Das Verkehrslexikon

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OVG Münster Urteil vom 03.06.1996 - 25 A 6898/95 - Zum Vorbildungserfordernis einer der Hauptschulbildung mit nachfolgender abgeschlossener Berufsausbildung gleichwertigen Vorbildung

OVG Münster v. 03.06.1996: Zum Vorbildungserfordernis einer der Hauptschulbildung mit nachfolgender abgeschlossener Berufsausbildung gleichwertigen Vorbildung


Das OVG Münster (Urteil vom 03.06.1996 - 25 A 6898/95) hat entschieden:
  1. Für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung einer Verfügung, durch die unter Bezugnahme auf die Ermächtigungsgrundlage des § 8 Abs 1 S 1 FahrlG die Fahrlehrerlaubnis zurückgenommen wird, ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebend.

  2. § 2 Nr 2a FahrlG ist mit Art 12 Abs 1 S 1 GG vereinbar. Die Vorschrift stellt eine subjektive Berufswahlregelung dar, die aus Gründen der Verkehrssicherheit gerechtfertigt ist.

  3. Eine der Hauptschulbildung mit nachfolgender abgeschlossener Berufsausbildung gleichwertige Vorbildung im Sinn des § 2 Nr 2a 2. Alternative FahrlG kann auch allein in einem höherwertigen Schulabschluss bestehen, ohne dass zusätzlich eine abgeschlossene Berufsausbildung hinzukommen muss. Das setzt aber voraus, dass die Abschlussprüfung nach dem 11. Schuljahr oder später abgelegt worden ist.

  4. § 9 Abs 1 S 2 FahrlG erfasst nicht den Fall der Rücknahme einer wegen Fehlens des Vorbildungserfordernisses in § 2 Nr 2a FahrlG zu Unrecht erteilten Fahrlehrerlaubnis (teleologische Reduktion).

Siehe auch Fahrschule / Fahrlehrer / Fahrschüler und Stichwörter zum Thema Verkehrsverwaltungsrecht


Tatbestand:

Die Klägerin, die 1986 die Gesamtschule mit dem Abgangszeugnis verlassen und danach bis 1991 als Bürokraft in einer Fahrschule gearbeitet hat, beantragte im Juli 1992 beim Beklagten die Zulassung zur Fahrlehrerprüfung. Dieser gab ihr die Antragsunterlagen mit dem Hinweis zurück, sie erfülle die Zulassungsvoraussetzung der notwendigen Vorbildung nicht.

Daraufhin stellte sie im Januar 1993 einen entsprechenden Antrag beim Straßenverkehrsamt des Landkreises H.-P., das sie zur Fahrlehrerprüfung anmeldete und ihr, nachdem sie die 2. Wiederholungsprüfung bestanden hatte, den Fahrlehrerschein für Fahrzeuge der Klasse 3 aushändigte.

Auf die Mitteilung ihres Ehemannes an den Beklagten, dass die Klägerin ab sofort bei ihm als Fahrlehrerin angestellt sei, sowie nach Einholung einer Stellungnahme des Landkreises H.-P. nahm der Beklagte die ihr erteilte Fahrlehrererlaubnis mit Ordnungsverfügung vom 31.5.1994 wegen Fehlens der erforderlichen Vorbildung zurück.

Widerspruch, Klage und Berufung gegen diese Verfügung blieben erfolglos.


Entscheidungsgründe:

Der Rücknahmebescheid des Beklagten ist in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung einer Verfügung, durch die unter Bezugnahme auf die Ermächtigungsgrundlage des § 8 Abs. 1 Satz 1 FahrlG vom 25.8.1969 (BGBl. I S.1336), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5.10.1994 (BGBl. I S. 2911, 2951) die Fahrlehrererlaubnis zurückgenommen wird, ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebend.

