Das Verkehrslexikon

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OLG Koblenz Beschluss vom 17.10.2012 - 2 SsBs 76/12 - Anforderungen an eine Vorsatzfeststellung bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung auf der Autobahn

OLG Koblenz v. 17.10.2012: Zu den Anforderungen an eine Vorsatzfeststellung bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung auf der Autobahn


Das OLG Koblenz (Beschluss vom 17.10.2012 - 2 SsBs 76/12) hat entschieden:
  1. Eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung erfordert neben der Kenntnis von der Geschwindigkeitsbegrenzung zudem das Bewusstsein, dass die Fahrgeschwindigkeit die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreitet oder dass der Betroffene dies zumindest billigend in Kauf genommen hat. Bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von mindestens 40 km/h ist allerdings grundsätzlich von vorsätzlicher Begehungsweise auszugehen.

  2. Einen Erfahrungssatz dahingehend, dass Verkehrszeichen von Kraftfahrern erst dann wahrgenommen werden, wenn sie mehrfach hintereinander oder in besonders hervorgehobener Weise aufgestellt worden sind oder sonstige auffällige Besonderheiten auf ihr Bestehen aufmerksam machen, gibt es nicht. Daher hängt die richterliche Überzeugungsbildung nicht davon ab, ob der Betroffene vor der Geschwindigkeitsmessung an einem oder mehreren Verkehrszeichen vorbeigefahren ist.

Siehe auch Zur Annahme von Vorsatz bei Geschwindigkeitsüberschreitungen und Stichwörter zum Thema Geschwindigkeit


Gründe:

I.

Durch Bußgeldbescheid der Kreisverwaltung ... vom 16. Januar 2012 wurde gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 46 km/h eine Geldbuße in Höhe von 160 € verhängt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.

Auf den Einspruch des Betroffenen verurteile ihn das Amtsgericht Bad Neuenahr-Ahrweiler im Abwesenheitsverfahren am 8. Mai 2012 wegen vorsätzlicher Überschreitung der außerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 46 km/h zu einer Geldbuße von 400 € und einem Fahrverbot von einem Monat. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts erfolgte die Messung mit dem Messgerät ESO 3.0.

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerechte Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.


II.

Das nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 OWiG statthafte und in zulässiger Weise eingelegte Rechtsmittel führt mit der Sachrüge zu einem Teilerfolg.

1. Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

a) Die Rüge, das Gericht habe den Antrag des Betroffenen, dem Hersteller des Messgerätes aufzugeben, ihm die zum Verständnis der Messung erforderlichen Parameter offenzulegen, zu Unrecht nicht gefolgt und dadurch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, hat keinen Erfolg. Sie ist bereits nicht in zulässiger Form ausgeführt. Bei der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs handelt es sich um eine Verfahrensrüge, die den formellen Anforderungen der §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügen muss (KK-Senge, OWiG, 3. Aufl., § 80 Rdnr. 41b). Das Vorbringen muss daher so vollständig sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen zutrifft. Zur Vollständigkeit des Rügevorbringens gehört auch, dass wesentliche Umstände, die der Rüge den Boden entziehen können, nicht verschwiegen werden (BGH NStZ-RR 2008, 85). Vorliegend unterlässt die Rechtsbeschwerde mitzuteilen, dass der Bußgeldrichter sich in den Urteilsgründen (UA Seite 5 letzter Absatz) mit dem Antrag auseinandergesetzt und dessen Nichtberücksichtigung begründet hat. Zur ordnungsgemäßen Ausführung der Rüge hätte es daher gehört, den Inhalt der ablehnenden Begründung mitzuteilen, da nur so beurteilt werden kann, ob dem Betroffenen rechtliches Gehör verweigert wurde. Eine Verfahrensrüge, die auf einen unvollständigen Sachverhalt gestützt wird, ist unzulässig (BGH a.a.O.).

