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OLG Nürnberg Urteil vom 10.05.1988 - 1 U 4202/87 - Zum Mitverschuldensanteil eines Motorradbeifahrers ohne Sturzhelm

OLG Nürnberg v. 10.05.1988: Zum Mitverschuldensanteil an Kopfverletzungen eines Motorradbeifahrers ohne Sturzhelm


Das OLG Nürnberg (Urteil vom 10.05.1988 - 1 U 4202/87) hat entschieden:
Ein Motorradfahrer, der aufgrund der Tatsache, dass er bei dem Unfall keinen Sturzhelm trug, schwere Schädelverletzungen erlitten hat, muss sich einen Mitverschuldensanteil von 30% anrechnen lassen.


Siehe auch Mitverschulden - Mitverursachung und Schutzhelm für Motorradfahrer


Tatbestand:

Der Kläger verlangt - im Berufungsverfahren nur noch von den Beklagten zu 2) und zu 3) - Schmerzensgeld wegen eines Verkehrsunfalls.

Am 21. April 1986 gegen 21.00 Uhr fuhr der Kläger in ... als Sozius auf dem Leichtkraftrad des damals 17 Jahre alten Beklagten zu 3) ... auf der ... ortseinwärts. Der Beklagte zu 3) steuerte das Fahrzeug. Es ist bei der Beklagten zu 2) ... gegen Haftpflicht versichert. Damals war es bereits dunkel. Der Kläger trug keinen Sturzhelm. Der Beklagte zu 1) kam mit seinem PKW VW Golf entgegen. Er ist bei der Beklagten zu 4) ... gegen Haftpflicht versichert. Der Beklagte zu 1) wollte in Höhe der Friedhofskapelle nach links in die ... abbiegen. Im Einmündungsbereich der ... stießen die beiden Fahrzeuge zusammen. Das Leichtkraftrad des Beklagten zu 3) prallte gegen die rechte Seite des PKW des Beklagten zu 1). Es rutschte auf die linke Fahrbahnseite, wo es der nachfolgende PKW des Herrn ... nochmals erfasste und wegschleuderte. Der damals 17 Jahre alte Kläger wurde bei dem Unfall schwer am Kopf verletzt und musste bis 6. Juni 1986 stationär behandelt werden.

Der Kläger hat in erster Instanz behauptet, der Beklagte zu 3) habe ihn zu der Fahrt aufgefordert. Unterwegs habe der Beklagte zu 3) an der Beleuchtung seines Kraftrades "gespielt" und sie trotz seiner - des Klägers - Ermahnungen zeitweise ausgeschaltet. An den Unfall könne er sich nicht mehr erinnern. Jedoch habe der Beklagte zu 1) wegen der Straßenbeleuchtung und seines eigenen Fernlichts das Kraftrad erkennen müssen. Dieser habe den Beklagten zu 3) geblendet und sei zu schnell und in zu engem Bogen gefahren. Der Kläger lasse sich 30 % Mitverschulden anrechnen, weil er keinen Sturzhelm getragen habe. Seine schweren Schädelverletzungen hätten bleibende Folgen verursacht.

Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch weitere 17.000,00 DM über bereits gezahlte 3.000,00 DM hinaus, nebst 4 % Zinsen ab Klagezustellung, sowie eine angemessene Schmerzensgeldrente zu zahlen.
Alle vier Beklagten haben
Klageabweisung
beantragt.

Die Beklagten zu 1) und zu 4) haben behauptet, der Beklagte zu 1) sei ordnungsgemäß mit Abblendlicht abgebogen. Er habe jedoch das Kraftrad vor dem Unfall nicht gesehen und mangels Beleuchtung auch nicht erkennen können. Der Kläger müsse sich außerdem eine höhere Mithaftungsquote anrechnen lassen.