Das ergibt sich aus § 9 Abs. 1 FahrlG, wonach die Wiedererteilung einer Fahrlehrererlaubnis grundsätzlich von einem Antrag des Betroffenen und dem erneuten Nachweis eines Teils der Voraussetzungen für die Ersterteilung, insbesondere der durch §§ 2 Nr. 5, 4 FahrlG vorgeschriebenen Fahrlehrerprüfung abhängig ist. Dieses Antragserfordernis schließt es aus, die für die Wiedererteilung relevanten Umstände im laufenden Anfechtungsprozess zu berücksichtigen.
Vgl. zu § 35 Abs. 6 GewO BVerfG, Beschluss vom 14.3.1995 - 1 BvR 1639/91 -, NVwZ 1995, S. 1096; BVerwG, Urteil vom 2.2.1982 - 1 C 146.80 -, BVerwGE 65, 1 (2 f.).
Aus § 8 Abs. 1 Satz 2 FahrlG, wonach die Erlaubnisbehörde von der Rücknahme absehen kann, wenn der Mangel nicht mehr besteht, ergibt sich nichts anderes. Die Vorschrift ermöglicht es lediglich, die zwischen Erteilung der Fahrlehrererlaubnis und letzter Verwaltungsentscheidung über deren Rücknahme eingetretenen tatsächlichen Veränderungen im laufenden Verfahren zu berücksichtigen. Für die Annahme, die Erlaubnisbehörde müsse ihre Entscheidung auch nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens weiter unter Kontrolle halten, gibt die Vorschrift hingegen nichts her. Auch die Entstehungsgeschichte des § 9 Abs. 1 FahrlG bestätigt, dass nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens eingetretene Umstände dem Wiedererteilungsverfahren nach § 9 FahrlG, nicht aber dem Rücknahmeverfahren nach § 8 Abs. 1 FahrlG zuzuordnen sind.

§ 9 Abs. 1 FahrlG ist durch das Änderungsgesetz vom 3.2.1976 (BGBl. I, S.257) neugefasst worden ua mit dem Ziel, die Vorschrift an die entsprechenden Bestimmungen des § 15c StVZO über die Neuerteilung der Fahrerlaubnis anzupassen.
Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 7/3913, S.8.
Für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist ebenfalls anerkannt, dass nach Abschluss des behördlichen Entziehungsverfahrens eintretende Umstände - z.B. die nachträgliche Einreichung eines dem Kraftfahrer günstigen Gutachtens - nur im Rahmen eines Verfahrens auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis erheblich sind.
BVerwG, Beschluss vom 19.10.1994 - 11 B 186.94 -, JURIS.
Unter Zugrundelegung der am 18.11.1994, dem Tag der Zustellung des Widerspruchsbescheids, bestehenden Sach- und Rechtslage war der Widerruf der Fahrlehrererlaubnis formell und materiell rechtmäßig. Die in formeller Hinsicht erhebliche Zuständigkeit des Beklagten ergibt sich aus § 32 Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 2 FahrlG, wonach die örtliche Zuständigkeit von der Wohnsitzbehörde auf die Erlaubnisbehörde des Beschäftigungsortes übergeht, sobald der Erlaubnisinhaber seine Tätigkeit als Fahrlehrer aufnimmt, sowie aus § 1 der Verordnung über die Bestimmung der Erlaubnisbehörden und der Prüfungsausschüsse nach dem FahrlG vom 28.10.1969 (GV NW 1969, S. 729, 1970, S. 180), wonach Erlaubnisbehörden nach dem FahrlG die Kreisordnungsbehörden sind.

In materieller Hinsicht ist die Rücknahme der Fahrlehrererlaubnis durch die Ermächtigungsgrundlage des § 8 Abs. 1 Satz 1 FahrlG gedeckt.