Die Rüge ist jedoch auch unbegründet. Der Tatrichter kann und muss dem Betroffenen nur zu solchen Tatsachen und Beweismitteln rechtliches Gehör gewähren, die ihm bekannt sind und die zur Verfügung stehen (BVerfGE 18, 399, 405/406; 34, 1, 7; 36, 92, 97; BGH, Beschl. 1 StR 48/81 v. 26.05.1981 m.w.N.). Vorliegend waren die verlangten Messparameter des Messverfahrens weder Aktenbestandteil noch hat sich der Tatrichter zur Kontrolle der Richtigkeit der Messung darauf gestützt. Will der Betroffene erreichen, dass bestimmte Tatsachen in die Hauptverhandlung eingeführt werden, muss er seinem Begehren notfalls mittels eines darauf gerichteten Beweisantrages Geltung verschaffen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt in der Nichtberücksichtigung nicht vorhandener Beweismittel jedenfalls nicht.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Rechtsbeschwerde zitierten Rechtsprechung. Die Entscheidung des OLG Saarbrücken in VRs 109, 15 betrifft den hier nicht vorliegenden Fall, dass in der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers erstmalig Beweismittel eingeführt wurden, die zuvor nicht Aktenbestandteil waren und daher von der Verteidigung nicht zur Kenntnis genommen werden konnten. Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - 2 BvR 1009/07 - lag zugrunde, dass die gerichtliche Entscheidung auf dem Betroffenen unbekannte Beweismittel gestützt wurde. Auch dies ist hier nicht der Fall, da der Bußgeldrichter sich im Rahmen der Überzeugungsbildung von der Richtigkeit der Messung gerade nicht auf die Messparameter gestützt hat.

b) Ebenfalls unzulässig, da den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht genügend, ist die Rüge, der Bußgeldrichter habe einen mit Schriftsatz vom 31. Januar 2012 gestellten Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht beschieden. Auch im Abwesenheitsverfahren handelt es sich bei außerhalb der Hauptverhandlung gestellten schriftlichen Beweisanträgen nur um Beweisanregungen, über die im Rahmen der Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) zu befinden ist (Göhler, a.a.O., § 74 Rdnr. 17a). Wird deren Verletzung mit der Verfahrensrüge geltend gemacht, gehört zum notwendigen Rechtsbeschwerdevorbringen zunächst die Mitteilung des genauen Inhalts des Antrages (Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 244 Rdnr. 85 m.w.N.). Dies hat zwar nicht unbedingt wörtlich, jedoch inhaltlich vollständig zu erfolgen (BGH, Beschl. 4 StR 549/91 v. 13.02.1992, Meyer-Goßner, a.a.O.). Ob dies hier der Fall ist, erscheint bereits zweifelhaft, da sich die Mitteilung dessen Inhaltes in einem Halbsatz in der Rechtsbeschwerdebegründung erschöpft (dort S. 2 vorletzter Absatz). Dies kann jedoch dahinstehen, da zum notwendigen Vorbringen auch die konkrete Auseinandersetzung mit Umständen gehört, die gegen die Richtigkeit des Rechtsbeschwerdevorbringens sprechen können (BGH NStZ 2005, 222). Hierzu bestand im vorliegenden Fall deshalb Veranlassung, weil der Bußgeldrichter in der Hauptverhandlung die Lichtbilder der Messstelle in Augenschein genommen und sich in den Urteilsgründen nach Darstellung der Örtlichkeit der Messung von deren Richtigkeit überzeugt hat (UA Seite 5 1. Bis 3. Absatz). Da er dabei in zulässiger Weise auf die Lichtbilder Bl. 3ff. d. A. Bezug genommen hat, stehen diese auch dem Rechtsbeschwerdegericht zur Einsicht offen. Auf diesen ist jedoch von den offensichtlich ins Blaue hinein behaupteten leichten Fahrbahnunebenheiten nichts zu sehen. Bei dieser Sachlage hätte zur ordnungsgemäßen Ausführung der Rüge daher die Darstellung gehört, wo sich diese Fahrbahnunebenheiten befunden haben sollen bzw. aus welchen Gründen diese auf den Lichtbildern nicht zu sehen sind.