Die Beklagten zu 2) und zu 3) haben behauptet, der Kläger habe das Kraftrad eigenmächtig bestiegen und es trotz entsprechender Aufforderungen durch den Beklagten zu 3) nicht verlassen. Der Beklagte zu 1) sei mit Fernlicht gefahren und habe den Unfall allein verschuldet. Er habe das Kraftrad trotz guter Beleuchtungsverhältnisse übersehen und sei zu schnell und mit zu engem Bogen in die Einmündung gefahren. Der Beklagte zu 3) hat vorgetragen, das Abblendlicht an seinem Kraftrad sei beim Unfall funktionstüchtig und in Betrieb gewesen. Die Beklagte zu 2) hat ausgeführt, möglicherweise habe nur das unzureichende Standlicht gebrannt. Dies habe der Kläger erkennen und die Fahrt beenden müssen. Er habe somit stillschweigend in die Gefahrerhöhung wegen der verkehrsunsicheren Beleuchtung eingewilligt. Sie sei ihrerseits von der Leistung frei geworden.

Alle vier Beklagten haben die Folgen des Unfalls und die Höhe des Schmerzensgeldanspruchs bestritten.

Für die weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf ihre Schriftsätze Bezug genommen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen ..., ..., ... und ... Außerdem hat es mündliche Gutachten der technischen Sachverständigen ... und ... erholt. Die Lichtbildtafel und die polizeiliche Unfallskizze aus den Strafakten des Amtsgerichts Schwandorf, Aktenzeichen Ds 3 Js 9633/86, waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Für den Inhalt der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 13. Oktober 1987 (Bl. 115/138 d.A.) verwiesen.

Am 10. November 1987 hat das Landgericht Amberg folgendes Grund- und Teil-​Endurteil erlassen:
  1. Die Beklagten zu 2) und 3) schulden dem Kläger als Gesamtschuldner ein angemessenes Schmerzensgeld unter Berücksichtigung eines Mithaftungsanteils des Klägers von 30 %.

  2. Hinsichtlich der Beklagten zu 1) und 4) wird die Klage abgewiesen.

  3. Die Beklagten zu 1) und 4) tragen keine Gerichtskosten. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 4) trägt der Kläger. Im übrigen bleibt die Kostenentscheidung der Endentscheidung vorbehalten.

  4. Das Urteil ist für die Beklagten zu 1) und 4) hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000,00 DM vorläufig vollstreckbar.
Zur Begründung hat das Landgericht zusammengefasst ausgeführt, der Beklagte zu 3) habe den Unfall verschuldet. Er sei ohne ausreichende Beleuchtung und mit zu hoher Geschwindigkeit gefahren, während der Beklagte zu 1) das Kraftrad nicht habe erkennen und den Unfall nicht habe vermeiden können. Der Kläger müsse sich allerdings ein Mitverschulden von 30 % anrechnen lassen, weil er keinen Sturzhelm getragen habe. Die Beklagte zu 2) hafte als Haftpflichtversicherer gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 3). Da die Klage hinsichtlich der Beklagten zu 2) und zu 3) dem Grunde nach entscheidungsreif sei, ergehe insoweit ein Zwischenurteil über den Grund des Schmerzensgeldanspruchs.

Im übrigen wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Urteil wurde allen Parteien jeweils am 19. November 1987 zugestellt. Jedoch haben lediglich die Beklagten zu 2) und zu 3) Berufungen vom 14. und 21. Dezember 1987 eingelegt, die bei Gericht am 15. bzw. 21. Dezember 1987 (Montag) eingegangen sind. Die beiden Beklagten haben ihre Rechtsmittel mit Schriftsätzen vom 19. Januar 1988, eingegangen bei Gericht am 20. Januar 1988, bzw. (nach Verlängerung der Begründungsfrist bis 12. Februar 1988) mit Schriftsatz vom 10. Februar 1988, eingegangen am 11. Februar 1988, begründet.

