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Landgericht Köln Beschluss vom 23.09.2011 - 2 O 203/11 - Zur angemessenen Regulierungsdauer eines Haftpflichtschadens und zur Veranlassung zur Klageerhebung

LG Köln v. 23.09.2011: Zur angemessenen Regulierungsdauer eines Haftpflichtschadens und zur Veranlassung zur Klageerhebung


Das Landgericht Köln (Beschluss vom 23.09.2011 - 2 O 203/11) hat entschieden:
Im Schadensersatzrecht gilt allgemein, dass der Beklagte keinen Anlass zur Klage gegeben hat, wenn ihm der Geschädigte nicht eine ausreichende Zeit zur Überprüfung der Forderung gegeben hat. Im Haftpflichtprozess, insbesondere in Verkehrsunfallsachen, sind dabei andere Maßstäbe zu beachten als ansonsten. Aus diesen Gründen muss von einem durch Verkehrsunfall Geschädigten mehr Geduld vor Erhebung einer Klage gegen den Versicherer erwartet werden, als im Falle einer Inanspruchnahme des unmittelbaren Schädigers. Wie die Prüfungsfrist zu bemessen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab und richtet sich nach der Kompliziertheit des die Schadensersatzpflicht auslösenden Ereignisses und nach der Zusammensetzung und dem Umfang der geltend gemachten Ansprüche. Bei durchschnittlichen Verkehrsunfällen ist der Haftpflichtversicherung ein Prüfungszeitraum von etwa 4 bis 6 Wochen zuzugestehen.


Siehe auch Dauer der Schadenregulierung - angemessene Regulierungsfrist und Versicherungsthemen


Gründe:

Die Parteien haben den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Gemäß § 91 a ZPO konnte demnach durch Beschluss, der keiner mündlichen Verhandlung bedarf, über die Kosten des Verfahrens entschieden werden.

Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes entspricht die tenorierte Kostenfolge billigem Ermessen.

Auch im Rahmen der vorzunehmenden Ermessenentscheidung ist der Rechtsgedanke des § 93 ZPO zu berücksichtigen. Die Kosten des Rechtsstreits sind dem Kläger aufzuerlegen, da die Beklagten dem Kläger keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben und den Anspruch des Klägers sofort anerkannt haben.

Veranlassung zur Klageerhebung gibt man durch ein Verhalten, das vernünftigerweise den Schluss auf die Notwendigkeit eines Prozesses rechtfertigt Die Beklagten haben vorliegend zu keiner Zeit den Eindruck vermittelt, dass der Kläger nur durch ein gerichtliches Verfahren zu seinem Recht komme.

Der Kläger hat die Beklagten mit Schreiben vom 27.04.2011 zur Schadensbegleichung aufgefordert. Die Beklagten haben mit Schreiben vom 02.05.2011 mitgeteilt, dass die Ermittlungen noch andauern und mitgeteilt, dass sie auf die Angelegenheit zurückkommen. Zudem haben sie um Übersendung einer Kopie der Ermittlungsakte und einer Geldempfangsvollmacht der Klägervertreter gebeten. Ohne Reaktion auf dieses Schreiben hat der Kläger unter dem 25.05.2011 Klage eingelegt.

Im Schadensersatzrecht gilt allgemein, dass der Beklagte keinen Anlass zur Klage gegeben hat, wenn ihm der Geschädigte nicht eine ausreichende Zeit zur Überprüfung der Forderung gegeben hat. Im Haftpflichtprozess, insbesondere in Verkehrsunfallsachen, sind dabei andere Maßstäbe zu beachten als ansonsten; dies beruht auf den besonderen Verhältnissen beim Haftpflichtversicherer. Bei ihm kommen zahlreiche Schadensfälle zusammen. Er ist über den einzelnen Unfall aus eigenem Wissen nicht informiert, sondern muss sich in erster Linie darauf verlassen, was sein Versicherungsnehmer ihm an Informationen an die Hand gibt. Hinzu kommt, dass die Schadensfälle bei einer Versicherung über einen größeren Büroapparat abgewickelt werden müssen, was ebenfalls gewisse Mindestverzögerungen zur Folge hat. Schließlich liegt eine angemessene Ermittlungsfrist im Interesse der Gesamtheit aller pflichtversicherten Kfz-Halter, die über ihre Prämienleistungen die Unfallschäden im Ergebnis zu tragen haben. Aus diesen Gründen muss von einem durch Verkehrsunfall Geschädigten mehr Geduld vor Erhebung einer Klage gegen den Versicherer erwartet werden, als im Falle einer Inanspruchnahme des unmittelbaren Schädigers. Wie die Prüfungsfrist zu bemessen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab und richtet sich nach der Kompliziertheit des die Schadensersatzpflicht auslösenden Ereignisses und nach der Zusammensetzung und dem Umfang der geltend gemachten Ansprüche. Bei durchschnittlichen Verkehrsunfällen ist der Haftpflichtversicherung ein Prüfungszeitraum von etwa 4 bis 6 Wochen zuzugestehen (vgl. OLG Rostock vom 09.01.2001, 1 W 3378/98 m.w.N.).

Zwischen dem Zugang des spezifizierten Anspruchsschreibens am 27.04.2011 und der Fertigung der Klageschrift vom 25.05.2011 liegt ein Zeitraum von genau 4 Wochen. Dieser Zeitraum stellte vorliegend in Anbetracht der maßgeblichen konkreten Umstände keine angemessene Prüffrist dar. Die Beklagte hatte dem Kläger mitgeteilt, dass ihre Ermittlungen noch andauerten. Mangels Stellungnahme des Fahrers des Mietfahrzeuges der Beklagten trotz mehrfacher Mahnung und ohne Kenntnis der Ermittlungsakte war für die Beklagten eine Regulierung ohne jegliche Information nicht möglich (vgl. KG Berlin vom 30.03.2009, 22 W 12/09). Für die Beklagten war mangels Sachstandsanfrage des Klägers und ausdrücklichem Regulierungsverlangen auch nicht erkennbar, dass dieser die durch die weiteren Ermittlungen anfallende Verzögerung nicht hinnehmen werde. Zudem hat die Klägerseite den Beklagten auch nicht die erbetenen Informationen zur Verfügung gestellt und den Nachweis einer Geldempfangsvollmacht übersandt und damit selbst die Schadensabwicklung verzögert.

Im Übrigen haben die Beklagten die auch bis zum Nachweis einer entsprechenden Vollmacht auch berechtigterweise eine Zahlung an den Klägervertreter verweigert (vgl. OLG Düsseldorf vom 27.06.2007, 1 W 23/07). Die Vollmacht des Klägervertreters vom 17.06.2011 ist den Beklagten aber erst mit Schriftsatz vom 08.08.2011 und damit nach Klageerhebung übersandt worden.



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