Das Verkehrslexikon

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BGH Beschluss vom 04.03.1971 - 4 StR 535/70 - Für eine Grundstückseinfahrt oder -ausfahrt ist eine Absenkung des Bordsteins nicht nötig

BGH v. 04.03.1971: Für eine Grundstückseinfahrt oder -ausfahrt ist eine Absenkung des Bordsteins nicht nötig


Der BGH (Beschluss vom 04.03.1971 - 4 StR 535/70) hat entschieden:
Der Begriff "Grundstückseinfahrt und Grundstücksausfahrt" in StVO § 16 Abs 1 Nr 5 jetzt StVO J: 1970 § 12 Abs 3 Nr 3, setzt nicht voraus, dass die Bordsteine des Gehweges, über den die Einfahrt und Ausfahrt führt, zur Fahrbahn hin abgesenkt sind.


Siehe auch Feuerwehrzufahrt


Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat dem Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen § 16 Abs. 1 Nr. 5 StVO aF in Verbindung mit § 24 StVG eine Geldbuße auferlegt, weil er seinen Personenkraftwagen vor dem großen Tor eines Hausgrundstücks abgestellt und dadurch die Ausfahrt eines Kraftfahrzeuges unmöglich gemacht hatte. Der am Haus vorbeiführende Bürgersteig war vor dem Tor nicht zur Fahrbahn abgesenkt; das Tor war jedoch durch ein Schild "Einfahrt freihalten" als Ein- und Ausfahrt gekennzeichnet. Das für die Entscheidung zuständige Oberlandesgericht Düsseldorf möchte die Rechtsbeschwerde des Betroffenen verwerfen, da das Parkverbot des § 16 Abs. 1 Nr. 5 StVO aF auch gelte, wenn die Einfahrt über nicht abgeflachte Bordsteine eines Gehweges führe; es komme allein darauf an, dass sie als Einfahrt erkennbar sei. Damit würde es jedoch von dem Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 6. Februar 1969 (VRS 37, 232) abweichen. Nach der Auffassung dieses Gerichtes setzt eine Einfahrt im Sinne von § 16 Abs. 1 Nr. 5 StVO aF voraus, dass sie in geeigneter Weise befestigt ist und die Bordsteine des Gehweges in diesem Bereich abgesenkt sind. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat deshalb die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.


II.

Die Voraussetzungen für eine Vorlage nach § 79 Abs. 3 OWiG, § 121 Abs. 2 GVG sind gegeben. Durch das Urteil des Oberlandesgerichts Celle ist das Oberlandesgericht Düsseldorf gehindert, die Rechtsbeschwerde entsprechend seiner Absicht zu verwerfen.


III.

Der Senat stimmt der Rechtsansicht des vorlegenden Oberlandesgerichts zu. Der Begriff "Grundstücksein- und -ausfahrt" in § 16 Abs. 1 Nr. 5 StVO aF, jetzt § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO, setzt nicht voraus, dass die Bordsteine des Gehweges, über den die Ein- oder Ausfahrt führt, zur Fahrbahn hin abgesenkt sind.

Der Generalbundesanwalt hat in seiner Stellungnahme hierzu u. a. ausgeführt:
"Zwar muss, wie das Oberlandesgericht Celle aaO an sich zutreffend ausführt, eine Ein- und Ausfahrt, für die das in § 16 Abs. 1 Nr. 5 StVO ausgesprochene Parkverbot gelten soll, in tatsächlicher Hinsicht den Erfordernissen des Verkehrs entsprechen. Die Straßenverkehrsordnung, die den gefahrlosen und ungehinderten Ablauf des Straßenverkehrs gewährleisten will, kann mit ihrem § 16 Abs. 1 Nr. 5 die Fahrzeugführer nicht dazu verpflichten wollen, den Grundstücksanliegern ein Verhalten zu ermöglichen, das den Verkehr behindern oder gar gefährden würde. Deshalb kann von einer Grundstücksein- und -ausfahrt im Sinne der genannten Vorschrift nicht gesprochen werden, wenn der Fahrzeugverkehr von und zu einem Grundstück nur nach besonders umständlichen und zeitraubenden Maßnahmen – wie etwa der Beseitigung von Brettern, mit denen eine Toreinfahrt zugenagelt wurde (vgl. KG in JR 1954, 430) – möglich ist. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass eine Einfahrt im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 5 StVO nur dann gegeben sei, wenn die Bordsteine eines an dem Grundstück vorbeiführenden Gehwegs im Bereich der Einfahrt abgeflacht sind. Die heute im Verkehr befindlichen Kraftfahrzeuge können in aller Regel ohne umständliche und zeitraubende Maßnahmen über nicht abgesenkte Bordsteine fahren, wie dies zum Zweck des Parkens unter Inanspruchnahme des Bürgersteigs ja auch sehr häufig geschieht.

