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OLG München Urteil vom 10.03.2000 - 10 U 3555/99 - Zum Ersatzanspruch auf Zins-und Tilgungsleistungen für ein Eigenheim als Unterhaltsschaden

OLG München v. 10.03.2000: Zum Ersatzanspruch auf Zins-und Tilgungsleistungen für ein Eigenheim als Unterhaltsschaden


Das OLG München (Urteil vom 10.03.2000 - 10 U 3555/99) hat entschieden:
Vom Schädiger sind die tatsächlichen Aufwendungen bis zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete einer nach den ehelichen Lebensverhältnissen angemessenen Mietwohnung zu ersetzen, welche die Geschädigten zur Aufrechterhaltung ihres Lebensstandards im Unfallzeitpunkt benötigen. Fixe Kosten können nur solche sein, die tatsächlich anfallen. Nicht nur die Zins- sondern auch die Tilgungsleistungen sind bei einem Eigenheim zu berücksichtigen, wenn in Höhe der monatlichen Belastungen (anfallende Unterhaltskosten und Darlehensannuitäten) gleichfalls Aufwendungen für eine vergleichbare Mietwohnung aufgebracht werden müssten.


Siehe auch Vermehrte Bedürfnisse und Personenschaden


Tatbestand:

Von der Darstellung des Tatbestands wird abgesehen und insoweit auf das angefochtene Endurteil des Landgerichts Traunstein Bezug genommen (§ 543 Abs. 1 ZPO).


Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat insoweit Erfolg, als die Beklagte zu verurteilen war, über das Teilanerkenntnis- und Endurteil des Landgerichts Traunstein hinaus weitere monatliche Renten zu zahlen, und zwar an die Klägerin zu 1) 31,79 DM, an den Kläger zu 2) 9,08 DM, an den Kläger zu 3) 18,16 DM. Im übrigen ist die Berufung, auch hinsichtlich der geltend gemachten weiteren Rückstände, als unbegründet zurückzuweisen.

1. Streit besteht zwischen den Parteien ausschließlich darüber, inwieweit Aufwendungen für den von der Klägerin zu 1) nach dem tödlichen Verkehrsunfall ihres Ehemanns und Vater der Kläger zu 2) und zu 3), der vom Versicherungsnehmer der Beklagten verschuldet wurde, errichtete Wohnanbau am Haus ihrer Eltern in Höhe einer fiktiven Miete oder in Höhe angefallener sonstiger Unterhaltsaufwendungen und tatsächlich aufgebrachter Zinszahlungen - ohne Tilgung - als Fixkosten schadensrechtlich geltend gemacht werden können. Soweit die Berufung als Fixkosten die Vergleichsmiete am nunmehrigen Wohnort der Kläger in ... (bei ...) ohne Rücksicht auf die tatsächlich anfallenden Aufwendungen ansetzt, verkennt sie den Schadensbegriff der §§ 844 Abs. 2, 249 ff. BGB; danach ist nur ein konkreter Schaden, der sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen im Zeitpunkt des Unfalls bemisst, und nicht ein abstrakter, fiktiv errechneter Schaden ersatzfähig (BGH, NJW 1998, 985). Vom Schädiger sind die tatsächlichen Aufwendungen bis zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete einer nach den ehelichen Lebensverhältnissen angemessenen Mietwohnung zu ersetzen, welche die Geschädigten zur Aufrechterhaltung ihres Lebensstandards im Unfallzeitpunkt benötigen. Fixe Kosten können nur solche sein, die tatsächlich anfallen (OLG Nürnberg, NZV 1997, 439).

Der Senat vermag sich aber auch nicht der Auffassung des Landgerichts und der Beklagten anzuschließen, wonach lediglich die Zinszahlungen und nicht gleichfalls die Tilgungsleistungen für das aufgenommene Baudarlehen zur Errichtung des Wohnbaus als Unterhaltsschaden zu berücksichtigen sind. Unstreitig ist, dass die Kläger nach dem Unfall entsprechend einem davor gefassten Plan aus der 3-Zimmer-Wohnung im Haus der Schwiegereltern der Klägerin zu 1) auszogen, wofür im Zeitpunkt des Unfalls eine monatliche Pauschalmiete von 300,00 DM gezahlt wurde. Ferner ist unstreitig, dass die Klägerin zu 1) monatlich aus österreichischen Schillingen umgerechnete 423,00 DM für Zins und Tilgung des Baudarlehens aufbringen muss, sowie, dass die ortsübliche Kaltmiete für eine vergleichbare 70 m²-Wohnung in ... monatlich rund 650,00 DM beträgt.

