Das Verkehrslexikon

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Rauschfahrt - drogenbedingte Fahruntüchtigkeit

Rauschfahrt - drogenbedingte Fahruntüchtigkeit




Gliederung:


   Einleitung
Weiterführende Links
Allgemeines
Ärztliche Verordnung von Cannabis
Blutentnahme und Richtervorbehalt
Flucht vor der Polizei und Ausfallerscheinungen
Drogenfahrt und gleichzeitiger Besitz
Geldbuße und Fahrverbot

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Einleitung:


Wegen des Fehlens eines wissenschaftlich haltbaren Grenzwerts für die absolute drogenbedingte Fahruntauglichkeit wird das Fahren unter Drogeneinfluss - insbesondere nach dem Konsum von Cannabis - sehr viel seltener unter dem Gesichtspunkt einer strafrechtlich relevanten Trunkenheitsfahrt oder gar der Straßenverkehrsgefährdung bestraft, sondern sehr viel häufiger als Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG.


Zur Schwelle der strafrechtlich relevanten Rauschfahrt hat der BGH (Beschluss vom 21.12.2011 - 4 StR 477/11) festgestellt:

   "Gesicherte Erfahrungswerte, die es erlauben würden, bei Blutwirkstoffkonzentrationen oberhalb eines bestimmten Grenzwertes ohne Weiteres auf eine rauschmittelbedingte Fahrunsicherheit zu schließen, bestehen nach wie vor nicht. Es bedarf daher neben dem positiven Blutwirkstoffbefund noch weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen, die im konkreten Einzelfall belegen, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des betreffenden Kraftfahrzeugführers soweit herabgesetzt war, dass er nicht mehr fähig gewesen ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, auch bei Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern."

Für die Annahme einer Rauschfahrt nach § 24a StVG sind derartige Beweisanzeichen nicht erforderlich, es genügt vielmehr der Nachweis, dass sich zum Zeitpunkt der Fahrt eine bestimmte - jeweils von der Art der konsumierten Droge abhängige - Wirkstoffmenge im Blut des Kfz-Führers befunden hat.

Siehe auch Die Teilnahme am Straßenverkehr unter Drogeneinfluss im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht

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Weiterführende Links:


Drogen im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht

Rauschfahrt - drogenbedingte Fahruntüchtigkeit

Die Teilnahme am Straßenverkehr unter Drogeneinfluss im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht

Fahrlässigkeit und drogenbedingte Rauschfahrt

Ahndung nach § 24a StVG beim Vorliegen von Ausfallerscheinungen auch dann, wenn die Wirkstoffgrenzwerte der Grenzwertkommission nicht erreicht werden?

Einzelne Substanzen im Verkehrsrecht

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Allgemeines:


BGH v. 19.08.1993:
Bei der Feststellung des Wirkstoffgehalts von Betäubungsmitteln verlangt die Rechtsprechung nicht, die Art der verwendeten Analysegeräte, die Zuverlässigkeit des untersuchenden Personals oder Umstände, die im Einzelfall als Fehlerquellen in Betracht kommen können, in den Gründen des Urteils mitzuteilen.

Alkohol im Verkehrsstrafrecht - Trunkenheitsfahrt - Fahruntüchtigkeit

BGH v. 25.05.2000:
Der Nachweis von Drogenwirkstoffen im Blut eines Fahrzeugführers (hier: THC nach Haschischkonsum am Vorabend) reicht für sich allein noch nicht für die Annahme (relativer) Fahruntüchtigkeit. Es bedarf der Feststellung entsprechender Ausfallerscheinungen. - Die Annahme "drogenbedingter Ausfallerscheinungen" kann nicht allein darauf gestützt werden, daß der Angeklagte vor einer Polizeikontrolle geflüchtet ist. Zwar kann auch dann, wenn der Täter sich einer Festnahme entziehen will, eine deutlich unsichere, waghalsige und fehlerhafte Fahrweise für eine (drogenbedingte) Fahruntüchtigkeit sprechen. Dies versteht sich jedoch nicht von selbst.