Nach dieser Vorschrift ist die Fahrlehrererlaubnis zurückzunehmen, wenn bei ihrer Erteilung eine der Voraussetzungen des § 2 FahrlG nicht vorgelegen hat und keine Ausnahme nach § 34 Abs. 1 FahrlG erteilt worden ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt: Am 20.9.1993, dem Tag der Aushändigung des Fahrlehrerscheins und damit der Erteilung der Fahrlehrererlaubnis (§ 5 Abs. 1 Satz 1 FahrlG), hat eine der Voraussetzungen des § 2 FahrlG nicht vorgelegen, nämlich die Voraussetzung des § 2 Nr. 2a FahrlG, der durch das bereits erwähnte Änderungsgesetz vom 3.2.1976 in das FahrlG eingefügt worden ist und der bestimmt, dass der Bewerber mindestens eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem anerkannten Lehrberuf nach abgeschlossener Hauptschulbildung (Alternative 1) oder eine gleichwertige Vorbildung besitzen muss (Alternative 2).

Eine Ausnahme von § 2 Nr. 2a FahrlG nach § 34 Abs. 1 FahrlG ist weder vorgesehen noch erteilt. § 2 Nr. 2a FahrlG ist verfassungsmäßig, insbesondere mit Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG vereinbar.

Die Vorschrift stellt eine subjektive Berufswahlregelung dar, die - wie die Klägerin im Ausgangspunkt selbst nicht in Abrede stellt - aus Gründen der Verkehrssicherheit gerechtfertigt ist. Nach Auffassung des Gesetzgebers erfordert der Fahrlehrerberuf eine erhebliche Gewandtheit in Wort und Schrift und die Fähigkeit, Zweifelsfragen rasch zu erkennen und klar zu beantworten. Der Fahrlehrer muss in der Lage sein, Erwachsene mit unterschiedlichen Bildungsgraden in den Abendstunden zu unterrichten und dabei auch schwierige Zusammenhänge auf dem Gebiet der Verkehrssicherheitslehre und des Verkehrsrechts auf einfache Weise zu erläutern.
Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen, BT-Drs. 7/4238, S. 2; zur Zulässigkeit subjektiver Berufswahlregelungen generell vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte - Staatsrecht II, 11. Aufl. 1995, Rn.898, 920.
Für die von der Klägerin geforderte verfassungskonforme Reduktion besteht kein Bedürfnis, auch nicht im Hinblick darauf, dass § 34 Abs. 1 FahrlG Ausnahmen von mehreren anderen Vorschriften des § 2 FahrlG vorsieht, nicht aber von dem Vorbildungserfordernis in § 2 Nr. 2a FahrlG. Insoweit hat sich der Gesetzgeber ersichtlich damit begnügt, in § 9 Abs. 1 Satz 2 FahrlG die Wiederholungsbewerber um eine Fahrlehrererlaubnis von der (erneuten) Erfüllung dieses Erfordernisses zu befreien. Das ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere verstößt ein derartiges Regelungssystem nicht gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot, das von jeder belastenden staatlichen Maßnahme, auch von einer gesetzlichen Berufswahlregelung, verlangt, dass sie geeignet, erforderlich und angemessen ist, um das mit ihr verfolgte Regelungsziel zu erreichen.

Das Erfordernis gleichwertiger Vorbildung in § 2 Nr. 2a 2. Alternative FahrlG ist angemessen in diesem Sinn, auch ohne dass sein Anwendungsbereich in der von der Klägerin vorgestellten Art und Weise beschränkt wird. Fehlt nämlich dem Fahrlehrererlaubnisbewerber im Einzelfall die gleichwertige Vorbildung, so ist ihm eine aus der Nichterteilung bzw. der Rücknahme etwa entstehende Härte nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden gesetzgeberischen Wertung vor dem Hintergrund überragender Verkehrssicherheitsinteressen ausnahmslos zuzumuten.

