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OLG Celle Urteil vom 13.05.2004 - 14 U 259/03 - Zur Haftungsverteilung bei Kollision eines alkoholisierten und zu schnellen Kfz-Führers mit einem freilaufenden Pferd

OLG Celle v. 13.05.2004: Zur Haftungsverteilung bei Kollision eines alkoholisierten und zu schnellen Kfz-Führers mit einem freilaufenden Pferd


Das OLG Celle (Urteil vom 13.05.2004 - 14 U 259/03) hat entschieden:
Zur Haftungsverteilung bei einem Zusammenstoß Pkw/Pferd zwischen dem mit 70 km/h innerorts und auf Warnhinweise nicht reagierenden Pkw-Fahrer (2/3) und dem Pferdehalter (1/3). Bei der Abwägung wertet der Senat das Verschulden des alkoholisierten Kfz-Führers, der die Warnhinweise einer Zeugin aufgrund egoistischer Motive (70 km/h innerorts und ganz offensichtlich herabgesetzte Aufmerksamkeit infolge Alkoholeinwirkung) einfach ignoriert hat, als grob fahrlässig. Demgegenüber kann dem Tierhalter nur einfache Fahrlässigkeit angelastet werden.


Siehe auch Tierhalterhaftung/Tiergefahr und Betriebsgefahr


Gründe:

I.

Die Berufung des Klägers ist nur teilweise begründet. Er kann von den Beklagten 2/3 seines durch den Verkehrsunfall am 8. Dezember 2001 um 00:05 Uhr entstandenen Schadens ersetzt verlangen, sodass sich unter Berücksichtigung der von den Beklagten erklärten Aufrechnung folgende Abrechnung ergibt:

Schaden des Klägers: 4.906,00 €
2/3 davon: 3.270,67 €
Gegenaufrechnungsforderung der Beklagten (1/3 von 3.616,22 €): 1.205,41 €
somit Schadensersatzforderung des Klägers insgesamt: 2.065,26 €


Im Einzelnen ergibt sich dies aus folgenden Gründen:

1. Den Beklagten zu 1 traf an dem Verkehrsunfall ein Verschulden. Er hat ganz offensichtlich aufgrund überhöhter Geschwindigkeit von mindestens 70 km/h innerorts und Alkoholeinwirkung (die um 00:55 Uhr vorgenommene Blutentnahme ergab 0,3 ‰) die Warnhinweise der Zeugin ... nicht wahrgenommen und deshalb nicht, wie es geboten gewesen wäre, die Geschwindigkeit entscheidend herabgesetzt und ist infolgedessen mit dem Pferd kollidiert. Die Zeugin ... hat bei ihrer Vernehmung, die schon das Landgericht hätte vornehmen müssen, Folgendes ausgesagt:

Sie sei von einer Seitenstraße gekommen und habe Pferde dort herumlaufen sehen. Deshalb habe sie ihr Kraftfahrzeug angehalten und die Polizei angerufen. Die Pferde hätten hinter ihrem stehenden Pkw zunächst gegrast und seien dann zur Landesstraße zurückgelaufen. Die Zeugin habe vergeblich versucht sie aufzuhalten. Sie habe sich dann auf die Landesstraße gestellt und mit Handbewegungen (die Zeugin hat sie demonstriert, danach konnten die Handbewegungen nur als Hinweis auf eine Herabsetzung der Geschwindigkeit gedeutet werden) zunächst einen Lkw Fahrer zum Anhalten gebracht, der nach ihrer Unterrichtung dann langsam weitergefahren sei. Danach sei der Beklagte angefahren gekommen, habe weder nach links noch nach rechts gesehen und sei mit ganz erheblicher Geschwindigkeit weitergefahren.

Danach ist die Erklärung des Beklagten, er habe auf der rechten Seite eine Frau gesehen, schlicht unwahr. Bei der Frau kann es sich nur um die Zeugin gehandelt haben, die aber nicht rechts von der Fahrbahn stand. Zu erklären ist die Äußerung und auch die gesamte Fahrweise des Beklagten zu 1 nur damit, dass er aufgrund der Alkoholeinwirkung und seines zu schnellen Fahrens durch das Dorf schon die Zeugin überhaupt nicht wahrnahm und erst recht nicht die Warnhinweise. Dass dieses Verhalten als schuldhaft zu bewerten ist, bedarf keiner weiteren Begründung.

Demgegenüber kommt es nicht darauf an, ob die Geschwindigkeitsüberschreitung kausal war, was das Landgericht gar nicht erörtert hat und was nach dem Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. B. durchaus zweifelhaft ist. Denn das Verschulden, auf das es hier entscheidend ankommt, lag nicht in der Geschwindigkeitsüberschreitung allein, sondern darin, dass der Beklagte zu 1 die Warnhinweise nicht wahrnahm und demzufolge in keiner Weise beachtete, wie es jeder vernünftige Verkehrsteilnehmer getan hätte.