BVerfG v. 21.12.2004:
Zur Verfassungsgemäßheit von § 24 a StVG

BGH v. 03.11.1998:
Der Nachweis von Drogenwirkstoffen im Blut eines Fahrzeugführers rechtfertigt für sich allein noch nicht die Annahme der Fahruntüchtigkeit. Hierfür bedarf es vielmehr regelmäßig der Feststellung weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen; die Beeinträchtigung der Sehfähigkeit aufgrund einer drogenbedingten Pupillenstarre genügt hierfür nicht ohne weiteres.

OLG Zweibrücken v. 10.05.2004:
Relative Fahruntauglichkeit nach Drogenkonsum - Beweisanzeichen und Wirkstoffwert

OLG Köln v. 30.06.2005:
Eine „Wirkung” im Sinne des § 24 a Abs. 2 S. 1 StVG kann nur angenommen werden, wenn die betreffende Substanz in einer Konzentration nachweisbar ist, die eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit zumindest als möglich erscheinen lässt (Anschluss an BVerfG NJW 2005, 349 f.).




OLG Bamberg v. 08.08.2005:
Auch bei weniger als 1,0 ng/ml THC kommt auch bei Hinzutreten von Ausfallerscheinungen keine Verurteilung nach § 24a Abs. 2 StVG in Betracht, weil es bei diesem abstrakten Gefährdungsdelikt als Auffangtatbestand zu §§ 316, 315 c Abs. 1 Nr. 1 StGB gerade nicht darauf ankommt, ob beim Kraftfahrer verkehrsrelevante Beeinträchtigungen auftreten und nachgewiesen werden können. Für die Feststellung rauschmittelbedingter Fahruntüchtigkeit nach § 316 StGB reicht eine verlangsamte Pupillenreaktion nicht aus.

OLG Karlsruhe v. 29.01.2007:
Für die Feststellung des Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung des berauschenden Mittels Cannabis reicht es aus, dass bei einer Blutuntersuchung auf Tetrahydrocannabinol im Blutserum, welche den von der Grenzwertkommission vorausgesetzten Qualitätsstandards genügt, ein Messergebnis ermittelt wird, das den von der Grenzwertkommission empfohlenen analytischen Grenzwert von 1ng/ml Tetrahydrocannabinol im Serum erreicht. Ein Abzug "für Messungenauigkeiten" findet nicht statt.

BGH v. 15.04.2008:
Da sich die "absolute" von der "relativen" Fahruntüchtigkeit allein in ihrem Nachweis unterscheidet, erscheint es bereits fraglich, ob außerhalb des Bereichs der unwiderlegbaren Vermutung der Fahruntüchtigkeit auf Grund eines Blutalkoholgrenzwerts der Begriff der absoluten Fahruntüchtigkeit überhaupt Anwendung finden kann. In Extremfällen wie z.B. bei einem blinden Fahrzeugführer mag dies zutreffen, in anderen Fällen wie bei einer rauschmittelbedingten Fahrunsicherheit ist dies jedoch abzulehnen. Relative Fahruntüchtigkeit (Fahrunsicherheit) setzt voraus, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des Fahrzeugführers infolge geistiger oder körperlicher Mängel soweit herabgesetzt ist, dass er nicht mehr fähig ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr über eine längere Strecke, auch bei Eintritt schwieriger Verkehrslagen sicher zu steuern. Bei einer rauschmittelbedingten Fahrunsicherheit ist es nicht unbedingt erforderlich, dass sich die körperlichen bzw. geistigen Mängel in Fahrfehlern ausgewirkt haben. Unter Umständen können zum Nachweis der Fahrunsicherheit auch sonstige Auffälligkeiten im Verhalten des Fahrzeugführers genügen, sofern sie konkrete Hinweise auf eine schwerwiegende Beeinträchtigung seiner psychophysischen Leistungsfähigkeit, insbesondere seiner Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit geben.

OLG Koblenz v. 25.08.2008:
Hatte ein Betroffener Betäubungsmittel mit unterschiedlichen Wirkungsqualitäten konsumiert und liegen die Blutkonzentrationen für alle Substanzen jeweils unter den Grenzwerten, die einer verfassungskonformen Anwendung des § 24a Abs. 2 StVG zugrunde zu legen sind, verbietet es sich, die festgestellten Werte zu addieren. In solchen Fällen ist im Ansatz zugunsten des Betroffenen davon auszugehen, dass alle Substanzen in Bezug auf die Fahrtüchtigkeit wirkungslos waren und somit auch keine relevante Kombinationswirkung auftreten konnte.

