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OLG Celle Beschluss vom 30.08.2011 - 322 SsBs 175/11 - Verfallsanordnung und Kausalbeziehung zwischen Tat und erlangtem Vorteil

OLG Celle v. 30.08.2011: Verfallsanordnung und Anforderungen an die Feststellung einer unmittelbaren Kausalbeziehung zwischen Tat und erlangtem Vorteil


Das OLG Celle (Beschluss vom 30.08.2011 - 322 SsBs 175/11) hat entschieden:
  1. Die Verfallanordnung gemäß § 29a OWiG setzt eine unmittelbare Kausalbeziehung zwischen der Tat und dem aus dieser oder für diese erlangten Etwas, dem Vorteil, voraus.

  2. Die Feststellung des Vorliegens einer solchen Kausalbeziehung erfordert zunächst die Ermittlung des konkret Erlangten und erst anschließend die Bestimmung von dessen Wert.

  3. Bei der Ermittlung und Bestimmung des Wertes des durch oder aus der Tat Erlangten können im Rahmen bei dem Verfall nach § 29a Abs. 1 und 2 OWiG sogenannte rechtmäßige hypothetische Kausalverläufe nicht berücksichtigt werden.

Siehe auch Die Verfallsanordnung im Bußgeldverfahren und Bußgeldverfahren / Ordnungswidrigkeitenverfahren


Gründe:

I.

1. Der Landkreis H. hatte mit Datum vom 8. Juli 2010 gegen die betroffene GmbH als Verfallsbeteiligte aufgrund eines Verstoßes gegen § 30 Abs. 3 StVO einen Verfallbescheid über einen Geldbetrag in Höhe von 1.500 Euro erlassen. Die Behörde hatte den Bescheid darauf gestützt, dass die Betroffene als Halterin eines Lastzuges gegenüber dem Fahrer dieses Lkw nicht für die Einhaltung des Sonntagsfahrverbotes gesorgt habe. Der Fahrer habe deswegen am Tattag, dem 31. Januar 2010, ohne Vorliegen einer Ausnahmegenehmigung einen Transport von 18.153 kg Körperpflegemittel von B. nach M. durchgeführt. Zu der Höhe des für verfallen erklärten Betrages hatte der Landkreis H. ausgeführt, die Transportkosten für die genannte Strecke von 550 km auf der Grundlage der Tabelle „Kostensätze Gütertransport Straße“ geschätzt zu haben.

Auf den Einspruch der Betroffenen hin hat das Amtsgericht durch das jetzt angefochtene Urteil wegen des Verstoßes gegen § 30 Abs. 3 S. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 25 StVO i.V.m. § 24 StVG den Verfall eines Geldbetrages i.H.v. 660,-​- Euro angeordnet. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts ist die Betroffene Halterin eines näher bezeichneten Lastzuges, mit dem am Tattag 33 Paletten Körperpflegemittel von B. aus transportiert wurden, die in M. abzuliefern waren. Der Lastzug wurde auf der BAB 1 in der Gemeinde S. kontrolliert und dabei das Fehlen einer Ausnahmegenehmigung für die Fahrt an Sonn- und Feiertagen festgestellt. Der Fahrer des Lastzuges war seitens der Halterin bzw. durch für diese handelnde Personen angewiesen worden, die Fahrt ungeachtet der fehlenden Erlaubnis bereits um die Mittagszeit des Tattages anzutreten. Seine Feststellungen hat das Amtsgericht auf die Einsichtnahme in den Auslieferungsschein und die Angaben der Betroffenen gestützt. Deren Verhalten wertet das Amtsgericht als fahrlässige Ordnungswidrigkeit nach den o.g. Bestimmungen. Bei dem für verfallen erklärten Betrag hat der Bußgeldrichter den Erlös für die Frachtbeförderung ohne Berücksichtigung der Mehrwertsteuer und eines zusätzlichen Auftrages zugrunde gelegt.

