Das Verkehrslexikon

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Bundesverwaltungsgericht Beschluss vom 11.08.1999 - 3 B 96/99 - Zum Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, und zur Fahrtenbuchauflage

BVerwG v. 11.08.1999: Zum Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, und zur Fahrtenbuchauflage


Das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 11.08.1999 - 3 B 96/99) hat entschieden:
Auch unter der Voraussetzung, dass der verfassungsrechtliche Schutz gegen Selbstbezichtigungen auch den Schutz davor umfassen sollte, eine Ordnungswidrigkeit nicht aufdecken zu müssen, so wäre damit eine Fahrtenbuchauflage vereinbar. Mit der Auferlegung der Führung eines Fahrtenbuches bleibt das Recht des Betroffenen gewahrt, sich selbst nicht bezichtigen zu müssen. Aus der für sich gesehen rechtmäßigen Handlungsweise des Betroffenen darf freilich in zulässiger Weise die Prognose abgeleitet werden, dass er auch bei künftigen Verstößen - seien sie von ihm, seien sie von anderen begangen - von seinem Recht zu schweigen oder zu leugnen Gebrauch machen wird. Das damit verbundene Risiko, dass derartige zukünftige Verkehrsverstöße ungeahndet bleiben, muss die Rechtsordnung nicht von Verfassungs wegen hinnehmen.


Siehe auch Fahrtenbuch-Auflage und Stichwörter zum Thema Verkehrsverwaltungsrecht


Gründe:

Der geltend gemachte Revisionszulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist nicht erfüllt.

Der Kläger will als rechtsgrundsätzlich die Frage geklärt wissen,
"ob auch dann das Führen eines Fahrtenbuches auferlegt werden kann, wenn die Fahreridentifizierung nur und ausschließlich durch die Selbstbezichtigung des Betroffenen erfolgen kann".
Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Frage hinreichend konkret ist, denn selbst wenn man dies unterstellt, wäre sie ohne weiteres zu bejahen, ohne dass es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 22. Juni 1995 - BVerwG 11 B 7.95 - (Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 22) entschieden, dass ein doppeltes "Recht", nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Ordnungswidrigkeitenverfahren zugunsten eines Dritten die Aussage verweigern zu dürfen und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, nicht anzuerkennen ist.

Entsprechendes gilt für das von der Beschwerde sinngemäß geltend gemachte "doppelte Recht", nach einem Verkehrsverstoß aus eigennützigen Gründen leugnen und zugleich eine Fahrtenbuchauflage abwehren zu dürfen.

Auch unter der Voraussetzung, dass der verfassungsrechtliche Schutz gegen Selbstbezichtigungen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Januar 1981 - 1 BvR 116/77 - BVerfGE 56 <37>; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 14. November 1996 - BVerwG 2 B 16.96 - Buchholz 237.93 § 15 SächsLBG Nr. 1 für Verpflichtung eines Beamtenbewerbers, frühere MfS-Tätigkeit zu offenbaren) auch den Schutz davor umfassen sollte, eine Ordnungswidrigkeit nicht aufdecken zu müssen, so wäre damit eine Fahrtenbuchauflage vereinbar. Das Bundesverfassungsgericht hat es im Beschluss vom 13. Januar 1981 (a.a.O. <44>) als unbedenklich bezeichnet, dass im Bereich der Sozialleistungen ein Leistungsberechtigter, der Angaben verweigern darf, die ihn der Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung aussetzen, im Falle einer solchen Verweigerung das Risiko einer für ihn ungünstigen Tatsachenwürdigung trägt. Entsprechendes gilt im vorliegenden Zusammenhang. Mit der Auferlegung der Führung eines Fahrtenbuches bleibt das Recht des Betroffenen gewahrt, sich selbst nicht bezichtigen zu müssen. Aus der für sich gesehen rechtmäßigen Handlungsweise des Betroffenen darf freilich in zulässiger Weise die Prognose abgeleitet werden, dass er auch bei künftigen Verstößen - seien sie von ihm, seien sie von anderen begangen - von seinem Recht zu schweigen oder zu leugnen Gebrauch machen wird. Das damit verbundene Risiko, dass derartige zukünftige Verkehrsverstöße ungeahndet bleiben, muss die Rechtsordnung nicht von Verfassungs wegen hinnehmen, weil sie sich damit für einen nicht unbeträchtlichen Teilbereich von vornherein der Möglichkeit begäbe, durch die Androhung von Sanktionen Verkehrsverstößen und den damit verbundenen Gefahren namentlich für die anderen Verkehrsteilnehmer im allgemeinen Interesse vorzubeugen. Hiergegen könnte auch nicht eingewendet werden, mit der Fahrtenbuchauflage werde in rechtlich unzulässiger Weise der Boden bereitet für einen zukünftigen Zwang zur Mitwirkung an der Überführung eines Täters einer Ordnungswidrigkeit. Die Verfassung schützt ohne eine entsprechende gesetzliche Verankerung nicht davor, dass aus Aufzeichnungen, die auf zulässige Verpflichtungen zur Führung von Akten, Büchern, Registern usf. zurückzuführen sind, Erkenntnisse über die Täter von Verkehrsordnungswidrigkeiten abgeleitet werden, auch wenn es sich dabei um den Aufzeichnenden selbst oder jemanden handelt, hinsichtlich dessen dem Aufzeichnenden ein Aussageverweigerungsrecht zusteht.



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