Die Vorbildungsvoraussetzungen des § 2 Nr. 2a FahrlG sind insofern zwingend, wenngleich die Vorschrift eine wertende Einbeziehung von Einzelfallumständen erlaubt und gebietet, ohne freilich der Behörde insoweit einen der gerichtlichen Überprüfung entzogenen Beurteilungsspielraum zu eröffnen.
Vgl. dazu Eckhardt, Fahrlehrergesetz, 5. Aufl. 1991, § 2, Rdnr. 14.
Dementsprechend hat der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen, über § 9 Abs. 1 Satz 2 FahrlG hinaus weitere Ausnahmen vom Vorbildungserfordernis des § 2 Nr. 2a FahrlG vorzusehen.
Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 7/3913, S. 7.
Die Voraussetzungen der ersten Alternative des § 2 Nr. 2a FahrlG erfüllte die Klägerin am 20.9.1993 nicht. Sie hat mit dem Erwerb der Fachoberschulreife am 15.7.1991 lediglich eine abgeschlossene Hauptschulbildung erlangt, sie verfügte jedoch (damals wie heute) nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem anerkannten Lehrberuf. Berufsausbildung in diesem Sinn ist nur eine Ausbildung in einem der in § 25 Abs. 1 BBiG vom 14.8. 1969 (BGBl. I S.1112) erwähnten staatlich anerkannten Ausbildungsberufe nach Maßgabe der für diesen Beruf erlassenen Ausbildungsordnung. Dass die Klägerin in einem derartigen Ausbildungsberuf, etwa demjenigen der Bürogehilfin, eine Lehre absolviert und erfolgreich abgeschlossen hätte, behauptet sie selbst nicht. In der Zeit ihrer Beschäftigung bei der Fahrschule S. vom 1.8. 1987 bis zum 31.12.1991 hat sie lediglich als Bürokraft gearbeitet, aber keine Ausbildung nach Maßgabe einer Ausbildungsordnung mit begleitendem Berufsschulbesuch und anschließender Prüfung im Sinn des § 25 Abs. 1 BBiG durchlaufen.

Die Klägerin besaß am 20.9.1993 auch nicht eine der abgeschlossenen Berufsausbildung in einem anerkannten Lehrberuf nach abgeschlossener Hauptschulbildung gleichwertige Vorbildung nach der zweiten Alternative des § 2 Nr. 2a FahrlG.

