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Verwaltungsgericht München Beschluss vom 04.04.2007 - M 1 S 07.945 - Zur Alkoholabhängigkeit und zum Alkoholmissbrauch sowie zur Anordnung eines ärztlichen und medizinisch-psychologischen Gutachtens

VG München v. 04.04.2007: Zur Alkoholabhängigkeit und zum Alkoholmissbrauch sowie zur Anordnung eines ärztlichen und medizinisch-psychologischen Gutachtens


Das Verwaltungsgericht München (Beschluss vom 04.04.2007 - M 1 S 07.945) hat entschieden:
  1. Das Borderline-Syndrom ist in der Anlage 4 nicht genannt. Unter Krankheiten des Nervensystems nach Nr. 6 lässt es sich nicht subsumieren. Die Erkrankung stellt auch keine psychische (geistige) Störung nach Nr. 7 dar. Das Vorliegen des Borderline-Syndroms alleine führt damit noch nicht zum automatischen Verlust der Fahreignung, die einen Führerscheinentzug zur Folge hätte.

  2. Da das Borderline-Syndrom auch in Verbindung mit Alkohol- und anderem Drogenmissbrauch auftreten kann, bestehen grundsätzlich gegen die Überprüfung der Fahreignung des an Borderline leidenden Fahrerlaubnisinhabers unter diesem Gesichtspunkt keine Bedenken. Dafür muss jedoch mindestens eine mittelbare Beziehung zur Teilnahme am Straßenverkehr bestehen.

  3. Ein ärztliches Gutachten ist nur möglich nach § 46 Abs. 3, § 13 Nr. 1 FeV zur Klärung einer Alkoholabhängigkeit. Für die Feststellung, ob Alkoholmissbrauch vorliegt, ist nach § 13 Nr. 2 a), 2. Alt. FeV („Tatsachen begründen die Annahme eines Alkoholmissbrauchs) die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens geboten.

  4. Unterschiedlich beurteilt wird von der Rechtsprechung die Frage, ob ein MPU-Gutachten zur Frage des Alkoholmissbrauchs gefordert werden kann, wenn der Betroffene - wie hier - im konkreten Fall zwar alkoholisiert war, aber kein Fahrzeug geführt hat. Übereinstimmung besteht darin, dass es weiterer Indizien bedarf, die den nötigen Zusammenhang zur Teilnahme am Straßenverkehr herzustellen vermögen; der bloße Alkoholkonsum - auch wenn er in großem Ausmaß erfolgt - genügt noch nicht.

  5. Ein rein „privater“ Alkoholkonsum ohne dass jemals Auffälligkeiten im Kraftverkehr stattgefunden hätten oder ein sonstiger Bezug gegeben wäre, ist nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht ausreichend.

  6. Werden in einem eingeholten fachärztlichen Gutachten sowohl Alkoholabhängigkeit wie auch Alkoholmissbrauch verneint, dann besteht für die Anordnung einer MPU keine gesetzliche Grundlage, auch wenn der Fahrerlaubnisinhaber des öfteren hoch alkoholisiert aufgefunden wurde, ohne allerdings jemals betrunken am Straßenverkehr teilgenommen zu haben.

Siehe auch Krankheiten und Fahrerlaubnis


Gründe:

I.

Der Antragsteller ist Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen B, M und L.

Nach polizeilicher Mitteilung, dass beim Antragsteller anlässlich einer polizeiärztlichen Begutachtung eine Alkoholerkrankung sowie ein akutes Borderline-Syndrom festgestellt worden seien, er im Zeitraum von Juni 2005 bis März 2006 mehrmals von verschiedenen Personen hilflos volltrunken und nicht mehr ansprechbar aufgegriffen worden sei und ferner wegen sexueller Beleidigung und Nötigung in volltrunkenem Zustand zweimal strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, gab das Landratsamt Altötting (Landratsamt) mit Schreiben vom 17. März und 10. Juli 2006 bei einem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie mit verkehrsmedizinischer Qualifikation ein Gutachten in Auftrag zur Frage der Alkoholabhängigkeit, nach Anzeichen für Alkoholmissbrauch bzw. einer stabilen Abstinenz und einer Erkrankung, die die Fahreignung in Frage stellt, an. Das nervenärztliche Gutachten vom 23. August 2006 geht davon aus, dass eine ausreichende Einsichtsfähigkeit in die Zusammenhänge von Erkrankung und Alkoholmissbrauch nicht vorläge. Es kommt zum Ergebnis, dass sich keine begründete Annahme einer Alkoholabhängigkeit oder Anzeichen von Alkoholmissbrauch bestätigen ließen. Der Gebrauch von Alkohol sei immer vom Führen eines Kraftfahrzeugs abhängig gemacht worden. Eine Steigerung des Trinkverhaltens liege nicht vor, die Laborwerte sprächen gegen einen chronischen Alkoholkonsum. Vielmehr läge ein gelegentlicher Konsum mit schädlichem Gebrauch vor. Die Borderline-Störung wird bestätigt und medizinische Hilfe für erforderlich gehalten. Eine für die Fahreignung relevante Erkrankung liege ebenfalls nicht vor. Da das Landratsamt das Gutachten als nicht schlüssig ansah, wurde eine Stellungnahme gefordert, wie sich das Borderline-Syndrom äußere und ob hierdurch die Fahreignung beeinträchtigt werde. Die Ergänzung vom 5. Oktober 2006 legt dar, dass es sich um eine psychische Störung handle, die in den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung nicht aufgeführt sei. Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit seien in der Regel nicht gestört. Fehlleistungen im Sinne der „Fahrtauglichkeit“ (gemeint wohl „Fahruntauglichkeit“) seien nicht zu erwarten. Aufgrund nach wie vor vorhandener Zweifel forderte das Landratsamt eine weitere Ergänzung, die jedoch nicht vorgelegt wurde.