Die Beklagten zu 2) und zu 3) wiederholen im wesentlichen ihren Sachvortrag erster Instanz. Sie sind weiterhin der Auffassung, der Beklagte zu 3) habe den Unfall nicht zu verantworten. Das Landgericht habe die Beleuchtungsverhältnisse unzureichend geprüft. Das Abblendlicht am Kraftrad sei in Betrieb und die Unfallstelle auch sonst ausgeleuchtet gewesen. Die Beleuchtungsanlage am Kraftrad sei erst kurz zuvor überprüft worden (Beweis: ... und ... als Zeugen, Parteivernehmung des Beklagten zu 3)). Ein Leichtkraftradfahrer sei bei Dunkelheit und fehlender Ausleuchtung der Straße außerstande, 65 km/h zu fahren (Beweis: Sachverständigengutachten). Aber selbst beim Fahren mit Standlicht sei der Beklagte zu 3) auf 60 m zu sehen gewesen (Beweis: Augenschein und Sachverständigengutachten). Nach Auffassung der beiden Beklagten trete das etwaige Verschulden des Beklagten zu 2) gegenüber dem Mitverschulden des Klägers zurück, zumal seine Kopfverletzungen durch einen Sturzhelm zu vermeiden gewesen seien (Beweis: Sachverständigengutachten). Hinzu komme, dass der Kläger ihnen ihre etwaigen Ausgleichsansprüche gegenüber den Beklagten zu 1) und zu 4) genommen habe, weil er gegen die Abweisung der Klage nicht Berufung eingelegt habe. Dies müsse er sich ebenfalls als Mitverschulden anrechnen lassen. Außerdem habe er sich dadurch gegenüber den Berufungsführern schadensersatzpflichtig gemacht. Mit diesem Anspruch erklären die Beklagten zu 2) und zu 3) vorsorglich die Aufrechnung gegen die Klageforderung. Die Beklagte zu 2) vertritt weiterhin die Meinung, der Kläger habe stillschweigend in die Gefahrerhöhung eingewilligt. Sie sei damit von ihrer Leistungspflicht frei geworden.

Die Beklagte zu 2) beantragt:
  1. Das Grundurteil des Landgerichts Amberg vom 10. November 1987, Aktenzeichen: 1 0 1197/86, wird abgeändert.

  2. Die Klage wird in Richtung gegen die Beklagte zu 2) in vollem Umfang abgewiesen.
Der Beklagte zu 3) beantragt:
  1. Das Grundurteil des Landgerichts Amberg vom 10. November 1987, Aktenzeichen: 1 0 1197/86, wird abgeändert.

  2. Die Klage wird in Richtung gegen den Beklagten zu 3) in vollem Umfang abgewiesen.
Der Kläger beantragt:
  1. Die Berufung der Beklagten zu 3) und 2) wird zurückgewiesen.

  2. Das Grundurteil des Landgerichts Amberg vom 10. November 1987, Aktenzeichen: 1 0 1197/86, wird aufrechterhalten.
Der Kläger hält das Urteil des Landgerichts Amberg für richtig. Das Abblendlicht am Kraftrad habe nicht gebrannt, das Standlicht sei zu dunkel gewesen. Etwaige Ausgleichsansprüche seien den Beklagten zu 2) und zu 3) nicht abgeschnitten. Im übrigen widerspreche er der Aufrechnungserklärung.

Für die weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf ihre Schriftsätze Bezug genommen.

Die Beklagten zu 2) und zu 3) haben den Beklagten zu 1) und zu 4) im Berufungsverfahren den Streit verkündet und sie aufgefordert, dem Rechtsstreit auf der Seite der Beklagten zu 2) beizutreten.

Das Berufungsgericht hat keinen Beweis erhoben.


Entscheidungsgründe:

Die Berufungen der Beklagten zu 2) und zu 3) sind nicht begründet.

