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BGH Urteil vom 20.01.1994 - IX ZR 46/93 - Zur Mitverschuldenshaftung des Mandanten für einen Anwaltsfehler des Zweitanwalts im Regressverfahren gegen den früheren Erstanwalt

BGH v. 20.01.1994: Zur Mitverschuldenshaftung des Mandanten für einen Anwaltsfehler des Zweitanwalts im Regressverfahren gegen den früheren Erstanwalt


Der BGH (Urteil vom 20.01.1994 - IX ZR 46/93) hat entschieden:
  1. Beauftragt der Mandant einen Rechtsanwalt, um einen erkannten oder für möglich gehaltenen Fehler eines früheren Rechtsanwalts zu beheben, so muss sich der Mandant im Verhältnis zu seinem ersten Anwalt einen schuldhaften Schadensbeitrag seines zweiten Anwalts als Mitverschulden zurechnen lassen (Ergänzung BGH, 1993-03-18, IX ZR 120/92, NJW 1993, 1779, 1781).

  2. Bei der Prüfung eines Mitverschuldens des geschädigten Mandanten, dessen Rechtsanwalt bei der Behebung eines Fehlers eines früheren Rechtsanwalts durch pflichtwidriges Prozessverhalten zu dem Schaden schuldhaft beigetragen hat, ist für die Beurteilung des hypothetischen Kausalverlaufs die Beurteilung des Gerichts maßgeblich, das mit dem Regressanspruch gegen den ersten Anwalt befasst ist.
Siehe auch Anwaltsverschulden und Haftungsrechtlicher Zurechnungszusammenhang



Tatbestand:

Der Kläger verlangt von den beklagten Rechtsanwälten, die früher in einer Sozietät verbunden waren und dies mit Ausnahme des Beklagten zu 2) heute noch sind, Schadensersatz wegen eines Beratungsfehlers des Beklagten zu 7) bezüglich des Versorgungsausgleichs im Rahmen des Ehescheidungsverfahrens des Klägers.

Der Kläger - Lehrer - schloss im Dezember 1972 die Ehe. Am 3. Januar 1977 trennten sich die kinderlosen Eheleute. Der vom Kläger im Februar 1989 beauftragte Beklagte zu 7) betrieb die Scheidung der Ehe des Klägers, die durch rechtskräftiges Urteil vom 25. Juli 1989 ausgesprochen wurde. Im Folgeverfahren des Versorgungsausgleichs erklärte die frühere Ehefrau des Klägers - Verwaltungsangestellte -, sie wünsche keinen solchen Ausgleich, weil sie und ihr Ehemann seit der Trennung völlig unabhängig voneinander gelebt hätten, sie - die Ehefrau - keine ehebedingten Nachteile in der Altersversorgung feststellen könne und an der Ehe nicht - auch nicht über eine Teilhabe an der Pension ihres Ehemannes - wirtschaftlich verdienen möchte, weil das Zusammenleben nur etwa fünf Jahre (richtig: etwa vier Jahre) gedauert habe. Durch Beschluss des Familiengerichts vom 29. August 1989 wurden zu Lasten der Anwartschaft des Klägers auf Beamtenversorgung und zugunsten seiner geschiedenen Ehefrau Rentenanwartschaften von monatlich 463,65 DM, bezogen auf den 28. Februar 1989, begründet. Dagegen legten der Kläger, vertreten durch den Beklagten zu 7), und die geschiedene Ehefrau Beschwerde ein. Mit Verfügung vom 11. Dezember 1989 teilte die Vorsitzende des Beschwerdegerichts mit, für eine Kürzung des Versorgungsausgleichs wegen der langen Trennung fehlten die Voraussetzungen angesichts des bestehenden Einkommens- und Versorgungsgefälles; deshalb wäre auch eine Parteivereinbarung nicht genehmigungsfähig, die einen Total- oder Teilverzicht auf den Versorgungsausgleich ohne Gegenleistung enthielte. Nachdem die vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben an den Beklagten zu 7) vom 4. Januar 1990 Schadensersatzansprüche des Klägers wegen fehlerhafter Beratung hinsichtlich des Versorgungsausgleichs angemeldet hatten, bestellten sich diese im Auftrag des Klägers anstelle der Beklagten im Beschwerdeverfahren. Mit Verfügung der Vorsitzenden des Beschwerdegerichts vom 2. April 1990 wurde dem Kläger aufgegeben, eine Vereinbarung gemäß § 1587 o BGB vor dem Verhandlungstermin einzureichen. Eine solche Vereinbarung kam nicht zustande. Daraufhin nahmen die geschiedenen Eheleute ihre Beschwerden zurück.