c) Auch die Rüge des Verstoßes gegen §§ 261, 46 OWiG ist, da sie nicht den geltenden Formerfordernissen an eine Verfahrensrüge entspricht, unzulässig. Die Rüge der Verletzung des § 261 StPO hat nur Erfolg, wenn ohne Rekonstruktion der Beweisaufnahme der Nachweis geführt wird, dass die im Urteil getroffenen Feststellungen nicht durch die in der Hauptverhandlung verwendeten Beweismittel und nicht durch Vorgänge gewonnen worden sind, die zum Inbegriff der Hauptverhandlung gehören (Meyer-Goßner, a.a.O., § 261 Rdnr. 38a). Das Rügevorbringen beschränkt sich insoweit auf die Behauptung, das Gericht habe seine Überzeugung aus den „vorgelesenen“ Urkunden gewonnen. Welche konkreten Urteilsfeststellungen auf welchen nicht in die Hauptverhandlung eingeführten Urkunden beruhen, wird nicht mitgeteilt, so dass dem Rechtsbeschwerdegericht eine weitere Prüfung der Verletzung des § 261 StPO nicht möglich ist. Soweit die Rechtsbeschwerde daneben rügt, die Voraussetzungen zur Verlesung der in die Hauptverhandlung eingeführten Urkunden hätten weder nach den §§ 251, 256 noch nach § 77a OWiG vorgelegen, ist die Rüge ebenfalls unzulässig, da der Inhalt der verlesenen Urkunden nicht mitgeteilt wird (Göhler, a.a.O., § 77a Rdnr. 21; Meyer-Goßner, a.a.O., § 251 Rdnr. 46 jew. m.w.N.).

d) Die Rüge, das Urteil lasse Feststellungen zur Beachtung der geltenden Bedienungsanleitung vermissen, ist unbegründet, da die in der Rüge aufgestellte Behauptung unzutreffend ist. Das Urteil weist hierzu aus:
„Die Messung wurde vom Messbeamten entsprechend der zur Tatzeit geltenden Vorgaben ordnungsgemäß durchgeführt. Der Messbeamte war in der Bedienung des Gerätes geschult (UA S.4, 6. Absatz).“
Diese Formulierung kann nur so verstanden werden, dass der Messbeamte die zur Tatzeit geltende Bedienungsanleitung beachtet hat.

e) Soweit der Betroffene eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, indem der Bußgeldrichter eine Tatsache - hier die Schulung des Messbeamten im Umgang mit dem Messgerät - ohne vorherigen Hinweis seiner Entscheidung als gerichtsbekannt zugrunde gelegt hat, ist die Rüge ebenfalls unzulässig. Als gerichtskundig in die richterliche Überzeugungsbildung einbezogene Tatsachen müssen - nicht protokollierungspflichtig (BGHSt 36, 354) - in der Form Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen sein, dass das Gericht darauf hingewiesen hat, es werde diese Tatsachen möglicherweise als offenkundig seiner Entscheidung zugrunde legen (BGH NStZ 1995, 246; Meyer-Goßner, a.a.O., § 261 Rdnr. 7; Göhler, a.a.O., § 71 Rdnr. 47c). Dies gilt auch für das Abwesenheitsverfahren. Auch dort dürfen gerichtskundige Tatsachen nur dann verwertet werden, wenn der Betroffene zuvor auf deren beabsichtigte Verwertung hingewiesen worden ist (Göhler, a.a.O., § 74 Rdnr. 17). Eine darauf gestützte Verfahrensrüge erfüllt jedoch nur dann die formellen Anforderungen der §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, wenn der Rechtsbeschwerdeführer schlüssig und nachvollziehbar darlegt, dass auch vor der Hauptverhandlung weder im Zusammenhang mit der Ladungsverfügung noch in sonstiger Weise auf die Verwertung der Tatsache als gerichtskundig hingewiesen wurde. Ausgehend hiervon ist bereits zweifelhaft, ob die Rechtsbeschwerdebegründung, die sich in dem Vortrag, ein Hinweis sei zu keinem Zeitpunkt erfolgt, erschöpft, diesen Anforderungen genügt. Unzulässig ist die Rüge jedenfalls deshalb, weil ihr nicht entnommen werden kann, was der Betroffene bei erteiltem Hinweis im Rahmen seiner Verteidigung für sich ins Feld geführt hätte.

f) Die Rüge, die Einlassung des Betroffenen sei nicht wiedergegeben worden, ist bereits deshalb unbegründet, weil die Behauptung, wie sich aus den Urteilsgründen ergibt, (vgl. UA Seite 4, 4. Absatz) unzutreffend ist.