Daraufhin ordnete das Landratsamt gemäß § 13 Nr. 2 a) FeV eine medizinisch-psychologische Begutachtung an, ob der Antragsteller trotz der Hinweise auf Alkoholmissbrauch ein Kraftfahrzeug sicher führen könne und nicht zu erwarten sei, dass er ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde.

Nachdem der Antragsgegner dem Antragsteller mit Schreiben vom 1. Februar 2007 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, erging unter dem 22. Februar 2007 der streitgegenständliche Bescheid, in dem dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (Nummer 5) die Fahrerlaubnis entzogen (Nummer 1) sowie dem Antragsteller aufgegeben wurde, seinen Führerschein innerhalb einer Woche nach Zustellung dieses Bescheids bei der Führerscheinstelle abzuliefern (Nummer 2). Für den Fall, dass er der Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins nach Nummer 2 nicht fristgerecht nachkommt, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von € 500 angedroht (Nummer 3) bzw. die Ersatzvornahme (Nummer 4), falls das Zwangsgeld keinen Erfolg zeigt. Zur Begründung wurde ausgeführt, durch das ärztliche Gutachten habe Alkoholabhängigkeit ausgeschlossen werden können, nicht aber der aufgrund der Symptome des Borderline-Syndroms im Raum stehende Alkoholmissbrauch. Da das geforderte Gutachten nicht beigebracht worden sei, werde von der Nichteignung ausgegangen.

Gegen den Bescheid vom 22. Februar 2007 erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 28. Februar 2007 Widerspruch. Beim Bayerischen Verwaltungsgericht München ersucht der Antragsteller mit Schreiben vom 10. März 2007, eingegangen am 14. März 2007, um vorläufigen Rechtsschutz und stellt Antrag auf Prozesskostenhilfe. In der Sache beantragt er sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Stadt Ingolstadt vom 4. August 2006 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
Der Antragsteller begründet seinen Antrag damit, dass er sich nicht geweigert habe, sondern die Rechtmäßigkeit einer weiteren Untersuchung anzweifle. Die angeführten Alkoholexzesse stünden nicht im Zusammenhang mit einer Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr. Die Fahrungeeignetheit müsse erwiesen sein; bloße Eignungszweifel seien nicht ausreichend.

Die Antragsgegnerin beantragt
Antragsablehnung.
Zur Begründung wird ausgeführt, Eignungszweifel ergäben sich aus der Borderline-Erkrankung und den damit zusammenhängenden Alkoholexzessen. Das vorgelegte Gutachten sei nicht schlüssig, weil auf die psychische Erkrankung nicht ausreichend eingegangen sei. Die Ergänzung beziehe sich nur auf normale Verkehrssituationen. Das Auftreten der Symptome in Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr werde nicht aus nachvollziehbaren Gründen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Der vorliegende völlige Kontrollverlust widerspreche der Annahme eines möglichen Trennvermögens. Da keine Nachweise vorgelegt worden seien, dass das künftige Auftreten der Symptome der Borderline-Erkrankung mit hinreichender Sicherheit auszuschließen sei, sei die medizinisch-psychologische Begutachtung angeordnet worden. Mangels Vorlage der Begutachtung könne auf die Nichteignung geschlossen werden.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.


II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist zulässig und begründet.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung im Fall des Abs. 2 Nr. 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine eigene, originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheides und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.

Nach diesen Grundsätzen war die aufschiebende Wirkung vorliegend wiederherzustellen und dem Eilantrag folglich stattzugeben.

Nach summarischer Prüfung wird der Widerspruch des Antragstellers erfolgreich sein. Der Bescheid vom 22. Februar 2007 ist nach derzeitiger Sach- und Rechtslage rechtswidrig. Deshalb überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers gegenüber dem Vollzugsinteresse der Behörde.

Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) ist dem Inhaber einer Fahrerlaubnis diese zu entziehen, wenn er sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Das gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach Anlage 4, 5 oder 6 vorliegen. Ein solcher Mangel ist nicht festgestellt.

1. Das unstreitig vorliegende Borderline-Syndrom ist in der Anlage 4 nicht genannt. Unter Krankheiten des Nervensystems nach Nr. 6 lässt es sich nicht subsumieren. Die Erkrankung stellt auch keine psychische (geistige) Störung nach Nr. 7 dar.

Zum Vergleich mit den in Nr. 7 genannten psychischen Störungen bedarf es zunächst einer Begriffsdefinition, die sich folgendermaßen zusammenfassen lässt (Internet: http://www.psychiatrie.de; http://www.wikipedia.org; http://www.psychosoziale-gesundheit.net unter „Borderline“):
Seine Wurzel hat der Begriff im Wesentlichen in der Psychoanalyse und in der klassischen Psychopathologie. In der klassischen psychiatrischen Krankheitslehre wurden seelische Krankheiten unter den Oberbegriffen organisch begründbare Erkrankungen, Geisteskrankheiten (Psychosen), entwicklungsbedingte Erkrankungen (Neurosen) und Persönlichkeitsstörung (Psychopathien) zusammengefasst. Borderline-Störungen gelten als seelisches Grenzgebiet zwischen Psychose, Neurose und Persönlichkeitsstörung. Zum Erscheinungsbild gehören sehr wechselhafte Stimmungen und Affekte, ein zerrüttetes Selbstbild, sehr unterschiedlich ausgeprägte Arten von traumabedingten Dissoziationen und damit verbundene Autoaggression sowie extreme zwischenmenschliche Sensibilität und extremes Emotionsgedächtnis. In erster Linie kommt es damit zu Beeinträchtigung der inneren Ausgeglichenheit und zu Störungen in den sozialen Beziehungen. Charakteristisch sind also vor allem Beziehungsstörungen im zwischenmenschlichen Bereich. Bemerkbar machen sich die Störungen unter anderem dadurch, dass Schwierigkeiten bei der Bewältigung von Problemen entstehen, die Hilfequellen des sozialen Netzes nicht angemessen genutzt, Erfahrungen nicht entsprechend ausgewertet und persönliche Krisensituationen nicht bewältigt werden können.
Diese Ausprägungen stellen weder eine organische Psychose nach Nr. 7.1 noch eine affektive Psychose nach Nr. 7.5 dar. Ebensowenig handelt es sich um eine schizophrene Psychose nach Nr. 7.6. Das Vorliegen des Borderline-Syndroms alleine führt damit noch nicht zum automatischen Verlust der Fahreignung, die einen Führerscheinentzug zur Folge hätte. In diesem Sinne hat sich auch der Gutachter geäußert, der das Vorliegen der Erkrankung mit einer gestörten Impulssteuerung bestätigt, aber zugleich im Hinblick auf die Symptome und die unter neurologischen Gesichtspunkten erfolgten Untersuchungen verneint, dass es sich um eine Erkrankung handelt, die die Fahreignung in Frage stellen würde. In der Gutachtensergänzung wird darauf hingewiesen, dass die Erkrankung in den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung nicht aufgeführt sei. Es handle sich um eine psychische Störung, die das Realitätsurteil nicht in so erheblichem Maße beeinträchtige, dass normale Verkehrssituationen nicht richtig eingeschätzt werden könnten, da Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit in der Regel nicht gestört seien. Fehlleistungen im Sinne der Fahruntauglichkeit seien nicht wie bei psychotischen Erkrankungen zu erwarten. Damit ist die Frage, ob eine Erkrankung, die die Fahreignung in Frage stellt, vorliegt, beantwortet. Einer weiteren Ausdifferenzierung wie vom Landratsamt verlangt, bedarf es nicht mehr. Der Gutachter hat bestätigt, dass der Antragsteller am Borderline-Syndrom leidet und welche Symptome auftreten. Das Landratsamt sieht in der Wortwahl „normale“ Verkehrssituationen jedoch ein Indiz dafür, dass Gefahrensituationen vom Antragsteller nicht gemeistert werden können. Im Hinblick auf die nachfolgenden Erläuterungen im Gutachten dürfte „normal“ aber wohl untechnisch dahingehend zu verstehen sein, dass für den Antragsteller der Verkehr als Alltagssituation, als „normale“ Routineangelegenheit keine Probleme aufwerfen dürfte. Wenn Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit nicht gestört sind, wirkt sich die Erkrankung auf einer anderen Ebene aus. Explizit wird sogar im Ergänzungsgutachten ausgeführt, dass Fehlleistungen beim Verhalten im Verkehr nicht zu erwarten sind. Letztendlich hat auch das Landratsamt deshalb den Entzug der Fahrerlaubnis nicht auf Erkrankung des Antragstellers im Sinne eines Mangels nach Anlage 4 zur FeV gestützt.