Die Klage auf Ersatz von 100.440,39 DM, die erforderlich sind, um die Kürzung der Versorgungsbezüge gemäß § 58 des Beamtenversorgungsgesetzes abzuwenden, hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag weiter, die Klage abzuweisen.


Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Zurückverweisung.

I.

Das Berufungsgericht hat eine gesamtschuldnerische Haftung der beklagten Rechtsanwälte wegen Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages durch den Beklagten zu 7) angenommen (§§ 427, 714, 675 BGB; vgl. BGHZ 56, 355, 359 ff; 70, 247, 249; BGH, Urt. v. 23. Mai 1985 - IX ZR 102/84, NJW 1985, 2250, 2251, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 94, 380) und dazu ausgeführt:

Der Beklagte zu 7) habe seine Vertragspflicht schuldhaft verletzt, indem er den ihm vorgetragenen Wunsch des Klägers und seiner Ehefrau, anlässlich der beabsichtigten Ehescheidung den Versorgungsausgleich auszuschließen, unzutreffend dahin beantwortet habe, dass dies unmöglich sei; über die Möglichkeit, den Versorgungsausgleich durch Ehevertrag auszuschließen, habe der Beklagte zu 7) nicht belehrt. Hätte er auf diese Möglichkeit hingewiesen, so hätten die Eheleute eine solche Vereinbarung geschlossen und den Scheidungsantrag noch ein Jahr aufgeschoben, um nicht die Unwirksamkeit des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs herbeizuführen. Infolge des Beratungsfehlers des Beklagten zu 7) sei dem Kläger der geltend gemachte Schaden entstanden. Nach Einreichung des Scheidungsantrags habe das Familiengericht über den Versorgungsausgleich entscheiden müssen und dies zu Lasten des Klägers getan.

Dem Kläger falle kein Schadensbeitrag als mitwirkendes Verschulden zur Last, weil seine Beschwerde gegen die Entscheidung über den Versorgungsausgleich zurückgenommen worden sei. Wegen der eindeutigen Verfügung der langjährigen und erfahrenen Vorsitzenden des Beschwerdegerichts habe der Kläger davon ausgehen müssen, dass seine Beschwerde erfolglos bleiben werde. Das Beschwerdegericht hätte sein Rechtsmittel ohne Zulassung der weiteren Beschwerde zurückgewiesen, weil § 1587 c Nr. 1 BGB eine Kürzung des Versorgungsausgleichs wegen der langen Trennung der Ehegatten, die im wesentlichen auf die Zeit nach dem Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14. Juni 1976 (BGBl I 1421) - 1. EheRG - am 1. Juli 1977 entfallen sei, nicht gestattet hätte.


II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. a) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Beklagte zu 7) seine vertragliche Beratungspflicht schuldhaft verletzt hat. Insoweit bittet die Revision um Prüfung des angefochtenen Urteils, erhebt aber keine bestimmte Rüge.