Zwar ist es zutreffend, dass die Tilgungsleistungen langfristig der Vermögensbildung zufließen und dadurch ein Gegenwert in Form lastenfreien Eigentums und mietfreien Wohnens geschaffen wird. Insofern dienen aber auch die Zinsen der Vermögensbildung, soweit diese eine Darlehensaufnahme voraussetzt. Richtig ist es zudem, dass Zweck des zu ersetzenden ausgefallenen Unterhalts die Deckung des laufenden Lebensbedarfs einschließlich des Wohnbedarfs und nicht die Finanzierung der Vermögensbildung ist; die Schaffung eines Eigenheims wird unterhaltsrechtlich nicht geschuldet.

Dies gilt jedoch dann nicht, wenn in Höhe der monatlichen Belastungen (anfallende Unterhaltskosten und Darlehensannuitäten) gleichfalls Aufwendungen für eine vergleichbare Mietwohnung aufgebracht werden müssten. Schadensrechtlich wäre es nicht zu beanstanden, wenn die Kläger eine Mietwohnung bezogen hätten, für welche sie die ortsübliche Miete in Höhe der anfallenden Belastungen für ein Eigenheim zahlen müssten. Umgekehrt kann von den Klägern aber auch nicht verlangt werden, dass sie sich schadensmindernd ein kreditfinanziertes Eigenheim beschaffen. Jedenfalls hätten sie dann auch Anspruch auf Ersatz der Tilgungsleistungen. Insofern dienen diese in erster Linie der Deckung des angemessenen Wohnbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen und zählen zum Unterhalt ("unterhaltsrechtliche Komponente"; vgl. BGH, VersR 1984, 961/962 Abschnitt II. 2. b)). Soweit die Aufwendungen für ein Eigenheim nach einem objektiven Maßstab eheangemessen erscheinen, ist deshalb hinzunehmen, dass anstelle von Mietzahlungen Aufwendungen zur Vermögensbildung geleistet werden (vgl. BGH, FamRZ 1995, 869; ersichtlich auch BGH, NZV 1988, 136 = VersR 1988, 954/956; OLG Braunschweig, VersR 1979, 1124/1125). Dem steht die Entscheidung des BGH vom 05.12.1989 (VersR 1990, 317/318) nicht entgegen, da in dem vom BGH entschiedenen Fall allein schon die Zinszahlungen den Mietwert einer vergleichbaren Wohnung von 900,00 DM monatlich überstiegen (vgl. auch BGH, VersR 1986, 264/265, wo Zins und Tilgung den Mietaufwand von 450,00 DM überstiegen). Damit sind die Belastungen des Eigenheims der Kläger einschließlich der darin enthaltenen Raten für Zins und Tilgung bis zur Höhe einer vergleichbaren Mietwohnung als Fixkosten zu ersetzen.

2. Die vom Landgericht vorgenommene Bemessung des Unterhaltsschadens ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Sie entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, die vom BGH bestätigt wurde (vgl. Senatsurteil vom 16.02.1996, 10 U 3065/93; hierzu BGH NJW 1998, 985). Dem Landgericht ist jedoch ein Versehen unterlaufen, als es bei der Berechnung des rückständigen Unterhaltsschadens einerseits Fixkosten von 1.480,12 DM berücksichtigt, andererseits beim um die Fixkosten bereinigten Einkommens 1.336,56 DM Fixkosten einsetzt; richtig wäre von einem monatlichen Familieneinkommen von 3.536,76 DM - 1.480,12 DM = 2.056,64 DM statt 2.200,20 DM auszugehen gewesen. Damit ergibt sich folgende neue Berechnung, wobei unter Berücksichtigung der Darlehensrückführung als Fixkosten 1.518,20 DM monatlich bzw. 1.661,76 DM monatlich anzusetzen sind (Erhöhung der Fixkosten um jeweils 181,64 DM: monatliche Annuitäten von 3.008,56 ATS abzüglich Zinsanteil von 1.730,61 ATS = 1.277,95 ATS x 0,142136 = 181,64 DM):

[folgt die Berechnung]
Demgegenüber wurden durch das Ersturteil für rückständigen Unterhalt zugesprochen an die Klägerin zu 1) 4.642,50 DM statt 4.196,70 DM, an den Kläger zu 2) 1.793,70 DM statt 1.204,80 DM und an den Kläger zu 3) 2.481,90 DM statt 2.380,80 DM, so dass insofern die Berufung keinen Erfolg hatte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Weitere Nebenentscheidungen:

§§ 708 Nr. 10, 711, 713, 546 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO. Die Revision zum Bundesgerichtshof ist nicht zuzulassen, da der Senat von der Rechtsprechung des BGH nicht abweicht und der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.