Angesichts dieser Ausgangslage sind auch die Bedenken des Landratsamts in der Aufforderung zur Ergänzung des Gutachtens vom 13. September 2006 ohne weitere Bedeutung. Ein näheres Eingehen auf die Erkrankung des Antragstellers war nicht veranlasst, da sie der Gutachter nicht als solche qualifiziert hat, die die Fahreignung in Frage stellen würde. Allein hierauf war die Frage aber gerichtet. Allerdings ist dem Landratsamt beizupflichten, dass das Gutachten insoweit keine eindeutigen und ohne weiteres verständlichen Erklärungen enthält. Es lässt sich nicht unmittelbar nachvollziehen, dass die Erkrankung des Antragstellers auf die Fahreignung ohne Einfluss ist. Etwas deutlicher wird die Auffassung des Gutachters erst in der ergänzenden Stellungnahme.

2. Eine Alkoholabhängigkeit nach Nr. 8.3 der Anlage 4 zur FeV als möglicher weiterer Mangel ist ebenfalls nicht festgestellt. Insoweit ist das Landratsamt dem Gutachten gefolgt. Der angefochtene Bescheid stützt sich deshalb nicht auf das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit.

3. Die Problematik reduziert sich damit auf die Frage, ob aufgrund der Symptome des Borderline-Syndroms Alkoholmissbrauch im Raum steht, wie das Landratsamt annimmt. Da das Borderline-Syndrom auch in Verbindung mit Alkohol- und anderem Drogenmissbrauch auftreten kann, bestehen grundsätzlich gegen die Überprüfung der Fahreignung des Antragstellers unter diesem Gesichtspunkt keine Bedenken, nachdem er bereits mehrfach in massiv alkoholisiertem Zustand in Erscheinung getreten ist und seine Erkrankung aktenkundig war. Vorliegend ist allerdings nur zum Teil der richtige Weg eingeschlagen worden. Aus diesem Grund kann aus der Nichtvorlage des medizinisch psychologischen Gutachtens nicht auf die Ungeeignetheit geschlossen werden, § 11 Abs. 8 FeV. Danach darf die Behörde auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder das geforderte Gutachten nicht beibringt. Dies setzt aber voraus, dass die Beibringung des Gutachtens zu Recht angeordnet wurde. Daran fehlt es hier. Das ergibt sich aus Folgendem:

a) Nachdem das Landratsamt von den häufigen Alkoholexzessen des Antragstellers Kenntnis erlangt hatte, forderte es ihn zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens zur Frage der Alkoholabhängigkeit bzw. Anzeichen für Alkoholmissbrauch auf. Ein ärztliches Gutachten ist nur möglich nach § 46 Abs. 3, § 13 Nr. 1 FeV zur Klärung einer Alkoholabhängigkeit. Für die Feststellung, ob Alkoholmissbrauch vorliegt, ist nach § 13 Nr. 2 a), 2. Alt. FeV („Tatsachen begründen die Annahme eines Alkoholmissbrauchs) die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens geboten. Dies ist jedoch zunächst nicht geschehen, sondern das Landratsamt hat sich auf die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens beschränkt. Ein solches wiederum kann nur zur Klärung einer möglichen Alkoholabhängigkeit verlangt werden. Letztendlich kann die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanforderung in den einzelnen Punkten allerdings dahingestellt bleiben, weil das Landratsamt den Entzug der Fahrerlaubnis nur auf einen Alkoholmissbrauch gestützt hat. Insoweit ist der Bescheid rechtswidrig.