Der um Rat gebetene Rechtsanwalt ist seinem Auftraggeber zu einer umfassenden und erschöpfenden Belehrung verpflichtet. Der Anwalt muss den ihm vorgetragenen Sachverhalt dahin prüfen, ob er geeignet ist, den vom Auftraggeber erstrebten Erfolg herbeizuführen. Dem Mandanten hat der Anwalt diejenigen Schritte zu empfehlen, die zu dem erstrebten Ziel führen können. Er muss den Auftraggeber vor Nachteilen bewahren, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat der Anwalt seinem Mandanten den sichersten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant eine sachgerechte Entscheidung treffen kann; Zweifel und Bedenken, zu denen die Sachlage Anlass gibt, muss der Anwalt darlegen und mit seinem Auftraggeber erörtern (BGH, Urt. v. 5. November 1992 - IX ZR 200/91, WM 1993, 610, 613 f m.w.N.).

Danach hat der Beklagte zu 7) - aufgrund der unbeanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts - pflichtwidrig und fahrlässig versäumt, dem Kläger als sichersten Weg für den erstrebten Ausschluss des Versorgungsausgleichs einen notariell beurkundeten Ehevertrag (§§ 1408, 1410 BGB) zu empfehlen und ihm zu raten, die Ehescheidung erst nach Ablauf eines Jahres nach Vertragsschluss zu beantragen, um eine Unwirksamkeit eines Ausschlusses des Versorgungsausgleichs zu vermeiden (§ 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB). Nach der nicht angegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts wären der Kläger und seine frühere Ehefrau einer solchen sachgerechten Beratung gefolgt.

b) Die weitere tatrichterliche Feststellung, dass dem Kläger infolge der schuldhaften Vertragsverletzung des Beklagten zu 7) der geltend gemachte Schaden entstanden ist, wird nicht beanstandet und ist rechtsfehlerfrei.

2. Die Revision rügt jedoch zu Recht, dass das Berufungsgericht ein mitwirkendes Verschulden des Klägers bei der Entstehung des Schadens (§ 254 BGB) verneint hat.

Die Revision will dem Kläger als Mitverschulden anrechnen, dass die Anwälte, die der Kläger an Stelle der Beklagten beauftragt hat, die von diesen eingelegte und begründete Beschwerde gegen den familiengerichtlichen Beschluss vom 29. August 1989 über den Versorgungsausgleich zurückgenommen haben.

a) Der Geschädigte hat grundsätzlich im Rahmen des § 254 BGB geeignete und zumutbare Rechtsbehelfe zu ergreifen, um den ihm drohenden Schaden abzuwenden oder zu mindern (BGHZ 90, 17, 32; BGH, Urt. v. 12. März 1990 - II ZR 179/89, WM 1990, 1539, 1541; v. 24. September 1992 - IX ZR 217/91, WM 1992, 2110, 2113). Dementsprechend kann sich ein Mitverschulden aus der Rücknahme des Rechtsmittels ergeben.

Die Revision geht - ebenso wie das Berufungsgericht - ohne weiteres und im Ergebnis zutreffend davon aus, dass eine schuldhafte Pflichtverletzung des zweiten Rechtsanwalts dem Auftraggeber in dessen Rechtsverhältnis zu seinem früheren Anwalt als Mitverschulden zuzurechnen wäre (§§ 254, 278 BGB). Der erkennende Senat hat dies verneint für den Fall, dass der erste der nacheinander tätig gewordenen Anwälte einen schadensursächlichen Fehler begangen hat, der vom zweiten Anwalt nicht erkannt oder nicht behoben wurde, und der Auftraggeber sich auf eine sachgerechte Vertragserfüllung des zuerst tätigen Anwalts verlassen durfte; dies hat zur Folge, dass die Anwälte, die jeweils im Rahmen ihrer selbständigen Pflichtenkreise zum Schaden des Mandanten schuldhaft beigetragen haben, diesem grundsätzlich als Gesamtschuldner haften (BGH, Urt. v. 18. März 1993 - IX ZR 120/92, NJW 1993, 1779, 1781). In einem solchen Falle hat sich nämlich der geschädigte Auftraggeber nicht im Sinne der Vorschrift des § 278 BGB, die im Rahmen des § 254 BGB entsprechend anzuwenden ist, des zweiten Anwalts bedient, um eine im eigenen Interesse gebotene Obliegenheit zur Abwendung oder Minderung seines Schadens zu erfüllen; nur unter einer solchen Voraussetzung darf das Verschulden eines Dritten dem Geschädigten als Mitverschulden zugerechnet werden (BGHZ 3, 46, 49 f; 36, 329, 338 f; BGH, Urt. v. 18. März 1993 - IX ZR 120/92 aaO m.w.N.).

