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OLG Saarbrücken Urteil vom 17.01.2013 - 4 U 201/11 - Zur Betriebsgefahr bei einem Fahrzeugbrand in der Werkstatt

OLG Saarbrücken v. 17.01.2013: Zur Betriebsgefahr bei einem Fahrzeugbrand in der Werkstatt


Das OLG Saarbrücken (Urteil vom 17.01.2013 - 4 U 201/11) hat entschieden:
Gerät ein in einer Werkstatt abgestellter LKW in Brand, so ist ein durch den Brand verursachter weiterer Schaden an einem in der Werkstatt abgestellten Fahrzeug des Klägers nur dann i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG "beim Betrieb" entstanden, wenn die Transport- und Fortbewegungsfunktion des LKW das Brandereignis geprägt hat. Der für die Verwirklichung des Haftungstatbestandes darlegungs- und beweisbelastete Kläger genügt seiner Darlegungslast nicht, wenn zu den Umständen des Brandes nicht vorgetragen wird.


Siehe auch Betriebsgefahr - verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung und Stichwörter zum Thema Schadensersatz und Unfallregulierung


Gründe:

I.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger die beklagte Haftpflichtversicherung auf Schadensersatz in Anspruch, nachdem ein dem Kläger gehörender LKW und der dazugehörige Auflieger infolge eines Brandes beschädigt wurden.

Am 25.5.2007 stellte ein Angestellter des Klägers eine vom dem Kläger geleaste Zugmaschine zusammen mit einem Auflieger in der Werkstatt der Firma GmbH in ab. Kurze Zeit danach geriet ein ebenfalls dort abgestelltes, bei der Beklagten haftpflichtversichertes Fahrzeug der Firma J. GmbH aus ungeklärter Ursache in Brand. Durch diesen Brand wurde auch das klägerische Fahrzeug beschädigt.

Die Beklagte regulierte den am Fahrzeug entstandenen Sachschaden einschließlich einer Auslagenpauschale. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger Ersatz der Lohnkosten für den bei dem Kläger angestellten Fahrer N.. Er hat hierzu vorgetragen:

Die Zugmaschine sei erst in der letzten Juliwoche 2007 wieder einsetzbar gewesen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe der Fahrer des streitgegenständlichen Fahrzeugs ebenfalls nicht eingesetzt werden können. Da die Reparaturdauer offen gewesen sei, habe der Mitarbeiter auch nicht entlassen werden können. Eine andere Einsatzmöglichkeit habe nicht bestanden. Darüber hinaus hätte der Kläger auch während der Kündigungsfrist Lohnfortzahlung leisten müssen. Der Kläger hat die Lohnkosten für den Mitarbeiter für die Dauer von zwei Monaten mit 2.521,05 EUR errechnet.

Weiterhin hat der Kläger für die Zeit des reparaturbedingten Ausfalls für die Dauer von zwei Monaten Erstattung der fälligen Leasingraten für das Fahrzeug begehrt. Die Leasingrate habe für die Zugmaschine 1.201,43 EUR und für den Auflieger 882,62 EUR betragen. Für die Dauer von zwei Monaten resultiere daraus eine Forderung in Höhe von 4.168,10 EUR.

Der Kläger hätte aufgrund des Schadensfalls auf Dauer Aufträge verloren, weshalb der durch den Vorfall entstandene Schaden weit höher als nur der entgangene Gewinn sei.

Schließlich hat der Kläger die Erstattung außerprozessualer Rechtsanwaltskosten in Höhe von 507,50 EUR begehrt.

Der Kläger hat beantragt,
  1. an den Kläger 6.689,15 EUR nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.1.2010 zu zahlen;

  2. weitere 507,50 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass sowohl die Lohnkosten als auch die Leasingraten ohne das Unfallereignis angefallen wären. Aus diesem Grunde seien die geltend gemachten Aufwendungen nicht aufgrund des streitgegenständlichen Vorfalls entstanden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter.

Der Kläger trägt vor, er habe aufgrund des Ausfalls seines Fahrzeuges keine neuen Aufträge beschaffen können und bestehende Aufträge teilweise verloren. Vor dem Schadensfall sei der Kläger im Bereich der Entsorgung tätig gewesen. Das Fahrzeug sei mit Aufträgen ausgelastet gewesen. Diese Aufträge seien nunmehr von einem Mitbewerber übernommen worden, da der Kläger die Aufträge nicht mehr habe bedienen können. Aufgrund der Zahlungsausfälle habe der Kläger auch in der Folgezeit seine Leasingraten nicht mehr korrekt bedienen können. Der durch den Vorfall entstandene Schaden reiche zeitlich über die Reparaturdauer hinaus.