2. Gegen dieses Urteil wendet sich die Betroffene als Verfallsbeteiligte mit der Rechtsbeschwerde. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und vertritt die Auffassung, es komme ein entschuldigender Notstand in Betracht. Die Anweisung der Halterin an den Fahrer, die Fahrt bereits mittags statt erst zur Nachtzeit anzutreten, habe Gefährdungen vermieden, die wegen des starken Schneefalls in den Gefällstrecken des Harzes und in den Kasseler Bergen bei der nächtlich geringeren Räumfrequenz hätten eintreten können. Darüber hinaus wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die Höhe des für verfallen erklärten Betrages. Unter Verweis auf eine Entscheidung des OLG Koblenz vertritt sie die Rechtsauffassung, angesichts des für die Höhe des Verfalls geltenden Bruttoprinzips könne lediglich das abgeschöpft werden, was spiegelbildlich dem Vermögensvorteil entspreche, den der Drittbegünstigte aus der Tat gezogen habe. Auf dieser Grundlage liege ein bei der Betroffenen als Verfallsbeteiligter erzielter Vorteil lediglich dann vor, wenn der fragliche Transport schlechterdings nicht genehmigungsfähig gewesen wäre. Hier hätte allerdings bei der zuständigen Behörde eine Einzelgenehmigung für die unternommene Fahrt eingeholt werden können. Für die Genehmigung wären Kosten in Höhe von etwa 50,00 - 70,00 Euro entstanden. Zudem sei bis zu der Polizeikontrolle im Raum S. lediglich rund 1/7 der gesamten vorgesehenen Strecke zurück gelegt worden, so dass auch höchstens 1/7 des vereinbarten Beförderungsentgeltes hätte für verfallen erklärt werden können.


II.

Das Rechtsmittel hat auf die Sachrüge hin - zumindest vorübergehend - Erfolg. Die getroffenen Feststellungen tragen die Entscheidung über die Höhe des für verfallen erklärten Betrages nicht in ausreichender Weise.

1. a) Der rechtliche Ausgangspunkt des Bußgeldrichters, die Höhe des Verfallsbetrages gegen die Drittbegünstigte im Sinne von § 29 a Abs. 2 OWiG auf das Entgelt zu beziehen, das die Betroffene für die Durchführung des fraglichen Transportes von B. nach M. ohne Berücksichtigung der Mehrwertsteuer erzielt hat, ist allerdings entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht zu beanstanden. Vielmehr entspricht dieser Ausgangspunkt den gesetzlichen Voraussetzungen der Verfallsanordnung in § 29 a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 OWiG. Diese stellen nach der Änderung des Wortlautes der genannten Vorschrift durch das 5. AWStGBÄndG (BGBl. 1992 I, S. 372) auf das durch oder für die Tat erlangte „Etwas“ ab und legen damit für die Bestimmung der Höhe des Erlangten das sog. Bruttoprinzip zugrunde (BayObLG wistra 2000, 395, 397; BayObLG NStZ-​RR 1997, 339, 340; Senat vom 16.5.1997 - 2 Ss (OWi) 385/96, NStZ 1997, 554, 556; OLG Koblenz ZfSch 2007, 108 ff.; OLG Zweibrücken NStZ-​RR 2010, 256 f.; Drathjer, Die Abschöpfung rechtswidrig erlangter Vorteile im Ordnungswidrigkeitenrecht, 1997, S.36 ff.; Rönnau, Vermögensabschöpfung im Strafrecht, 2003, Rn. 30; Mitsch, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 3. Aufl., 2006, § 29a Rn. 27; Gürtler, in: Göhler, OWiG, 15. Aufl., 2009, § 29a Rn. 6; siehe auch Franzheim, FS für Gaul, 1992, S. 133 ff.). Unter die gesetzliche Formulierung „für eine mit Geldbuße bedrohte Handlung oder aus ihr etwas erlangt“ lassen sich sämtliche wirtschaftlichen Werte fassen, die in irgendeiner Phase des Tatablaufs durch den Täter oder den Drittbegünstigten erlangt wurden (Senat a.a.O.). Wie der Senat bereits entschieden hat, soll nach dem im Gesetzeswortlaut „etwas erlangt“ hinreichend zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers über den Verfall in § 29a Abs. 1 und 2 OWiG alles das, was der Täter oder der von ihm vertretene Dritter für die mit Geldbuße bedrohte Handlung oder aus ihr erlangt hat, ohne Abzug gewinnmindernder Kosten abgeschöpft werden können (Senat a.a.O.).

