Das Verkehrslexikon

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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss vom 30.03.2011 - 7 L 324/11 - Zur Ableitung gelegentlichen Cannabis-Konsums aus einem THC-COOH-Wert von mehr als 40 ng/ml

VG Gelsenkirchen v. 30.03.2011: Zur Ableitung gelegentlichen Cannabis-Konsums aus einem THC-COOH-Wert von mehr als 40 ng/ml


Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (Beschluss vom 30.03.2011 - 7 L 324/11) hat entschieden:
Eine festgestellte THC-COOH-Konzentration von 62,9 ng/ml im Gutachten legt die Annahme nahe, dass der Betroffene häufiger und über einen längeren Zeitraum Cannabis konsumiert. Das gilt bereits im Grundsatz für Werte ab 40 ng/ml, die aus einer Stunden nach dem Konsum entnommenen Blutprobe gewonnen werden.


Siehe auch THC-Konsumformen/Konsumgrade und Cannabis-Themen


Gründe:

Der sinngemäß gestellte Antrag,
die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers 7 K 1295/11 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 16. März 2011 wiederherzustellen,
ist gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - zulässig, aber unbegründet. Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil die Ordnungsverfügung bei summarischer Prüfung mit großer Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ist. Zur Begründung verweist die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die Ausführungen in der angegriffenen Verfügung, denen sie im Grundsatz folgt (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO).

Mit Rücksicht auf das Antrags- und Klagevorbringen ist ergänzend Folgendes auszuführen: Maßgebend ist im vorliegenden Fall, dass der Antragsteller am 14. Oktober 2010 ein Kraftfahrzeug unter Cannabiseinfluss geführt hat. Dadurch hat er bewiesen, dass er zwischen Konsum von Cannabis und Fahren nicht trennen kann.
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 15. Dezember 2003 - 19 B 2493/03 -, 7. Februar 2006 - 16 B 1392/05 -, 9. Juli 2007 - 16 B 907/07 - und 1. August 2007 - 16 B 908/07.
Der im Blut des Antragstellers nach dem Ergebnis des rechtsmedizinischen Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums C. vom 9. Dezember 2010 festgestellte THC-Wert von 3,1 ng/ml übersteigt den zu § 24 a Abs. 2 des Straßenverkehrsgesetzes - StVG - durch die Grenzwertkommission festgesetzten Wert von 1 ng/g bzw. ml und rechtfertigt daher die Annahme eines zeitnahen Konsums mit entsprechender Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit. Das Erreichen dieses Grenzwertes ist nämlich für die Annahme relevanten Cannabiseinflusses erforderlich, aber auch ausreichend.
Vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21. Dezember 2004 - 1 BvR 2652/03 - mit zahlreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur.
Soweit mit der Antrags- und Klageschrift und seinem Schreiben vom 11. Februar 2011 vorgetragen wird, er habe nur einmalig am Abend zuvor Drogen konsumiert, ist dies offenkundig unzutreffend. Denn der Antragsteller hat bei der Polizeikontrolle am 14. Oktober 2010 (morgens gegen 8:30 Uhr) angegeben, "vor wenigen Tagen" Cannabis konsumiert zu haben; außerdem war er der Polizei "als BTM-Konsument hinreichend bekannt". Dabei weist zunächst die gemessene THC-Konzentration von 3,1 ng/ml deutlich darauf hin, dass der letzte Konsum nur wenige Stunden zuvor gewesen sein dürfte. Denn die Nachweisbarkeitsdauer von THC im Blutserum wird im Fachschrifttum nach einem Einzelkonsum mit vier bis sechs Stunden angegeben und nur in Fällen von wiederholtem oder regelmäßigem Konsum kann sich diese Zeitspanne erhöhen.
Vgl. Schubert/Schneider/Eisenmenger/Stephan, Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, 2. Aufl., S. 178; vgl. auch: Berghaus/Krüger, Cannabis im Straßenverkehr, 1. Aufl., Kap. 10.2.4., S. 157 ff.
Ferner legt die festgestellte THC-COOH-Konzentration von 62,9 ng/ml im Gutachten die Annahme nahe, dass der Antragsteller häufiger und über einen längeren Zeitraum Cannabis konsumiert. Das gilt bereits im Grundsatz für Werte ab 40 ng/ml, die - wie beim Antragsteller - aus einer Stunden nach dem Konsum entnommenen Blutprobe gewonnen werden.
Vgl. Berghaus/Krüger, a.a.O., S. 157 f; vgl. auch Daldrup, Blutalkohol 2000, S. 39; vgl. allgemein auch OVG Niedersachsen, Beschluss vom 11. Juli 2003 - 12 ME 287/03 -, DAR 2003, 480 f.
Soweit der Antragsteller weiter vorträgt, zum Zeitpunkt der Gutachtensaufforderung kein Geld für die Erstellung des Gutachtens gehabt zu haben, ist dies ebenfalls rechtlich nicht erheblich, da Fahrerlaubnisinhaber zu Recht angeordnete Gutachten auf eigene Kosten erstellen lassen müssen. Auch eine spätere Erstellung des Gutachtens kam nicht in Betracht, da die Feststellung eines möglichen Drogenkonsums zeitnah erfolgen muss, wenn sie verwertbare Erkenntnisse bringen soll.

Ein Ermessen steht dem Antragsgegner bei feststehender Ungeeignetheit nicht zu. Angesichts dessen bestehen auch keinerlei Bedenken gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entziehungsverfügung. Die vom Antragsteller ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit erscheint zu groß, als dass sie bis zur Entscheidung der Hauptsache hingenommen werden könnte. Auf die damit verbundenen persönlichen und beruflichen Probleme muss der Antragsteller sich einstellen. Vielmehr besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse daran, den Antragsteller durch eine sofort wirksame Maßnahme vorläufig von der Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr auszuschließen. Es bleibt ihm unbenommen, den Nachweis einer wiedergewonnenen Kraftfahrereignung in einem späteren Wiedererteilungsverfahren durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung zu führen, die dann zwingend vorgeschrieben ist (§ 14 Abs. 2 der Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV -).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und entspricht der aktuellen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen bei Streitigkeiten um eine Fahrerlaubnis in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren, Beschluss vom 4. Mai 2009 - 16 E 550/09 -, nrwe.de / juris.