2. a) Auch die im Rahmen der allgemeinen Sachrüge erfolgte Nachprüfung des Schuldspruchs wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben. Die Urteilsgründe tragen eine Verurteilung wegen einer Vorsatztat.

Da der PKW-Verkehr auf Autobahnen grundsätzlich keinen Geschwindigkeitsbegrenzungen unterliegt, eine Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf diesen Straßen - wie hier - vielmehr nur dann gilt, wenn sie durch Zeichen 274 angeordnet worden ist (vgl. § 3 Abs. 3 Nr. 2c Satz 2, 41 Abs. 2 Nr. 7 StVO), setzt eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung auf Autobahnen voraus, dass der Fahrzeugführer die beschränkenden Verkehrszeichen wahrgenommen hat (st. Rspr. beider Senate vgl. dazu nur: Beschlüsse 1 Ss 283/02 v. 20.01.2003, 1 Ss 315/06 v. 28.03.2007, 2 SsBs 26/12 v. 26.04.2012). Dabei kann davon ausgegangen werden, dass aufgestellte Verkehrszeichen von den Verkehrsteilnehmern in aller Regel wahrgenommen werden, so dass der Tatrichter von diesem Regelfall grundsätzlich ausgehen darf (vgl. BGH NJW 1997, 3252, 3254; OLG Koblenz, Beschlüsse 1 Ss 107/04 v. 24.05.2004 u. 1 Ss 315/06 v. 28.03.2007). Einen Erfahrungssatz dahingehend, dass Verkehrszeichen von Kraftfahrern erst dann wahrgenommen werden, wenn sie mehrfach hintereinander oder in besonders hervorgehobener Weise aufgestellt worden sind oder sonstige auffällige Besonderheiten auf ihr Bestehen aufmerksam machen, gibt es nicht. Daher hängt die richterliche Überzeugungsbildung nicht davon ab, ob der Betroffene vor der Geschwindigkeitsmessung an einem oder mehreren Verkehrszeichen vorbeigefahren ist. Der Tatrichter hat dem Betroffenen die Wahrnehmung des die Geschwindigkeit beschränkenden Verkehrszeichens im Einzelnen nur dann nachzuweisen, wenn der Betroffene eine Kenntnis der Beschränkung bestreitet oder besondere Umstände des Einzelfalls Anlass zu Zweifeln geben. Da der Betroffene weder behauptet hat, das Verkehrszeichen übersehen zu haben, noch sonstige Anhaltspunkte hierfür ersichtlich sind, waren weitere Feststellungen hierzu entbehrlich.

Zwar erfordert eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung neben der Kenntnis von der Geschwindigkeitsbegrenzung zudem das Bewusstsein, dass die Fahrgeschwindigkeit die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreitet oder dass der Betroffene dies zumindest billigend in Kauf genommen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung beider Senate des Oberlandesgerichts ist bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften von mindestens 40 km/h allerdings grundsätzlich von vorsätzlicher Begehungsweise auszugehen (st. Rechtspr. beider Senate vgl. Senatsbeschlüsse 2 Ss 4/99 a.a.O., abgedruckt DAR 1999, 227, 2 Ss 304/00 v. 09.01.2001 u. 2 Ss 10/00 v. 26.01.2000; 1 Ss 315/06 v. 28.03.2007, 1 Ss173/04 v. 02.07.2004, 1 Ss 207/02 v. 09.10.2002 u. 1 Ss 181/00 v. 18.08.2000). Ausgehend hiervon sind die Urteilsausführungen hierzu nicht zu beanstanden, zumal der Betroffene selbst nicht behauptet hat, dass er sich seiner tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit nicht bewusst war.

b) Dagegen ist der Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der festgesetzten Geldbuße rechtsfehlerhaft, da die Feststellungen des Amtsgerichts hierzu lückenhaft sind.