Die Verfallanordnung nach § 29 a OWiG setzt allerdings - wie die strafrechtliche Verfallsanordnung nach § 73 Abs. 1 S. 1 StGB - als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal eine unmittelbare Kausalbeziehung zwischen der mit Geldbuße bewehrten Tat und dem aus dieser oder für diese erlangten Etwas, dem Vorteil, voraus (siehe nur Gürtner, in: Göhler, OWiG, § 29 a Rn. 10 m.w.N.). Aus dem Erfordernis der unmittelbaren Kausalbeziehung zwischen der Ordnungswidrigkeit und dem Erlangten folgt, dass das über die Verfallsanordnung Abgeschöpfte spiegelbildlich dem erzielten Vermögensvorteil entsprechen muss (OLG Koblenz ZfSch 2007, 108, 111; OLG Zweibrücken NStZ-​RR 2010, 256, 257; Gürtner, in: Göhler, OWiG, § 29a Rn. 10; siehe auch Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 176-​181). Um das Vorliegen einer solchen unmittelbaren Kausalbeziehung feststellen zu können, muss der Tatrichter zunächst das aus der Tat oder für die Tat Erlangte genau bestimmen (vgl. BGH NJW 2002, 2557 ff.; Rönnau a.a.O. Rn. 178). Erst in einem zweiten Schritt kann dann - ggf. unter Rückgriff auf die in § 29 a Abs. 3 OWiG gestattete Schätzung - der wertmäßige Umfang des Erlangten bestimmt werden.

Bei der Ermittlung und Bestimmung des Wertes des durch oder aus der Tat erlangten Etwas können im Rahmen von § 29 a Abs. 1 und 2 OWiG sog. rechtmäßige hypothetische Kausalverläufe nicht berücksichtigt werden (in der Sache ebenso OLG Zweibrücken NStZ-​RR 2010, 256, 257; Drathjer a.a.O. S. 99 f.; Gürtler, in: Göhler, OWiG, § 29a Rn. 12). Eine solche Berücksichtigung, auf die auch die Rechtsbeschwerde mit dem Hinweis auf die grundsätzliche Genehmigungsfähigkeit des durchgeführten Transports an einem Sonntag abhebt, wird gelegentlich unter Berufung auf die Grundsätze der objektiven Zurechnung im Strafrecht - und entsprechend im Ordnungswidrigkeitenrecht - gefordert (siehe Rönnau, Vermögensabschöpfung, Rn. 195-​197). Als aus der Tat bzw. durch diese „erlangt“ könne lediglich das angesehen, was aus dem durch den Täter geschaffenen unerlaubten Risiko hervorgegangen sei (Rönnau a.a.O. Rn. 196). Bestehe dagegen ein „legaler Sockel“ oder ein „legaler Tatanteil“, müsse dieser bei der Wertberechnung des für verfallen zu erklärenden Geldbetrages beachtet und die Abschöpfung dementsprechend auf den Teil des Erlangten beschränkt werden, der zurechenbar aus der rechtswidrigen Tat herrühre (Rönnau a.a.O. Rn. 196; für die Bestimmung der Höhe der Geldbuße nach § 17 Abs. 4 OWiG ebenso Drathjer a.a.O. S. 73 f.). Eine solche Berücksichtigung rechtmäßiger hypothetischer Kausalverläufe steht jedoch weder mit der Entscheidung des Gesetzgeber für die Bestimmung der Höhe des Verfallsbetrages auf der Grundlage des Bruttoprinzips noch mit dem hinter dieser Entscheidung auch stehenden gesetzgeberischen Zweck, mit dem früheren Nettoprinzip verbundene Beweisschwierigkeiten zu vermeiden (vgl. BT-​Drucks. 12/989 S. 23), in Einklang. Wie von Rönnau selbst eingeräumt wird, führt die Einbeziehung von rechtmäßigen hypothetischen Kausalverläufen zumindest in einzelnen Fällen, wenn auch nicht durchgängig, zu einer Bestimmung der Höhe des Erlangten, die mit der auf der Grundlage des Nettoprinzips identisch ist (a.a.O. Rn. 200). Der Übergang vom Nettoprinzip zum Bruttoprinzip als Maßstab für die Ermittlung bzw. Bewertung der Höhe der erlangten Tatvorteile sollte jedoch gerade die Berücksichtigung mit dem Nettoprinzip verbundener Abzugsmöglichkeiten vom Bruttoerlös ausschließen. Vor allem aber führte die Berücksichtigung von hypothetischen rechtmäßigen Kausalverläufen dazu, den Bußgeldbehörden und Strafgerichten stets aufzugeben, solche Kausalverläufe unter Inkaufnahme sämtlicher damit verbundener Nachweisschwierigkeiten zum Gegenstand der von Amts wegen vorzunehmenden Sachaufklärung und der notwendigen Feststellungen zu machen. Die Beweisschwierigkeiten in Bezug auf hypothetische Kausalverläufe dürften dabei regelmäßig sogar über die von im Rahmen des Nettoprinzips abzugsfähigen Positionen hinausgehen, weil es sich um Hypothesen handelt. Da der Gesetzgeber mit dem Übergang zum Bruttoprinzip gerade auch derartige Nachweis- bzw. Beweisschwierigkeiten ausschließen, zumindest aber in ihrer Bedeutung reduzieren wollte, lässt sich die Forderung nach der Berücksichtigung von hypothetischen rechtmäßigen Kausalverläufen nicht mit der Grundentscheidung für das Bruttoprinzip als relevantem Maßstab vereinbaren.