b) Dass der Antragsteller in alkoholisiertem Zustand kein Kraftfahrzeug geführt hat, stellt allerdings noch kein Hindernis dar. Alkoholmissbrauch ist ein Mangel nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV. Danach ist von einer Ungeeignetheit auszugehen, wenn Alkoholmissbrauch vorliegt, d.h. das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann. Die Schwierigkeit besteht vorliegend darin, dass der Antragsteller zwar wiederholt massiv alkoholisiert angetroffen wurde, er jedoch in diesem Zustand nie straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getreten ist. Unterschiedlich beurteilt wird von der Rechtsprechung die Frage, ob ein Gutachten zur Frage des Alkoholmissbrauchs gefordert werden kann, wenn der Betroffene - wie hier - im konkreten Fall zwar alkoholisiert war, aber kein Fahrzeug geführt hat. Übereinstimmung besteht darin, dass es weiterer Indizien bedarf, die den nötigen Zusammenhang zur Teilnahme am Straßenverkehr herzustellen vermögen; der bloße Alkoholkonsum - auch wenn er in großem Ausmaß erfolgt - genügt noch nicht. Relativ weitgehend ist die Rechtsprechung des VGH Mannheim (v. 24.6.2002 VRS 103, 224; v. 29.7.2002 NZV 2002, 582; v. 22.1.2001 VRS 100, 232), der eine konkrete Alkoholauffälligkeit auch außerhalb des Straßenverkehrs als Anlass genügen lässt. Ausgehend davon, dass bereits die einmalige Feststellung einer schweren Alkoholisierung (deutlich über 2 Promille) in der Regel zur Annahme führen kann, dass eine weit überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung gegeben ist, lässt der VGH Mannheim die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Frage eines Alkoholmissbrauchs zu. Anlass hierfür muss nicht eine im Rahmen des Straßenverkehrs festgestellte Alkoholisierung sein. Es genügt dem VGH Mannheim zufolge die bloße Alkoholisierung, wenn weitere tatsächliche Umstände vorliegen, die geeignet sind, den Verdacht zu erhärten, dass der Betroffene den Konsum von Alkohol und die Teilnahme am Straßenverkehr nicht zuverlässig zu trennen vermag. Solche zusätzlichen Umstände wurden in den zu entscheidenden Fällen darin gesehen, dass bereits früher eine Trunkenheitsfahrt begangen wurde und deshalb eine latente Gefahr vorhanden ist, der Betroffene als Berufskraftfahrer bei Alkoholgenuss in einen Dauerkonflikt gerät, unter Alkoholeinfluss häusliche Gewalt angewendet hat. Die weitest gehende Entscheidung betraf den Fall des Umgangs mit dem 4-jährigen Kind der Betroffenen (v. 22.1.2001 a.a.O.) Dieses alkoholbedingt wenig verantwortungsbewusstes Verhalten stelle ein wesentliches Indiz dafür dar, dass es auch fraglich sei, ob die Antragstellerin zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol in Bezug auf den Straßenverkehr in der Lage sei.

Die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes (v. 18. 9.2000 ZfSch 2001, 92) und des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (v. 9. 11.2001 HessVGRspr. 2001, 93) sowie Stimmen in der Literatur (Himmelreich, DAR 2002, 60) gehen davon aus, dass eine Alkoholauffälligkeit nur dann Anlass für eine Anordnung nach § 13 Nr. 2 a), 2. Alt. FeV gibt, wenn sie in einem Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr steht. Danach hätte vorliegend eine Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens schon deshalb nicht ergehen dürfen, weil der Antragsteller in alkoholisiertem Zustand nie am Straßenverkehr teilgenommen hat.