§ 16 Abs. 1 Nr. 5 StVO macht das Vorliegen des Merkmals "Grundstücksein- und -ausfahrt" nicht von einer bestimmten Ausgestaltung der Zufahrt abhängig. Nach dem Zweck der Vorschrift, die Anlieger vor einer Behinderung oder Belästigung in der Benutzung der Einfahrt zu ihrem Grundstück zu schützen, kann es deshalb nur darauf ankommen, ob es möglich ist, von der öffentlichen Verkehrsfläche ohne zeitraubende Vorkehrungen auf das in Frage stehende Grundstück zu fahren, ob nach den gegebenen Umständen (Hausgrundstück, unbebautes Grundstück, privater Parkplatz, Kinderspielplatz u. dgl.) ein Fahrverkehr zwischen Grundstück und öffentlicher Fahrbahn in Betracht kommen kann und ob beides für jedermann ohne weiteres erkennbar ist. Dass die Möglichkeit, mit einem Kraftfahrzeug von der öffentlichen Fahrbahn auf ein Grundstück zu gelangen, nicht dadurch ausgeschlossen oder auch nur erheblich erschwert wird, dass die Bordsteine eines an dem Grundstück vorbeiführenden Gehwegs nicht abgeflacht sind, wurde bereits ausgeführt. Auch für die Erkennbarkeit der Ein- und Ausfahrt ist die Absenkung der Bordsteine nicht unbedingt erforderlich; sie kann sich vielmehr auch aus sonstigen Anzeichen – wie z. B. Mauerpfeilern, einer besonderen Befestigung der Zufahrt, Fahrspuren auf dem unbefestigten Boden, einem zur Straße hin zu öffnenden Garagentor – ergebe Ist – wie im Vorlegungsfall – in ein Haus ein großes Tor eingelassen, das ohne weiteres die Durchfahrt von Kraftfahrzeugen ermöglicht, dann kann hieraus jedermann auf die Ein- und Ausfahrt von Fahrzeugen schließen, zumal wenn durch das Schild "Einfahrt freihalten" auf diese Möglichkeit besonders hingewiesen wird. Ebenso ist in einem solcher Fall für jeden Verkehrsteilnehmer mühelos zu erkennen, dass die Einfahrt in das Tor und die Ausfahrt aus diesem notwendig in einer in etwa der Ausdehnung einer normalen Toreinfahrt entsprechenden Breite über den zwischen Haus und Fahrbahn gelegenen Gehweg führen muss und deshalb die Fahrbahn in diesem Ausmaß freizuhalten ist.

Die von dem Oberlandesgericht Celle geäußerte Befürchtung, im Fall des Verzichts auf das Erfordernis der Abflachung der Bordsteine müsste bei langgestreckten Industriehöfen oder zahlreichen nebeneinander gelegenen Garagen möglicherweise die Fahrbahn in der gesamten Länge der Grundstücks- oder Garagenfront freigehalten und damit die zum Parken zur Verfügung stehende Verkehrsfläche empfindlich verringert werden, ist unbegründet. In Fällen dieser Art wird dem mit § 16 Abs. 1 Nr. 5 StVO verfolgten Zweck Genüge geleistet, wenn der von den parkenden Fahrzeugen freigelassene Straßenraum den Besuchern des Industriehofes oder den Garagenbesitzern an einer Stelle der gesamten Grundstücks- oder Garagenfront die ungehinderte Zu- und Abfahrt ermöglicht (OLG Köln in VRS 25, 151; OLG Frankfurt/M. in NJW 1969, 1074). Kann dagegen jede einzelne von mehreren nebeneinander gelegenen Garagen nur auf dem kürzesten Weg von der Straße her erreicht und dorthin verlassen werden, dann würde durch das Erfordernis der Absenkung der Bordsteine nicht mehr Parkraum gewonnen werden; denn die Bordsteine müssten in diesem Fall in der gesamten Länge der Garagenfront abgeflacht sein."
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an und beantwortet daher die Vorlegungsfrage wie aus der Beschlussformel ersichtlich.