BGH v. 07.10.2008:
Anders als beim Alkoholkonsum eines Kraftfahrers ist eine Fahruntüchtigkeit nach Genuss von Drogen allein auf Grund eines positiven Wirkstoffspiegels im Blut nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft (noch) nicht zu begründen. Das gilt auch dann, wenn zwar ein Fahrfehler festgestellt wird, jedoch offen bleiben muss, ob dieser auf dem Drogenkonsum beruht oder aus anderen Gründen passiert ist (Flucht vor der Polizei).

OLG Celle v. 30.03.2009:
Der bloße Nachweis einer der in der Anlage zu § 24a Abs. 2 StVG genannten berauschenden Substanzen reicht nicht für eine Verurteilung nach dieser Vorschrift. Vielmehr ist entsprechend des Charakters der Norm als abstraktem Gefährdungsdelikt bei verfassungskonformer Auslegung zu verlangen, dass eine Konzentration festgestellt wird, die es jedenfalls möglich erscheinen lässt, dass die Fahruntüchtigkeit eingeschränkt war, sofern sich dies nicht aus anderen Umständen, z. B. Fahrfehlern, ergibt. Der Grenzwert beträgt 25 ng/l im Blutserum.

AG Tiergarten v. 06.04.2011:
Bei einer Verkehrsteilnahme unter dem Einfluss von 20 ng/ml THC liegt absolute Fahruntauglichkeit vor. Das Gericht folgt nicht der Auffassung, dass es für eine Verurteilung zusätzlicher Beweisanzeichen in Form von rauschbedingten Ausfallerscheinungen bedarf. Denn diese Rechtsansicht berücksichtigt nicht die inzwischen eingetretene wissenschaftliche Entwicklung in der chemischen Analyse der Wirkstoffe sowie ihrer Abbauzeiten und –Werte sowie die mittlerweile gewonnenen Erkenntnisse über die verkehrs-medizinisch relevanten Wirkungen von Cannabis sowie über den Verlauf des Cannabisrausches.

BGH v. 21.12.2011:
Gesicherte Erfahrungswerte, die es erlauben würden, bei Blutwirkstoffkonzentrationen oberhalb eines bestimmten Grenzwertes ohne Weiteres auf eine rauschmittelbedingte Fahrunsicherheit zu schließen, bestehen nach wie vor nicht. Es bedarf daher neben dem positiven Blutwirkstoffbefund noch weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen, die im konkreten Einzelfall belegen, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des betreffenden Kraftfahrzeugführers soweit herabgesetzt war, dass er nicht mehr fähig gewesen ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, auch bei Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern.

OLG Jena v. 23.02.2012:
Der objektive Tatbestand des § 24a Abs. 2 StVG ist in keinem Fall erfüllt, wenn die festgestellte Konzentration der Substanz eines berauschenden Mittels im Blut des Betroffenen deren jeweiligen analytischen Grenzwert unterschreitet. Das gilt selbst beim (vermeintlichen) Vorliegen rauschmitteltypischer (Ausfall-)Erscheinungen.

OLG Saarbrücken v. 04.03.2015:
Stützt das Tatgericht die Annahme drogenbedingter Fahruntüchtigkeit auf eine hohe Wirkstoffkonzentration des Rauschmittels im Blut des Angeklagten (hier: THC Konzentration von 24 Nanogramm/Milliliter) und mehrere weitere aussagekräftige Beweisanzeichen in der Anhaltesituation (hier: keine Pupillenreaktion bei Veränderung der Lichtverhältnisse, deutliches Schwanken nach dem Aussteigen, unsicherer, staksiger und wackliger Gang, verzögertes Antwortverhalten), so ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Weitergehende Feststellungen zur konkreten Beeinträchtigung der Sehfähigkeit und zu deren konkreten Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit bedarf es in einem solchen Fall nicht.

