Das Verkehrslexikon

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BGH Urteil vom 10.05.1963 - VI ZR 235/62 - Zum Vorteilsausgleich durch Abzüge für ersparten Eigenverschleiß bei den Mietwagenkosten

BGH v. 10.05.1963: Zum Vorteilsausgleich durch Abzüge für ersparten Eigenverschleiß bei den Mietwagenkosten


Der BGH (Urteil vom 10.05.1963 - VI ZR 235/62) hat entschieden:
Der Kfz-Halter, der für die Dauer der Reparatur seines unfallgeschädigten Kfz vom Schädiger Erstattung der Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs verlangen kann, muss sich ersparte Eigenkosten anrechnen lassen. Hierzu gehören die Kosten für Ölstoffe und Schmierstoffe, Bereifung und Reparaturanteile (Inspektionsanteile), die sich bei normalen Verhältnissen auf Durchschnitts-Kilometersätze aufschlüsseln lassen. Ob durch den ersparten Verschleiß am eigenen Wagen ein messbarer Vorteil entstanden ist, hängt von den Umständen, im besonderen von der Größe der Fahrstrecke ab, für die der Wagen ausgefallen ist.


Siehe auch Nutzungsausfall und Ausfallentschädigung


Tatbestand:

Der Personenkraftwagen des Klägers (Ford-Taunus, Fahrkilometer 26.000), wurde am 1. August 1960 durch einen Funkstreifenwagen des beklagten Landes angefahren und beschädigt. Der Kläger mietete für die 11 Tage dauernde Reparaturzeit einen Ersatzwagen und benutzte diesen auf einer Fahrstrecke von 1.000 Kilometer. Die ihm entstandenen Kosten für Mietzins einschließlich Versicherung von 297,-- DM stellte er dem beklagten Land in Rechnung, das unstreitig für die Folgen des Unfalls aufkommen muss (Art. 34 GG, § 839 BGB). Das beklagte Land kürzte den angeforderten Erstattungsbetrag um 27 DM und machte zur Begründung geltend, der Kläger müsse sich seine ersparten Eigenkosten (Verschleiß etc.) in Höhe von mindestens 27 DM anrechnen lassen.

Die Klage auf Zahlung von 27 DM wurde in beiden Instanzen abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.


Entscheidungsgründe:

Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass sich der Kläger, der für die entgangene Nutzung seines beschädigten Kraftfahrzeugs Erstattung der ihm entstandenen Mietwagenkosten fordert, einen Betrag für ersparte Eigenkosten anrechnen lassen muss. Für den Kraftwagenhalter bedeutet es in aller Regel eine Ersparnis, wenn er sich bei seinen Fahrten auf Kosten eines anderen eines Mietfahrzeugs bedient und den eigenen Wagen schont. Greift der rechtliche Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung ein, so ist der zur Erstattung der Mietwagenkosten verpflichtete Schädiger berechtigt, in Höhe dieses Vorteils einen Abzug an der Rechnung vorzunehmen. Die Berechtigung eines solchen Abzugs, wie sie bei der Regulierung von Mietwagenkosten in der Haftpflichtpraxis üblich ist, wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum auch grundsätzlich anerkannt. Nur wenn es sich um Fahrten mit dem gemieteten Wagen von sehr kurzen Strecken handelt, lehnen einige Gerichte eine Anrechnung mit der Begründung ab, es lasse sich eine messbare Ersparnis des Kraftfahrzeughalters nicht ermitteln (OLG Hamm MDR 1960, 226; 1962, 305; Düsseldorf DAR 1961, 306; vgl. auch Heyse NJW 1960, 1047). Diese Ansicht macht sich die Revision zu eigen, die zu dem Ergebnis kommt, der Kläger habe durch die Nichtbenutzung seines Kraftwagens auf einer Fahrstrecke von nur 1.000 km keinen Vorteil erlangt.