Mit Recht hat das Landgericht entschieden, dass diese Beklagten dem Kläger dem Grunde nach ein angemessenes Schmerzensgeld unter Berücksichtigung seines Mithaftungsanteils von 30 % schulden. Dies konnte im Wege des Zwischenurteils über den Grund des Anspruchs (§ 304 ZPO) zulässig geschehen, weil die Parteien über die gesundheitlichen Folgen des Unfalls und damit - noch nicht entscheidungsreif - über die Höhe des Anspruchs streiten. Das Landgericht durfte in den Urteilsspruch die Berücksichtigung des Mithaftungsanteils des Klägers von 30 % aufnehmen. Es hat dabei nicht etwa unzulässig die entsprechende Quote eines angemessenen Schmerzensgeldes festgesetzt, sondern lediglich geregelt, dass neben den zahlreichen anderen Kriterien der Angemessenheit des Schmerzensgeldes auch der Mithaftungsanteil zu berücksichtigen ist. Dies ist nicht zu beanstanden (BGH VersR 70, 624; OLG Celle NJW 68, 1785; OLG Köln MDR 75, 148).

I.

Der Beklagte zu 3) schuldet dem Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld (§ 823 Abs. 1, § 847 BGB). Er hat den Unfall als Fahrer des Leichtkraftrades im Verhältnis zum Kläger allein schuldhaft verursacht. Den Kläger trifft daran keine Mitverantwortung.

1. Der Beklagte zu 3) war zur Tatzeit 17 Jahre alt. Er war schuldfähig. Der hierfür darlegungs- und beweispflichtige Beklagte zu 3) (Palandt-​Thomas, 47. Aufl., Anm. 2 a zu § 828 BGB) hat selbst nichts zu seiner etwaigen Schuldunfähigkeit vorgetragen. Auch aus den Umständen des Falles ergibt sich kein Hinweis darauf. Er hat den Unfall durch seinen fahrlässigen Verstoß gegen § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO verschuldet, weil er unmittelbar vor dem Zusammenstoß innerorts mit 65 km/h fuhr. Dies folgt aus der uneidlichen Aussage des in 1. Instanz vernommenen Sachverständigen ..., die das Landgericht zutreffend gewürdigt hat. Der Gutachter - er ist Kfz-​Sachverständiger beim TÜV ... und als sachkundig und zuverlässig bekannt - hat insbesondere aus dem Umstand, dass nur der Kläger als Sozius über den PKW des Beklagten zu 1) geschleudert wurde, sowie aus den Schadensbildern des Zweirades und des PKW nachvollziehbar und überzeugend geschlossen, dass der Anstoß mit etwa 50 km/h geschehen sein muss. Unter Einrechnung der Endverzögerung ergibt sich die Ausgangsgeschwindigkeit des Beklagten zu 3) mit etwa 65 km/h. Das von der Beklagten zu 2) dazu beantragte Sachverständigengutachten, dass der Beklagte zu 3) bei Dunkelheit und fehlender Ausleuchtung der Straße nicht 65 km/h hätte fahren können, war nicht zu erholen. Zumindest waren unstreitig die etwa 26 m nach dem Ende des Einmündungstrichters der ... befindliche Straßenleuchte wie auch das Abblendlicht des Beklagten zu 1) in Betrieb. Aus der Sicht des Beklagten zu 3) war es demnach nicht vollständig dunkel. Ob aber ein Kraftfahrer bei unzureichenden Sichtverhältnissen mit einer Geschwindigkeit von ca. 65 km/h fahren kann, ist keine Frage an einen Sachverständigen, sondern an die Fähigkeit zur Einsicht und die Selbstdisziplin des Kraftfahrers. Das Bestehen schlechter Sichtverhältnisse schließt für sich allein selbstverständlich das Fahren mit einer solchen Geschwindigkeit nicht auch notwendig aus.

