Das Verkehrslexikon

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Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 21.02.1984 - 2 BvR 1244/83 - Keine Verfassungsbeschwerde gegen Geldbußen unter 80 DM in Verkehrsordnungswidrigkeitssachen

BVerfG v. 21.02.1984: Keine Verfassungsbeschwerde gegen Geldbußen unter 80 DM in Verkehrsordnungswidrigkeitssachen


Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 21.02.1984 - 2 BvR 1244/83) hat entschieden:
Geldbußen wegen Ordnungswidrigkeiten, die den Betrag von 80 DM nicht erreichen und nicht in das Verkehrszentralregister eingetragen werden, stellen in aller Regel keinen schweren und unabwendbaren Nachteil im Sinne des BVerfGG § 93a Abs 4 dar (Ergänzung BVerfG, 1976-06-30, 2 BvR 435/76, BVerfGE 42, 261).


Siehe auch Rechtliches Gehör und Rechtsbeschwerde in Bußgeldsachen


Gründe:

A.

1. Die Verwaltungsbehörde erließ einen Bußgeldbescheid gegen den Beschwerdeführer in Höhe von 50 DM, weil er auf einem durch das Zeichen 241 der StVO nur für Fußgänger zugelassenen Weg mit dem Fahrrad gefahren sei, dabei eine Person über sieben Jahre auf dem Gepäckträger mitgenommen und der mündlichen und durch Handzeichen gegebenen Weisung eines Polizeibeamten nicht Folge geleistet habe, zur Feststellung der Personalien anzuhalten. Der Beschwerdeführer erhob Einspruch und trug vor, an der Seite, von der er gekommen sei, befinde sich kein Gebotsschild "Fußgänger". Er habe sich mit der Frau, die er angeblich auf dem Gepäckträger mitgenommen habe, zunächst im Gehen unterhalten und sei dann weitergefahren. Kurz darauf sei diese Frau von hinten auf seinen Gepäckträger aufgesprungen. Er sei aus dem Gleichgewicht geraten und habe wahrscheinlich aus diesem Grunde die Aufforderung des Polizeibeamten nicht wahrgenommen. Als er das Gleichgewicht wiedergefunden habe, sei er schon von dem Beamten festgehalten worden.

Das Amtsgericht holte eine dienstliche Äußerung des Polizeibeamten zu dem Einspruch ein. Darin führt der Beamte aus, der Beschwerdeführer sei nicht aus dem Gleichgewicht geraten, sondern habe auf seinen Anruf die Richtung geändert und versucht zu entkommen. Durch Beschluss vom 6. Juli 1983 legte das Amtsgericht dem Beschwerdeführer eine Geldbuße in Höhe von 50 DM wegen einer fahrlässig begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß §§ 21 Abs. 3, 36, 41 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG auf. Soweit der Beschwerdeführer die Tat bestreite, werde er durch die glaubwürdigen Angaben des Polizeibeamten überführt. Danach sei der Beschwerdeführer insbesondere, als ihn der Polizeibeamte angewiesen habe stehenzubleiben, in andere Richtung davongefahren, um sich der Feststellung seiner Personalien zu entziehen. Für die Bemessung der Geldbuße habe im vorliegenden Regelfall der Bußgeldkatalog als Orientierungshilfe gedient.

2. Mit der am 6. August 1983 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG. Das Amtsgericht habe seinen Einwand, auf dem Weg, den er gekommen sei, stehe das in § 41 Abs. 2 StVO vorgesehene Verkehrszeichen 241 nicht, offensichtlich nicht beachtet. Eine gründliche Tatsachenfeststellung sei in einem Fall wie dem vorliegenden besonders wichtig, weil gegen den Beschluss des Amtsgerichts gemäß § 79 OWiG ein Rechtsmittel nicht gegeben ist.


B.

Die Verfassungsbeschwerde war gemäß § 93 a Abs. 4 BVerfGG nicht zur Entscheidung anzunehmen.

1. Von einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde ist die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet Art. 103 Abs. 1 GG, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen muss, sofern es darauf aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts für die Entscheidung ankommen kann (BVerfGE 63, 80 (85) m. w. N.). Dass diese Pflicht verletzt worden ist, ergibt sich nicht schon daraus, dass das Gericht auf einen Einwand in den Gründen seiner Entscheidung nicht ausdrücklich eingeht (BVerfGE 22, 267 (274); 40, 101 (104 f.)).

2. Dem Beschwerdeführer entsteht durch die Versagung der Entscheidung zur Sache kein schwerer und unabwendbarer Nachteil.

Bisher ist das Bundesverfassungsgericht davon ausgegangen, dass Geldbußen wegen Ordnungswidrigkeiten, die 40 DM nicht überschreiten - und daher bei Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr gemäß § 28 Nr. 3 StVG auch nicht im Verkehrszentralregister eingetragen werden - in aller Regel keinen schweren und unabwendbaren Nachteil im Sinne des § 93 a Abs. 4 BVerfGG darstellen (BVerfGE 42, 261 (263)). Das Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vom 28. Dezember 1982 (BGBl. I S. 2090) hat die Grenze, von der an Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr gemäß § 28 Nr. 3 StVG in das Verkehrszentralregister eingetragen werden, auf 80 DM angehoben (Art. 1 Nr. 2 b). Wenn bei der Bemessung der Geldbuße von dem im Bußgeldkatalog vorgesehenen Regelsatz lediglich mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen nach oben oder unten abgewichen wird, ist der Regelsatz für die Eintragung in das Verkehrszentralregister maßgebend (Art. 1 Nr. 3, der den § 28 a in das Straßenverkehrsgesetz einfügt). Gemäß Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes sind alle vorhandenen Eintragungen im Verkehrszentralregister zu löschen, die nach neuem Recht nicht einzutragen wären (Art. 2).

Die Neuregelung zeigt, dass der Gesetzgeber den Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr, die - unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen - mit einem Bußgeld von weniger als 80 DM geahndet werden, geringeres Gewicht beimisst als bisher. Dies rechtfertigt, nunmehr Entscheidungen im Verfahren über Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr in der Regel auch dann nicht als schweren und unabwendbaren Nachteil im Sinne von § 93 a Abs. 4 BVerfGG anzusehen, wenn die Ordnungswidrigkeit nach neuem Recht nicht zur Eintragung ins Verkehrszentralregister führt.



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