2. Andererseits ist dem Kläger gemäß § 833 BGB die Tiergefahr zuzurechnen, was er auch nicht in Abrede stellt. Zu Recht hat das Landgericht ihm aber auch als Verschulden angelastet, das Tor der Weide, in der sich die Pferde befunden hatten, nicht ausreichend gegenüber einem unbefugten Eingriff Dritter gesichert zu haben, z. B. durch eine Kette mit Schloss, wie der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt hat. Der Kläger kann sich nicht erklären, wie die Pferde aus der Koppel gelangt sind. Irgendwie muss ihnen dies aber ermöglicht worden sein. Nicht zu Unrecht verweisen die Beklagten darauf, dass das verunfallte Pferd kein „Pegasus“ gewesen sei. Deshalb spricht der Anschein dafür, dass die Weide doch nicht ausreichend gesichert war, was als schuldhaftes Verhalten des Klägers zu bewerten ist.

3. Bei der Abwägung wertet der Senat das Verschulden des Beklagten zu 1, der die Warnhinweise der Zeugin ... aufgrund egoistischer Motive (70 km/h innerorts und ganz offensichtlich herabgesetzte Aufmerksamkeit infolge Alkoholeinwirkung) einfach ignoriert hat, angesichts der von der Zeugin ... geschilderten Eindringlichkeit der Hinweise schon als grob fahrlässig. Demgegenüber kann dem Kläger nur einfache Fahrlässigkeit angelastet werden. Demgemäß hat der Senat eine Verteilung des Schadens im Verhältnis 1 : 2 zu Lasten der Beklagten für gerechtfertigt gehalten.

4. Zu Unrecht beanstandet der Kläger, dass das Landgericht den Wert des Kraftfahrzeugs des Beklagten zu 1 mit 2.800 € zugrunde gelegt hat. Der Sachverständige B. hat den Wert des Pkws auf ca. 2.550 bis 2.800 € geschätzt und einen Wiederbeschaffungswert von 2.800 € nicht als ausgeschlossen angesehen. Wenn das Landgericht deshalb in Übereinstimmung mit dem Schätzgutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. F. 2.800 € zugrunde gelegt hat, kann dies nicht beanstandet werden.

5. Soweit der Kläger schließlich meint, Verzug sei bereits mit Zugang des Mahnschreibens und nicht erst mit Ablauf der darin gesetzten Frist eingetreten, vermag der Senat diese Rechtsauffassung nicht in Einklang mit § 284 BGB zu bringen.


II.

Zur Kostenentscheidung hat das Landgericht zutreffend auf die von den Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung verwiesen, die gemäß § 19 Abs. 3 GKG zu einer entsprechenden Erhöhung des Streitwerts geführt hat. Hinsichtlich des weiteren Hinweises des Landgerichts, zur Abwägung werde auf Zöller, 24. Aufl., Rn. 3 verwiesen, sieht sich der Senat zu der Frage veranlasst, was dieser Hinweis bewirken sollte. Meinte das Landgericht wirklich, dass die Parteien sich erkundigen sollen, wer und was Zöller ist und was dort steht oder die Prozessbevollmächtigten ihre Parteien mit dem Urteil eine Fotokopie der Kommentarstelle zusenden sollen? Auch Kostenentscheidungen müssen so formuliert werden, dass sie zumindest von den Parteien verstanden werden können. Obwohl dies nicht Aufgabe des Senats sein sollte, soll die erforderliche Aufklärung nachgeholt werden. Der Kläger hat im ersten Rechtszuge 5.306 € geltend gemacht. Er erhält 3.270,67 € (2/3 der vom Landgericht festgestellten Forderung von 4.906 €), unterliegt also insgesamt in Höhe von 2.035,33 € seiner Klageforderung. Die hilfsweise von den Beklagten zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzforderung von 1.954,49 € (vgl. Schriftsatz vom 6. November 2002 Bl. 64, 65 d. A.), um die sich somit der Streitwert erhöht hat, ist nur in Höhe von 1.205,41 € (1/3 der Gesamtforderung von 3.616,22 €) begründet und in Höhe von 749,08 € unbegründet. Aus der Addition der genannten Beträge ergeben sich das jeweilige Unterliegen und Obsiegen der Parteien und damit auch die entsprechenden Kostenquoten. Für das Berufungsverfahren ist entsprechend zu rechnen (§§ 91, 92, 97 Abs. 1 ZPO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs als Revisionsgericht zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.