Eine gleichwertige Vorbildung in diesem Sinn ist zunächst nicht die am 15.7.1991 erworbene Fachoberschulreife. Grundsätzlich kann zwar eine der zweigliedrigen Bildungsvoraussetzung der ersten Alternative des § 2 Nr. 2a FahrlG (Hauptschulbildung und Berufsausbildung) gleichwertige Vorbildung auch allein in einem höherwertigen Schulabschluss bestehen, ohne dass zusätzlich eine abgeschlossene Berufsausbildung hinzukommen muss. Als beiden Elementen gleichwertige Vorbildung ist deshalb die allgemeine Hochschulreife und die fachgebundene Hochschulreife anzuerkennen.
Bericht des Ausschusses für Verkehr und für das Post- und Fernmeldewesen, BT-Drs. 7/4238, S. 2.
Höherwertige Schulabschlüsse, die für sich genommen bereits zum Nachweis einer gleichwertigen Ausbildung ausreichen, setzen aber voraus, dass die Abschlussprüfung nach dem 11. Schuljahr abgelegt worden ist. Denn mit der Anerkennung einer der abgeschlossenen Berufsausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf nach abgeschlossener Hauptschulbildung gleichwertigen Vorbildung als Zugangsvoraussetzung für den Fahrlehrerberuf wollte der Gesetzgeber lediglich denjenigen gleichstellen, der nach dem 9. Schuljahr anstelle einer Berufsausbildung weiter die Schule besucht und nach einer Zeitspanne, die der regelmäßigen Dauer der Berufsausbildung von zwei oder drei Jahren (§ 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBiG) entspricht, einen weiterführenden Schulabschluss erreicht.
Eckhardt, a.a.O., § 2, Rn. 13.
Die von der Klägerin erworbene Fachoberschulreife entspricht diesen Anforderungen nicht, weil sie im allgemeinen schon nach dem erfolgreichen Besuch des 10. Schuljahrs der Hauptschule, der Realschule, des Gymnasiums oder der Gesamtschule erreicht wird
vgl. für Nordrhein-Westfalen § 31 Abs. 3 Satz 1 ASchO vom 8.11. 1978 (GV NW S. 552).
Kann die Klägerin danach den Nachweis einer gleichwertigen Vorbildung nicht schon allein durch die im Jahr 1991 erworbene Fachoberschulreife erbringen, sondern ist hierzu vielmehr zusätzlich ein berufsbezogener Ausbildungsgang erforderlich, der einer abgeschlossenen Lehre in einem anerkannten Ausbildungsberuf gleichwertig ist, so ist diese Voraussetzung ebenfalls nicht erfüllt. Namentlich ihre nahezu viereinhalbjährige Beschäftigung als Bürogehilfin bei der Fahrschule Spangemacher reicht hierzu nicht aus. Hierbei handelte es sich ebensowenig um eine Ausbildung wie bei der seit Anfang 1992 ausgeübten Beschäftigung als Geschäftsführerin im Fahrschulbetrieb ihres Ehemannes. Kennzeichnend für eine berufliche Ausbildung ist nämlich die Vermittlung der für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit notwendigen fachlichen Kenntnisse und Fertigkeiten in einem geordneten Lernvorgang, der zum Erwerb einer zusätzlichen Berechtigung führt.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 12.11.1975 - VIII C 57.73 -, Buchholz 448.0 § 12 WPflG Nr.100, S.38 <39> - Technische Abendschule -.
Demgegenüber scheidet die bloße Bewährung im Berufsleben als gleichwertige Vorbildung aus.
Eckhardt, a.a.O., § 2, Rn. 14.
Die bisher ausgeübten beruflichen Tätigkeiten der Klägerin können nach § 40 Abs. 2 BBiG allenfalls zur Folge haben, dass sie in einem anerkannten Ausbildungsberuf zur Abschlussprüfung zuzulassen ist, nicht aber, dass sie behandelt wird, wie wenn sie diese Prüfung schon erfolgreich abgelegt hätte.

Sind danach die materiellen Rücknahmevoraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 FahrlG erfüllt, so war der Beklagte zur Rücknahme der Fahrlehrererlaubnis zwingend verpflichtet. Ein Ermessen nach Satz 2 dieser Bestimmung ist ihm auch nachträglich nicht eröffnet gewesen, weil der Mangel der unzureichenden Vorbildung nach dem Ausgeführten im Zeitpunkt des Ergehens des Widerspruchsbescheides noch fortbestand. Ein etwaiges Vertrauen der Klägerin auf den Fortbestand der durch den Landkreis H.-P. erteilten Fahrlehrererlaubnis steht der Rücknahme nicht entgegen. Ein solches Vertrauen wäre nicht schutzwürdig. Denn sie hat die Fahrlehrererlaubnis in Kenntnis, mindestens aber in grob fahrlässiger Unkenntnis ihrer Rechtswidrigkeit erworben
vgl. § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3, Abs. 3 Satz 2 VwVfG NW,
nachdem der Beklagte sie bei gleicher Sachlage auf das Fehlen der Bildungsvoraussetzungen hingewiesen hatte.

Die Rücknahme der Fahrlehrererlaubnis widerspricht schließlich auch nicht dem verfassungsrechtlichen Übermaßverbot. Insbesondere erscheint sie nicht im Hinblick auf § 9 Abs. 1 Satz 2 FahrlG als unangemessen, wonach § 2 Nr. 2a FahrlG bei der Neuerteilung der Fahrlehrererlaubnis nach Erlöschen, Rücknahme oder Widerruf einer Fahrlehrererlaubnis nicht anzuwenden ist.