BGH v. 02.06.2015:
Der Nachweis einer rauschmittelbedingten Fahrunsicherheit kann nicht allein durch einen bestimmten Blutwirkstoffbefund geführt werden. Gesicherte Erfahrungswerte, die es erlauben würden, bei Blutwirkstoffkonzentrationen oberhalb eines bestimmten Grenzwertes ohne weiteres auf eine rauschmittelbedingte Fahrunsicherheit zu schließen, bestehen nach wie vor nicht (Fortführung BGH, 3. November 1998, 4 StR 395/98, BGHSt 44, 219 und BGH, 21. Dezember 2011, 4 StR 477/11, NStZ 2012, 324). - Hat der Tatrichter konkrete Feststellungen zu einem Fahrfehler zwar nicht getroffen, sind den Urteilsgründen über die nicht unerheblichen Blutwirkstoffkonzentrationen hinaus aber weitere gewichtige Anzeichen für die Fahruntüchtigkeit des Angeklagten zu entnehmen (hier: Konzentrationsstörungen, verlangsamte Koordination, verwaschene Sprache und schläfriger Zustand bei der polizeilichen Kontrolle sowie bei der anschließenden ärztlichen Untersuchung ein auffällig stark gestörtes Zeitempfinden), ist die rauschmittelbedingte Fahruntüchtigkeit noch hinreichend dargelegt.




KG Berlin v. 30.07.2015:
Zum objektiven Tatbestand des § 24a Abs. 2 Satz 1 StVG gehört lediglich das Führen eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung eines in der Anlage zu § 24a Abs. 2 Satz 2 StVG genannten berauschenden Mittels, hier Cannabis. Die Wirkstoffkonzentration der betreffenden Substanz muss zumindest in einer Höhe festgestellt sein, die eine Beeinträchtigung der Fahrsicherheit als möglich erscheinen lässt. Bei Cannabis liegt der im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von der „Grenzwertkommission“ entwickelte sog. analytische Grenzwert bei 1,0 ng/ml.

OLG Oldenburg v. 04.08.2015:
Zu der Frage, ob bei der Feststellung des analytischen Grenzwert von 1,0 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC) während der Fahrt auf eine Sorgfaltspflichtverletzung und den subjektiven Sorgfaltsverstoß bezüglich des Fahrens unter Einwirkung berauschender Mittel zu schließen ist, solange nicht reale Anhaltspunkte vorliegen, die diesen Rückschluss entkräften und das Tatgericht veranlassen müssen, sich mit der Möglichkeit eines abweichenden Tatverlaufs auseinanderzusetzen.

LG Gera v. 25.04.2016:
Es gibt keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass nur unter Einwirkung von Cannabinoiden stehende Fahrzeugführer auffallend zügig unterwegs sind, auch wenn die Straße nicht sehr breit ist.

VGH München v. 29.08.2016:
Es ist offen und deshalb in einem Hauptsacheverfahren zu klären, ob bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten eine erstmalige Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr mit einem Kraftfahrzeug unter Cannabiseinfluss mit einer THC-Konzentration von 1 ng/ml oder mehr, die aber nicht zu einer Entziehung der Fahrerlaubnis durch ein Strafgericht geführt hat, die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis nach § 11 Abs. 7 FeV entziehen muss oder ob entsprechend dem Vorgehen bei fahrerlaubnisrechtlichem Alkoholmissbrauch (§ 13 FeV i.V.m. Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV) nur eine medizinisch-psychologische Untersuchung nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV angeordnet werden kann.

VGH Mannheim v. 07.03.2017:
Der Senat geht jedenfalls im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes weiter davon aus, dass bei einem Betroffenen, der gelegentlich Cannabis konsumiert, die Kraftfahreignung nach Nummer 9.2.2 der Anlage 4 der FeV bereits dann fehlt, wenn eine Fahrt mit einer THC-Konzentration ab 1,0 ng/ml im Blutserum belegt ist (wie Senatsbeschluss vom 22.07.2016 - 10 S 738/16 - VBlBW 2016, 518; entgegen BayVGH, Beschluss vom 29.08.2016 - 11 CS 16.1460 - VRS 130, 333).

BGH v. 31.01.2017:
Anders als bei Alkohol kann der Nachweis einer rauschmittelbedingten Fahrunsicherheit gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1a, § 316 StGB nicht allein durch einen bestimmten Blutwirkstoffbefund geführt werden. Es bedarf daher neben dem Blutwirkstoffbefund noch weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen, die im konkreten Einzelfall belegen, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des betreffenden Kraftfahrzeugführers soweit herabgesetzt war, dass er nicht mehr fähig gewesen ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, auch bei Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern (Festhaltung BGH, 2. Juni 2015, 4 StR 111/15, NZV 2015, 562).

