12 LA 416/03 -, NJW 2004, 1124). An der Abwendung von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs besteht ein erhebliches öffentliches Interesse, welches es rechtfertigt, dass die zuständige Verwaltungsbehörde auch verfahrensfehlerhaft ermittelte Verkehrsverstöße zur Grundlage ordnungsrechtlicher Anordnungen machen kann. Soweit verfahrensrechtliche Mängel bei der Abstandsmessung in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren zu Lasten des staatlichen Verfolgungsinteresses durchgeschlagen wären, kann deshalb Gleiches nicht für das nachfolgende Verfahren über die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage gelten (vgl. zum Ganzen grundlegend im Zusammenhang mit der Verwertung von unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt nach § 81a StPO angeordneten Blutentnahmen im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren: Beschl. d. Sen. v. 16.12.2009 - 12 ME 234/09 -, zfs 2010, 114). Der mit dem Fahrzeug der Antragstellerin begangene Verkehrsverstoß am 3. April 2009 kann deshalb als Zuwiderhandlung im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO angesehen werden unabhängig davon, ob seiner Ahndungsfähigkeit im Ordnungswidrigkeitenverfahren ein Beweisverwertungsverbot entgegengestanden hat.

Durchgreifende Bedenken gegen die angegriffene Verfügung bestehen auch im Übrigen nicht. Der Vortrag der Antragstellerin, ihr Fahrzeug sei bei dem Vorfall am 3. April 2009 von dem vorausfahrenden Fahrzeug behindert worden, weil dieses bei einer vergleichsweise langsamen Geschwindigkeit von etwa 120 km/h nicht von der linken auf die rechte Fahrspur gewechselt sei, hat die Antragsgegnerin zu Recht als unbeachtlich angesehen. Dieser Umstand konnte den Verkehrsverstoß ebenso wenig rechtfertigen wie ein etwaiges vorschriftswidriges Heranfahren des nachfolgenden Verkehrs an das Fahrzeug der Antragstellerin. Dass sich der Fahrer des Tatfahrzeugs zur Begehung des Verkehrsverstoßes genötigt gefühlt haben soll - so der Vortrag der Antragstellerin -, lässt sich anhand des bei dem Verkehrsverstoß gefertigten Bildmaterials nicht nachvollziehen, weil für das Fahrzeug die Möglichkeit bestand, auf die rechte Fahrspur zu wechseln. Davon abgesehen wäre der Umstand, wie die Antragstellerin selbst vorträgt, allenfalls relevant für den Schuldvorwurf im Ordnungswidrigkeitenverfahren, während es im Rahmen des § 31a StVZO darauf ankommt, ob der objektive Tatbestand einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften gegeben ist. Feststellungen zum Vorsatz oder zur Schuld des Fahrzeugführers können im Zusammenhang mit einer Fahrtenbuchauflage nicht getroffen werden, weil dies die Ermittlung des Fahrzeugführers voraussetzen würde (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 5.9.2005 - 8 A 1893/05 -, DAR 2005, 708).

Die Antragsgegnerin ist weiterhin zu Recht davon ausgegangen, dass die Feststellung des Fahrzeugführers bei der Zuwiderhandlung am 3. April 2009 nicht möglich im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO war. An der gebotenen Mitwirkung des Fahrzeughalters daran, den Fahrzeugführer zu bezeichnen, fehlt es regelmäßig bereits dann, wenn der Fahrzeughalter den Anhörungsbogen der Ordnungswidrigkeitenbehörde nicht zurücksendet oder weitere Angaben zum Personenkreis der Fahrzeugbenutzer nicht macht. Darin liegt die konkludente Erklärung, sich zur Sache nicht äußern zu wollen. Der Behörde werden in diesen Fällen weitere Ermittlungsversuche, die über die Anhörung des Fahrzeughalters hinausgehen, grundsätzlich nicht zugemutet (st. Rspr. d. Sen., vgl. nur Beschl. v. 8.11.2004 - 12 LA 72/04 -, DAR 2005, 231 und v. 31.10.2006 - 12 LA 463/05 -, VerkMitt 2007, Nr. 6). Die Antragstellerin muss sich ein nicht hinreichendes Mitwirken in diesem Sinne entgegenhalten lassen. Nachdem ihr unter dem 17. April 2009 ein Zeugenfragebogen zu dem Verkehrsverstoß zugesandt worden war, hat sie weiterführende Hinweise darauf, wer der Fahrzeugführer zum Zeitpunkt des Verkehrsverstoßes war, nicht gemacht und hat auch in ihrem Schreiben vom 23. Juni 2009 den in Betracht kommenden Personenkreis über die pauschale Angabe hinaus, sie verleihe ihren Pkw fast nur an Verwandte, nicht konkret eingegrenzt. Eine eindeutige Identifizierung des Fahrzeugführers anhand des bei dem Verkehrsverstoß gefertigten Fahrerfotos war - auch durch Abgleich mit dem von der Meldebehörde übermittelten Foto des Ehemannes der Antragstellerin - ebenfalls nicht möglich, weil auf dem gefertigten Fahrerfoto das Gesicht des Fahrzeugführers nicht vollständig abgebildet und außerdem wegen des von der Sonnenblende geworfenen Schattens nur verdunkelt zu erkennen ist. Das Schreiben des Ehemannes der Antragstellerin vom 3. Juli 2009, in dem dieser erklärt hat, er glaube nun, zu dem maßgeblichen Zeitpunkt den Pkw gesteuert zu haben, hat die Ordnungswidrigkeitenbehörde vor Ablauf der Verjährungsfrist nach § 26 Abs. 3 StVG nicht erreicht, so dass auch damit die Feststellung des Fahrzeugführers nicht (rechtzeitig) ermöglicht wurde.

Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage setzt einen Verkehrsverstoß von einigem Gewicht voraus, um dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu genügen. Wird nur ein einmaliger, unwesentlicher Verstoß festgestellt, der sich weder verkehrsgefährdend auswirken kann, noch Rückschlüsse auf die charakterliche Unzuverlässigkeit des Kraftfahrers zulässt, ist die Fahrtenbuchauflage nicht gerechtfertigt. Es kommt indes nicht darauf an, ob der Verstoß zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer geführt hat. Ist der Verkehrsregelverstoß zumindest eine Ordnungswidrigkeit und führt er gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG zur Eintragung des Kraftfahrers in das Verkehrszentralregister mit wenigstens einem Punkt, so rechtfertigt diese vom Verordnungsgeber vorgenommene Bewertung der Ordnungswidrigkeit es, den Verkehrsregelverstoß generell als so wichtig einzustufen, dass auch ohne zusätzliche Umstände die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuches verhältnismäßig ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.5.1995 - 11 C 12.94 -, BVerwGE 98, 227; ebenso st. Rspr. d. Sen., vgl. nur Beschl. v. 8.7.2005 - 12 ME 185/05 -). Entgegen dem Verwaltungsgericht ist die mit dem Fahrzeug der Antragstellerin begangene Verkehrszuwiderhandlung danach als hinreichend „gravierend“ anzusehen, um die verfügte Fahrtenbuchauflage mit der vorgesehenen Dauer zu rechtfertigen. Für den Verstoß ist nach Nr. 12.5.1 des Anhangs zu Nr. 12 der Anlage zur BKatV als Bußgeld ein Regelsatz von 75,-- Euro vorgesehen; der Verstoß hätte gemäß Nr. 7 der Anlage 13 zur FeV auch die Eintragung eines Punkts im Verkehrszentralregister erfordert.