Im vorliegenden Falle hat der Kläger jedoch nicht auf eine fehlerfreie Vertragserfüllung der Beklagten vertraut. Vielmehr hat er andere Anwälte - an Stelle der Beklagten - mit seiner Vertretung im Beschwerdeverfahren beauftragt, nachdem diese für ihn vom Beklagten zu 7) Schadensersatz wegen fehlerhafter Beratung über den Versorgungsausgleich verlangt hatten. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung hat der Beklagte zu 7) nicht von sich aus den Vertrag mit dem Kläger zur Unzeit gekündigt. Vielmehr hat er mit Schreiben an das Beschwerdegericht vom 4. Januar 1990 das Mandat niedergelegt unter Hinweis darauf, dass ihm die Vertretung des Klägers durch die anderen Anwälte angezeigt worden war (GA I 136, 145). Danach hat der Kläger diese Anwälte auch dazu bestellt, um einen erkannten oder zumindest für möglich gehaltenen Fehler der Beklagten im Beschwerdeverfahren zu beheben. Ob sich der geschädigte Mandant in einem solchen Falle einen pflichtwidrigen, schuldhaften Schadensbeitrag seines zweiten Anwalts als Mitverschulden zurechnen lassen muss, hat der Senat bisher offengelassen (Urt. v. 18. März 1993 - IX ZR 120/92 aaO). Er bejaht diese Frage nunmehr (ebenso RGZ 167, 76, 80; Urt. des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs v. 25. Juni 1974 - VI ZR 18/73, NJW 1974, 1865, 1867 und v. 28. September 1982 - VI ZR 221/80, VersR 1983, 34, 35; OLG Hamm VersR 1982, 1057; OLG Düsseldorf MDR 1985, 233, 234; Borgmann/Haug, Anwaltshaftung 2. Aufl. S. 186 ff; Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und des Notars 4. Aufl. Rdnr. I 249; Hartstang, Anwaltsrecht 1991 S. 662). Entgegen der Ansicht Vollkommers (Anwaltshaftungsrecht 1989 Rdnr. 327) ist eine solche Belastung des Mandanten in dessen Rechtsverhältnis zu seinem ersten Anwalt nicht unangemessen, sondern sachgerecht; der Mandant kann insoweit bei seinem zweiten Anwalt Rückgriff nehmen. Der Hinweis Vollkommers, ein Verschulden eines vom Verletzten hinzugezogenen Arztes oder einer vom Unfallgeschädigten beauftragten Reparaturwerkstatt werde nicht als Mitverschulden angerechnet (vgl. RGZ 72, 219, 220; BGHZ 63, 182, 186), betrifft andere Sachverhalte. In jenen Fällen haben die Geschädigten die Hilfspersonen gerade nicht in erster Linie eingeschaltet, um ihre Obliegenheit zur Schadensminderung - unter Wahrnehmung der damit für die Geschädigten verbundenen Gebote des eigenen Interesses - innerhalb ihres Schuldverhältnisses zum Schädiger zu erfüllen (RGZ 72, 219, 220; BGHZ 63, 182, 186; vgl. BGHZ 3, 46, 50).

b) Das Berufungsgericht hat ein Mitverschulden des Klägers rechtsfehlerhaft verneint.

aa) Die Revision macht zu Recht geltend, das Berufungsgericht habe nicht darauf abstellen dürfen, wie das Beschwerdegericht das Rechtsmittel des Klägers beschieden hätte.