Ein derartiger Verstoß könnte allenfalls dann in Betracht gezogen werden, wenn der Klägerin die Fahrlehrererlaubnis nach bestandskräftiger Rücknahme sofort wiedererteilt werden müsste. Diese Schlussfolgerung kann indessen für den vorliegenden Fall aus § 9 Abs. 1 Satz 2 FahrlG nicht gezogen werden: Die Vorschrift erfasst nämlich abweichend von ihrem scheinbar eindeutigen Wortlaut nicht den Fall der Rücknahme einer wegen Fehlens des Vorbildungserfordernisses in § 2 Nr. 2a FahrlG zu Unrecht erteilten Fahrlehrererlaubnis. Das ergibt sich sowohl aus der Systematik als auch aus dem Zweck des Vorbildungserfordernisses des § 2 Nr. 2a FahrlG (teleologische Reduktion).

ie §§ 8 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 1 Satz 2 FahrlG enthalten in Bezug auf dieses Erfordernis einen systematischen Bruch insofern, als § 8 Abs. 1 Satz 1 FahrlG einschränkungslos und rechtlich zwingend die Rücknahme der Fahrlehrererlaubnis bei Fehlen einer jeden der in § 2 FahrlG genannten Erteilungsvoraussetzungen, also auch bei Fehlen des Vorbildungserfordernisses des § 2 Nr. 2a FahrlG vorsieht, während andererseits § 9 Abs. 1 Satz 2 FahrlG für die Wiedererteilung von dem Vorbildungserfordernis in § 2 Nr. 2a FahrlG absieht. Dieser Widerspruch kann weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik des FahrlG, sondern nur aus dem aus der Entstehungsgeschichte ableitbaren Zweck der Vorschrift heraus aufgelöst werden. Mit dem bereits erwähnten Änderungsgesetz vom 3.2.1976, durch das die §§ 2 Nr. 2a, 9 Abs. 1 Satz 2 FahrlG eingefügt wurden, sollte die Ausbildung in den Fahrschulen aus Sorge um die Verkehrssicherheit durch verschiedene Einzelmaßnahmen weiter verbessert werden. Dazu gehörte auch das genannte Vorbildungserfordernis, und zwar vor dem Hintergrund, dass bis dahin keine besonderen Anforderungen an die Schulbildung der Fahrlehreranwärter gestellt wurden und sich in der Vergangenheit insbesondere auch Personen ohne abgeschlossene Hauptschulbildung um die Fahrlehrererlaubnis beworben hatten.
Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 7/3913, S. 7.
Dieser Zustand sollte beendet werden, ohne jedoch den ehemaligen Inhabern einer Fahrlehrererlaubnis, welche die neuen Anforderungen noch nicht erfüllen mussten, die Fortsetzung des Berufs unmöglich zu machen. Aus diesem Grund wurde in § 9 Abs. 1 Satz 2 FahrlG bei der Neuerteilung auf die Erteilungsvoraussetzung des § 2 Nr. 2a FahrlG verzichtet. Eckhardt, a.a.O., § 9, Rn. 1.

Hiernach handelt es sich bei § 9 Abs. 1 Satz 2 FahrlG nach ihrem Sinn und Zweck lediglich um eine Bestimmung zum Schutz derjenigen Erlaubnisinhaber, deren vor Inkrafttreten der Neuregelung erworbene Fahrlehrererlaubnis aus anderen Gründen als dem des Fehlens der erforderlichen Vorbildung erloschen, zurückgenommen oder widerrufen worden ist. Dafür, dass die Vorschrift auch denjenigen Erlaubnisinhabern, denen die Fahrlehrererlaubnis gerade wegen Fehlens dieser Voraussetzung zu Unrecht erteilt und dann wieder zurückgenommen wurde, gewissermaßen im zweiten Anlauf den Erwerb der Fahrlehrererlaubnis ohne Rücksicht auf die Vorbildung ermöglichen soll, bietet ihre Entstehungsgeschichte keinen Anhaltspunkt.