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BGH Urteil vom 13.03.1980 - III ZR 145/78 - Zum Schadensersatzanspruch des Mandanten bei mangelnder Aufklärung des Rechtsanwalts über die zu erwartende Gebührenhöhe

BGH v. 13.03.1980: Zum Schadensersatzanspruch des Mandanten bei mangelnder Aufklärung des Rechtsanwalts über die zu erwartende Gebührenhöhe


Der BGH (Urteil vom 13.03.1980 - III ZR 145/78) hat entschieden:
Gebührenansprüche eines Anwalts können ganz oder teilweise entfallen, wenn der Rechtsanwalt den Mandanten nicht, wie nach den Umständen geboten, über die Höhe der entstehenden Gebühren belehrt hat (vgl BGH Urteil vom 16. Januar 1969 - VII ZR 66/66 = NJW 1969, 932, 933 = WM 1969, 846, 847). Entsteht dem Mandanten hierdurch ein Schaden, kann er regelmäßig - was die Beklagte erklärt hat - gegen die Gebührenforderung mit einem Schadensersatzanspruch aufrechnen. Auf Verlangen der Partei muss ein Rechtsanwalt die voraussichtliche Höhe der gesetzlichen Vergütung mitteilen. Der gebotene Inhalt der Aufklärung hängt von den Umständen des jeweiligen Falles ab. Entscheidend für das Maß der Unterrichtung ist jedoch stets die für den Anwalt erkennbare Erkenntnis und Interessenlage des Auftraggebers.


Siehe auch Aufklärungspflicht des Anwalts über die Höhe der voraussichtlichen Kosten? und Stichwörter zum Thema Rechtsanwaltsgebühren - Anwaltshonorar - Rechtsanwaltskosten


Zum Sachverhalt:

Die Kläger, eine Sozietät von Rechtsanwälten, verlangen von der Beklagten - einer in den USA ansässigen Aktiengesellschaft - die Bezahlung von Rechtsanwaltsgebühren für außergerichtliche Tätigkeiten.

Unter dem 15. Oktober 1974 erteilten die Kläger der Beklagten eine Rechnung über 1.173.417,37 DM. Hierbei setzten sie auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 250 Mio DM eine Geschäftsgebühr und eine Besprechungsgebühr von je 7,5/10 an.

Nach Anerkennung eines Betrages von 100.000 DM nebst Zinsen hat das Landgericht die Beklagte durch Teilanerkenntnisurteil vom 17. Oktober 1975 entsprechend verurteilt. Durch das Teilurteil vom 14. November 1975 wurde sie zur Zahlung des restlichen Rechnungsbetrages nebst Zinsen verpflichtet.

Die Beklagte hat das Teilurteil vom 14. November 1975 in vollem Umfang angefochten und das Anerkenntnisteilurteil in Höhe von 18.507,63 DM, da der Beklagten bei der Abgabe des Anerkenntnisses ein Rechenfehler unterlaufen sei.

Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage in dem bisherigen Umfang weiter.


Aus den Entscheidungsgründen:

"A.

Soweit die Revision das Berufungsurteil hinsichtlich des Teilanerkenntnisurteils angreift, ist sie unbegründet. Das Berufungsgericht hat das Anerkenntnis der Beklagten mit Recht als in voller Höhe wirksam angesehen. Es liegt weder ein zum Widerruf von Prozesshandlungen berechtigender Restitutionsgrund (vgl BGHZ 12, 284, 285; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 38. Aufl Anm 2 A vor § 306; Baumgärtel ZZP 87, 121, 130 f) noch ein Fall des offensichtlichen Versprechens oder Verschreibens vor (vgl RGZ 81, 177, 179). Die Revision hat auch nicht dargelegt, dass ein Irrtum die Beklagte zur Abgabe des Anerkenntnisses bewogen hat. Ob § 290 ZPO auf einen solchen Fall entsprechend anzuwenden ist (vgl Thomas/Putzo ZPO 10. Aufl Anm 3a zu § 307; Rosenberg/Schwab Zivilprozessrecht 12. Aufl § 65 V Fn 44), kann deshalb dahinstehen.


B.

Soweit die Revision das Teilurteil vom 14. November 1975 betrifft, führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.


...

II.

Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch gegen die Kläger aus einer Verletzung der Aufklärungspflicht über die Höhe der entstehenden Gebühren verneint. Es hat dazu ausgeführt, der Kläger Dr E. habe die entsprechende Frage des Präsidenten der Beklagten hinreichend damit beantwortet, dass für die Tätigkeit der Kläger Gebühren von insgesamt bis zu 1% des für die Beklagte auf dem Spiel stehenden wirtschaftlichen Interesses erwachsen könnten.

Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

1. Allerdings trifft der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts zu, dass Gebührenansprüche eines Anwalts ganz oder teilweise entfallen können, wenn der Rechtsanwalt den Mandanten nicht, wie nach den Umständen geboten, über die Höhe der entstehenden Gebühren belehrt hat (vgl BGH Urteil vom 16. Januar 1969 - VII ZR 66/66 = NJW 1969, 932, 933 = WM 1969, 846, 847). Entsteht dem Mandanten hierdurch ein Schaden, kann er regelmäßig - was die Beklagte erklärt hat - gegen die Gebührenforderung mit einem Schadensersatzanspruch aufrechnen.

Auf Verlangen der Partei muss ein Rechtsanwalt die voraussichtliche Höhe der gesetzlichen Vergütung mitteilen (vgl Gerold/Schmidt BRAGO 6. Aufl Anm 9 zu § 1; Riedel/Sußbauer aaO Anm 4 zu § 1). Der gebotene Inhalt der Aufklärung hängt von den Umständen des jeweiligen Falles ab. Entscheidend für das Maß der Unterrichtung ist jedoch stets die für den Anwalt erkennbare Erkenntnis und Interessenlage des Auftraggebers.

Hierbei kommt der praktischen Brauchbarkeit der Belehrung besonderes Gewicht zu. Der Anwalt muss die tatsächliche Höhe der zu erwartenden Gebühren angeben, damit der Auftraggeber seine weiteren Maßnahmen danach einrichten kann. Deshalb gehört hierzu grundsätzlich nicht nur die Angabe der zahlenmäßigen Gesamthöhe der Gebühren, sondern in der Regel auch ein Hinweis darauf, welche Gebühren voraussichtlich entstehen werden.

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts eine ausreichende Unterrichtung der Beklagten nicht angenommen werden.

a) Die Schätzung des Klägers Dr E. gegenüber dem Präsidenten der Beklagten, wie sie das Berufungsgericht festgestellt hat, genügte hier den Anforderungen nicht. Die Beklagte erfuhr dadurch weder, welche Gebühren in Betracht kamen, noch wie hoch diese einzeln und zusammen sein würden, noch welcher zahlenmäßige Wert als Interesse der Beklagten am Fortbestand des Importeurvertrages zu Grunde zu legen war. Eine solche Unterrichtung setzte den Inhaber der Beklagten nicht in die Lage abzuwägen, ob die geplante Art der Rechtsverteidigung und Verhandlung wirtschaftlich sinnvoll war.

b) Gerade ein außergewöhnlich hoher Gegenstandswert und sich daraus ergebende hohe Gebühren begründen eine besondere Verpflichtung des Rechtsanwalts, auf Befragen dem Auftraggeber seine Vorstellung von der Höhe des Gegenstandswerts und damit auch der Gebühren mindestens der Größenordnung nach mitzuteilen. Daher kann grundsätzlich eine Auskunft nicht genügen, die zwar die insgesamt in Betracht kommenden Gebühren im Ergebnis nicht zu niedrig angibt, aber so ungenau ist, dass der Auftraggeber die Höhe der zu erwartenden Gebühren nicht annähernd sicher überblicken kann.

Das war hier der Fall. Die Kläger konnten nicht davon ausgehen, dass der Inhaber der Beklagten für die Gebührenberechnung sein Interesse am Fortbestand des Importeurvertrages mit dem 12 1/2-fachen Jahresgewinn der Firma einschätzen würde. Zum einen war zum fraglichen Zeitpunkt noch nicht erkennbar, ob die B.-AG nicht möglicherweise einen auch für die Beklagte annehmbaren, nur in bestimmter Weise modifizierten Vertrag anbieten würde. Dann wäre das Interesse der Beklagten wesentlich geringer als mit 250 Mio DM zu veranschlagen gewesen. Zum anderen ist der 12 1/2-fache Jahresgewinn eine mögliche, aber nicht die allein zulässige Bemessung des Gegenstandswertes. Der Inhaber der Beklagten mag zudem auf die gänzlich andere Berechnung der Anwaltsgebühren in den USA gedacht haben - was der Kläger Dr E. in Rechnung stellen musste (nach Stundensätzen, Erfolgshonoraren und Pauschalhonoraren, vgl Sandstein AnwBl 1966, 145f und Mellinkoff, Lawyers and the System of Justice, 1976 S 291, 296ff und 323f).