Für die hypothetische Betrachtung, wie der geschädigte Mandant bei pflichtgemäßem Prozessverhalten des Anwalts stünde, ist maßgebend, wie das Vorverfahren nach Auffassung des Gerichts, das mit dem Regressanspruch gegen den Anwalt befasst ist, richtig hätte entschieden werden müssen, nicht wie seinerzeit im Vorverfahren mutmaßlich entschieden worden wäre (BGH, Urt. v. 2. Juli 1987 - IX ZR 94/86, NJW 1987, 3255; v. 24. März 1988 - IX ZR 114/87, NJW 1988, 3013, 3015; v. 28. Juni 1990 - IX ZR 209/89, NJW-RR 1990, 1241, 1244; v. 14. Januar 1993 - IX ZR 206/91, WM 1993, 1194, 1197). Demgemäß hat das Regressgericht die entsprechende Frage auch im Rahmen des § 254 BGB zu beantworten. Danach hätte das Berufungsgericht prüfen müssen, wie nach seiner Ansicht die Beschwerde richtig zu bescheiden gewesen wäre.

bb) Entgegen seiner Ansicht war die - durch die Eherechtsreform eingeführte - Vorschrift des § 1587 c Nr. 1 BGB auf den Versorgungsausgleich anlässlich der Ehescheidung des Klägers anwendbar. Danach findet ein solcher Ausgleich nicht statt, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere des beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe oder im Zusammenhang mit der Scheidung, grob unbillig wäre.

Für eine - wie im vorliegenden Falle - vor dem Inkrafttreten der Eherechtsreform geschlossene Ehe, in der sich die Ehegatten bereits vor diesem Zeitpunkt getrennt hatten, war zunächst die Sonderregelung in der Übergangsvorschrift des Art. 12 Nr. 3 Abs. 3 Sätze 3, 4 1. EheRG zu beachten. Danach konnte das Familiengericht auf Antrag des Ausgleichsverpflichteten den Versorgungsausgleich bis zur Hälfte des auf die Trennungszeit entfallenden gesetzlichen Anspruchs herabsetzen, wenn die Ehe allein wegen des Widerspruchs des anderen Ehegatten (§ 48 Abs. 2 EheG) nicht geschieden werden durfte und die uneingeschränkte Durchführung des Ausgleichs für ihn auch unter Berücksichtigung der Interessen des anderen Ehegatten grob unbillig wäre. Soweit diese Sonderregelung eingriff, war das Getrenntleben allein nach ihr und nicht nach der - im übrigen daneben anwendbaren - Vorschrift des § 1587 c Nr. 1 BGB zu berücksichtigen (BGH, Beschl. v. 9. Dezember 1981 - IVb ZB 569/80, FamRZ 1982, 475, 477).

Sind die Voraussetzungen dieser Sonderregelung - wie im vorliegenden Falle - nicht erfüllt, so kann, wenn die Eheleute schon vor dem Inkrafttreten der Eherechtsreform getrennt gelebt hatten, eine langdauernde Trennung auch im Rahmen des § 1587 c Nr. 1 BGB zu einem Ausschluss oder einer Kürzung des Ausgleichsanspruchs führen (BGHZ 74, 38, 83; 75, 241, 269 ff; BGH, Beschl. v. 9. Dezember 1981 - IVb ZB 569/80, aaO; v. 13. Oktober 1982 - IVb ZB 781/80, FamRZ 1983, 35, 36; v. 15. Februar 1984 - IVb ZB 577/80, FamRZ 1984, 467, 468 f; v. 12. Dezember 1984 - IVb ZB 928/80, FamRZ 1985, 280, 281 f). Dies gilt auch dann, wenn die Trennung erst nach dem Inkrafttreten der Eherechtsreform erfolgt ist (BGH, Beschl. v. 13. Oktober 1982 - IVb ZB 781/80 aaO; v. 28. Oktober 1992 - XII ZB 42/91, NJW 1993, 588). Solange die eheliche Lebensgemeinschaft durch Trennung der Ehegatten aufgehoben ist, fehlt für den Versorgungsausgleich die eigentliche rechtfertigende Grundlage. Diese besteht darin, dass eine Ehe infolge der auf Lebenszeit angelegten Lebensgemeinschaft schon während der Erwerbstätigkeit des oder der Ehegatten im Keim (auch) eine Versorgungsgemeinschaft ist und deswegen die während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften gemäß dem ursprünglichen gemeinsamen Zweck der beiderseitigen Alterssicherung aufgeteilt werden (BGHZ 74, 38, 83; 75, 241, 269). Zwar erstreckt sich der Versorgungsausgleich nach der gesetzlichen Regelung grundsätzlich auf die gesamte Ehezeit und nicht nur auf die Zeit des Zusammenlebens (§ 1587 Abs. 1, 2 BGB). Dies beruht indessen in erster Linie auf Gründen der Zweckmäßigkeit; insbesondere soll verhindert werden, dass der Ausgleichspflichtige den Ausgleichsanspruch durch Trennung von seinem Ehegatten in unlauterer Weise beeinflusst (BGHZ 75, 241, 269). Diese Gefahr besteht nicht, wenn die Eheleute - wie im vorliegenden Falle - bereits seit langer Zeit getrennt leben, der ausgleichsberechtigte Ehegatte die Trennung vorgenommen hat und dieser ohne ehebedingte Behinderung eigene Versorgungsanwartschaften aufbauen konnte (vgl. GA I 122 ff).