Dem kann nicht gefolgt werden: Zunächst sind für den Kraftfahrzeughalter während der Zeit der Benutzung des Mietwagens gewisse Betriebskosten entfallen, die ihm bei Benutzung des eigenen Fahrzeugs entstanden wären. Zwar hat der Mieter des Ersatzfahrzeugs den Treibstoff durchweg selbst zu beschaffen, auch laufen -- wenigstens bei kurzem Ausfall -- die Kosten für Steuer, Versicherung und Garage weiter, so dass insoweit keine Ersparnis entsteht. Wohl aber fällt ins Gewicht, dass der Kraftfahrzeughalter für eine Fahrstrecke, die der vom Ersatzfahrzeug zurückgelegten Strecke entspricht, keine Aufwendungen für Öl- und Schmierstoffe zu machen braucht und dass er für diese Strecke auch von Kosten für Reifennutzung und Reparatur- (Inspektions-) Anteilen freigestellt wird. Diese "beweglichen Betriebskosten", die jedem Kraftwagenhalter fortlaufend mit der Benutzung des Kraftfahrzeugs entstehen, lassen sich auf Grund allgemeiner Erfahrungen einigermaßen zuverlässig ermitteln und auf Fahrkilometer aufschlüsseln, wobei sich nach den einzelnen Wagentypen unterschiedliche Pauschalbeträge ergeben, die bei durchschnittlichen Verhältnissen brauchbare Anhaltspunkte für die erforderliche Schätzung des Richters geben (vgl. etwa die in den Automobil-Zeitschriften laufend veröffentlichten Aufstellungen über die durchschnittlichen Betriebskosten der Kraftwagenhaltung, ferner Maase-Busch: Die Ersatzwagenkosten bei Verkehrsunfällen 2. Aufl. S. 85; und Maase NJW 1961, 253). Jedenfalls geht es nicht an, diese Vorteile bei einer Schonung des eigenen Wagens für eine Fahrstrecke von 1.000 Kilometern mit der Begründung unberücksichtigt zu lassen, es fehle für eine Berechnung jeder Anhaltspunkt. Dass die ziffernmäßige Schätzung der ersparten Kosten mit Pauschalsätzen arbeiten muss und den effektiven Vorteil nur mit Annäherungswerten erfassen kann, liegt in der Natur der Sache begründet (§ 287 ZPO).

Neben diesen ersparten beweglichen Betriebskosten kann auch die ersparte Abnutzung des eigenen Wagens als Vorteil in Betracht kommen. Allerdings ist einzuräumen, dass sich diese Verschleißersparnis nicht generell auf Kilometer-Durchschnittssätze aufschlüsseln lässt. Die Berechnung nach tabellenmäßigen Pauschalsätzen würde der Wirklichkeit jedenfalls nicht immer gerecht werden. Denn einmal misst die maßgebliche Verkehrsauffassung einer geringen Kilometerdifferenz in der Benutzungsdauer durchweg keinen Einfluss auf die Bewertung eines Gebrauchtwagens bei. Sodann sinkt der Verkehrswert eines Kraftfahrzeugs im ersten Stadium seiner Lebensdauer weit rascher ab als im letzten Stadium der Benutzung. Diese Tatsachen darf die Schadenschätzung nicht außer acht lassen. Im vorliegenden Fall hat sich das Berufungsgericht aber nicht mit der Lebenserfahrung in Widerspruch gesetzt, indem es der Schonung eines recht "jungen" Wagens (26000 km) für eine Fahrstrecke von 1.000 km bei der Einschätzung des Verkehrswertes Bedeutung beimisst und diesen Vorteil ziffernmäßig schätzt. Wird ein solcher Wagen gegen einen neuen Wagen in Zahlung gegeben, so hängt es oft gerade von Strecken, die um 1.000 km liegen, ab, welcher Prozentsatz vom Neupreis des Wagens abgezogen wird, um den Übernahmepreis zu ermitteln (OLG Düsseldorf VersR 1961, 927 An dem Einfluss der Fahrleistung auf den Schätzpreis ändert es nichts, dass für die Ermittlung des Verkaufswertes natürlich auch noch andere Faktoren maßgebend sind. Wenn das Berufungsgericht die vom beklagten Land mit 27 DM berechnete Ersparnis als keineswegs übersetzt bezeichnet, so sind dagegen rechtlichen Bedenken nicht zu erheben. Auch die Revision hat gegen die Höhe dieses Abzugs keine Einwendungen geltend gemacht.

Sie meint nur, wenn das Berufungsgericht schon eine solche geringe Ersparnis als abzugsfähig erkläre, dann habe es auch einen -- wenn auch geringen -- technischen oder merkantilen Minderwert des Wagens als erstattungsfähig anerkennen müssen. Dieser sei auf einen höheren Betrag zu schätzen als die vom Berufungsgericht berücksichtigte Ersparnis des Klägers, so dass die Klageforderung auch dann begründet sei, wenn man im übrigen dem Standpunkt des Berufungsgerichts folge. Diese Rüge kann keinen Erfolg haben. Einmal hat der Kläger in den Tatsacheninstanzen nicht dargelegt, dass der Wagen nach durchgeführter Reparatur einen geringeren Wert als vor dem Unfall hat Außerdem hat das Berufungsgericht die Reparaturrechnung geprüft und aus der Art der Reparatur keinen Anhaltspunkt dafür gefunden, dass nach der Ausbesserung der Schäden ein technischer oder merkantiler Minderwert des Wagens zurückgeblieben ist. Diese Würdigung, die auch ohne Zuziehung eines Sachverständigen möglich war, lässt einen Rechtsirrtum nicht erkennen.

Die Revision war nach allem zurückzuweisen.