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OLG Bremen Beschluss vom 24.06.2011 - Ss (Bs) 120/10 - Zu den Anforderungen an die Urteilsfeststellungen zum subjektiven Tatbestand einer berauschten Drogenfahrt unter dem Einfluss von Cannabis

OLG Bremen v. 24.06.2011: Zu den Anforderungen an die Urteilsfeststellungen zum subjektiven Tatbestand einer berauschten Drogenfahrt unter dem Einfluss von Cannabis


Das OLG Bremen (Beschluss vom 24.06.2011 - Ss (Bs) 120/10) hat entschieden:
  1. Überschreitet nach einer Verkehrsteilnahme mit einem Kfz die im Blut des Betroffenen festgestellte Betäubungsmittelkonzentration von 2,2 ng/l THC den Nachweisgrenzwert von 1,0 ng/l THC nur geringfügig, ist eine fahrlässige Tat ernstlich in Betracht zu ziehen. Insoweit vermag ein solcher Wert die Annahme einer vorsätzlichen Tatbegehung ohne weitere Feststellungen zum subjektiven Tatbestand nicht zu tragen.

  2. Grundlage für die Zumessung der Geldbuße sind gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 OWiG in erster Linie die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft. In zweiter Linie kommen gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG hierfür auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters in Betracht. Zwar bleiben diese in der Regel unberücksichtigt, wenn die Ordnungswidrigkeit "geringfügig" ist. Diese Geringfügigkeitsgrenze wird aber derzeit bei 250,00 Euro angenommen. Bei einer nach dem Bußgeldkatalog vorgesehenen Geldbuße in Höhe von 500,00 Euro sind außergewöhnlich schlechte oder gute wirtschaftliche Verhältnisse in die Zumessungserwägungen aufzunehmen.

Siehe auch Rauschfahrt - drogenbedingte Fahruntüchtigkeit und Cannabis im Straf- und OWi-Recht


Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 15.10.2010 verurteilte das Amtsgericht Bremerhaven den Betroffenen wegen einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit zu einer Geldbuße von 500,00 Euro. Weiter wurde ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 26.10.2010, mit der die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 18.03.2011 beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.


II.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist statthaft (§ 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG), form- und fristgerecht eingelegt (§ 79 Abs. 4 OWiG, § 341 StPO) und begründet (§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, §§ 344, 345 StPO) worden. Sie ist damit zulässig und erweist sich auch als begründet.

Die Entscheidung hält in sachlich-rechtlicher Hinsicht der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Wie in der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 18.03.2011 insoweit zutreffend ausgeführt, gilt für den Inhalt der Urteilsgründe im Bußgeldverfahren grundsätzlich nichts anderes als im Strafverfahren. Nach § 267 Abs. 1 StPO, dessen Anwendbarkeit auch im Bußgeldverfahren außer Zweifel steht, müssen die Urteilsgründe, falls der Betroffene verurteilt wird, die erwiesenen Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der angenommenen Ordnungswidrigkeit gefunden werden. Zwar unterliegen die Gründe des Urteils keinen hohen Anforderungen. Sie müssen aber so beschaffen sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht ihnen zur Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung entnehmen kann, welche Feststellungen der Tatrichter zu den objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen getroffen hat und welche tatrichterlichen Erwägungen der Bemessung der Geldbuße und der Anordnung oder dem Absehen von Nebenfolgen zugrunde liegen (Hans. OLG Bremen, Beschlüsse vom 15.08.1996 – SS (B) 55/96-; 07.03.2008 – Ss (B) 67/07 – und 21.08.2009, SSBS 23/09).

Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss nicht gerecht, da er keine Feststellungen zu den subjektiven Tatbestandsmerkmalen enthält und insoweit die Annahme einer vorsätzlichen Tatbegehung nicht zu tragen vermag. Die Generalstaatsanwaltschaft weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass die im Blut des Betroffenen festgestellte Betäubungsmittelkonzentration von 2,2 ng/l THC den Nachweisgrenzwert von 1,0 ng/l THC nur geringfügig überschritten hat und vor diesem Hintergrund eine fahrlässige Tat ernstlich in Betracht zu ziehen war.

Auch der Rechtsfolgenausspruch weist durchgreifende sachlich-rechtliche Mängel auf.

Die getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um die Verhängung einer Geldbuße und die Anordnung des Fahrverbotes rechtfertigen zu können. Das angefochtene Urteil enthält nämlich keine Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen, insbesondere den wirtschaftlichen und beruflichen Verhältnissen des Betroffenen. Damit ist es dem Rechtsbeschwerdegericht nicht möglich zu prüfen, ob die Festsetzung der Geldbuße auf den Regelsatz von 500,00 Euro durch das Tatgericht rechtsfehlerfrei erfolgt ist.

Grundlage für die Zumessung der Geldbuße sind gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 OWiG in erster Linie die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft. In zweiter Linie kommen gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG hierfür auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters in Betracht. Zwar bleiben diese in der Regel unberücksichtigt, wenn die Ordnungswidrigkeit "geringfügig" ist. Diese Geringfügigkeitsgrenze wird aber derzeit bei 250,00 Euro angenommen. Bei einer nach dem Bußgeldkatalog vorgesehenen Geldbuße in Höhe von 500,00 Euro sind außergewöhnlich schlechte oder gute wirtschaftliche Verhältnisse in die Zumessungserwägungen aufzunehmen (vgl. Göhler, OWiG, 15. Auflage Rn. 29, Mitsch in KK-OWiG, 3. Auflage, § 17 Rn. 92). Die Notwendigkeit, hierzu Feststellungen zu treffen, entfällt nicht deshalb, weil der Regelfall aus Ziffer 242 BKat vorliegt. Denn gemindert ist in solchen Fällen für den Tatrichter allein der notwendige Begründungsaufwand (vgl. OLG Hamm vom 28.06.2003, 3 Ss Owi 182/03).

Da der Beschluss bereits aus den zuvor genannten Gründen aufzuheben war, kam es vorliegend auf die Prüfung der Zulässigkeit der erhobenen Verfahrensrügen und insbesondere einer Entscheidung betreffend der aufgeworfenen Rechtsfrage im Hinblick auf einen etwaigen Verstoß gegen ein Beweisverwertungsverbot im Hinblick auf die dem Betroffenen entnommene Blutprobe nicht an.

Die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bremerhaven zurückzuverweisen, wobei kein Anlass besteht, eine Zurückverweisung an einen anderen Richter des Amtsgerichts Bremen auszusprechen (§ 79 Abs. 6 OWiG).



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