Zumindest eine Herabsetzung des Ausgleichsanspruchs der Ehefrau des Klägers entfiel nicht von vornherein bei der nach § 1587 c Nr. 1 BGB erforderlichen Gesamtabwägung aller maßgeblichen Umstände (vgl. BGHZ 74, 38, 84; 75, 241, 272; BGH, Beschl. v. 13. Oktober 1982 - IVb ZB 615/80, FamRZ 1983, 32 f). Die kinderlose Ehefrau des Klägers, die während der gesamten Ehezeit für ihren Unterhalt gesorgt und eine eigene Alterssicherung aufgebaut hatte, hatte - nach ihrem Vorbringen im Beschwerdeverfahren (GA I 134) - weder vor noch nach der Trennung auf eine Versorgung durch ihren Ehemann und eine Teilhabe an seiner Alterssicherung vertraut (vgl. GA I 5, 83, 122 ff). Mit Rücksicht darauf hatte es Gewicht, dass die Ehegatten während der Ehezeit von etwa 16 Jahren nur nach der Eheschließung etwa vier Jahre zusammengelebt hatten.

cc) Daraus ergibt sich zugleich, dass der vom Kläger an Stelle der Beklagten im Beschwerdeverfahren beauftragte Rechtsanwalt seine Vertragspflicht, die Interessen des Klägers umfassend wahrzunehmen und ihn vor voraussehbaren, vermeidbaren Nachteilen zu bewahren, verletzt hat, indem er die Beschwerde, die auch auf § 1587 c Nr. 1 BGB wegen der langen Trennung der Eheleute gestützt worden war und insoweit Erfolg versprach, zurückgenommen hat, so dass der Versorgungsausgleich gemäß dem familiengerichtlichen Beschluss vom 29. August 1989 rechtskräftig wurde. Auch dieser Anwalt hätte zugunsten seines Mandanten den sichersten Weg wählen, also das Verfahren durchführen müssen; selbst bei einer ungünstigen Sachentscheidung des Beschwerdegerichts hätte er die Zulassung der weiteren Beschwerde an den Bundesgerichtshof erreichen können (§ 621 e Abs. 2 ZPO), weil der Rechtssache damals grundsätzliche Bedeutung beizumessen war.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts beruht die pflichtwidrige Rücknahme der Beschwerde auf Fahrlässigkeit (§ 276 BGB). Bei der erforderlichen Umsicht und Sorgfalt konnte und musste der im Beschwerdeverfahren zuletzt tätige Anwalt die sich aus § 1587 c Nr. 1 BGB ergebende Erfolgsaussicht der Beschwerde erkennen und wahren. Damals hatte der Bundesgerichtshof (aaO) bereits mehrfach hervorgehoben, dass der rechtfertigende Grund für den Versorgungsausgleich fehlt, solange die eheliche Lebensgemeinschaft aufgehoben ist, und deswegen eine Anwendung des § 1587 c Nr. 1 BGB in Betracht kommt. Im Beschluss vom 13. Oktober 1982 - IVb ZB 781/80 aaO) war ausgeführt worden, auch in einem Falle, in dem der ausgleichsberechtigte Teil die Trennung nach Inkrafttreten der Eherechtsreform herbeigeführt habe, könne eine länger dauernde Trennung einen Ausschluss oder eine Kürzung des Ausgleichsanspruchs zur Folge haben.