Wie der Sachverständige ebenfalls überzeugend dargelegt hat, hätte der Beklagte zu 3) den Unfall bei der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h in zeitlicher Hinsicht vermeiden können. Er wäre bei einer Vollbremsung aus dieser Geschwindigkeit heraus erst an die Unfallstelle gekommen, nachdem der PKW des Beklagten zu 1) sie bereits passiert hatte. Zu einer Vollbremsung wäre der Beklagte zu 3) schon deshalb verpflichtet gewesen, weil er durch seine Geschwindigkeitsüberschreitung selbst eine Ursache für den Unfall gesetzt hatte.

Da der Beklagte zu 3) den Unfall schuldhaft verursacht hat, kann es im Verhältnis des Klägers zu ihm dahinstehen, ob er überdies ohne ausreichende Beleuchtung fuhr.

2. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger etwa die Haftung des Beklagten stillschweigend ausgeschlossen hatte. Insbesondere führt die Unentgeltlichkeit der Forderung nicht zur Annahme eines Haftungsausschlusses oder einer Haftungsbeschränkung. Der Kläger handelte auch nicht auf eigene Gefahr und verursachte seinen Schaden auch nicht ganz oder teilweise dadurch selbst, dass er sich dem Beklagten zu 3) zu der Spritztour anvertraute. Dabei ist es ohne Bedeutung, von wem die Initiative zur Fahrt ausging. Denn es fällt in den Verantwortungsbereich des Beklagten zu 3) als Fahrer, die Fahrt zu unterlassen, wenn er sie für unangebracht oder für unter den gegebenen Umständen zu gefährlich hält. Der Beklagte zu 3) behauptet selbst nicht, zur Fahrt geradezu "gezwungen" oder ernsthaft bedrängt worden zu sein. Der Kläger muss sich nicht anrechnen lassen, dass er trotz der - nach seiner Behauptung - aussetzenden Beleuchtung am Kraftrad weiter mitfuhr. Nach den insoweit übereinstimmenden Angaben des Klägers und des Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 3) war die Beleuchtung jedenfalls vor Beginn der Fahrt noch in Betrieb. Der beweispflichtige Beklagte zu 3) hat keinen Beweis dafür angeboten, dass der Kläger nach dem angeblichen Ausfall des Lichts die Fahrt hätte beenden können. Dies gilt erst recht deshalb, weil die Fahrtstrecke des Beklagten zu 3) bis zum Unfall, die er ohne ausreichende Beleuchtung gefahren sein soll, nicht feststeht. Umso mehr fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger die Fahrt wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung hätte abbrechen können, zumal offen bleibt, ob er sie überhaupt bemerken konnte und seit wann der Beklagte zu 3) zu schnell fuhr.

3. Den Kläger trifft weiter kein Mitverschulden deshalb, weil er gegen die in 1. Instanz erfolgte Klageabweisung gegen die Beklagten zu 1) und zu 4) kein Rechtsmittel eingelegt hat. Es steht dem Verletzten frei, gegen welchen von mehreren Schädigern er Klage erheben will. Demgemäß kann er auch selbst entscheiden, inwieweit er gegen ein klageabweisendes Urteil Rechtsmittel einlegen will. Sein Entschluss berührt die etwaigen Ausgleichsansprüche der Beklagten untereinander ohnedies nicht. Denn gemäß § 322 ZPO sind Urteile der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist. Das Landgericht hat jedoch nur über die Ansprüche des Klägers gegen die Beklagten zu 1) und zu 4) geurteilt. Dagegen betrifft seine Entscheidung nicht das Innenverhältnis der Beklagten untereinander (Palandt-​Thomas, 47. Aufl., Anm. 3 a zu § 840 BGB). Die Beklagten zu 2) und zu 3) können demnach ihre behaupteten Ausgleichsansprüche nach wie vor gegen die Beklagten zu 1) und 4) geltend machen, ohne durch die rechtskräftige Entscheidung im Verhältnis des Klägers zu den Beklagten zu 1) und zu 4) daran gehindert zu sein. Daraus folgt, dass der Kläger in seinem Entschluss frei war, gegen welchen der Beklagten er den Rechtsstreit weiterführen wollte. Schon deshalb besteht kein Anspruch gegen den Kläger, mit dem die Beklagten zu 3) und zu 2) aufrechnen könnten.

