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BGH Beschluss vom 05.02.2013 - VIII ZB 38/12 - Berufungseinlegung unter der Bedingung der PKH-Bewilligung

BGH v. 05.02.2013: Berufungseinlegung unter der Bedingung der PKH-Bewilligung


Der BGH (Beschluss vom 05.02.2013 - VIII ZB 38/12) hat entschieden:
Eine Berufung, die unter der Bedingung eingelegt wird, dass die zugleich beantragte Prozesskostenhilfe bewilligt wird, darf nicht als unzulässig verworfen werden, bevor über den Prozesskostenhilfeantrag entschieden worden ist.


Siehe auch Prozesskostenhilfe - PKH - Beratungshilfe


Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten zu 2 (fortan: Beklagter) auf Zahlung rückständiger Miete und Nutzungsentschädigung in Höhe von 3.042 € nebst Zinsen in Anspruch. Das Amtsgericht hat den Beklagten durch Urteil vom 27. März 2012 antragsgemäß verurteilt.

Gegen das seinen erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten am 10. April 2012 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit einem am 10. Mai 2012 beim Landgericht Dresden eingegangenen Schriftsatz seines zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom 9. Mai 2012 Berufung eingelegt und gleichzeitig die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des unterzeichnenden Prozessbevollmächtigten beantragt.

Der mit der Überschrift "Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Berufung" versehene Schriftsatz enthält - durch Texteinzug und Fettdruck besonders hervorgehoben - folgende Erklärung:
"Die Berufung soll nur dann als eingelegt gelten, wenn Prozesskostenhilfe bewilligt wird. ..."
Dem Schriftsatz vom 9. Mai 2012 war das ausgefüllte und unterschriebene Formular "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" vom 8. Mai 2012 nebst Anlagen beigefügt.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 6. Juni 2012 hat das Berufungsgericht nach einem vorausgegangenen Hinweis die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen, weil sie von der Bedingung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe abhängig gemacht worden sei. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.


II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

1. Dem Beklagten ist gemäß § 233 ZPO antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.

2. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen gemäß § 574 Abs. 2 ZPO zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Das Berufungsgericht hat durch seine Entscheidung das Verfahrensgrundrecht des Antragstellers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, welches es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (st. Rspr., z.B. Senatsbeschluss vom 3. Dezember 2003 - VIII ZB 80/03, NJW-RR 2004, 1218 unter II 2 mwN).

3. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

Eine bedürftige Prozesspartei, die eine gegen sie ergangene Entscheidung mit der Berufung angreifen will, kann sich darauf beschränken, innerhalb der Berufungsfrist einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beifügung der nach § 117 Abs. 2 ZPO erforderlichen Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst entsprechenden Belegen beim Prozessgericht einzureichen und die Berufungseinlegung bis zur Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zurückzustellen (BGH, Beschluss vom 11. November 1992 - XII ZB 118/92, NJW 1993, 732 unter II 2). Ist dies geschehen, so muss das Berufungsgericht zunächst über den Prozesskostenhilfeantrag entscheiden. Wird über den Antrag nach Ablauf der Berufungsfrist entschieden, ist dem Antragsteller Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zu gewähren, wenn Prozesskostenhilfe bewilligt wird oder - im Falle ihrer Versagung - der Antragsteller vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrags wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen musste und die versäumte Prozesshandlung - die Einlegung der Berufung - innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist (§ 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO), die regelmäßig nicht vor der Bekanntgabe der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zu laufen beginnt (BGH, Beschlüsse vom 23. März 2011 - XII ZB 51/11, NJW-RR 2011, 995 Rn. 9; vom 27. Oktober 2011 - III ZR 31/11, NJW-RR 2012, 308 Rn. 22), nachgeholt wird.

Hiernach durfte die Berufung des Beklagten nicht vor der Entscheidung des Berufungsgerichts über den Prozesskostenhilfeantrag als unzulässig verworfen werden. Die unwirksame, weil bedingte Einlegung der Berufung (BGH, Urteil vom 31. Mai 1995 - VIII ZR 267/94, NJW 1995, 2563 unter I 2 a) vor der Entscheidung über den gleichzeitig eingereichten Prozesskostenhilfeantrag hindert den Beklagten nicht, nach der - bislang noch ausstehenden - Entscheidung des Berufungsgerichts über den Prozesskostenhilfeantrag nunmehr wirksam Berufung einzulegen. Die dazu erforderliche Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist wird dem Beklagten nicht deswegen zu versagen sein, weil sein Prozessbevollmächtigter bereits vor der beantragten Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Berufung - wenn auch unwirksam - eingelegt hat. Zwar kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur in Betracht, wenn die Mittellosigkeit der betroffenen Partei für die Fristversäumung kausal geworden ist (Senatsbeschluss vom 16. November 2010 - VIII ZB 55/10, NJW 2011, 230 Rn. 19 mwN). Das ist hier indessen der Fall, weil der Prozessbevollmächtigte des Beklagten eine unbedingte Berufung noch nicht eingelegt, sondern - wenn auch prozessual unbehelflich - die Wirksamkeit der erklärten bedingten Berufungseinlegung von der Bewilligung der zugleich beantragten Prozesskostenhilfe abhängig gemacht hat.