Bei nicht geringfügigen Ordnungswidrigkeiten sind bei der Bußgeldbemessung die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters in Betracht zu ziehen (§ 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG). Hierunter sind alle Umstände zu verstehen, welche die Fähigkeit des Täters, eine Geldbuße in bestimmter Höhe aufzubringen, beeinflussen (BGH NJW 1952, 34, 35). Grundsätzlich kann sich der Bußgeldrichter auf solche Feststellungen beschränken, die eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betroffenen in Bezug auf eine bestimmte, der Bedeutung der Sache angemessene Geldbuße nach allgemeiner Lebenserfahrung im Regelfall begründen. Es ist nicht stets erforderlich, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Täters im Einzelnen zu ermitteln. Häufig wird die Fähigkeit, eine bestimmte Geldbuße aufzubringen, schon den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen, vor allem seiner beruflichen Tätigkeit und Stellung, ohne weiteres zu entnehmen sein. In dem Maße, in dem sich die Höhe der Geldbuße jedoch der nach dem Regelfall oder aufgrund besonderer Umstände anzunehmenden Grenze der Leistungsfähigkeit annähert, müssen auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen in den Vordergrund treten. Kommt eine relativ hohe Geldbuße in Betracht, muss die Leistungsfähigkeit des Täters stets berücksichtigt werden. In einem solchen Fall ist es erforderlich, eingehende Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen zu treffen. Mit einem Rückgriff auf Zahlungserleichterungen gemäß § 18 OWiG kann sich der Bußgeldrichter diesem Gebot dann nicht entziehen. Denn die Zahlungserleichterungen sind nicht dazu geschaffen, die Bußgeldbemessung als solche zu korrigieren. Sie können daher nicht zur Begründung einer gemessen an der Leistungsfähigkeit des Betroffenen übermäßigen Bußgeldhöhe herangezogen werden (OLG Koblenz, Beschlüsse 1 Ss 283/97 v. 04.11.1997; 1 Ss 283/02 v. 20.01.2003; 1 SsBs 61/11 v. 29.04.2011).

Danach bedarf es zur Begründung einer Geldbuße, die hier mit 400 € nur wenig über der Geringfügigkeitsgrenze von 250 € liegt, jedenfalls näherer Feststellungen zur Leistungsfähigkeit des Betroffenen, wobei die Angabe der beruflichen Tätigkeit und Stellung, soweit diese auf ein geregeltes Einkommen hindeuten, ausreichen würde. Daran fehlt es vorliegend.

Von dem aufgezeigten Darstellungsmangel nicht betroffen, da frei von Rechtsfehlern, ist die angeordnete Nebenfolge des Fahrverbots. Der Bußgeldrichter hat gemäß § 4 Abs. 1 BKatV das für fahrlässige Begehungsweise geltende Regelfahrverbot angeordnet und war sich dabei der Regelung des § 4 Abs. 4 BKatV bewusst. Da demzufolge nach Verneinung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 BKatV das Regelfahrverbot anzuordnen ist, kann eine sonst zu beachtende Wechselwirkung mit der zu verhängenden Geldbuße (vgl. Göhler, a.a.O., § 79 Rdnr. 9; KK-Senge, a.a.O., § 79 Rdnr. 144) ausgeschlossen werden.

Da weitere Feststellungen zum Bußgeldausspruch erforderlich sind, ist der Senat an einer eigenen Entscheidung in der Sache (§§ 79 Abs. 6 OWiG) gehindert. Die Sache ist daher im aufgezeigten Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, gemäß §§ 79 Abs. 3 OWiG, 354 Abs. 2 StPO an das Amtsgericht Bad Neuenahr-Ahrweiler zurückzuverweisen, wobei es angezeigt ist, die Sache gemäß § 79 Abs. 6 OWiG an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.