4. Der Kläger muss sich aber als Mitverschulden gemäß § 254 BGB anrechnen lassen, dass er entgegen der Bestimmung des § 21 a Abs. 2 StVO als Beifahrer auf einem Kraftrad keinen Schutzhelm trug. Er ist ebenso wie der etwa gleichaltrige Kläger als schuldfähig anzusehen (§ 828 Abs. 2 BGB) und trägt selbst nichts vor, was Zweifel an seiner Schuldfähigkeit erwecken könnte. Die Mitfahrt auf dem Leichtkraftrad ohne Schutzhelm stellt ein Mitverschulden des Klägers am Eintritt seines Schadens dar (BGH NJW 65, 1075; VersR 83, 440; OLG Bremen VersR 78, 469; OLG Saarbrücken VM 81, 70; OLG München VersR 81, 560). Nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises wurden die schweren Schädelverletzungen des Klägers nach dem Sturz über den PKW auf die Straße dadurch mitverursacht, dass er keinen Helm trug. Denn gerade vor solchen Verletzungen soll und kann (in der Regel) ein Sturzhelm schützen (BGH VersR 83, 440). Der Senat bemisst den Mitverursachungsanteil des Klägers, der im Betragsverfahren bei der Bemessung eines angemessenen Schmerzensgelds im Zusammenhang mit dessen anderen Faktoren zu berücksichtigen sein wird, auf 30 %. Diesen Anteil lässt sich der Kläger von vorneherein anrechnen. Bei der Abwägung der Verursachungsanteile des Beklagten zu 3) und des Klägers ist zu würdigen, dass der Beklagte zu 3) zwar nur ein Leichtkraftrad fuhr, dass dieses aber andererseits immerhin 80 km/h zu fahren imstande ist (§ 18 Abs. 2 Nr. 4 a StVZO). Vor allem betrug die Fahrgeschwindigkeit unmittelbar vor dem Anstoß 65 km/h. In der hier gegebenen Unfallsituation stand es somit einem Motorrad nicht nach. Zu Lasten des Beklagten zu 3) spricht besonders seine gesetzwidrig hohe Fahrgeschwindigkeit als erheblicher Fahrfehler. Schließlich muss es sich der Beklagte zu 3) zurechnen lassen, dass er den Kläger in Kenntnis des fehlenden Schutzhelms mitnahm und damit die Ursache der Gefahrensituation schon bei Antritt der Fahrt erkannte. Dagegen ist es ohne Bedeutung, von wem die Initiative zur Fahrt ausging. Der Beklagte zu 3) trägt selbst nicht im Einzelnen vor, zur Durchführung der Fahrt erheblich bedrängt oder gar gezwungen worden zu sein. Es hätte besonders nahegelegen, die Mitnahme des Klägers ohne Sturzhelm kategorisch zu verweigern. Andererseits ist bei der Mitverursachungsquote des Klägers zu berücksichtigen, dass er nur Verletzungen am Kopf erlitt, vor denen ein Sturzhelm gerade typischerweise schützen soll. Dagegen bleibt die Behauptung der Beklagten zu 2) und 3) außer Betracht, der Kläger habe absteigen müssen, als er den Ausfall der Beleuchtung festgestellt habe. Sie haben keinen Beweis dafür angetreten, dass ihm der Beklagte zu 3) dies ermöglicht hätte. Außerdem ist die Fahrtstrecke und damit die Zeitdauer, in der der Beklagte zu 3) ohne Licht bis zum Unfall gefahren sein soll, nicht bekannt. Es bleibt offen, ob der Kläger überhaupt darauf mit Erfolg hätte reagieren können. Unter Abwägung der gesamten Umstände erscheint die vom Kläger eingeräumte Mithaftungsquote von 30 % angemessen. Im Vordergrund der Mitverursachung steht der erhebliche Fahrfehler des Beklagten zu 3). Selbst wenn die Kopfverletzungen des Klägers durch einen Schutzhelm vollständig vermieden worden wären, würde sich die Mithaftungsquote des Klägers demgegenüber nicht über diese 30 % hinaus erhöhen. Die Rechtsprechung hat je nach Fallkonstellation Mithaftungsquoten von 5 % (BGH VersR 83, 440), 10 % (OLG München VersR 81, 560), 20 % (BGH NJW 65, 1075; OLG Hamburg MDR 70, 326) und 30 % (OLG Saarbrücken VM 81, 70) angenommen.