Auch die unterschiedlichen Bewertungen des Streits der Beklagten mit der B.-AG durch das Landgericht München I, die vorliegenden Gutachten und die Höhe der in den USA erhobenen Klage - Beträge zwischen 20 Mio und mehr als 2 Mrd DM - belegen, dass der Inhaber der Beklagten als juristischer Laie nicht auf einen Gegenstandswert von 250 Mio DM kommen musste. Unter diesen Umständen spielt es keine Rolle, dass es sich bei dem Präsidenten der Beklagten unstreitig um einen gewandten, außerordentlich erfolgreichen Geschäftsmann handelt, der auch von amerikanischen Rechtsanwälten beraten wurde, denen deutsches Rechtsanwaltsgebührenrecht nicht fremd war.

c) Allerdings kann ein Rechtsanwalt den Auftraggeber nicht abschließend unterrichten, wenn er - wie hier der Kläger Dr E. - noch am Anfang seiner Tätigkeit steht und ihm daher nicht alle für die Bemessung der Gebühren wesentlichen Faktoren bekannt sind. Dann ist grundsätzlich ein Vorbehalt geboten, damit der Auftraggeber die Vorläufigkeit der ihm erteilten Auskunft erkennen kann. Nennt der Anwalt indessen zu diesem frühen Zeitpunkt zu niedrige Gebühren, so kann er später ohne einen rechtzeitigen Hinweis keine höhere Vergütung fordern (vgl BGHZ 18, 340, 347 und Senatsurteil vom 5. April 1976 - III ZR 79/74 - aaO S 1137).

Der Senat verkennt nicht, dass damit hohe Anforderungen an die Pflichten eines Anwalts gestellt werden. Sie sind indessen aufgrund des durch den Anwaltsvertrag begründeten besonderen Vertrauensverhältnisses und der Stellung des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege gerechtfertigt (vgl hierzu BGH Urteil vom 2. Juli 1968 - VI ZR 39/67 = BB 1968, 1015, 1016 mwN).

3. Damit steht fest, dass der Kläger Dr E. schuldhaft die ihm obliegende Pflicht zur Belehrung über die voraussichtlich entstehenden Gebühren verletzt hat. Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte er erkennen können, dass seine (vorbehaltlose) Auskunft die Höhe seiner Honorarforderung der ausdrücklich danach fragenden Beklagten nicht ausreichend verdeutlichte.

Das Berufungsgericht hat jedoch - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen darüber getroffen, ob dies ursächlich für die Erteilung des Mandats war, und gegebenenfalls in welcher Höhe der Beklagten hierdurch ein Schaden erwachsen ist. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch diese Voraussetzungen einer Schadensersatzforderung der Beklagten vorgelegen haben.

Bei umfassender Unterrichtung über die Höhe der Gebühren hätte die Beklagte die Verhandlungsführung auch zunächst amerikanischen Anwälten übertragen, falls diese - wie von der Beklagten behauptet - wesentlich geringere Gebühren verlangt hätten. Da die bisherigen Feststellungen für eine abschließende Beurteilung nicht ausreichen, muss das Berufungsurteil insoweit aufgehoben werden, als die Berufung gegen das Teilurteil vom 14. November 1975 zurückgewiesen worden ist. Die Beklagte wird Gelegenheit haben, in der erneuten Berufungsverhandlung ihren bisherigen Vortrag zur Art und Höhe ihres Schadens zu ergänzen und unter Beweis zu stellen.

Allerdings hat sich der Präsident der Beklagten unstreitig mit der unzureichenden Auskunft des Klägers Dr E. begnügt, ohne weitere Fragen zu stellen. Ob dies unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens Bedeutung erlangen kann, wird das Berufungsgericht zu erwägen haben, falls seine weiteren Feststellungen ergeben, dass der Beklagten ein Schaden entstanden ist. ..."



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