OLG Hamburg v. 19.02.2018:
Für eine Verurteilung wegen einer Straftat nach § 316 StGB kann sich der Nachweis der Fahruntüchtigkeit nicht allein schon aus einem positiven Blutwirkstoffbefund ergeben. Die Bußgeldvorschrift des § 24a StVG dient als Auffangtatbestand zu den Strafvorschriften. Ergibt sich im Einzelfall, dass Fahruntüchtigkeit vorliegt, so richtet sich die Beurteilung der Tat nach den Strafvorschriften (§ 21 OWiG). Für die Annahme einer Fahruntüchtigkeit im Sinne des § 316 StGB bedarf es stets außer einem positiven Blut-Wirkstoffbefund regelmäßig weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen.

BGH v. 11.05.2021:
Für die Feststellung von Fahruntüchtigkeit als Folge der Einnahme des Schlaf- und Beruhigungsmittels Clonazepam sowie des Antidepressivums Trimipramin und Fluoxetin ist nicht nur die Mitteiung der Blutwirkstoffkonzentrationen nötig 8(vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Juni 2015 – 4 StR 111/15; vom 21. Dezember 2011 – 4 StR 477/11, NStZ 2012, 324, 325 und vom 3. November 1998 – 4 StR 395/98, BGHSt 44, 219, 222), sondern es bedarf darüber hinaus der Feststellung und näheren Erörterung aussagekräftiger Beweisanzeichen bedurft, die im konkreten Einzelfall belegen, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des Beschuldigten so weit herabgesetzt war, dass er nicht mehr fähig war, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, auch bei Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 2008 – 4 StR 639/07, NZV 2008, 528). - nach oben -






Ärztliche Verordnung von Cannabis:


Medikamentenkonsum - Medikamentenabhängigkeit im Fahrerlaubnisrecht

KG Berlin v. 30.07.2015:
Nach § 24a Abs. 2 Satz 3 StVG ist das Verhalten des Betroffenen dann nicht ordnungswidrig nach § 24a Abs. 2 Satz 1 StVG, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt. Dazu bedarf es zunächst der Feststellungen, ob das Medikament durch einen Arzt verordnet, zur Behandlung einer konkreten Krankheit eingenommen und die Dosierungsanweisung beachtet worden ist.

OLG Bamberg v. 02.01.2019:
  1.  Die bußgeldrechtliche Ahndung einer Drogenfahrt nach § 24a Abs. 2 oder Abs. 3 StVG scheidet gemäß § 24a Abs. 2 Satz 3 StVG aus, wenn die im Blut des Betroffenen nachgewiesene Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt, d.h. der Einfluss der Substanz allein auf der Einnahme der sich aus der ärztlichen Verordnung vorgegebenen Dosierung und auch nicht auf einer sonstigen missbräuchlichen Verwendung beruht.

  2.  Bringt der Betroffene vor, die nachgewiesene berauschende Substanz beruhe auf der bestimmungsgemäßen Einnahme als Arzneimittel gemäß einer für ihn ausgestellten ärztlichen Verordnung, hat sich das Tatgericht hiermit näher zu befassen, sofern es nicht von einer reinen Schutzbehauptung ausgeht. Die tatrichterliche Beweiswürdigung erweist sich deshalb als lückenhaft, wenn sich aus dem Urteil nicht ergibt, warum der Einwand des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 24a Abs. 2 Satz 3 StVG als unbeachtlich angesehen worden ist.

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Blutentnahme und Richtervorbehalt:


Blutentnahme / Blutprobe

Blutprobe ohne Richterbeschluss - Blutentnahme ohne richterliche Anordnung - Verwertungsverbot?

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Flucht vor der Polizei und Ausfallerscheinungen:


Alkohol im Verkehrsstrafrecht - Trunkenheitsfahrt - Fahruntüchtigkeit

BGH v. 07.04.1994:
Hat der Angeklagte durch die von ihm gefahrene unangepasste und unzulässig hohe Geschwindigkeit die eigentliche Unfallursache gesetzt, wird eine derartige auffällige, regelwidrige und riskante Fahrweise eines alkoholisierten Kraftfahrers regelmäßig den Schluss auf eine alkoholbedingte Enthemmung zulassen. Wurde aber seine bis dahin ersichtlich "normale" Geschwindigkeit auf ca 200 km/h erst erhöht, als er sich angesichts der von einem Polizeibeamten aus einem Streifenwagen auf ihn gerichteten Pistole aus Angst zur Flucht entschloss, um nicht von der Polizei gestellt zu werden, wollte er also mit dem von ihm benutzten Fahrzeug von diesem Zeitpunkt an flüchten, so kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass seine Fahrweise Folge der Alkoholwirkung war.