Der gesetzlichen Definition in Nr. 8.1 Anlage 4 zur FeV zufolge, wonach Missbrauch vorliegt, wenn das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann, kann der Alkoholkonsum jedenfalls nicht isoliert und ohne jede Beziehung zum Führen von Kraftfahrzeugen stehen. Ein rein „privater“ Alkoholkonsum ohne dass jemals Auffälligkeiten im Kraftverkehr stattgefunden hätten oder ein sonstiger Bezug gegeben wäre, ist nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht ausreichend. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die konkrete Auffälligkeit zwingend zugleich mit der Teilnahme im Straßenverkehr verbunden sein muss, was auch der VGH Mannheim (v. 24.6.2002 VRS 103, 224) hervorhebt:
„Eine solche Interpretation ist durch den Wortlaut der Bestimmung … nicht vorgegeben. Sie ist auch angesichts der verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG (Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Fahrerlaubnisinhabers), der systematischen Stellung der Vorschrift in der Fahrerlaubnis-Verordnung und der Materialien zur Einführung der Fahrerlaubnis-Verordnung (vgl. BR-Drs. 443/98) nicht zwingend. Gegen eine Interpretation, die die Anwendung von § 13 Nr. 2 Buchstabe a, 2. Fall FeV auf Auffälligkeiten beschränkt, die anlässlich der Teilnahme des Betroffenen am Straßenverkehr zu Tage getreten sind, spricht aber die Auffangfunktion der Vorschrift. Mit ihr soll sicher gestellt werden, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei Fällen eines greifbaren Gefahrenverdachts nicht "sehenden Auges" untätig bleiben und abwarten muss, bis Verdachtsmomente hinzutreten, die einen unmittelbaren Bezug zum Straßenverkehr aufweisen. Es entspricht der staatlichen Pflicht zum Schutz von Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), der erkannten Alkoholproblematik eines Fahrerlaubnisinhabers nachzugehen. Maßnahmen nach § 13 Nr. 2 Buchstabe a, 2. Fall FeV werden daher nicht nur dann geboten sein, wenn ein alkoholkonsumbedingtes Fehlverhalten des Betroffenen im Straßenverkehr festgestellt worden ist. Anlass zur Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung wird vielmehr auch dann bestehen, wenn deutliche Indizien für eine weit überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung des Betroffenen vorliegen und außerdem weitere tatsächliche Umstände festzustellen sind, die in Gesamtschau mit der vermuteten Alkoholproblematik die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen.“
Dem ist vorliegend zu folgen. Der Antragsteller wurde gehäuft in völligem hilflosem Zustand derart volltrunken aufgefunden, dass zum Teil sogar ärztliche Behandlung erforderlich wurde. Das Erreichen von Promillewerten, wie sie festgestellt worden waren, legt die Vermutung nahe, dass hier eine hohe Alkoholgewöhnung vorliegt. Auch wenn ein Zusammenhang zum Straßenverkehr - bisher - noch nicht vorhanden ist, muss im Interesse der Sicherheit der Verkehrsteilnehmer der Behörde die Möglichkeit eingeräumt werden, die Frage zu klären, ob Alkoholmissbrauch vorliegt. Es kann nicht Sinn des Gesetzes sein, die Behörde auf die Untätigkeit zu verweisen und abwarten zu müssen, bis sich eine latente Gefahr realisiert hat. Hierauf weist der VGH Mannheim mit Recht hin. Dabei befindet er sich insoweit im Einklang mit der sonstigen Rechtsprechung (BayVGH v. 4.1.2006 Az. 11 CS 05.1878; OVG Rh-Pf v. 11.9.2006 ZfS 2006, 713; OVG Nds. v. 29.1.2007 DAR 2007, 227), als diese als Anlass einen nicht verkehrsbezogenen Vorfall genügen lässt, aber zumindest einen mittelbaren Zusammenhang zwischen dem Alkoholkonsum und einer Teilnahme am Straßenverkehr fordert. Zudem wurde der Antragsteller nicht einmalig in diesem Zustand angetroffen. Schließlich kann bei derartigen Alkoholmengen, wie sie beim Antragsteller festgestellt wurden, bereits die Grenze zur Abhängigkeit überschritten sein, wo ein Zusammenhang zum Straßenverkehr ohnehin nicht erforderlich ist.

c) Allerdings scheitert vorliegend die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens daran, dass eine Rechtsgrundlage hierfür nicht besteht.