Darüber hinaus wäre eine Berücksichtigung von hypothetischen rechtmäßigen Kausalverläufen bei der Bestimmung des Wertes des Erlangten nach Maßgabe des Bruttoprinzips kaum mit dem Rechtscharakter des Verfalls und den mit diesem Instrument der Vermögensabschöpfung verfolgten Zwecken zu vereinbaren. Das Bundesverfassungsgericht hat - unter Bezugnahme auf die Vorstellungen des Gesetzgebers (vgl. BT-​Drucks. 11/6623 S. 4 und 6 f. sowie BT-​Drucks. 12/989 S. 23) jeweils in Bezug auf den erweiterten Verfall im allgemeinen Strafrecht (§ 73d StGB) - den strafrechtlichen Verfall und den dortigen erweiterten Verfall (§ 73, § 73 d StGB) nicht als staatliche Maßnahme mit strafendem oder strafähnlichem Charakter eingeordnet, sondern als eine solche eigener Art, die einen kondiktionsähnlichen Charakter trage (BVerfGE 110, 1, 15 und 16). An diesem Charakter hat sich durch den Übergang vom Netto- zum Bruttoprinzip nichts geändert (BVerfGE 110, 1, 20 f.). Vielmehr habe der Gesetzgeber mit dem am Bruttoprinzip orientierten Verfall lediglich grundlegende Wertungen des Bereicherungsrechts der §§ 812 ff. BGB übernommen. Bei dem Kondik​tionsrecht handele es sich um ein zivilrechtliches Instrument zur "Korrektur irregulärer Vermögenszuordnungen, das allein den gutgläubigen Bereicherungsschuldner vor Vermögenseinbußen schützt", dem Bösgläubigen aber wirtschaftliche Verlustrisiken zuweist (BVerfGE 110, 1, 21). Insgesamt habe der Gesetzgeber mit den Vorschriften über den (strafrechtlichen) Verfall dem von einer Verfallanordnung Betroffenen eine rechtliche Begünstigung versagen und die im zivilrechtlichen Bereicherungsrecht vorgefundenen Risikozuweisungen in das strafrechtliche Instrument des Verfalls übernehmen wollen (BVerfGE 110, 1, 22). Auf der Grundlage dieser Einordnung des strafrechtlichen Verfalls, die für den Verfall im Ordnungswidrigkeitenrecht in gleicher Weise gelten, und der der Senat folgt, kann für die Berücksichtigungsfähigkeit hypothetischer rechtmäßiger Kausalverläufe nicht auf Wertungskriterien aus der strafrechtlichen Lehre von der objektiven Zurechnung (siehe Rönnau, a.a.O. Rn. 195 f.) zurückgegriffen werden. Liegen dem Verfall kondiktionsrechtliche Wertungen zugrunde, können auf dieses Instrument der Vermögensabschöpfung, das eben keinen Strafcharakter trägt, nicht ohne Weiteres strafrechtliche Wertungen übertragen werden, die aus einem völlig anderen Kontext stammen, nämlich der Abgrenzung von Verantwortungsbereichen bei der Herbeiführung von straftatbestandsrelevanten Rechtsgutsbeeinträchtigungen. Jedenfalls darf vor dem Hintergrund des kondiktionellen Charakters des Verfalls die Handhabung des Bruttoprinzips nicht dazu führen, die Risikozuweisungen des Bereicherungsrechts völlig zu überspielen. Gerade diese Gefahr besteht aber, wenn im Rahmen der Bestimmung des Wertes des aus der oder für die Tat Erlangten die hypothetische Möglichkeit der rechtmäßigen Erlangung eines Teils des tatsächlich erreichten Vermögensvorteils beachtet werden müsste.