BGH v. 11.02.2014:
Befand sich der Angeklagte nach den Feststellungen im Tatzeitpunkt auf der Flucht vor der Polizei, kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass seine Fahrweise Folge der Betäubungsmittelintoxikation und nicht etwa der fluchtbedingt unangepassten Geschwindigkeit war.

BGH v. 31.01.2017:
Der Tatrichter ist nicht gehindert, auch bei einem Täter, der sich seiner Festnahme durch die Polizei entziehen will, in einer deutlich unsicheren, waghalsigen und fehlerhaften Fahrweise ein Beweisanzeichen für eine rauschmittelbedingte Fahruntüchtigkeit zu sehen (Festhaltung BGH, 25. Mai 2000, 4 StR 171/00, NStZ-RR 2001, 173).

BGH v. 02.08.2022:
Bei einer Fluchtfahrt vor der Polizei muss das Tatgericht prüfen, ob ob und inwieweit die fehlerhafte und riskante Fahrweise des Angeklagten nicht auf seinem Fluchtwillen beruhte. Die nicht weiter konkretisierte Feststellung, der Angeklagte sei auf der Autobahn „Schlangenlinien“ gefahren, ist für sich genommen noch nicht geeignet, seine Fahruntüchtigkeit bei der ersten Tat zu belegen, zumal die Strafkammer auch hier einen allein fluchtbedingten Grund für das Fahrverhalten des Angeklagten nicht ausgeschlossen hat.

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Drogenfahrt und gleichzeitiger Besitz:


Rauschfahrt - drogenbedingte Fahruntüchtigkeit

Tateinheit oder Tatmehrheit bei Fahren unter Drogeneinfluss und sonstigen Verstößen

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Geldbuße und Fahrverbot:


Bußgeldkatalog / bundeseinheitlicher Tatbestandskatalog

Die Sanktionen einer Rauschfahrt unter Drogen nach dem Tatbestandskatalog

OLG Bamberg v. 08.08.2016:

  1.  Begründet das Tatgericht seine verschärfte Sanktionsentscheidung für eine fahrlässige Ordnungswidrigkeit nach den §§ 24a Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StVG mit der Annahme eines Wiederholungsfalls im Sinne der §§ 1Abs. 1 und 2, 3 Abs. 1,4 Abs. 3 BKatV i.V.m. Nr. 242.1 BKat, kann im Rahmen der nach den §§ 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO gebotenen Zumessungserwägungen auf entsprechende Feststellungen zur Vorahndungssituation des Betroffenen nicht verzichtet werden.

  2.  Um dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung der Rechtsfolgenentscheidung zu ermöglichen, muss aus den Urteilsgründen deshalb entweder hervorgehen, dass die (rechtskräftige) Vorahndung im Sinne von Nr. 242.1 BKat im (neuen) Tatzeitpunkt im Fahreignungsregister (FAER) bereits eingetragen war oder aber dem Betroffenen vor der neuerlichen Zuwiderhandlung auf andere Weise das Unrecht der (einschlägigen) früheren - wenn auch nur fahrlässig begangenen - Tat, etwa durch positive Kenntnis von der Verfolgung aufgrund eines ihm zugestellten Bußgeldbescheids, vor Augen geführt worden ist

OLG Bamberg v. 08.08.2017:
Auch bei einer Fahrt unter der Wirkung eines berauschenden Mittels i.S.v. § 24a Abs. 2 StVG setzt eine qualifizierte Ahndung nach Nr. 242.1 BKat voraus, dass die Vorahndung nach § 24a StVG schon im Tatzeitpunkt und nicht erst im Zeitpunkt der späteren bußgeldrechtlichen Ahndung im Fahreignungsregister eingetragen war (u.a. Anschluss an OLG Bamberg, Beschluss vom 25. Februar 2016, 2 Ss OWi 129/16, ZfSch 2016, 469 = VerkMitt 2016, Nr. 36 = Blutalkohol 53, 323 (2016).

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