Der Kläger hat weiterhin die Auffassung vertreten, dass die mit der Klage geltend gemachten Schadenspositionen den entgangenen Gewinn darstellten. Er mache im vorliegenden Rechtsstreit den Erwerbsschaden eines Selbständigen geltend. Für diesen Schaden seien auch die Lohnkosten und Leasingraten Anhaltspunkte, da auch diese Kosten zu der Beurteilung der Geschäftsentwicklung zählten. Der Umsatzanteil des betreffenden Fahrzeugs habe im Durchschnitt des Jahres 2007 bei 26,1 % gelegen. Bei dem vorläufig ermittelten Ergebnis in Höhe von 31.231 EUR entspreche dies einem Anteil von 8.151 EUR. Dabei sei ein durchschnittlicher Einsatz von 17 Tagen anzusetzen. Demnach hätte der durchschnittliche Gewinn des Fahrzeugs pro Tag bei 68,50 EUR gelegen. Die Lohnkosten für den Mitarbeitern N. seien nur deshalb entstanden, da der Kläger aufgrund der unklaren Situation den Mitarbeiter nicht habe entlassen können. Auch hinsichtlich der Leasingraten habe er wegen der unklaren Situation keine andere Lösung bewirken können.

Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 10.5.2011 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.689,15 EUR nebst fünf Prozentpunkten Zinsen seit dem 12.1.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Das Landgericht habe zu Recht darauf hingewiesen, dass betriebliche Kosten, die aufgrund vertraglicher Verpflichtung des Klägers auch ohne den Unfall angefallen seien, nicht kausal auf das Unfallgeschehen zurückzuführen seien. Der Schaden eines Selbständigen könne nicht isoliert durch Hinweis auf laufende Kosten geltend gemacht werden. Da sich der Wert der Tätigkeit des Selbständigen nicht nach der Dauer und Intensität seines Arbeitseinsatzes, sondern nach dem erzielten wirtschaftlichen Erfolg richte, bestünden die Ansprüche allenfalls, wenn bedingt durch den hier streitgegenständlichen Vorfall ein Gewinn entgangen sei.

Das mit der Berufungsbegründung vorgetragene, von der Beklagten bestrittene Zahlenwerk zum Umsatzanteil des Fahrzeugs rügt die Beklagte als verspätet.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 6.7.2011 (Bl. 89 ff. d. A.) sowie der Berufungserwiderung vom 25.7.2011 (Bl. 103 ff. d. A.) Bezug genommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll (Bl. 113 f. d. A.) verwiesen.


II.

A.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet, da die angefochtene Entscheidung weder auf einem Rechtsfehler beruht, noch die gemäß § 529 ZPO zu Grunde legenden Tatsachen ein für den Kläger günstigeres Ergebnis rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO).

1. Der Klage ist bereits deshalb ein Erfolg zu versagen, weil der Kläger die Haftungsvoraussetzungen des allein in Betracht kommenden § 7 Abs. 1 StVG – für eine Verschuldenshaftung des Halters fehlt jeder Anhalt – nicht schlüssig vorgetragen hat.

a) Gemäß § 7 Abs. 1 StVG setzt die Ersatzpflicht des Halters voraus, dass der Schaden „bei dem Betrieb“ des Kraftfahrzeugs entstanden ist. Die Verwirklichung dieser Anspruchsvoraussetzung bereitet Schwierigkeiten, wenn sich das schadensverursachende Kraftfahrzeug weder in einem maschinentechnischen Sinne noch nach den Kriterien der verkehrstechnischen Auffassung (vgl. hierzu BGHZ 29, 163, 169; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 7 StVG Rdnr. 5 f.; Grüneberg, NZV 2001, 109) in Betrieb befand. Davon ist im zur Entscheidung stehenden Sachverhalt auszugehen: Der darlegungsbelastete Kläger trägt zu den Umständen des Brandes nicht vor. Mithin kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Motor des LKW zum Zeitpunkt des Brandes lief. Da der LKW in der Reparaturgarage abgestellt war, dauerte die während des Betriebs im öffentlichen Verkehrsraum geschaffene Gefahr nicht mehr an, weshalb ein Betrieb des LKW auch in verkehrstechnischer Hinsicht nicht nachgewiesen ist.