Das Verschulden entfällt nicht wegen der Verfügung der Vorsitzenden des Beschwerdegerichts vom 11. Dezember 1989. Der in der Rechtsprechung bei Ansprüchen wegen Amtspflichtverletzungen von Beamten und Notaren verwertete Gedanke, ein Schuldvorwurf könne ausscheiden, wenn ein Kollegialgericht die beanstandete Auffassung teile, gilt nicht bei Vertragsverletzungen (BGH, Urt. v. 31. Oktober 1985 - IX ZR 175/84, WM 1986, 199, 202 f). Der Anwalt des Klägers hätte versuchen können und müssen, das Beschwerdegericht unter Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung davon zu überzeugen (vgl. BGH, Urt. v. 5. November 1987 - IX ZR 86/86, NJW 1988, 486, 487), dass trotz der unterschiedlichen Einkommen und Versorgungen der Ehegatten deren lange Trennung im Rahmen der Gesamtabwägung aller maßgeblichen Umstände ein solches Gewicht haben konnte, dass der Ausgleichsanspruch der Ehefrau gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB zumindest zu kürzen war (vgl. BVerfG FamRZ 1980, 326, 334; BGH, Beschl. v. 13. Oktober 1982 - IVb ZB 781/80, aaO; v. 28. Oktober 1992 - XII ZB 42/91 aaO). Dies ist nach dem eigenen Vorbringen des Klägers unterlassen worden (GA II 185 ff, 190, 212 ff). Danach ist die Beschwerde zurückgenommen worden, weil eine Vereinbarung der Ehegatten über den Versorgungsausgleich gemäß § 1587 o BGB, die das Beschwerdegericht genehmigt hätte, gescheitert ist. Eine solche Regelung, in die auch Umstände hätten einfließen können, die im Rahmen der Härteregelung des § 1587 c Nr. 1 BGB zu berücksichtigen sind (BGH, Beschl. v. 24. März 1982 - IVb ZB 530/80, FamRZ 1982, 688, 689; v. 4. Februar 1987 - IVb ZB 106/85, BGHR BGB § 1587 o Abs. 2 Satz 3 - Genehmigungsfähigkeit 1), war jedoch unabhängig von der Möglichkeit, mit der Beschwerde eine Kürzung des Ausgleichsanspruchs der Ehefrau nach § 1587 c Nr. 1 BGB zu erreichen.

c) Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Versorgungsanspruch nach alledem gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB herabzusetzen gewesen wäre, hat der Tatrichter festzustellen (vgl. BGHZ 74, 38, 84; 75, 241, 272; BGH, Beschl. v. 15. Februar 1984 - IVb ZB 577/80 aaO 470; vgl. zum Maßstab einer Kürzung BGH, Beschl. v. 18. Februar 1987 - IVb ZB 112/85, BGHR BGB § 1587 c Nr. 1 BGB - Grobe Unbilligkeit 3). Dann wird sich ergeben, ob und inwieweit sich der Kläger einen pflichtwidrigen fahrlässigen Schadensbeitrag seines zweiten Anwalts im Beschwerdeverfahren als Mitverschulden zurechnen lassen muss (vgl. BGHZ 90, 17, 32). Da eine solche tatrichterliche Abwägung bisher fehlt, kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, soweit der Klage stattgegeben wurde.


III.

Danach ist die Sache im Umfang der Aufhebung des Urteils zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 564, 565 Abs. 1 ZPO).