Bei dieser Sachlage ist es ohne Bedeutung, ob der Beklagte zu 3) darüber hinaus mit defekter Lichtanlage gefahren ist oder sein Licht "spielerisch" abgeschaltet hat. Dies würde die Mithaftungsquote des Klägers allenfalls mindern. Der Kläger räumt sie aber selbst mit 30 % ein und greift das mit ihm insoweit übereinstimmende Urteil des Landgerichts nicht an.

Die Beteiligung des PKW des Beklagten zu 1) ändert nichts am Umfang des zuerkannten Klageanspruchs, wie er im Urteilsspruch bezeichnet ist. Es kann im Verhältnis des Klägers zum Beklagten zu 3) dahinstehen, ob der Beklagte zu 1) seinerseits den Unfall mitverschuldet hat. Denn anders als in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 30, S. 203) ist im vorliegenden Fall nicht der Kläger neben den Beklagten zu 1) und zu 3) für den auf Grund der unerlaubten Handlung entstandenen Schaden verantwortlich (§ 840 Abs. 1 BGB). Vielmehr ist er ihnen gegenüber ausschließlich Geschädigter, der wegen der Regelung des § 254 BGB nur einen Teil seines eigenen Schadens ersetzt bekommt.

II.

Die Beklagte zu 2) haftet dem Kläger als Pflichtversicherer des Beklagten zu 3) in demselben Umfang wie dieser (§ 823 Abs. 1, § 847 BGB, § 3 Nr. 1 PflVG). Auf die obigen Ausführungen zur Haftung des Beklagten zu 3) wird deshalb verwiesen. Die Beklagten haften als Gesamtschuldner (§ 840 I ZPO).

Die Beklagte zu 2) kann den Kläger nicht auf anderweitige Ersatzmöglichkeiten i.S.d. § 3 Nr. 4, 6 PflVG, § 158 c Abs. 4 VVG verweisen.