b) Mithin könnte ein Betrieb i.S. des § 7 Abs. 1 StVG nur dann angenommen werden, wenn normative Kriterien die Anwendung des § 7 Abs. 1 StVG erlauben. So soll die Gefährdungshaftung etwa auch dann eröffnet sein, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem die Gefahr begründenden Umstand und der Verkehrsverwendung des Kraftfahrzeugs besteht (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 3 Rdnr. 60). Dieser Zusammenhang ist nachgewiesen, wenn gerade die Transport- und Fortbewegungsfunktion des Kraftfahrzeugs dem Schadensereignis seine prägende, charakteristische Eigenart verleiht (Dörr, MDR 2011, 1083, 1086). Zu denken ist an Fallkonstellationen, in denen etwa die Betriebswärme des Kraftfahrzeugs nach dem Abstellen in einer Garage zu einem Brandereignis führt (vgl. OLG Düsseldorf, MDR 2011, 28). Nicht hinreichend ist es indessen, wenn sich im Schadensereignis lediglich die Sachgefahr realisiert, wie sie jeder komplexen Maschine innewohnt (vgl. OLG Düsseldorf, MDR 2011, 157: im dort entschiedenen Fall geriet ein Fahrzeug aus ungeklärter Ursache in Brand, nachdem es bereits mehrere Tage in einer Reparaturwerkstatt abgestellt gewesen war; vgl. auch BGH, Urt. v. 27.11.2007 – VI ZR 210/06, MDR 2008, 623).

c) Auch diese Erwägungen verhelfen der Klage nicht zum Erfolg, da die näheren Umstände, unter denen der bei der Beklagten haftpflichtversicherte LKW in Brand geriet, nicht vorgetragen worden sind. Soweit der Kläger im Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 29.3.2011 Vortrag zum Brandereignis gehalten hat, beziehen sich der Vortrag und die dort formulierten Beweisanträge auf die Frage, wie lange der klägerische LKW vor dem Brandereignis in der Garage abgestellt war. Dieser Umstand besitzt für die Beurteilung der vom bei der Beklagten haftpflichtversicherten LKW ausgehenden Gefahr keine Relevanz.

2. Dessen ungeachtet war der Klage auch deshalb kein Erfolg zu bescheiden, weil es am erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Schadensereignis und den geltend gemachten Aufwendungen fehlt.

a) Mit zutreffenden Erwägungen ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die geltend gemachten Aufwendungen nicht adäquat kausal durch das Schadensereignis entstanden sind. Sowohl die Leasingraten als auch die Lohnkosten wären auch dann angefallen, wenn der Lkw nicht infolge des Schadensereignisses beschädigt worden wäre. Mithin fehlt es nach hergebrachten Grundsätzen an der Kausalität zwischen Rechtsgutsverletzung und geltend gemachtem Schaden.

b) Insbesondere sind die Aufwendungen nicht unter dem Gesichtspunkt des so genannten Frustrationsschadens erstattungsfähig: Diese Durchbrechung des nach allgemeinen Grundsätzen erforderlichen Kausalitätsnachweises ist im Deliktsrecht nur dann anerkannt, wenn der Deliktstatbestand gerade das Vertrauen schützt, deswegen die Aufwendungen getätigt wurden (Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., vor § 249 Rdnr. 14; Erman/Ebert, BGB, 13. Aufl., § 249 Rdnr. 64 ff.; Schiemann, in: Staudinger, Bearbeitung 1998, § 249 Rdnr. E 124). Diese Ausnahme beansprucht im vorliegenden Fall keine Geltung:

aa) Die straßenverkehrsrechtliche und die allgemeine deliktsrechtliche Haftung wurden nicht deshalb konzipiert, um das Vermögen als Ganzes zu schützen. Schutzgut dieser Haftungsnormen sind vielmehr die in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgüter, zu denen das Vermögen als Ganzes nicht gehört.

bb) Darüber hinaus ist eine Durchbrechung der Kausalitätskriterien deshalb nicht indiziert, weil das Interesse des Klägers auf andere Weise hinreichend schutzbewährt ist: Es ist dem Kläger unbenommen, den ihm durch die Beschädigung der Sache entgangenen Gewinn nach den Grundsätzen des § 252 BGB darzulegen. Hierzu hätte es eines substantiierten Sachvortrags bedurft, wie sich der Ausfall der Zugmaschine im Betriebsergebnis des Klägers konkret niedergeschlagen hat. Diesen Sachvortrag hat der Kläger allerdings im ersten Rechtszug nicht gehalten.

cc) Soweit der Kläger erstmals in der Berufungsbegründung Sachvortrag hält, ist das Vorbringen gemäß § 531 ZPO präkludiert: Die Voraussetzungen für eine Zulassung des neuen Vorbringens gem. § 531 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, nachdem sowohl der Beklagtenvertreter bereits in der Klageerwiderung als auch das Landgericht auf die Kausalitätsproblematik hingewiesen haben (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.3.2011; Bl. 54 d. A.).


B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung besitzt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).