b) Der Senat weicht mit diesem für die Bestimmung des Wertes des Erlangten im Rahmen von § 29 a Abs. 1 und 2 OWiG entwickelten Maßstab nicht in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte ab. Zwar hat das Oberlandesgericht Koblenz für eine Anwendung des Bruttoprinzips bei § 29 a OWiG die Auffassung vertreten, bei der Durchführung eines unter Verstoß gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften über die Gesamtbreite erfolgten Lkw-​Transports könne der dafür erzielte Erlös lediglich dann der dem Verfall unterliegende Vorteil sein, wenn der fragliche Transport "schlechterdings nicht genehmigungs- bzw. erlaubnisfähig gewesen wäre." Ansonsten könnten lediglich ersparte Aufwendungen, die etwa für die Einholung einer Genehmigung angefallen wären, abgeschöpft werden (OLG Koblenz ZfSch 2007, 108, 111). Allerdings hatte das Oberlandesgericht Koblenz (a.a.O.) über eine tatsächliche Konstellation zu entscheiden, in der vom Tatrichter keine Feststellungen zu dem tatsächlich Erlangten und dessen Wert hatten getroffen werden können, so dass es lediglich auf die Angabe von Kalkulations- bzw. Schätzgrundlagen (§ 29 a Abs. 3 S. 1 OWiG) ankam (vgl. OLG Zweibrücken NStZ-​RR 2010, 256, 257). Der Senat hat dagegen zu überprüfen, ob der Tatrichter das tatsächlich von der Verfallsbeteiligten aus dem Transport Erlangte und dessen Wert anhand des Maßstabs von § 29a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 OWiG zutreffend bestimmt hat.

c) Nach den vorstehenden Maßstäben ist es rechtlich im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden, dass der Tatrichter das für den durchgeführten Transport der Verfallsbeteiligten zugeflossene Entgelt als „erlangt“ im Sinne von § 29 a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 OWiG angenommen und bei der Bestimmung von dessen Wert lediglich die für dieses Transportgeschäft angefallene Mehrwertsteuer unberücksichtigt gelassen hat. Zwischen der unter Verstoß gegen das Sonntagsfahrverbot durchgeführten Fahrt (der Tat) und der für diese erzielten Transportvergütung bestünde auch die erforderliche unmittelbare Kausalbeziehung. Das Entgelt wäre gerade der Vorteil, der der Betroffenen als Verfallsbeteiligten aufgrund der Anordnung ihres Geschäftsführer an den Fahrer, den Transport ungeachtet der fehlenden Genehmigung bereits am Sonntagmittag zu beginnen, zugeflossen ist. Dabei käme es nicht darauf an, ob der Fahrer den Transport nach der Kontrolle auf der BAB 1 in der Gemarkung S. unmittelbar oder erst nach dem zeitlichen Ablauf des Sonntagsfahrverbotes fortgesetzt und damit teilweise rechtmäßig durchgeführt hat. Für die Bestimmung des aus der Ordnungswidrigkeit Erlangten lässt sich der Transport nicht in einen verbotenen und einen erlaubten Teil aufspalten. Das Entgelt wird für den Transport als solchen gezahlt. Die (denkbare) Aufspaltung stellte sich zudem als Anerkennung von Kriterien wie die des "legalen Sockels" oder des "legalen Tatanteils" (dazu Rönnau, a.a.O., Rn. 196) dar. Solche Kriterien sind aber mit dem Bruttoprinzip aus den zu dem Aspekt des "hypothetischen rechtmäßigen Kausalverlaufs" dargelegten Gründen (II.1.a) nicht zu vereinbaren.