Die Klage gegen die Beklagten zu 1) und zu 4) wurde rechtskräftig abgewiesen, so dass eine solche Ersatzmöglichkeit nicht besteht. Darüber hinaus ist die Beklagte zu 2) gegenüber dem Beklagten zu 3) als ihrem Versicherungsnehmer und damit erst recht gegenüber dem Kläger nicht von der Verpflichtung zur Leistung frei geworden. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Kläger gegenüber den Beklagten zu 1) und zu 4) hätte Berufung einlegen müssen und welche Aussichten dieses Rechtsmittel gehabt hätte. Die Beklagte zu 2) wäre allenfalls dann von ihrer Pflicht zur Leistung frei geworden, wenn der Beklagte zu 3) eine willkürliche Gefahrerhöhung i.S.d. § 23 Abs. 1 VVG vorgenommen hätte. Dies ist nicht der Fall. Den Begriff der Gefahrerhöhung erfüllen nämlich nur solche Gefährdungsvorgänge, die nicht die Gefahr als solche alsbald verwirklichen, sondern ihrer Natur nach geeignet sind, einen neuen Gefahrenzustand von so langer Dauer zu schaffen, dass er die Grundlage eines neuen natürlichen Schadensverlaufs bilden kann und damit den Eintritt des Versicherungsfalls generell zu fördern geeignet ist (Prölss/Martin, VVG, 24. Aufl., Anm. 2 A c zu § 23 VVG mit zahlreichen Nachweisen). Im Gegensatz dazu liegen hier allenfalls einmalige Gefahrensteigerungen vor. Dies gilt ohne weiteres für die Möglichkeit, der Beklagte zu 3) habe an der Beleuchtung des Kraftrades "gespielt" und sie zeitweise abgeschaltet. Eine solche nur auf den Augenblick und nicht auf Dauer angelegte Handlung ist eine - gemäß § 152 VVG sogar bei grober Fahrlässigkeit - mitversicherte Gefahrensteigerung, keine Gefahrerhöhung. Erst recht gilt dies für das Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Dagegen hat die für die Gefahrerhöhung beweispflichtige (Prölss/Martin, Anm. 3 zu § 25 VVG m.w.N.) Beklagte zu 2) nicht nachweisen können, dass die Beleuchtung vor dem Unfall aus technischen Gründen ausgefallen gewesen wäre. Der Sachverständige ... konnte nicht ausschließen, dass das Abblendlicht des Kraftrades bei dem Unfall gebrannt hat. Die in 1. Instanz vernommenen Zeugen haben lediglich bekundet, das Kraftrad nicht bzw. nicht beleuchtet gesehen zu haben. Ihre Aussagen geben aber keinen Aufschluss darüber, ob die Beleuchtung aus technischen Gründen oder wegen des angeblichen "Spielens" des Beklagten zu 3) ausgefallen war. Eine Gefahrerhöhung steht aber sogar dann nicht fest, wenn das Abblendlicht des Kraftrades beim Unfall außer Betrieb gewesen sein sollte. Nach dem Sachvortrag des Klägers und des Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 3) im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 1987 brannte das Licht unmittelbar vor Antritt der Fahrt. Etwas anderes ist zumindest nicht erwiesen. Fiel die Beleuchtung aber erst während der Fahrt aus, so fehlt jeder Nachweis dafür, dass der Beklagte zu 3) das Fahrzeug vor einer Reparatur weiterverwenden und nicht nur zurückfahren wollte. Der Kläger weiß noch nicht einmal, wie weit der Beklagte zu 3) ohne Licht gefahren sein soll. Nach alledem ist zumindest der Nachweis eines auf Dauer angelegten Gefahrenzustandes als Voraussetzung der Gefahrerhöhung nicht erbracht. Da die Beklagte zu 2) gegenüber ihrem Versicherungsnehmer, dem Beklagten zu 3), nicht von der Leistung frei geworden ist, ist es belanglos, ob der Kläger seine behaupteten Ansprüche gegen die Beklagten zu 1) und zu 4) hätte weiterverfolgen können und müssen.

Die Sache war im Umfang des Urteilsspruchs an das Landgericht zurückzuverweisen, weil der Anspruch der Höhe nach noch nicht entscheidungsreif ist (§ 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Der Wert der Beschwer ist aufgrund des § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzen. Er errechnet sich aus dem vollen Streitwert des Verfahrens (Thomas-​Putzo, 15. Aufl., Anm. 2 "Grundurteil" zu § 3 ZPO) und übersteigt 40.000,00 DM. Denn er bestimmt sich nach der Summe des vom Kläger für angemessen gehaltenen Schmerzensgeldkapitals von 20.000,00 DM und dem nach § 9 ZPO ermittelten Wert der Schmerzensgeldrente, deren Größenordnung der Kläger mit monatlich 300,00 DM angibt.

Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 3 ZPO, § 17 Abs. 2 GKG.

Die Entscheidung über den Antrag der Beklagten zu 2), die Revision zuzulassen, erübrigt sich. Ihre Beschwer beträgt mehr als 40.000,00 DM, so dass gegen das Urteil ohnedies das Rechtsmittel der Revision stattfinden kann.