Nach § 13 Nr. 2 a) 1. Alt. FeV ist ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, wenn nach dem ärztlichen Gutachten zwar keine Alkoholabhängigkeit, jedoch Anzeichen für Alkoholmissbrauch vorliegen. Das nervenärztliche Gutachten vom 23. August 2006 geht davon aus, dass eine ausreichende Einsichtsfähigkeit in die Zusammenhänge von Erkrankung und Alkoholmissbrauch nicht vorläge. Es kommt zum Ergebnis, dass sich keine begründete Annahme einer Alkoholabhängigkeit oder Anzeichen von Alkoholmissbrauch bestätigen ließen. Mit diesem Ergebnis ist eine Anwendung von § 13 Nr. 2 a) 1. Alt. FeV nicht gerechtfertigt, denn das Gutachten verneint ausdrücklich das Vorliegen von Anzeichen für Alkoholmissbrauch. Dies ist jedoch Tatbestandsvoraussetzung der gesetzlichen Regelung. Mit dem Landratsamt ist davon auszugehen, dass ein solches Ergebnis angesichts der zahlreichen massiven Vorfälle schon etwas verwundert. Auch begegnet das Gutachten durchaus gewissen Zweifeln hinsichtlich der Verlässlichkeit. So wird zum Beispiel auf die Vorfälle Bezug genommen und dennoch zugleich Alkoholmissbrauch ausgeschlossen. Dies beruht auf der lapidaren Feststellung, „es finden sich, wenn keine Alkoholabhängigkeit vorliegt, auch keine Anzeichen von Alkoholmissbrauch“. Wie der Gutachter zu dieser Annahme gelangt, bleibt offen. Auch wird nicht klar, ob sich Auswirkungen daraus ergeben, dass der Antragsteller die Notwendigkeit einer Therapie der Borderline-Erkrankung nicht sieht und deshalb die Einnahme von Medikamenten ablehnt. Insoweit sollte eine Erläuterung dahingehend erfolgen, ob sich das Ergebnis daraus ableitet, dass sich allgemeinkörperlich und neurologisch keine Befunde ergeben hätten, die Laborwerte gegen einen chronischen Alkoholkonsum sprächen und eine Steigerung des Trinkverhaltens nicht vorliege. Es wird lediglich ausgeführt, in der Vergangenheit sei es dem Antragsteller gelungen, Gebrauch von Alkohol und Führen von Kraftfahrzeugen streng zu trennen. Eine weitere Differenzierung wäre aber auch deshalb veranlasst gewesen, weil der Alkoholmissbrauch dem Gutachten zufolge inzwischen tiefgreifend die persönlichen Belange und die soziale Situation erfasst hat. Dass der Gebrauch von Alkohol bisher immer vom Führen eines Kraftfahrzeugs abhängig gemacht worden sei, schließt nicht aus, dass in Zukunft eine Änderung eintreten kann. Worauf sich die Annahme in der Ergänzung des Gutachtens, Fehlleistungen im Sinne der Fahruntauglichkeit seien nicht zu erwarten, gründet, wird deshalb nicht deutlich. Ungeachtet dessen liegen Umstände, die geeignet wären, nachhaltige Zweifel an der gestellten ärztlichen Diagnose zu wecken, nicht vor. Auch wenn gegen das Gutachten gewisse Bedenken nicht verhehlt werden können, stehen weder dem Landratsamt noch dem Gericht bessere Erkenntnisse zur Verfügung. Andere Anhaltspunkte als auch dem Sachverständigen vorlagen, sind nicht vorhanden. Auch stammen die Aussagen von einem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie mit verkehrsmedizinischer Qualifikation. Bei dieser Ausgangslage ist es dem Landratsamt verwehrt, dessen Aussagen allein deshalb in Zweifel zu ziehen, weil das Gutachten nicht zum erwarteten Ergebnis geführt hat. Die Behörde ist vielmehr darauf beschränkt, aus den sachverständigen Äußerungen die notwendigen rechtlichen Konsequenzen zu ziehen, solange sie nicht kraft eigenen Sachverstands die Lage besser beurteilen kann. Da dies jedoch nicht der Fall ist und der Gutachter zum Ergebnis kommt, dass keine Anzeichen für einen Alkoholmissbrauch gegeben sind, entsprach die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht den Voraussetzungen des § 13 Nr. 2 a) 1. Alt. FeV. Ein solches Verständnis ruft auch keinen Widerspruch hervor zwischen den Regelungen in § 13 Nr. 2 a) FeV und in § 13 Nr. 1 FeV, wonach zur Frage der Alkoholabhängigkeit ein ärztliches Gutachten einzuholen ist. Die normative Aufgabenzuweisung findet ihre sachliche Berechtigung darin, dass die Beantwortung der Frage, ob Alkoholabhängigkeit vorliegt, in der Feststellung aktuell vorhandener Gegebenheiten erschöpft, während sich die Abklärung, ob mit einem Alkoholmissbrauch gerechnet werden muss, ein prognostisches Urteil über das künftige Verhalten des Betroffenen voraussetzt, das eine wertende Gesamtbetrachtung der Persönlichkeit des Probanden erfordert (BayVGH v. 25.8.2005 Az. 11 CS 05.1139). Zum Zwecke der Abklärung, ob Alkoholmissbrauch besteht, wird deshalb ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorausgesetzt. Dessen ungeachtet können sich aber aus einem ärztlichen Gutachten zur Alkoholabhängigkeit, das den „Ist-Zustand“ untersucht, Anzeichen für einen Alkoholmissbrauch ergeben. Die dahingehende Frage des Landratsamts an den ärztlichen Gutachter begegnet deshalb keinen Bedenken. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (v. 25.8.2005, a.a.O.) deutet allerdings an, die Frage, ob sich Anzeichen für Alkoholmissbrauch fänden, überschreite das Spektrum der Problemstellungen, die nach § 13 Nr. 1 FeV Gegenstand eines ärztlichen Gutachtens sein könnten. Begründet wird dies jedoch damit, dass die Frage eines Alkoholmissbrauchs nur mittels medizinisch-psychologischen Gutachtens beantwortet werden könne. Das ergibt sich aus § 13 Nr. 2 a) FeV, dürfte aber wohl nicht die Frage an den ärztlichen Gutachter hindern, ob er - bei Verneinen einer Alkoholabhängigkeit - nach den Untersuchungsergebnissen Anzeichen für einen Alkoholmissbrauch sieht, der dann im zweiten Schritt auf psychologischer Ebene geklärt werden müsste. Da auch das Ergebnis einer ohne zureichenden Anlass angeordneten Begutachtung für die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis verwertet werden kann (BayVGH v. 4.1.2006 Az. 11 CS 05.1878 mit Verweis auf BVerwG), kann letztendlich dahingestellt bleiben, ob die hierauf gerichtete Frage des Landratsamt auf § 13 Nr. 1 FeV gestützt werden durfte. Sollte das ärztliche Gutachten Anzeichen für Alkoholmissbrauch darlegen, greift die Regelung in Nr. 2a ein und es bedarf es des erwähnten zweiten Schrittes, in dem die Frage des Alkoholmissbrauchs durch medizinisch-psychologisches Gutachten geklärt wird. Vorliegend sind jedoch solche Anzeichen nicht vorhanden; vielmehr hat der Gutachter dies ausdrücklich verneint.

