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OLG Stuttgart Beschluss vom 05.03.2002 - 4 Ss 46/02 - Zu den Anforderungen an ein Verwerfungsurteil beim Ausbleiben des nicht entbundenen Betroffenen

OLG Stuttgart v. 05.03.2002: Zu den Anforderungen an ein Verwerfungsurteil beim Ausbleiben des nicht entbundenen Betroffenen


Das OLG Stuttgart (Beschluss vom 05.03.2002 - 4 Ss 46/02) hat entschieden:
Bei einer Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG muss sich das Gericht in den Urteilsgründen mit Einwendungen und Bedenken gegen eine Verwerfung auseinandersetzen, insbesondere auch mit der Zulässigkeit des Antrags und dessen Begründung, den Betroffenen von der Verpflichtung zum Erscheinen zu entbinden, sowie den Erwägungen zur Ablehnung des Antrags.


Siehe auch Verwerfung des Einspruchs im Bußgeldverfahren und Säumnis des Betroffenen bzw. Angeschuldigten in der Hauptverhandlung im OWi- oder Strafverfahren


Gründe:

Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht Heilbronn zurückzuverweisen, unter anderem wie folgt begründet:
"Bei einer Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG muss sich das Gericht in den Urteilsgründen mit Einwendungen und Bedenken gegen eine Verwerfung auseinandersetzen, insbesondere auch mit der Zulässigkeit des Antrags und dessen Begründung, den Betroffenen von der Verpflichtung zum Erscheinen zu entbinden, sowie den Erwägungen zur Ablehnung des Antrags (OLG Stuttgart ZfS 1994, 308, 309; Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 74 Rdnr. 35 m. w. N.). Das angefochtene – formularmäßige – Urteil erwähnt jedoch den Entbindungsantrag vom 19. November 2001 nicht. Bereits dieser Rechtsfehler muss zur Aufhebung des Urteils führen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 23. Januar 2002 – 4 b Ss 455/2001 – m. w. N.).

Im Übrigen ist auch die Begründung des Ablehnungsbeschlusses vom 20. November 2001 rechtsfehlerhaft, das persönliche Erscheinen des Betroffenen sei zur vollständigen Sachaufklärung unerlässlich, insbesondere zur Gegenüberstellung mit dem Zeugen PHM ... und zur Prüfung der Frage der Verhängung eines Fahrverbots. Nachdem der Betroffene in seinem Entbindungsantrag einerseits hat erklären lassen, er gestehe ausdrücklich zu, Fahrer zum beanstandeten Zeitpunkt gewesen zu sein, und andererseits angekündigt hatte, in der Hauptverhandlung keine weiteren Angaben zu machen, war eine Sachaufklärung in der Hauptverhandlung durch den Betroffenen nicht zu erwarten, auch nicht die Feststellung von Tatsachen, die für den Rechtsfolgenausspruch, insbesondere für die Verhängung eines Fahrverbots Bedeutung haben konnten. Nachdem der Betroffene die Täterschaft – für den Fall seiner Entbindung gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 OWiG verwertbar – eingeräumt hat, war die Anordnung seines persönlichen Erscheinens zu seiner Identifizierung unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht nicht mehr erforderlich (OLG Stuttgart, Beschluss vom 30. Januar 2002 – 4 b Ss 431/02 – m. w. N.). Zudem ist nicht ersichtlich, zu welchem Zweck die Gegenüberstellung des Betroffenen mit dem Zeugen PHM ..., der lediglich die Radarmessanlage bediente und deswegen als Zeuge zu dem Messverfahren in Betracht zu ziehen war, erforderlich gewesen sein soll. Die Möglichkeit der Verhängung eines Fahrverbotes ist kein Gesichtspunkt, der generell geeignet ist, die Ablehnung eines Entbindungsantrages zu rechtfertigen (vgl. OLG Frankfurt ZfS 1994, 388; Thüringer OLG ZfS 1995, 115; OLG Stuttgart ZfS 1997, 73, 74). Bei der vom Tatrichter vorzunehmenden Prüfung, ob ganz ausnahmsweise von der Verhängung eines Fahrverbots unter Erhöhung der Geldbuße abgesehen werden kann, kommt es grundsätzlich nicht auf den persönlichen Eindruck des Betroffenen an. Daher wäre das Amtsgericht verpflichtet gewesen, dem Entbindungsantrag des Betroffenen zu entsprechen, ein Ermessen stand ihm insoweit nicht zu."
Diesen Ausführen schließt sich der Senat an (vgl. auch OLG Karlsruhe ZfS 1999, 538; OLG Zweibrücken ZfS 1999, 537; OLG Frankfurt ZfS 2000, 226; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, 3. Aufl., § 73 Rdnr. 9).