Solange für Radfahrer nicht das Tragen von Schutzhelmen gesetzlich vorgeschrieben ist, braucht sich der Radfahrer bei einem Zusammenstoß mit einem Kraftfahrer das Fehlen eines Schutzhelms nicht als Mitverschulden entgegenhalten zu lassen.
Siehe auch Radfahrerschutzhelm - helmfreies Radfahren als Mitverschulden? und Stichwörter zum Thema Personenschaden
Gründe:
I.
Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in sachlicher Hinsicht ohne Erfolg.
Das Berufungsgericht schließt sich den zutreffenden Gründen des Ersturteils an (§ 543 Abs. 1 ZPO). Insbesondere würdigt es das Ergebnis der Beweisaufnahme im ersten Rechtszug wie das Landgericht. Die folgenden Ausführungen stellen lediglich Ergänzungen dar, die durch das Berufungsvorbringen der Beklagten veranlaßt sind.
Die vom Kläger am Unfallort bei dem Unfall vom 8. August 1989, gegen 16.55 Uhr vor seiner in objektiver Hinsicht schadensursächlichen Ausweichbewegung eingehaltene Geschwindigkeit von höchstens 30 km/h kann nach den gegebenen Umständen und Straßenverhältnissen nicht als überhöht angesehen werden. Es war heller Tag. Der Kläger fuhr auf der 5,80 m breiten, leicht fallenden und asphaltierten Dorfstraße (...) in der Ortschaft ... geradeaus als Radfahrer in Richtung ... Er war auffällig bunt gekleidet. Der Beklagte zu 1 kam dabei als Linksabbieger mit seinem Pkw dem entgegenkommenden und geradeaus fahrenden Kläger so bedrohlich nahe, daß dieser berechtigterweise, mindestens aber in entschuldigender Weise zu dem Ausweich- und Bremsvorgang, der dann zu seinem Sturze führte, veranlaßt wurde.
Eine schuldhaft vorwerfbare Fehlreaktion des Klägers kann nicht angenommen werden. Die starke Bremsung war aufgrund der für ihn bedrohlichen Situation nicht schuldhaft. Mindestens war sie jedoch ganz überwiegend durch das schuldhafte verkehrswidrige Verhalten des Beklagten zu 1 provoziert worden. Selbst wenn man insoweit eine gewisse Überreaktion des Klägers annähme - wie nicht -, wäre das in diesem Verhalten zu erblickende Mitverschulden des Klägers nach der Bewertung des Senats in jedem Falle so geringfügig, daß es hinter dem überwiegenden Verschulden des Beklagten zu 1 (Übersehen eines entgegenkommenden Radfahrers als linksabbiegender Kraftfahrer, § 9 Abs. 3 StVO) und der Betriebsgefahr seines Fahrzeuges, die durch das Verschulden erhöht war, zurücktreten müßte.
Auch der Umstand, daß der Kläger keinen Schutzhelm trug, begründet kein Mitverschulden. Für Radfahrer, auch für Benutzer eines Rennrades, wie es der Kläger zur Unfallzeit fuhr, besteht keine gesetzliche Pflicht zum Tragen eines Sturzhelmes. Es gibt derzeit keine allgemeine Überzeugung, daß das Tragen eines Schutzhelmes für den Radfahrer geboten ist (vgl. Greger, Zivilrechtliche Haftung im Straßenverkehr, 2. Auflage 1989, § 9 StVG, RZ 31 und Berr in DAR 89, 298). Für Mofafahrer wurde erst zum 1. Oktober 1985 die Pflicht zum Tragen eines Schutzhelmes durch Änderung von § 21 a StVO eingeführt (4. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 29. Februar 1985, BGBl. I 499). Vorher hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 30. Januar 1979 (NJW 79, 980) für einen Mofafahrer, der im Jahre 1974 bei einem Verkehrsunfall beteiligt gewesen ist, die Pflicht zum Tragen eines Schutzhelmes verneint. Der Bundesgerichtshof hat dabei ausgeführt, daß von dem betreffenden Mofafahrer nicht erwartet werden konnte, daß er die zwar empfehlenswerte, vom Verordnungsgesetzgeber jedoch bis dahin nicht zur Pflicht gemachte Maßnahme für sich zu seinem Schutze für erforderlich halten mußte, wenn insoweit eine allgemeine Verkehrsüberzeugung fehle. Eine bessere Einsicht als der Gesetzgeber könne von ihm nicht verlangt werden. Ähnliche Gesichtspunkte gelten auch im vorliegenden Fall hinsichtlich des Tragens eines Schutzhelmes für den Kläger als Radfahrer. Aus dem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt der Trennung der Gewalten sollte die Festlegung einer allgemeinen Pflicht für Radfahrer, einen Schutzhelm zu tragen, dem zuständigen Verordnungsgesetzgeber überlassen bleiben.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Der Wert der Beschwer ist nach § 546 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 3 ZPO bestimmt worden.
Es besteht insbesondere auch im Hinblick auf die Ausführungen des Bundesgerichtshofes in dem Urteil BGH NJW 79, 980 kein Anlaß, die Revision zuzulassen (§ 546 Abs. 1 ZPO).