2. Allerdings reichen die vom Tatrichter getroffenen Feststellungen nicht aus, um die Annahme eines Transportentgeltes in Höhe von 660,-​- Euro und damit auch die Höhe des entsprechenden Verfallbetrages zu belegen. So ist selbst dem Gesamtzusammenhang des angefochtenen Urteils nicht zu entnehmen, ob es sich bei dem genannten Betrag lediglich um das vereinbarte Entgelt handelt und ob es der Betroffenen auch tatsächlich als Entgelt für die Durchführung des Transportes zugeflossen ist. Auf Letzteres kommt es jedoch an. Der finanzielle Vorteil aus der Tat, der durch die Verfallanordnung abgeschöpft werden soll, muss die Betroffene tatsächlich erlangt haben (Fromm/Schmuck SVR 2007, 405, 406). Dazu verhält sich das Urteil aber nicht.

3. Darüber hinaus lässt das Urteil nicht in ausreichender Weise die Ausübung des dem Tatrichter bei der Entscheidung nach § 29 a Abs. 2 OWiG eingeräumten Ermessens hinsichtlich des Ob der Anordnung des Verfalls gegen den Drittbegünstigten und hinsichtlich der Höhe des für verfallen zu erklärenden Betrages erkennen. Das tatrichterliche Urteil muss ergeben, dass sich das Gericht der Notwendigkeit seiner eigenen Ermessensentscheidung bewusst war und sich nicht ausschließlich auf eine Überprüfung der Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde beschränkt hat (OLG Koblenz ZfSch 2007, 108, 109; OLG Zweibrücken NStZ-​RR 2010, 256 f.; OLG Zweibrücken SVR 2011, 73 f.; Gürtler, in: Göhler, OWiG, § 29a Rn. 19 i.V.m. Rn. 26; Fromm/Schmuck SVR 2007, 405, 407; Podolsky/Brenner, Vermögensabschöpfung im Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren, 4. Aufl., 2010, S. 198). In die nach § 29a Abs. 2 StPO gebotene Ermessensentscheidung ist nicht ausschließlich einzubeziehen, ob sich die Anordnung des Verfalls als unbillige Härte erweist, sondern auch, ob sonstige Gründe vorliegen, die dazu führen können, den Entzug des gesamten Vorteils der Tat als besondere wirtschaftliche Härte anzusehen. In diesem Zusammenhang kann auch von Bedeutung sein, dass der Transport zunächst bereits auf der BAB 1 in der Gemarkung S. gestoppt worden ist. Sollte eine Fortsetzung erst nach dem zeitlichen Ende des Sonntagsfahrverbotes erfolgt sein, wozu bislang keine Feststellungen getroffen worden sind, könnten sich Belastungen für die Betroffenen ergeben haben, die in die Ermessensentscheidung grundsätzlich einzubeziehen wären (OLG Zweibrücken SVR 2007, 73, 74), mag auch die Berücksichtigung nicht zu einem Absehen von der Anordnung des Verfalls führen.

Diesen Anforderungen an die Ermessensausübung wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Es beschränkt sich insoweit auf eine knappe Erwägung dahin gehend, eine unbillige Härte sei von der Betroffenen nicht vorgetragen worden.

Angesichts dessen war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an denselben Bußgeldrichter zurückzuverweisen.