Ferner kann die Anforderung nicht auf § 13 Nr. 2 a) 2. Alt. FeV gestützt werden. Danach müssten sonst Tatsachen die Annahme begründen, dass Alkoholmissbrauch vorliegt. Wie bereits dargelegt, bestehen keine weiteren Tatsachen, die unabhängig von den Vorfällen, auf die sich bereits das Gutachten stützt, auf einen Alkoholmissbrauch hindeuteten. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller den Alkoholkonsum und das Führen von Kraftfahrzeugen nicht trennen könnte, gibt es nicht. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller sich bislang nachweislich keine Trunkenheitsfahrt und auch keinen sonstigen alkoholbedingten Verstoß im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr hat zuschulden kommen lassen. Auch handelt es sich nicht um einen Berufskraftfahrer; ein eigenes Auto besitzt er nicht mehr. Es ist derzeit deshalb nicht ersichtlich, dass der Antragsteller sich aus beruflichen oder sonstigen Gründen in einem Dauerkonflikt zwischen Alkoholgenuss und der Teilnahme am Straßenverkehr - wie oben geschildert - befände. Ein auch nur mittelbarer Zusammenhang zwischen einem übermäßigen Alkoholkonsum des Antragstellers und seiner Teilnahme am Straßenverkehr sowie konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er nicht mit hinreichender Sicherheit zwischen dem Führen von Kraftfahrzeugen und einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum trennen kann, ist nicht festzustellen (BayVGH v. 4.1.2006 Az. 11 CS 05.1878). Hinzu kommt, dass der Gutachter Anzeichen von Alkoholmissbrauch eindeutig verneint hat. Würde in einem solchen Fall auf die 2. Alternative des § 13 Nr. 2 a) FeV zurückgegriffen werden, würden die Tatbestandsvoraussetzungen der 1. Alternative umgangen. Wenn diese voraussetzt, dass das ärztliche Gutachten Anzeichen für Alkoholmissbrauch festgestellt hat, dann kann nicht für den Fall, dass der Arzt das Vorliegen von Anzeichen verneint hat, ohne Rücksicht hierauf ersatzweise auf die weitere Gesetzesalternative zurückgegriffen werden.

Auch eine allgemeine Interessenabwägung geht zu Gunsten des Antragstellers. Hierbei decken sich die Erwägungen mit denjenigen, die bereits für den Alkoholmissbrauch und den erforderlichen Zusammenhang zum Straßenverkehr von Bedeutung waren. Der Antragsteller hat sich bislang nachweislich keine Trunkenheitsfahrt und auch keinen sonstigen alkoholbedingten Verstoß in Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr zuschulden kommen lassen (BayVGH v. 4.1.2006 Az. 11 CS 05.1878). Auch im Gutachten ist ausgeführt, dass sich der Antragsteller der Problematik bewusst und, weil das Gefühl der Fahruntüchtigkeit subjektiv vorhanden sei, der Gebrauch von Alkohol immer vom Führen eines Kraftfahrzeugs abhängig gemacht worden sei. Zudem besitzt er eigenen Angaben zufolge kein Auto mehr und ist auch nicht beruflich nicht mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs befasst. Damit ist er nicht in besonderer Weise auf das regelmäßige Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr angewiesen. Insgesamt wird die Gefahr, dass sich der Antragsteller alkoholisiert in den Straßenverkehr begibt, deshalb sehr gering eingeschätzt. In Anbetracht der Vorgeschichte erscheint die Gefahr auch deshalb nicht sehr groß, weil der Antragsteller, wenn er Alkohol konsumiert hat, immer solche Mengen getrunken hat, dass er zum Führen eines jeglichen Fahrzeugs schon rein physisch nicht mehr in der Lage war. Da sich dieser Alkoholkonsum aber immer auf den rein privaten Bereich beschränkt hat, erscheint ein Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer vor ungeeigneten Kraftfahrzeugführern mangels konkreter Gefahr in der vorliegenden Situation nicht veranlasst.

Die Rechtsverfolgung in Bezug auf den vorläufigen Rechtsschutz bietet deshalb hinreichende Erfolgsaussichten, so dass dem Antragsteller Prozesskostenhilfe gemäß § 166 VwGO, § 114 ZPO zu gewähren ist, da er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten für die Prozessführung nicht aufbringen kann. Ihm war der von ihm benannte Rechtsanwalt beizuordnen, weil ihm nicht zuzumuten ist, den Rechtsstreit ohne anwaltliche Vertretung zu führen (§ 121 Abs. 2 ZPO).

Dem Antrag war somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz i.V.m. den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327).



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